Wie immer sehr ordentlich geschrieben, Walther. Aber ich habe zwei Anmerkungen.
Die erste wäre: S1V3 - Es kann nicht jeder Dichter werden.
Das halte ich für eine gewagte Äußerung. Ich würde sagen, nicht jeder kann ein Genie sein, aber schreiben kann im Grunde jeder, jeder kann ein Dichter werden. Vorausgesetzt, er hat eine unbändige Liebe zur Literatur, ist sozusagen eine Leseratte, hat sich genügend Wissen angeeignet und hat Zeit und Ausdauer, immer wieder hinzuzulernen. Nun gibt es natürlich einen Unterschied zwischen Schreiben und Schreiben. Und das ist gut so, denn sonst wären wir alle Genies, und keiner würde es merken. Das wäre doch schade. Ich meine das mit dem Merken.
Die zweite wäre: S3V4 - Nur en passant gelingt es richtig.
Ich denke, en passant drückt meiner Ansicht nach aus, dass man gute Gedichte nur zufällig schreibt. Sicher spielt öfter mal der Zufall beim Finden des Sujets und Formulieren eine Rolle, das will ich nicht verkennen. Mir ist diese Formulierung aber zu absolut. Um schreiben zu können (ich nenne es mal nicht "Dichter werden") ist Grundvoraussetzung eine solide Allgemeinbildung (Spötter meinen, von jedem etwas und von allem nichts), eine unbedingte Liebe zur Literatur, Fleiß und Ausdauer, sich auch Wissen auf bestimmten speziellen Gebieten anzueignen, und vor allem: Den Platz zum Schreiben zu haben. Wenn man schreibt, hört man mit dem Lernen nicht auf, sonst wird es nichts. Ich meine, jeder, der schreibt, weiß auch dies: Man hat nur eine beschränkte Anzahl von Texten, die man selbst als gelungen ansieht, der Rest ist Mittelmaß, was man sich in Momenten größerer Objektivität klammheimlich eingesteht - oder nicht.
Als Schwänzchen noch eine kleinere Anmerkung:
Ein bisschen hadere ich mit dem "wohlmeinenden" Kritiker. Jede Kritik kratzt am Selbstbewusstsein des Autors, und da ist es egal, ob sie wohlmeinend oder nicht wohlmeinend ist. Das hat sogar Brecht eingestanden, und der litt nun wahrlich nicht an fehlendem Selbstbewusstsein. Für den Autor scheint mir sehr wichtig zu sein, nicht sofort eingeschnappt zu sein und zu denken: Mensch, der will mir an den Kragen! Nicht nur der Text, sondern auch die Textkritik ist Sache sowohl des Kritikers als auch des Autors. Leicht gesagt, nie wirklich erreicht. Denn ich meine, nicht ganz unbekannt sind die Dichterkriege zwischen Profis. Und wir sind keine Profis, da kann es schon mal schiefgehen, und nicht immer hat der Kritiker recht, aber auch nicht der Autor. Das hält sich die Waage. Grund: Das sind zwei verschiedene Menschen. Und damit müssen wir leben. Den schlechten Ruf als Kritiker muss man sich verdienen.
Gruß, blackout