An Dantes Grab II

3,00 Stern(e) 1 Stimme
(Kleiner Beitrag zum Thema "Christliches Abendland")

War’s Arroganz? War’s Hass? War’s Politik?
Sein Urgroßvater nahm am Kreuzzug teil.
Das Rätsel aber bleibt: Warum hat er
den Stifter des Islam so hart bestraft?

Nein, hat er nicht, er hat ihn nur fiktiv
versetzt in jenen neunten Kreis der Hölle,
in dem die Spalter, selbst gespalten, schmachten,
und hat ihm Eidam Ali zugesellt.

Doch Licht ins Dunkel könnt‘ ein Büchlein bringen,
das „liber schalae machometi“, das
den Aufstieg des Propheten in den Himmel,
den Abstieg in die Hölle hat beschrieben,

wo er auf mancherlei Berühmtheit trifft:
Der Florentiner hat den Masterplan,
ja, die Struktur seines Jahrtausendwerks
muslim’scher Quelle anstandslos entnommen.

Um diese Herkunft zu verschleiern, hat
er den Mekkaner derart schlecht behandelt,
dass die Idee, er danke dem Islam
den Aufbau der „Komödie“, fortan

absurd erscheinen soll für alle Zeit.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
libri descensûs

Das ist hochinteressant.

Ich kenne leider den liber schalae nicht. Durchaus aber andere "Höllenfahrten", das ist eine alte Tradition.
Die "Höllenfahrt Jesu" ist Bestandteil des Credos geworden, wird im Petrusbrief erwähnt. Ansonsten ist das Nikodemus-Apokryphon die Hauptquelle dafür ("Pilatus-Akten").
Höllenfahrten Marias und anderer in den Apokryphen.
Vielleicht reicht das bis ins Gilgamesch-Epos zurück.

Die Hauptquelle für Dante bleibt natürlich Vergil, Aeneis VI. Deshalb führt den Dichter, so wie in der Aeneis den Aeneas die Sibylla, Vergilius Maro himself in die Tiefen der Erdglobus-Zwiebel.
 
Hallo Mondnein,
freue mich, dass Du Dich dafür interessierst. Das liber schalae machometi habe ich auch nicht gelesen, beziehe mich auf die Aussagen der Sekundärliteratur, die aber immer mehr anschwillt, vgl. den Artikel "Himmelfahrt Mohammeds" in der Wikipedia (besonders der letzte Absatz "Die Himmelfahrtslegende und Dante") und z.B. http://lieberknecht.de/~diss/papers/p_moham.pdf sowie http://www.arabnews.com/node/379417
Gut und nachvollziehbar finde ich die Formulierung, es habe sich bei Dante um eine "polemisch orientierte Inspiration" gehandelt.
Mit Gruß
E. L.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Eike Leikart,
ich habe Deinen Beitrag erst heute gelesen. Ein anspruchsvoller Stoff, den Du flüssig in Verse gegossen hast.
Leider kenne auch ich den Kitab-al-Miraj (liber scale Machometi) nicht, das in arabisch geschriebene Buch über die Auffahrt Mohameds in den Himmel und der Begegnung mit Gott. Dabei lernt er auch die Struktur der Hölle kennen, bevor er wieder zu den Menschen zurückkehrt und darüber berichtet. Zuvor noch die berühmte Nachtreise von Mekka nach Jerusalem.
Es wird heute allgemein angenommen, dass Dante bei seinen Ideen über der strukturellen Aufbau der Hölle von dem Kitab-al-Miraj beeinflusst wurde, zumal das Buch im 13.Jahrhundert ins Lateinische, Spanische und Alt-französische übersetzt worden ist. Dass Dante Mohamed im 9.Kreis der Hölle angesiedelt hat (ganz im Gegenteil zum Kitab-al-Muraj natürlich), ist nicht weiter verwunderlich. Galt doch Mohamed in der christlichen Welt zu Dantes Zeit als ein falscher Prophet und der Koran als die "türkische" oder "falsche Bibel".
Mit kollegialen Grüßen
Hermann
 
Hallo hermannknehr,
dachte mir schon, dass Du hier irgendwann mal aufkreuzen würdest. Die Ablehnung des Islam durch Dante bedarf historisch keiner Erklärung, was mich interessiert, ist, ob ihr nicht auch ein Stückchen Dichtereitelkeit beigemengt war. Mich erinnert sein Verhalten an Richard Wagner, der Giacomo Meyerbeer und Felix Mendelssohn Bartholdy viel verdankte, dies aber später mit seiner Schrift "Über das Judenthum in der Musik" zuzudecken versuchte.
Vielen Dank für die "flüssigen Verse"!
E. L.
 



 
Oben Unten