An Dantes Grab (Sonett)

Ihr Pilger, die Ihr durch Ravenna geht,
des Einen denkend, der hier im Exil
abschloss gewaltiges Gedankenspiel,
ich bitte euch, erschreckt nicht, wenn ihr seht,

dass an dem Grabe wie an dem Jesu
Bewaffnete, vergattert, müd' und brav,
bewachen müssen dessen Todesschlaf,
der wie kein anderer verdient die Ruh‘.

O ja, ich räum es ein, nicht immer war
gerecht das Urteil des toskan'schen Dichters,
auch war er eitel und nahm Rache gar,

maßte sich an die Rolle eines Richters.
Jetzt aber droht ihm, aller Rücksicht bar,
die dumpfe Wut fanatischen Gelichters.

Grabschutz http://www.fr-online.de/times-mager/times-mager-grabschutz,1838190,31238764.html
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Eike Leickart,
ein gelungenes Sonett in moderner Sprache und aktuellem zeitgeschichtlichen Hintergrund. Gefällt mir sehr gut.
Ich stolpere nur jedes mal über die Betonung der 2. Silbe in Jesu (S2/Z1). Könnte man vielleicht ändern.
Gruß Hermann
 
Ihr Pilger, die Ihr durch Ravenna geht,
des Einen denkend, der hier im Exil
abschloss gewaltiges Gedankenspiel,
ich bitte euch, erschreckt nicht, wenn ihr seht,

dass an dem Grabe wie an Jesu Grab
Bewaffnete, vergattert, müd' und brav,
bewachen müssen dessen Todesschlaf,
der bis ans Ende ging am Wanderstab.

O ja, ich räum es ein, nicht immer war
gerecht das Urteil des toskan'schen Dichters,
auch war er eitel und nahm Rache gar,

maßte sich an die Rolle eines Richters.
Jetzt aber droht ihm, aller Rücksicht bar,
die dumpfe Wut fanatischen Gelichters.

Grabschutz http://www.fr-online.de/times-mager/times-mager-grabschutz,1838190,31238764.html
 
Ihr Pilger, die Ihr durch Ravenna geht,
des Einen denkend, der hier im Exil
abschloss gewaltiges Gedankenspiel,
ich bitte euch, erschreckt nicht, wenn ihr seht,

dass an dem Grabe wie an Jesu Grab
Bewaffnete, vergattert, müd' und brav,
bewachen müssen dessen Todesschlaf,
der bis zum Ende ging am Wanderstab.

O ja, ich räum es ein, nicht immer war
gerecht das Urteil des toskan'schen Dichters,
auch war er eitel und nahm Rache gar,

maßte sich an die Rolle eines Richters.
Jetzt aber droht ihm, aller Rücksicht bar,
die dumpfe Wut fanatischen Gelichters.

Grabschutz http://www.fr-online.de/times-mager/times-mager-grabschutz,1838190,31238764.html
 
Vielen Dank, hermannknehr, für freundliche Worte. Jesu habe ich korrigiert.

Vielen Dank auch, Mondnein, dass Du hereingeschaut hast. Das "maßte" ist ein absichtlich gesetzter und bewusster Stolperstein, tut mir leid. Rhythmische Unregelmäßigkeiten wurden schon von den Klassikern eingesetzt.
Gruß
E. L.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Der Dichter lebt in seinem Werk, nicht in seinem Grabmal

Kein sehr starkes Argument. Liegt auf der Ebene von "Goethe ist tot, und mir ist auch schon ganz schlecht".

Wichtiger ist natürlich der Inhalt.
Dante ist nicht der Erbauer dieses Grabmals, und lebendig ist er auch nicht in seinen Knochen, sondern in seiner Göttlichen Kommödie. Das Grabmal ist mir ziemlich egal, die Dichtung Dantes nicht.
Gerade in Ravenna gibt es vielleicht wichtigere Gebäude als das Grabmal Dantes (denn der lebt, wie bereits gesagt, nicht in dem Grabmal, sondern in seinem Werk). Und schönere, größere Kunstwerke.

Es gibt bedeutende Skulpturen, Grabmäler und Gebäude, die von den wahhabitischen Salafisten zerstört werden, in erster Linie die der Schiiten, Sufi-Heiligen und anderer "heterodoxer" Dichter. Da liegt das Schwergewicht der Zerstörungen. Nicht bei irgendeinem Grabmal.

Wohlgemerkt, ich rede von den großen Sufis, unseren Dichter-Brüdern.
 

hermannknehr

Mitglied
Hier muss ich Eike Leickart absolut recht geben. Die rhythmische Unregelmäßigkeit in "maßte" passt perfekt zu der
Gesamt-Melodie des Gedichtes.
hermannknehr
 
Vielen Dank, hermannknehr, für Unterstützung.

Hallo Mondnein,

es geht mir nicht um das künstlerisch bedeutungslose Grabmal, sondern darum, dass es unter Polizeischutz gestellt wurde. Natürlich gibt es sehr viel bedeutendere Kunstwerke in Ravenna, aber sie brauchen keinen Polizeischutz, weil sie keine antiislamische Polemik enthalten wie Hölle, 28. Gesang, in Dantes Hauptwerk. Es gibt bereits Forderungen, die Göttliche Komödie aus dem Unterricht zu verbannen.

Wie wäre es mit einem Nachruf auf ein zerstörtes Sufi-Grabmal? Du scheinst Dich da auszukennen ...

Mit Gruß

E. L.
 



 
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