GerRey
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“Es war an diesem windigen Abend, der mit 37 km/h ums Haus pfiff”, gab ich mir selber die Einleitung meiner Anwesenheit und freute mich kurz über das surrealistische Bild, das in dieser einschießenden Formulierung aufgetaucht war. Dann lauschte ich dem, was draußen vor sich ging, während ich drinnen, in der Wärme unter dem trennenden Fenster behaglich saß. Die schmale Straße, die gegenüberliegende, mit vereinzelten kahlen Bäumen und Sträuchern und mit grau-braunen, sich bereits wintermüde aufdeckenden Gräsern besetzte Wiese machten erste Front gegen den heranstürmenden Wind. Und ich konnte diesen Gefechtslärm vernehmen und mich daran erinnern, dass ich auf dem Nachhauseweg nass geworden war, weil es in Strömen gegossen hatte. Nun saß ich bei einem Glas Single Malt und meiner Frau Karo, las am Tablet in Kafkas Tagebüchern, während Karo in ihrem eigenen Tagebuch schrieb, das sie im klassischen Sinne auf Papier und Tinte führte. Von Zeit zu Zeit sah ich zu ihr hin; ihr Kopf war über das Heft gebeugt, in dem sie mit einem Federhalter gelenkig und zügig die gepressten, sich beinah ineinanderfügenden Buchstaben in der schwer leserlichen Schrift einer Linkshänderin kritzelte, sodass ich mich wunderte, was alles ihr am heutigen Tag widerfahren sein musste, um sich davon für später zu berichten. Und dabei nahm sie von mir keine Notiz. - Als gäbe es mich gar nicht, schloss ich diese Betrachtung und fragte die reale Karo (nicht die aus meinen gefärbten Gedanken):
“Möchtest du noch eine Tasse Tee, Schatz?”.
"Nein", antwortete sie, ohne von ihrer eifrigen Arbeit hoch zu blicken, "da muss ich dann nachts so oft auf die Toilette."
In mir versank plötzlich die Stimmung; Kafka passte - trotz seiner Gebrechlichkeit - nicht mehr. Ich musste etwas anderes finden. Bukowski! Der passte mir immer ins Gemüt. Ich schlug ihn am Tablet auf, weil die Taschenbücher, die ich von seinen Gedichten besaß, schon stark abgegriffen und angegilbt waren. Aber das Programm setzte wirre Zeichen. Um ohne Brille lesen zu können, musste ich die Schrift vergrößern, was den Leseausschnitt dermaßen aufblähte, dass die Zeilen kein Gesamtbild mehr ergaben und die Sätze sich plakativ in einzelne Wörter oder Satzfetzen zerlegten. So machte das Lesen keinen Spaß. Warum konnte man dieses Buch nicht genauso aufteilen wie Kafkas Tagebücher, in denen ich kurz davor noch gelesen hatte?
Nachsinnend fragte ich mich, ob ich nach einem anderen Programm suchen sollte, das mir den Bukowski lesefreundlicher zeigen wollte, nahm aber stattdessen einen Schluck von dem Whisky, weil mir justament einfiel, dass kein Brennholz mehr da war und es mich bei dem Gedanken schüttelte, jetzt hinauszugehen, mitten ins windige Gefecht und aus dem Schuppen Holz zu holen.
Also nahm ich lieber noch einen Schluck und stand dann auf. Karo blickte hoch. Registrierte sie mich erst dann, wenn ich von ihr wegging?
"Wohin gehst du?" fragte sie.
"In den Schuppen, Holz zu holen."
"Bist du danach so lieb und machst mir eine Wärmflasche?"
"Natürlich", antwortete ich und nahm noch einen Schluck, bevor ich ging. Dann beschäftigte mich meine Reaktion auf ihre Frage den ganzen Weg über, auf dem der Wind an mir zerrte und auch hinter dem Haus kaum nachließ. Im dunklen Schuppen, den ich mit einer Taschenlampe erleuchtete, machte ich mich daran, Holz zu fassen, während ich mich fragte: Warum ich noch einen Schluck Whisky hatte nehmen müssen, als sie mich um die Wärmflasche bat? War das ein Zeichen für irgendwas?
Dann kehrte ich ins Haus zurück und legte Holz auf die Glut im Kaminofen. Dabei sah ich eine Weile zu, wie sich aus dem Schmerz des Holzes darunter Rauch entwickelte, als die Hitze daran leckte, bevor sie sich ganz einfraß und Flammen zu schlagen anfing.
"Vergiss nicht - die Wärmflasche!" rief Karo.
"Ja, Schatz!" Ich musste unbedingt noch einmal mein Glas nachfüllen. Aber zuerst ging ich ins Bad, holte aus einem Schrank einen Thermofor und füllte ihn mit heißem Wasser. Danach wickelte ich die Wärmflasche in ein Handtuch und brachte sie ihr. Die Whiskyflasche war in Reichweite - aber ob ich es mit dem Glas, das ich von meinem Platz holen musste, unbehelligt dorthin schaffen würde, war die spannende Frage …
"Musst du so viel trinken!?" ereiferte sich Karo prompt, während sie sich den Thermofor auf den Bauch legte.
"Noch nicht", antwortete ich flüsternd und brummte dazwischen, sodass sie kaum ein Wort verstehen konnte, und ließ mich aber nicht weiter abhalten.
Dann kehrte ich mit einem gut gefüllten Glas zurück an meinen Platz. Den Tag über hatte ich an meiner Erzählung über den Dorfrocker Mot zu schreiben versucht, war aber nicht so gut voran gekommen wie erhofft. Identifizierte ich mich zu wenig? Mit einer Reihe Live-Aufnahmen von Konzerten alter Rockgruppen hatte ich versucht, mich in Stimmung zu bringen, war aber immer ein paar metaphorische Schritte entfernt geblieben. Karo hatte dazu nichts gesagt; ihr war meine Arbeit im Lauf der Zeit gleichgültig geworden. War sie vor ihrer Krankheit anders gewesen - nicht so kalt und abweisend? Um nach Anregung zu suchen, gab ich nun in die Suchmaschine auf dem Tablet “Bikerschmuck” ein, weil mir eine entsprechende Idee gekommen war.. Ringe mit Totenkopf-Motiv erschienen. Sollte ich mir einen bestellen, um ihn beim Schreiben zu tragen? Was würde Karo dazu sagen? Über meine Lippen glitt bei dem Gedanken ein Schmunzeln. Und dann entdeckte ich es und bestellte es auch gleich:
“Ich habe mir gerade”, sagte ich geschäftig zu Karo, “ ein geflochtenes Lederarmband, das zu beiden Seiten in drei metallene, nebeneinanderliegende Totenköpfe mündet, bestellt.”
Sie reagierte nicht. Also sagte ich nach einer kleinen Pause:
“Nomen est omen. In der Geschichte über den Dorfrocker Mot erkennt Herbert dreißig Jahre später Mot anhand der drei tätowierten Totenköpfe auf dem Handrücken. Dieses Armband wird beim Schreiben mein Fetisch sein. Aber es kommt erst in einem Monat. Reist einmal um die halbe Welt.”
Karo schwieg weiter, als ließe sie sich vom Neid über meine bescheidenen schriftstellerischen Erfolge anfressen, und gab vor, nicht mehr anwesend zu sein, wie sie es oft machte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. In ihren Augen waren meine Bemühungen lächerlich; sie würde das viel besser können. Insgeheim hielt sie sich für eine Schriftstellerin wie Agatha Christie … Ich war, obwohl sie mir selten daraus vorlas, sicher, solches oder ähnliches in ihrem Tagebuch zu finden. Denn auf das Tagebuch war sie ganz stolz, als würde es ihr den kommenden literarischen Erfolg ermöglichen, damit ihr Wunsch, den sie tief in sich verschlossen hatte, glorreich an die Oberfläche ihres unterminierten Selbstwertgefühls hervortreten konnte. Dann würde ich schon sehen …
"Soll ich dir die Beine massieren?" fragte ich sie, doch sie gab keine Antwort, obschon sie wusste, was dann passieren würde, weil es bisher immer passierte, wenn wir derart intim wurden. Und ich wusste, dass sie das genoss, aber nie darüber sprach, als würde es nie passiert sein - als wäre die Samenflüssigkeit nie in ihrem nassen Schoß versickert.
Ich kehrte zurück zu Kafkas Tagebuch. Aber die Zeilen nahmen keine verstandesmäßige Prägung mehr an. Was war los mit mir? Gedanken, wesenlos, weil sie sich nicht in Worte und Sätze fassen ließen, zogen schemenhaft durch meinen Geist, zusammenhanglos, da und dort bild- und szenenhaft sich kurz verdeutlichend, beschrieben sie meine Sehnsucht nach unerfüllten Träumen.
Scheinbar war ich schon leicht betrunken?
Plötzlich dachte ich an eine bestimmte Person: Wie du mich am Sonntagabend stehen hast lassen, dieses scheue Lächeln, dieser letzte flüchtige Blick … und jetzt werden wir uns eine Woche nicht sehen! Dabei vermisse ich dich schon so lange …
"Ich geh jetzt ins Bett", sagte Karo plötzlich entschlossen und erhob sich schwerfällig auf den zur Hilfe genommenen Krücken. Schon immer wusste sie mich zu verwirren, weshalb ich nur mühevoll aus meinen Gedanken zurück kehrte.
"Kommst du?"
"Später", antwortete ich, weil ich dachte, sie wollte nun doch die Beine massiert haben. "Ich will mir nur noch ein bisschen ausmalen, wie leicht es sein wird, mit diesem Armband dem Dorfrocker Mot Leben einzuhauchen."
Dann trank ich mein Glas aus, um mir ein neues zu holen. Vielleicht ein größeres?
Während sie in meinem Rücken auf den Krücken zum Schlafzimmer schlürfte, ließ ich mir beim Einschenken des Glases an der Hausbar Zeit. Als ich mich umdrehte, um zum Lehnstuhl zurück zu kehren, an dem ich beim Fenster gesessen war, entdeckte ich, dass Karo ihr Tagebuch auf dem kleinen Damenschreibtisch an der Wand offen hatte liegen gelassen.
Wollte sie, dass ich ihre Zeilen las? Aber das war schwer zu glauben, da sie das Buch sonst immer in eine der Schubladen einschloss. Sollte ich einen Umweg gehen und einen Blick auf das Geschriebene werfen? Oder lieber warten, bis ich mir nach einer Pause ein weiteres Glas holte? Sie konnte ja auch hinter der offen Tür lauern, um zu sehen, ob ich in ihren Sachen schnüffelte. Hatte ich die Schlafzimmertür gehört? Ich konnte mich nicht entsinnen.
Ich nahm einen Schluck Single Malt und fasste mir ein Herz. Schließlich konnte ich ja behaupten, das Heft wegräumen gewollt zu haben.
Mit leisen Schritten, ein Auge auf die Tür gerichtet, schlich ich näher. Dann beugte ich mich über das geöffnete Heft. Kaum meinen Augen trauend, las ich den Satz, der dort einzig auf einer neu angebrochenen Seite stand:
“Dein Whisky ist vergiftet”.
“Möchtest du noch eine Tasse Tee, Schatz?”.
"Nein", antwortete sie, ohne von ihrer eifrigen Arbeit hoch zu blicken, "da muss ich dann nachts so oft auf die Toilette."
In mir versank plötzlich die Stimmung; Kafka passte - trotz seiner Gebrechlichkeit - nicht mehr. Ich musste etwas anderes finden. Bukowski! Der passte mir immer ins Gemüt. Ich schlug ihn am Tablet auf, weil die Taschenbücher, die ich von seinen Gedichten besaß, schon stark abgegriffen und angegilbt waren. Aber das Programm setzte wirre Zeichen. Um ohne Brille lesen zu können, musste ich die Schrift vergrößern, was den Leseausschnitt dermaßen aufblähte, dass die Zeilen kein Gesamtbild mehr ergaben und die Sätze sich plakativ in einzelne Wörter oder Satzfetzen zerlegten. So machte das Lesen keinen Spaß. Warum konnte man dieses Buch nicht genauso aufteilen wie Kafkas Tagebücher, in denen ich kurz davor noch gelesen hatte?
Nachsinnend fragte ich mich, ob ich nach einem anderen Programm suchen sollte, das mir den Bukowski lesefreundlicher zeigen wollte, nahm aber stattdessen einen Schluck von dem Whisky, weil mir justament einfiel, dass kein Brennholz mehr da war und es mich bei dem Gedanken schüttelte, jetzt hinauszugehen, mitten ins windige Gefecht und aus dem Schuppen Holz zu holen.
Also nahm ich lieber noch einen Schluck und stand dann auf. Karo blickte hoch. Registrierte sie mich erst dann, wenn ich von ihr wegging?
"Wohin gehst du?" fragte sie.
"In den Schuppen, Holz zu holen."
"Bist du danach so lieb und machst mir eine Wärmflasche?"
"Natürlich", antwortete ich und nahm noch einen Schluck, bevor ich ging. Dann beschäftigte mich meine Reaktion auf ihre Frage den ganzen Weg über, auf dem der Wind an mir zerrte und auch hinter dem Haus kaum nachließ. Im dunklen Schuppen, den ich mit einer Taschenlampe erleuchtete, machte ich mich daran, Holz zu fassen, während ich mich fragte: Warum ich noch einen Schluck Whisky hatte nehmen müssen, als sie mich um die Wärmflasche bat? War das ein Zeichen für irgendwas?
Dann kehrte ich ins Haus zurück und legte Holz auf die Glut im Kaminofen. Dabei sah ich eine Weile zu, wie sich aus dem Schmerz des Holzes darunter Rauch entwickelte, als die Hitze daran leckte, bevor sie sich ganz einfraß und Flammen zu schlagen anfing.
"Vergiss nicht - die Wärmflasche!" rief Karo.
"Ja, Schatz!" Ich musste unbedingt noch einmal mein Glas nachfüllen. Aber zuerst ging ich ins Bad, holte aus einem Schrank einen Thermofor und füllte ihn mit heißem Wasser. Danach wickelte ich die Wärmflasche in ein Handtuch und brachte sie ihr. Die Whiskyflasche war in Reichweite - aber ob ich es mit dem Glas, das ich von meinem Platz holen musste, unbehelligt dorthin schaffen würde, war die spannende Frage …
"Musst du so viel trinken!?" ereiferte sich Karo prompt, während sie sich den Thermofor auf den Bauch legte.
"Noch nicht", antwortete ich flüsternd und brummte dazwischen, sodass sie kaum ein Wort verstehen konnte, und ließ mich aber nicht weiter abhalten.
Dann kehrte ich mit einem gut gefüllten Glas zurück an meinen Platz. Den Tag über hatte ich an meiner Erzählung über den Dorfrocker Mot zu schreiben versucht, war aber nicht so gut voran gekommen wie erhofft. Identifizierte ich mich zu wenig? Mit einer Reihe Live-Aufnahmen von Konzerten alter Rockgruppen hatte ich versucht, mich in Stimmung zu bringen, war aber immer ein paar metaphorische Schritte entfernt geblieben. Karo hatte dazu nichts gesagt; ihr war meine Arbeit im Lauf der Zeit gleichgültig geworden. War sie vor ihrer Krankheit anders gewesen - nicht so kalt und abweisend? Um nach Anregung zu suchen, gab ich nun in die Suchmaschine auf dem Tablet “Bikerschmuck” ein, weil mir eine entsprechende Idee gekommen war.. Ringe mit Totenkopf-Motiv erschienen. Sollte ich mir einen bestellen, um ihn beim Schreiben zu tragen? Was würde Karo dazu sagen? Über meine Lippen glitt bei dem Gedanken ein Schmunzeln. Und dann entdeckte ich es und bestellte es auch gleich:
“Ich habe mir gerade”, sagte ich geschäftig zu Karo, “ ein geflochtenes Lederarmband, das zu beiden Seiten in drei metallene, nebeneinanderliegende Totenköpfe mündet, bestellt.”
Sie reagierte nicht. Also sagte ich nach einer kleinen Pause:
“Nomen est omen. In der Geschichte über den Dorfrocker Mot erkennt Herbert dreißig Jahre später Mot anhand der drei tätowierten Totenköpfe auf dem Handrücken. Dieses Armband wird beim Schreiben mein Fetisch sein. Aber es kommt erst in einem Monat. Reist einmal um die halbe Welt.”
Karo schwieg weiter, als ließe sie sich vom Neid über meine bescheidenen schriftstellerischen Erfolge anfressen, und gab vor, nicht mehr anwesend zu sein, wie sie es oft machte, wenn ihr etwas gegen den Strich ging. In ihren Augen waren meine Bemühungen lächerlich; sie würde das viel besser können. Insgeheim hielt sie sich für eine Schriftstellerin wie Agatha Christie … Ich war, obwohl sie mir selten daraus vorlas, sicher, solches oder ähnliches in ihrem Tagebuch zu finden. Denn auf das Tagebuch war sie ganz stolz, als würde es ihr den kommenden literarischen Erfolg ermöglichen, damit ihr Wunsch, den sie tief in sich verschlossen hatte, glorreich an die Oberfläche ihres unterminierten Selbstwertgefühls hervortreten konnte. Dann würde ich schon sehen …
"Soll ich dir die Beine massieren?" fragte ich sie, doch sie gab keine Antwort, obschon sie wusste, was dann passieren würde, weil es bisher immer passierte, wenn wir derart intim wurden. Und ich wusste, dass sie das genoss, aber nie darüber sprach, als würde es nie passiert sein - als wäre die Samenflüssigkeit nie in ihrem nassen Schoß versickert.
Ich kehrte zurück zu Kafkas Tagebuch. Aber die Zeilen nahmen keine verstandesmäßige Prägung mehr an. Was war los mit mir? Gedanken, wesenlos, weil sie sich nicht in Worte und Sätze fassen ließen, zogen schemenhaft durch meinen Geist, zusammenhanglos, da und dort bild- und szenenhaft sich kurz verdeutlichend, beschrieben sie meine Sehnsucht nach unerfüllten Träumen.
Scheinbar war ich schon leicht betrunken?
Plötzlich dachte ich an eine bestimmte Person: Wie du mich am Sonntagabend stehen hast lassen, dieses scheue Lächeln, dieser letzte flüchtige Blick … und jetzt werden wir uns eine Woche nicht sehen! Dabei vermisse ich dich schon so lange …
"Ich geh jetzt ins Bett", sagte Karo plötzlich entschlossen und erhob sich schwerfällig auf den zur Hilfe genommenen Krücken. Schon immer wusste sie mich zu verwirren, weshalb ich nur mühevoll aus meinen Gedanken zurück kehrte.
"Kommst du?"
"Später", antwortete ich, weil ich dachte, sie wollte nun doch die Beine massiert haben. "Ich will mir nur noch ein bisschen ausmalen, wie leicht es sein wird, mit diesem Armband dem Dorfrocker Mot Leben einzuhauchen."
Dann trank ich mein Glas aus, um mir ein neues zu holen. Vielleicht ein größeres?
Während sie in meinem Rücken auf den Krücken zum Schlafzimmer schlürfte, ließ ich mir beim Einschenken des Glases an der Hausbar Zeit. Als ich mich umdrehte, um zum Lehnstuhl zurück zu kehren, an dem ich beim Fenster gesessen war, entdeckte ich, dass Karo ihr Tagebuch auf dem kleinen Damenschreibtisch an der Wand offen hatte liegen gelassen.
Wollte sie, dass ich ihre Zeilen las? Aber das war schwer zu glauben, da sie das Buch sonst immer in eine der Schubladen einschloss. Sollte ich einen Umweg gehen und einen Blick auf das Geschriebene werfen? Oder lieber warten, bis ich mir nach einer Pause ein weiteres Glas holte? Sie konnte ja auch hinter der offen Tür lauern, um zu sehen, ob ich in ihren Sachen schnüffelte. Hatte ich die Schlafzimmertür gehört? Ich konnte mich nicht entsinnen.
Ich nahm einen Schluck Single Malt und fasste mir ein Herz. Schließlich konnte ich ja behaupten, das Heft wegräumen gewollt zu haben.
Mit leisen Schritten, ein Auge auf die Tür gerichtet, schlich ich näher. Dann beugte ich mich über das geöffnete Heft. Kaum meinen Augen trauend, las ich den Satz, der dort einzig auf einer neu angebrochenen Seite stand:
“Dein Whisky ist vergiftet”.
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