An einem Tag mit kleinen Freuden

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Ralf Langer

Mitglied
An einem Tag mit kleinen Freuden


Die Tagesthemen wissen:
an der syrisch-irakischen Grenze
wurden heute nur zwei
Frauen entauptet,

und in Baltimore
starb auch nur ein junger Afro – Amerikaner
durch die verirrte Kugel eines Polizisten
von hinten in den Kopf.

Später dann bei Maischberger
weiß eine ehemalige MTV - Ikone Rat,
und alle sind so angenehm betroffen,
so liebevoll besorgt,
daß der Schlaf mich leicht umfängt.

Da träumte ich: es gäbe einen Gott,
ihm ist zum heulen, - in ihm keimt die Wut,
und unter Tränen ruft er
nach der alten Flut.
 

anbas

Mitglied
Hallo Ralf,

dieses Gedicht gefällt mir wirklich sehr gut! Vor allem der letzte Vers hat es in sich. Für mich steht "Gott" hier aber auch symbolisch für die Gedanken, Wünsche und Gewaltphantasien, die in einem selbst aufgrund der eigenen Hilflosigkeit aufkeimen können - Gedanken, die man vielleicht so eigentlich gar nicht haben will.

Liebe Grüße

Andreas
 
O

orlando

Gast
Millionen Menschen auf der Flucht, IS-Terror, Ebola-Tote, Ukraine-Krise, Pegida ... Horror ohne Ende.
Und es stellt sich allmählich die Frage, wie wir damit umgehen sollen oder können. - Denn bei dieser Überflutung entsteht zwangsläufig ein Gefühl der Ohnmacht, dem es zu begegnen gilt.
Eine (philosophische) Möglichkeit wäre, sich in Gelassenheit zu üben (nicht mit Ignoranz zu verwechseln) und sich an die kleinen Lebensfreuden zu halten, wie es sich ja auch in deinem Gedicht (parodierend) andeutet.
Dem Frommen hingegen kommen Zweifel, ob all dies gewollt sein kann. Oder er fühlt sich an die Sintflut erinnert ...
"Haben wir Angst - oder hat die Angst uns?" fragen die Psychologen ...

Im Grunde scheinen die eigenen Alltagsprobleme nunmehr in einem anderen, weniger zentralen Licht; dies ist immerhin ein positiver Aspekt des Ganzen.

Dein Gedicht gefällt mir sehr gut.
In der ersten Versgruppe könntest du den Zeilenbruch anders setzen (Sinnhaftigkeit).
Ansonsten gibt es noch ein paar kleine Flüchtigkeitsfehler, die ich bereinigt habe. - Theoretisch könntest du die Satzzeichen - mit Ausnahme der Gedankenstriche - weglassen.
Aber ich persönlich würde das hier nicht tun.
Die Füllwörterpärchenbildung solltest du nicht so ernst nehmen, das stört den Sprachfluss.

An einem Tag mit kleinen Freuden

Die Tagesthemen wissen:
an der syrisch-irakischen Grenze
wurden heute nur zwei Frauen enthauptet,

und in Baltimore
starb [strike]auch nur[/strike] [blue]lediglich[/blue] ein junger Afro–Amerikaner
durch die verirrte Kugel eines Polizisten,
von hinten in den Kopf.

Später dann, bei Maischberger,
weiß eine ehemalige MTV - Ikone Rat,
und alle sind so angenehm betroffen,
so liebevoll besorgt, [blue]so[/blue]
dass der Schlaf mich leicht umfängt.

Da träumte ich: Es gäbe einen Gott.
Ihm ist zum [blue]H[/blue]eulen - in ihm keimt die Wut
und unter Tränen ruft er
nach der alten Flut.
Den Titel finde ich ganz besonders gut gelungen.

Herzliche Grüße
orlando
 

Ralf Langer

Mitglied
An einem Tag mit kleinen Freuden


Die Tagesthemen wissen:
an der syrisch-irakischen Grenze
wurden heute nur zwei Frauen entauptet,

und in Baltimore
starb auch nur ein junger Afro – Amerikaner
durch die verirrte Kugel eines Polizisten
von hinten in den Kopf.

Später dann bei Maischberger
weiß eine ehemalige MTV - Ikone Rat,
und alle sind so angenehm betroffen,
so liebevoll besorgt, so
dass der Schlaf mich leicht umfängt.

Da träumte ich: es gäbe einen Gott,
ihm ist zum Heulen, - in ihm keimt die Wut,
und unter Tränen ruft er
nach der alten Flut.
 

Ralf Langer

Mitglied
Hallo Anbas nd Orlando,

der Zyniker ist ein Betroffener dem die moralische Instanz abahnden gekommen ist. Und so fühlt sich lyrich und der Autor.
Er nimmt zur Kenntnis und fügt sich dem was er als unvermeidbar empfindet.

Dies so hoffe ich sammelt der gewählte Titel ein.

Die letzte Strophe begleitet mich in verschiedenen leicht abgeänderten Variationen schon über ein Jahr.
Denn mir will scheinen, gäbe es einen Gott, dann empfände er wie beschrieben. Und empfände er so wie lyrich träumt, dann wären seine Tränen genug Wasser für die alte Flut.

Je älter ich werde, desto mehr gefallen finde ich an der Vorstellung das es einen Gott gibt. Einen Schöpfer, der aus einem von ihm gewählten Elysium, seinen Wurf betrachtet, und sich entschlossen hat abwartend zu verhalten.
( Was eine menschliche Interpretation ist)

Und vielleicht sind es ja friedliche Tage, wenn die Gewalt ein wenig müdet, wenn durch den Menschen nur wenige seiner Art zu Tode kommen.

Aber vielleicht ist der Entwurf auch suboptimal:
Man darf nicht vergessen:
Die erste zivilatorische Tat von der das alte Testament zu berichten weiß ist der Brudermord!

Ralf

P.S.
Orlando:
Ich habe erst einmal ein paar kleinere Korrekturen vorgenommen.
Bezüglich der Widerholungen von nur bzw. auch nur muß ich noch nachdenken.

lg
 



 
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