Oh, was für ein schönes Gedicht!
Martial hätte sicher auch seine Freude daran gehabt. Schließlich bedienst Du Dich hier seines Laetinus, über den der römische Dichter einst selbst spöttelte, wenn auch mit einem etwas anderen Hintersinn.
Und der Amphibrachys bringt so eine freche Munterkeit in die Verse, die der Ironie das nötige Salz verleiht. So macht Spott Spaß. Zumal damit der grassierenden Kloakendichtung ein geistreiches Pendant gegenübergestellt wird, das als Hommage an die römische Dichtkunst den Absturz in unsere bleierne Geistlosigkeit verdeutlicht.
Großartig die Steigerung in der letzten Strophe, in der Du mit dem "Parfüm des Pseudonym" eine ganze Generation avatierter Stinker entlarvst.
Den Hinweis auf "Ironie" in S3 würde ich allerdings entfernen; die Ironie verträgt es schlecht, vorgestellt zu werden, sie möchte lieber erkannt werden.
Auch würde ich S4 überdenken. Zum einen vermisse ich dort die Eleganz der Andeutungen wie in S3, das Wortspiel mit den "Schwarzen Witwen" zündet mE nicht so recht. Martial spielte in seinem Haar-Epigramm über Laetinus auch auf dessen Homosexualität an, vielleicht ergäbe sich daraus eine Möglichkeit.
Überhaupt würde ich mit direkt abwertenden Worten hier nur sehr sparsam umgehen: "Mist" erscheint gleich zweimal und passt sicher nicht zur Diktion eines römischen Dichters, der seine Kaiser hochzuloben hatte, aber Kritik nur sehr versteckt anbringen konnte. Ich denke, die Wirkung ließe sich noch steigern, indem man anstelle der Abwertungen eine ironisch gemeinte Anerkennung anklingen ließe, z.B.:
Sag mir, wofür deklamierst du fast kläglich
morgens um fünfe schon laut auf dem Mist?
Krächzender Gockel, so zeigst du uns täglich,
was für ein lautstarker Dichter du bist.
Ein herrliches Dichterportrait im "römischen Stil" ist uns übrigens vom Dichter Catull (eines von Martials Vorbildern) mit seinem
'Dichter' Suffenus überliefert.
Interessant und nachahmenswert ist dort auch der Hinweis auf den Suffenus in uns selbst.
Gern gelesen und kommentiert.
Grüße
JB