Anfängerglück (Schreibaufgabe)

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Mariko

Mitglied
Anfängerglück

So einen Führerschein muss frau sich richtig hart erarbeiten! Nach 24 Fahrstunden und einigen Übungsstunden auf dem Idiotenhügel, bei denen meine Nerven und die eines hilfsbereiten Bekannten ordentlich gelitten hatten, war es dann endlich soweit. Prüfungstag in der Fahrschule und ich stand als Prüfling mit auf der Liste. Um 11.00 Uhr ging es dann auch endlich los, nachdem ich den Prüfungsfragebogen ohne nennenswerte Fehlerpunkte überstanden hatte. Mit meiner Freundin Gerlinde zusammen sollte es auf die Autobahn gehen.

Voller Vorfreude stieg ich in den Fahrschulwagen. Autobahnfahrten waren in der Fahrschulzeit nie ein Problem für mich. Während andere Fahrschüler es langweilig fanden, immer geradeaus zu fahren, konnte ich nicht genug davon kriegen, auf der Autobahn mal richtig Tempo zu machen. Gerlinde fuhr das erste Stück und ich sollte zurückfahren. Es klappte alles wunderbar – schließlich hatten wir ja auch lange genug geübt und ich war heilfroh, dass Experimente wie „Rückwärts um die Ecke fahren“ oder „Wendemanöver in 3 Zügen“ beim Prüfer anscheinend nicht auf der Tagesordnung standen.

Kurz vor der Fahrschule - ich dachte schon, ich hätte alles überstanden - meinte der Prüfer plötzlich zu mir: „Fahren Sie bitte die nächste Möglichkeit rechts“. „In Ordnung“, sagte ich, blinkte und bog ab. Leider nicht rechts, sondern links. Peinlich, peinlich! Als ich meinen Fehler bemerkte fragte ich kleinlaut, ob ich damit jetzt durch die Prüfung gefallen wäre. Der Prüfer meinte aber gnädig, dass er beide Augen zudrücken würde. Schließlich hätte ich in die Richtung geblinkt (also links), in die ich dann auch abgebogen wäre. Zur Strafe müsse ich jetzt aber in eine Parklücke rückwärts einparken.

Auch das noch! Jetzt musste ich meinen Fehler auch noch selbst ausbaden! Warum bin ich bloß falsch abgebogen? Ich fuhr also in die nächste Siedlung und suchte mir eine möglichst große Parklücke. Am Straßenrand stand ein blauer BMW und dahinter war eine große Lücke, die durch einen dicken grünen Busch – ich glaube es war ein Kirschlorbeer - abgegrenzt war. „Diese Parklücke ist genau richtig“, dachte ich. Ich fuhr also neben den parkenden Wagen, so dicht, dass ich nur noch meinen Fahrlehrer, der die ganze Zeit neben mir saß, mit den Zähnen knirschen hörte. Kein gutes Zeichen – das machte er immer, wenn er unzufrieden mit meinen Fahrkünsten war. Aber er ließ sich nichts weiter anmerken, kurbelte das Fenster herunter und lehnte sich hinaus. Aha, die Nummer kannte ich schon. Das war unsere gemeinsam abgesprochene Vorgehensweise beim Parklücke-Setzen. Sobald er sich aus dem Fenster lehnte hieß das für mich: Lenkrad einschlagen und langsam rückwärts in die Lücke fahren. Gedacht getan. Nach ein paar Metern setzte er sich plötzlich zurück in den Beifahrersitz. Das hieß für mich: das Lenkrad volle Pulle andersherum einschlagen und langsam weiterfahren. Genau das tat ich jetzt.

Das Auto stand wie eine eins in der Parklücke. Korrektur nicht nötig und der Prüfer auf der Rückbank war beeindruckt. „Das haben Sie gut gemacht – herzlichen Glückwunsch, wir fahren zurück zur Fahrschule.“ Ich schaute meinen Fahrlehrer ungläubig an. Der nickte mir grinsend zu. Damit hatte ich tatsächlich meine Führerscheinprüfung direkt im ersten Anlauf bestanden. Gut, dass mein Fahrlehrer so dicke Nerven hatte. Mit zittrigen Beinen stieg ich auf dem Fahrschulparkplatz aus dem Auto und nahm meinen Führerschein und die Glückwünsche des Prüfers entgegen. Mit einer Umarmung gratulierte ich Gerlinde, die ihre Prüfung auch bestanden hatte.

Was nützt ein neuer Führerschein ohne einen fahrbaren Untersatz? Nicht viel – also musste ein Auto her. Aber woher nehmen, noch dazu ohne das nötige Kleingeld? Zum Glück waren die Eltern einsichtig und streckten einen Kredit vor, so dass ich mir einige Wochen später ein Auto kaufen konnte. Ein roter NSU-Prinz sollte es sein. Den hatten ich beim Gebrauchtwagenhändler schon gesehen und mich sofort in ihn verliebt. Teuer war er auch nicht – na ja, er hatte ja auch schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Aber für den Anfang war er genau das richtige, fand ich. Gedacht, gekauft. Ich war Besitzerin eines roten NSU-Prinz.

Stolz fuhr ich mein kleines Auto langsam und vorsichtig nach Hause. Dort stand die ganze Familie, Mutti, Papa und Schwester Bettina, vor der Tür, um das erste Auto der Familie zu besichtigen. Bisher waren wir immer mit der Bahn in den Urlaub gefahren. Vielleicht würden wir ja jetzt bald mit dem eigenen Auto fahren. Stolz lud ich alle drei zu einer kurzen Probefahrt ein, die wir auch alle - einschließlich Auto - unbeschadet überstanden.

Nachmittags half mir Bettina, das neue Auto ordentlich sauber zu machen. Der Innenraum war ganz schön verdreckt und auf dem Rücksitzpolster war ein großer blauer Fleck. Wir reinigten die Sitze und putzten die alte Kiste richtig schön heraus. Anschließend fuhren wir gemeinsam zum nächsten Baumarkt, um einen Satz neue Fußmatten, Verbandskasten und ein Warndreieck zu erstehen. Meine Mutter nutzte die günstige Gelegenheit und beauftragte uns, für sie noch einen Besen, einen Putzeimer und einen neuen Abfalleimer mitzubringen.

Wir kauften alles ein, luden die Einkäufe in den Kofferraum und fuhren auf dem Rückweg an unserer alten Schule vorbei. Die Schule liegt an einer sehr belebten Kreuzung, die durch Ampelanlagen geregelt wird. Als wir gut gelaunt dort ankamen, schlug die Ampel grade auf „rot“ um, was ja bekanntlich „anhalten und warten“ bedeutet. Kein Problem, das Auto hatte ja schließlich eine Bremse. Weil der Wagen an einer kleinen Steigung zum Stehen kam, musste ich nach dem Auskuppeln die Handbremse anziehen, damit er nicht zurückrollte. So hatte ich es jedenfalls in der Fahrschule gelernt. Gedacht, getan.

Nach einer Weile schaltete die Ampel auf „grün“ um. Ich löste die Handbremse, legte den ersten Gang ein, gab Gas und ... würgte den Wagen ab. Typisch Anfängerglück, dachten Bettina und ich und lachten. Als ich den Wagen dann wieder startklar hatte, war die Ampel erneut auf „rot“ umgesprungen. Also mussten wir warten. Nach einer Weile dann der zweite Versuch: „grün“! Ich löste die Handbremse, legte den ersten Gang ein, gab Gas und ... würgte den Wagen ab.

Inzwischen ertönte ein Hupkonzert. Die Autofahrer hinter mir waren ungeduldig, weil sie schon bei der letzten Grünphase wegen mir nicht weggekommen waren. Peinlich, peinlich! Ich ließ mich dadurch nicht aus der Ruhe bringen und startete den Wagen neu. Inzwischen stand die Ampel wieder auf „rot“. Ich verabredete mit meiner Schwester, die sich auf dem Beifahrersitz vor Lachen fast kringelte, dass sie beim nächsten Versuch das Fenster herunterkurbeln und die hinter mir stehenden Autofahrer vorbeiwinken sollte, wenn es wieder nicht klappte.

Die Ampel sprang wieder um auf „grün“. Ich löste die Handbremse, legte den ersten Gang ein, trat auf’s Gas und ... würgte den Wagen ab. Derweil hing Bettina aus dem Beifahrerfenster und winkte den nachfolgenden Autos zu, dass sie vorbeifahren sollten. Bis ich den Wagen wieder startklar hatte, war die Ampel wieder „rot“. Mir war das Lachen inzwischen vergangen. Ich war nass geschwitzt, total entnervt und mein Kopf fühlte sich irgendwie hohl an. Sollten wir denn überhaupt nicht von dieser verflixten Kreuzung wegkommen?

Tapfer unternahm ich den nächsten Versuch, während Bettina aus dem Beifahrerfenster hing und kräftig winkte. Fehlanzeige. Zu allem Übel kam auch noch ein Bekannter des Weges und guckte sich gemeinsam mit anderen aufmerksam gewordenen Passanten kopfschüttelnd das Schauspiel an – peinlich, peinlich! Die dachten bestimmt, ich hätte meinen Führerschein in einem Preisausschreiben gewonnen! Ich fühlte mich inzwischen wie nach einem Kopfsprung in kaltes Wasser.

Nach einer halben Stunde und unzähligen Versuchen klappte es dann doch endlich. Bei „grün“ löste ich die Handbremse, legte den Gang ein und gab Gas. Der Motor heule ein wenig auf und der Wagen hoppelte über die Kreuzung – geschafft! „Nie wieder werde ich an diese Kreuzung fahren“ sagte ich zu meiner Schwester. Noch heute muss ich jedes Mal schmunzeln, wenn ich an dieser Kreuzung anhalten muss.

Bis zum Wochenende hatten Bettina und ich uns von diesem Erlebnis erholt und mutig planten wir eine Fahrt ins Phantasialand nach Brühl bei Köln. Bettinas Freund Lars wollte sich uns anschließen und gut gelaunt machten wir uns zu dritt auf den Weg. Das Auto lief und lief und wir freuten uns, so gut voranzukommen.

Kurz vor dem Ziel tauchte vor uns ein dicker LKW auf. Ich wechselte die Fahrspur, um links an ihm vorbeizufahren. Als ich auf der linken Spur beschleunigte, gab es plötzlich einen Knall und das Gaspedal meines Autos reagierte nicht mehr. Statt schneller, lief der Wagen immer langsamer. Ich begriff, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, schaltete das Warnblinklicht ein und versuchte, auf den rechten Seitenstreifen zu fahren. Mit Herzklopfen bis zum Hals ließ ich dort den Wagen ausrollen und versuchte, neu zu starten. Fehlanzeige. Er sagte keinen Ton. Wir stellten ordnungsgemäß das nagelneue Warndreieck auf und beratschlagten, was wir nun tun sollten.

Nach einer Weile hielt ein Pannenfahrzeug hinter uns. Der Fahrer stieg aus und fragte, was los sei und ob er helfen könne. Wir erklärten ihm, was vorgefallen war. Er sah kurz unter die Motorhaube und meinte, er könne uns bis zur nächsten Ausfahrt abschleppen. "Da ist eine Werkstatt in der Nähe", sagte er, "die Kollegen dort können sich den Wagen ja mal ansehen, allerdings erst am Montag." Klar, samstags war dort geschlossen. So musste ich dann mein Auto schweren Herzens dort stehen lassen. Wir kratzten unsere letzten paar Kröten zusammen und fuhren mit dem Zug wieder nach Hause. Nix war’s mit Phantasialand.

Am darauffolgenden Montag hat mich Lars auf seinem Motorrad – nie wieder steige ich auf so ein Ding! – zur Werkstatt nach Köln gefahren, wo man mir dann eröffnete, dass mein schönes erstes Auto einen Motorschaden hatte und nicht mehr zu reparieren war. Einen Austauschmotor konnte ich nicht bezahlen. Also blieb nur noch der Schrottplatz. Schade, mein Spaß mit dem kleinen roten Auto hatte gerade mal eine Woche angehalten.
 

raVen

Mitglied
Hallo Mariko,

eine schöne kleine Geschichte. Liest sich flüssig und ich musste ein paar mal richtig schmunzeln :)
Weiter so!

Gruss
raVen
 
F

filechecker

Gast
Hallo Mariko,

lustige Geschichte und ganz ordentlich erzählt.

[Dort sei eine Werkstatt in der Nähe, die könnten sich den Wagen einmal ansehen]

Dieser Satz ist etwas verunglückt. "könnten" ist hier falsch. Der Gliedsatz bezieht sich auf "Werkstatt". Ich würde fortfahren: ..dort könnte ... Mir gefällt aber auch nicht: "Dort sei..."
Besser vielleicht: .....befinde....

Auch das finde ich nicht so toll beschrieben:

[Nach einer Weile schlug die Ampel auf „grün“ ]
Da wäre "sprang", bzw. "schaltete" besser.

Feile noch etwas daran, dann wird es gut!

Viele Grüße
filechecker
 

Mariko

Mitglied
Hallo filechecker,

vielen Dank für die Tipps. Es ist schon ganz sinnvoll, einen Text zur Diskussion zu stellen. Selbst hat man irgendwann keine Verbesserungsideen mehr. Ich werde mir den Text daraufhin noch einmal ansehen und ihn ändern. Oder verstößt die nachträgliche Änderung gegen irgendwelche Regeln?

Viele Grüße
 
F

filechecker

Gast
Hallo,

selbstverständlich verstößt das nachträgliche Ändern des Textes gegen keine Forenregel. Zu diesem Zweck diskutieren wir ja alle hier!

Gruß
filechecker
 



 
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