Angezogen

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Aligator

Mitglied
Manchmal lieg ich im Bett und spüre, wie der Planet mich anzieht. Ich liege dann nicht auf, sondern hafte seitlich an ihm.
Ich stelle mir vor, wie über der Zimmerdecke, dem Beton und den Dachziegeln, die Unendlichkeit des Raums mich von Urzeiten her anblickt, mich loslösen, von meinem Bett abziehen und mit sich nehmen möchte.
Aber die Kraft hält dagegen, möchte mich einverleiben, einsaugen durch die Matratze, dem Fundament, tief hinunter in die Erde, weiter bis zum glühenden Eisenkern. Und ich denke, sie wird gewinnen.
Doch morgens, wenn ich aufstehe und auf meinen Füßen umherwandle, da kommt es mir manchmal wie ein Wunder vor, wenn ich mir all dessen bewusst werde.
 

klaatu

Mitglied
Hallo Aligator! Manchmal fühlt sich diese Welt mit ihren Naturgesetzen einfach sehr strange an... Was du hier beschreibst, dieses wundersame Gefühl, kenne ich gut. Schön, das mal so niedergeschrieben zu lesen. Auch wenn die Form mir nicht 100%ig zusagt: Gerne gelesen!
LG
k
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
trochäisch-iambische Verse

Manchmal lieg ich im Bett und
spüre wie der Planet mich anzieht

Ich
liege dann nicht auf sondern
hafte seitlich an ihm

Ich
stelle mir vor wie über der
Zimmerdecke dem Beton und den
Dachziegeln die Un
endlichkeit des Raums mich von Urzeiten her
anblickt mich
loslösen von meinem Bett
abziehen und
mit sich nehmen möchte

Aber die Kraft hält dagegen
möchte mich einverleiben
einsaugen durch die Matratze das
Fundament tief hin
unter in die Erde
weiter bis zum
glühenden
Eisen
kern

Und ich
denke sie wird gewinnen

Doch morgens wenn ich
aufstehe und auf meinen
Füßen umherwandle da
kommt es mir manchmal wie ein
Wunder vor wenn ich mir all dessen
bewusst werde
 

Aligator

Mitglied
Mondnein, danke für deine Beschäftigung mit dem Text!

"Aber die Kraft hält dagegen
möchte mich einverleiben
einsaugen durch die Matratze das
Fundament tief hin
unter in die Erde
weiter bis zum
glühenden
Eisen
kern"

Hier gefällt mir es, wie du es angeordnet hast. Leider fehlt mir da ein bisschen der Zugang dazu. Das Lesen find ich dann seltsam, besonders wenn die Wörter gekappt werden. Ich bin fürs simple. Aber nicht falsch verstehen, das hat eine eigene Schönheit und ich finds toll und ich fühl mich geehrt, dass du es mir nochmal so geschrieben hast. Vielleicht öffnet es bei mir neue Sichtweisen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Lieber Aligator!

Seltsam wird das Lesen nur, wenn Dus nicht flüssig liest. Aber das ist nicht schwerer als bei Prosa, eher leichter, weil jetzt 1. die Sinneinheiten überschauberer gegliedert sind und
2. Sprachmelodien sichtbar werden.
Es fängt ja nun jeder Vers mit einer Betonung an, der Rest der Verszeile rollt davon ab, flattert an der Fahnenstange von links nch rechts im Wind des Ausatems, ergibt sich ganz von selbst.

Ohne die sprachliche Musik der Verse ist es kein Gedicht, wie schon revilo Dir mitgeteilt hat.

grusz, hansz
 

Aligator

Mitglied
Hi Hanzs,
Hm, das ergibt Sinn was du sagst. Vielleicht hab ich mich auch um Genre vertan. Ich habe gedacht, Lyrik verkraftet das. Aber ich merke wie sie das 'Angezogen' abstößt;)
Mich hat das sehr gereizt, das Geschriebene -also reden tu ich nicht so- in seinem Rhythmus, seinem Ausdruck usw. die Originalität des unmittelbar Geschriebenen also, nicht der Form zu unterwerfen und sei es nur, dass es durch blose Anordnung stattfindet.
Ich glaube, es gibt schon sowas, bin halt nicht so beslesen.
Naja, nichts für Ungut, habe mich über deine Antwort sehr gefreut!

LG,
Steffen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
GrüßDich, Aligator -

mich würde schon interessieren, was Du darunter verstehst, wenn Du schreibst, daß irgendwas der Form "unterworfen" sein könne. Das ist so, als könne das Glas der Durchsichtigkeit unterworfen sein.
Verstehe ich nicht.

grusz, hansz
 

Aligator

Mitglied
Hallo Mondnein,

Wenn du sagst, Glas wäre der Durchsichtigkeit unterworfen, dann kann ich das meinerseits nicht nachvollziehen. Das Durchsichtige wäre eine Eigenschaft, die je nach Vollkommenheitsgrad des Glases mehr oder weniger vorherrschd. Dies kann ich aber nicht mit 'Form' in diesen Kontext setzen. Wie hadt du das gemeint?
Wenn wir bei dem Glas bleiben, dann könnte ich es so ausdrücken: Du hast ein Trinkglas und schöpfst damit Wasser. Dann wäre das Wasser, also der Inhalt, der Form des Glases unterworfen. Im Gegensatz dazu gehst du an die Quelle und schöpfst es mit den Händen oder trinkst direkt. Auch wenn viele es aus guten Gründen vorziehen, das Wasser zu Tisch in einem ansprechendem Glas zu sich zu nehmen, so gehen einige Eigenschaften des Wassers dabei verloren, wie Ursprünglichkeit, Geschmack oder Lebendigkeit. So könnte man auch die Form in der Lyrik betrachten. Der eine bevorzugt dabei Stil und Darreichungsform, dem anderen kümmert nur Inhalt. Geschmacksache, deshalb unstreitbar.


LG,
Steve
 

Aligator

Mitglied
Manchmal liege ich
im Bett
spüre
wie der Planet
mich
anzieht an der
Seite
haftend



Über der Decke
Beton
Dachziegel, Wolken
Gestirn
will der Undendliche
Raum
mich
los
lös
en


Aber die Kraft
hält
möcht mich saugen
durch Matratze,
Fundament
und tief
hinunter
bis zum
Eisen
kern



Doch morgens, wenn ich auf
steh
umhergeh
dann denk ich mir
sie wird
einst
siegen
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Ja, Aligator,

bei physischen Gegenständen ist "Form" so was, wie Du es mit dem Glas Wasser geschildert hast. Aber nicht so bei gedanklichen Formen. Die Form des Gedankens, manifest in den Formen der Sprache, die ihn ausdrückt, ist das logische Gefüge, das ihn, den Gedanken, überhaupt verstehen läßt und bewußt hält. Grammatisch: die Prädikation der Subjekte und die Hypotaxe der von einander "abhängigen" Sätze; musikalisch: das Metrum, in dem der Rhythmus verständlich wird; die verschiedenen Symmetrien der Stilfiguren.
In der Sprache dienen die Formen der Transparenz der Inhalte, da Sprache primär Gedanken mitteilbar macht. Das ist fast das Gegenteil zu der Rolle der "Formen" in der sinnlichen Welt der geformten Gegenstände. Da ist die Materie der Form unterworfen, bis in die letzten Winkel der physikalischen und biologischen Organisiertheit. Klangmaterien sind auch der Form (grammatisch, musikalisch usw.) unterworfen, aber nicht die gedanklichen Inhalte. Die bestimmen die Form, wenn sie mitteilbar werden wollen. Kurz: Form dient dem Inhalt, nicht umgekehrt. Materien dienen der Form, Formen den Inhalten, Inhalte sind in der Poesie Selbstzweck, wie Erkenntnis in der Wissenschaft Selbstzweck ist.

grusz, hansz
 

Aligator

Mitglied
Manchmal liege ich
im Bett
spüre
wie der Planet
mich
anzieht an der
Seite
haftend



Über der Decke
Beton
Dachziegel, Wolken
Gestirn
will der Undendliche
Raum
mich
los
lös
en


Aber die Kraft
hält
möcht mich saugen
durch Matratze,
Fundament
und tief
hinunter
bis zum
Eisen
kern



Doch morgens, wenn ich auf
steh
umhergeh
dann frag ich mich
wird sie
einst
siegen
 

Aligator

Mitglied
Manchmal liege ich
im Bett
spüre
wie der Planet
mich
anzieht an der
Seite
haftend



Über der Decke
Beton
Dachziegel, Wolken
Gestirn
will der Undendliche
Raum
mich
los
lös
en


Aber die Kraft
hält
möcht mich saugen
durch Matratze,
Fundament
und tief
hinunter
bis zum
Eisen
kern



Doch morgens, wenn ich auf
steh
umhergeh
dann frag ich mich
wird sie
einst
siegen
 

Aligator

Mitglied
Manchmal lieg ich im Bett und spüre, wie der Planet mich anzieht. Ich liege dann nicht auf, sondern hafte seitlich an ihm.
Ich stelle mir vor, wie über der Zimmerdecke, dem Beton und den Dachziegeln, die Unendlichkeit des Raums mich von Urzeiten her anblickt, mich loslösen, von meinem Bett abziehen und mit sich nehmen möchte.
Aber die Kraft hält dagegen, möchte mich einverleiben, einsaugen durch die Matratze, dem Fundament, tief hinunter in die Erde, weiter bis zum glühenden Eisenkern. Und ich denke, sie wird gewinnen.
Doch morgens, wenn ich aufstehe und auf meinen Füßen umherwandle, da kommt es mir manchmal wie ein Wunder vor, wenn ich mir all dessen bewusst werde.
 



 
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