Anti-Sonne-Sonett (Aus dem Nebelland)

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Das Nebelland will Heimat sein. Es will mich dampfend locken:
Lass dich vom matten, milden Grau wie Strahlenkranz umrahmen!
Bin Umhang dir, wenn Leut bei sich in Sauertöpfen hocken!
Tauch ein in mich, ich bringe auf: Viel Sanftmut und Erbarmen…

Schönwetterpflicht im Butterlicht, mit blauem Himmel, trocken:
Nein, so etwas versteh ich nicht. Bleib fern mit Nahaufnahmen!
Die Grelligkeit: Sie schreckt mich gar und will doch direkt schocken
Da häng ich lieber unsichtbar dem Nebel in den Armen

Mein Nebelland packt jeden ein: In dicke Wasserwatte
Ein Schutz, den man vom Sonnenschein noch nie gesehen hatte
Doch wirklich nur im feuchten Gas kann man sich fein verstecken

Drum schlüpf ich raus ins fahle Nass, als wahre Nebelratte
Seh zu, dass mich mein alter Freund auch rundherum beschatte
Und wo sie selber niemals scheint, kann Sonne mich mal lecken
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Interessant ist für mich die sprachliche Entwicklung. Es besteht eine große Tendenz, das "r" nicht mehr auszusprechen, sodass die Reime in Strophe 1 und 2 möglich werden.


Lass dich vom matten, milden Grau wie Strahlenkranz umrahmen!

Tauch ein in mich, ich bringe auf: Viel Sanftmut und Erbarmen…

Nein, so etwas versteh ich nicht. Bleib fern mit Nahaufnahmen!

Da häng ich lieber unsichtbar dem Nebel in den Armen


Ich selbst habe hier sowohl beim Lesen als auch beim Sprechen Schwierigkeiten. Es klingt nicht, es ist wie eine zersprungene Glocke.
 
Hallo Bernd!


Stimmt, das ist kein 100%ig reiner Reim – das finde ich persönlich aber gar nicht schlimm, manchmal sogar ganz gut.

Zudem hab ich innerhalb der Verse zusätzliche Reime eingebaut, sozusagen als kompensatorische Fleißaufgabe.


Liebe Grüße, vor allem auch an die fleißigen Sternenspender,


Erdling
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Gemeint habe ich eine Sprachentwicklung, die zum hundertprozentigen Reim führt. Wo ich herstamme, wird das "r" noch gesprochen, im Norden ist es dagegen praktisch verblasst, so dass diese Reime relativ oft auftauchen.
Das heißt, es ist ein persönliches Gefühl, das von meiner Umgebung herkommt.

Nena hat oft solche Reime verwendet, da hört man, dass sie das "r" nicht spricht.

Inhaltlich finde ich das Gedicht übrigens gut.

Wie liest Du die Reime laut? Als echte Reime oder mit "r"?

Das "a-Schwa", das sonst das "r" ersetzt, fällt ja hier mit dem "a" zusammen. Es entsteht nur eine Art angedeuteter Gleitlaut.
 
Also, aus dem Norden bin ich eher nicht.
Obwohl ich es kann, spreche ich das rollende „R“ nicht oft.
Wenn ich die Verse laut lese, reimen sie sich in meinen Ohren.
Dasselbe, wenn ich die Vorlese-Funktion im Word nutze.
(Die nutze ich übrigens auch gern, um Tippfehler ausfindig zu machen)

Natürlich, wenn ich mir das Ganze theatralisch vorgetragen in rrreinster Bühnensprrrache vorstelle, reimt es sich vielleicht nicht mehr ganz so gut…
Aber so weit wird es wohl gar nicht erst nicht kommen.
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das rollende "r" spreche ich auch nicht, aber der "ar"-Laut ist bei mir unterschiedlich zum "ah"-Laut.
 



 
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