April-Winter

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petrasmiles

Mitglied
Die Elster lässt ihr Keckern hören
Bewacht sie da ihr Nest, oder lauert sie auf Beute?

Eine fette Taube kehrt mir den Rücken zu
Wahrscheinlich hat sie nur ihre Daunen aufgeplustert
Ihre Blickrichtung das Nest?
Eine zweite gesellt sich dazu

Die Krähe hat sich wieder zurückgezogen

Gestern Morgen: Stille
Und dann dieses Gezwitscher wie sonst nur im Frühling

Ein kleiner Schwarm Spatzen oder Meisen
Es sind nur winzige Bäusche auszumachen
Sitzen auf den dürren Ästchen der Birke
Ich wette, sie beratschlagen ihre Reiseroute

Ein verstörendes Geräusch und sie erheben sich
Wie Eins in die Lüfte
Drehen eine kleine Runde und lassen sich wieder
Auf dem Ast der Birke nieder

Heute nichts von ihnen zu hören

Zwei weitere Tauben gesellen sich zu den ersten beiden
Sie fliegen gemeinsam davon

Stumm jetzt die Elster.
 

Perry

Mitglied
Hallo Petra,
"alle Vögel sind schon da", könnte man trällern, wäre da nicht auch eine Spur von Unruhe zu spüren.
Konstruktiv frage ich mich wo die "Krähe" herkam und ob Spatzen und Meisen wirklich auf Reisen gehen.
Auf jeden Fall endet der Text spannend mit der Frage, was die Elster verstummen ließ?
LG
Manfred
 

Rachel

Mitglied
Was wäre der zweite Kaffee am Morgen ohne Fenster, ohne diese augenblicksnahe Bagage?
Gedanken, nichts als Gedankengänge, aber hier ...

Wie Eins in die Lüfte - ... im Gedicht die schönste Stelle ... da entsteht ein Moment aus der Mitte. Und am Ende?

Stumm jetzt die Elster.

Stille ... Vorfreude ... Frühling kommt
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Petra,
"alle Vögel sind schon da", könnte man trällern, wäre da nicht auch eine Spur von Unruhe zu spüren.
Konstruktiv frage ich mich wo die "Krähe" herkam und ob Spatzen und Meisen wirklich auf Reisen gehen.
Auf jeden Fall endet der Text spannend mit der Frage, was die Elster verstummen ließ?
LG
Manfred
Lieber Perry,

da ist radikale Ehrlichkeit gefordert: ich habe keine Ahnung. Sehr wahrscheinlich gehören sie nicht zu den Zugvögeln, aber es war ein großes 'Palaver' und mehr als diese Vermutung gab mein Hirn nicht her.
Und die Krähe scharwenzelt immer hier irgendwo rum, mal wirkt sie ansässig, dann wieder wie auf der Durchreise. Auf jeden Fall ist sie sehr daran interessiert, was hier so vor sich geht - manchmal ist sie sogar Partei.
Mir war auch daran gelegen, diese Eigendynamik des anderen Lebens ins Spiel zu bringen, das seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, die wir Menschen - und insbesondere ich - nicht immer entschlüsseln können.
Ich mag diese Relativierung unserer Welt - es gibt ein Leben hinter dem Leben. und es ist nicht leichter.

Danke für Deinen Besuch und Deine Gedanken!

Liebe Grüße
Petra
 

petrasmiles

Mitglied
Vielen Dank Rachel, für Deine Komplizenschaft :)
Die Welt der Vögel war mir immer fremd - sie sind einfach nicht knuffig - aber haben sich doch im Laufe meines Lebens einen Platz in der ersten Reihe meiner Wahrnehmung erzwitschert. Das fing mit den abendlichen Rufen der Amseln im Sommer an, wenn ich als Kind ins Bett musste wenn es noch hell war oder erst dämmerte, bis hin zu heutigem Trost inclusive Mahnung, dass es ein Leben außerhalb der menschlichen vanitas gibt.
Und ja, sie werden die ersten sein, die es uns wissen lassen, wenn es so weit ist. Das Meisen-Palaver war ein deutliches Zeichen!
Danke auch für die Sternchen - und natürlich für Deinen Besuch!

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

Mitglied
Liebe Petra,

damit punktest du bei mir aber sowas von! Seit ich Haus und Gärtchen habe, bin ich begeistert, wieviele Vögel sich bei meiner Futterstelle einfinden und wie unterschiedlich sie sich beim Fressen verhalten und sich generell in ihren Bedürfnissen und Lebensräumen unterscheiden. Da sieht man den Garten auf einmal in viel mehr Bereiche oder Zonen gegliedert, als er sich für uns Menschen darstellt.

Der Amselgesang ist einer der schönsten (und der Gesang der Stare einer der originellsten) und manchmal habe ich den Eindruck, wir dürfen den Garten nur mitbenützen, während die Amseln ihn schon erobert haben. Sie fürchten sich nicht einmal, wenn ich mit dem Spindelrasenmäher in einem Meter Entfernung an ihnen vorbeimarschiere. Man kennt sich, wie's aussieht und ich werde geduldet.

Heuer, im zweiten Jahr mit Futterhäuschen, Meisenringen und Co. sind neben den Spatzen, Staren, Stieglitzen, Türkentauben, Kohl- und Blaumeisen auch noch Buntspecht, Eichelhäher, Rotkehlchen und Zaunkönig dagewesen und ich bin regelmäßig mit Feldstecher am Fenster gestanden und hab mich an meinen quirligen Besuchern erfreut. Sogar ein Fasan ist direkt und äußerst tiefenentspannt im Durchgang direkt an meiner Haustür vorbeispaziert (das war der, glaube ich, der mich voriges Jahr immer aus der Baumkrone der Nachbarin heraus im Arbeitszimmer beobachtet hat ;) ).
Ihre Blickrichtung das Nest?
Eine zweite gesellt sich dazu

Die Krähe hat sich wieder zurückgezogen

Gestern Morgen: Stille
Und dann dieses Gezwitscher wie sonst nur im Frühling


....

Stumm jetzt die Elster
Ja, spannend, was sich da so abspielt und was wir als Laien nicht deuten können. Da fällt irgendwie besonders auf, wie hier unser (grundsätzlich falscher) Ansatz, tierisches Verhalten zu vermenschlichen, versagt. Sie bleiben uns wundersam fremd und faszinieren vielleicht auch deshalb so. Und sicherlich auch, weil sie so fragil wirken - zu fragil (für unser Empfinden) für diese raue Welt. Dabei sind die alle auf ihre Hart schon zähe Knochen. ;)

Sehr gerne gelesen!

LG,
fee
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe Fee,

da bin ich aber baff, dass Dir meine eher lakonischen Naturbetrachtungen auch zusagen, wo Du doch die Meisterin der Verzwirbelung von innen und außen bist. Um so mehr freue ich mich natürlich.
Eben waren sogar zwei Elstern da - ich bin mir ziemlich sicher, dass sie die Lage sondieren.
Und wenn die Dämmerung einsetzt, kommen die Krähen in Schwärmen in die Stadt geflogen und lassen sich auf ihren Schlafbäumen nieder. Am nächsten Tag kann man dann sehen, wo sie waren ;-) Ich sage mir immer, die kommen jetzt von der Arbeit - die Körner einsammeln von den Feldern der Umgebung.
Danke für die Besternung!

Liebe Grüße
Petra
 

fee_reloaded

Mitglied
dass Dir meine eher lakonischen Naturbetrachtungen auch zusagen, wo Du doch die Meisterin der Verzwirbelung von innen und außen bist.
Oh, danke für dieses liebe Kompliment, Petra! Das macht mich doch glatt ein wenig verlegen. ;)

Lakonisch, wenn es gut gemacht ist, steht dem Verzwirbelten in Nichts nach, wie ich es sehe. Außerdem lese ich gerne das, was anders ist als das, was ich selbst schreibe. Sonst bleibt der Horizont auf Dauer doch ein bissl arg eng. ;)

Unsere Wiener Wohnung liegt auch direkt unter der täglichen Einflugschneise großer Krähenschwärme (auf dem Weg zu ihren Schlafplätzen im Donaupark). Das ist immer eine mächtige Klangwolke, die einen richtig schwindlig macht, wenn man zu lange nach oben sieht, und geht locker fünf Minuten lang so. Ich mag das sehr.

Kann sein, dass die Elstern ihre Paarungszeit auch inzwischen ein paar Wochen vorverlegt haben und deshalb jetzt zu zweit die Gegend auskundschaften. Inzwischen weiß man ja, dass etliche Zugvögel durch die Klimaerwärmung ihr Brutfenster in ihren Ankunftsgegenden verpassen, weil sie zum Beispiel die Wüsten nicht mehr überfliegen können, sondern einen großen Umweg nehmen müssen, um noch Rastplätze zu finden, wo sie wieder Energie auftanken können. Die passen sich auch schon an und ziehen inzwischen früher oder weniger weit oder ändern sogar ihren Ernährungsplan.

Der Kuckuck zum Beispiel hat jetzt Probleme, weil er seine Eier nur in die Nester zweier ganz bestimmter Vogelarten legen kann (je nachdem passen die Eierschalen sich an die Färbung dieser beiden Arten an - was ja allein schon mega spannend ist) und diese Vogelarten inzwischen ein paar Wochen früher brüten und er somit das Zeitfenster nicht mehr schafft als Zugvogel. Man wird sehen, wieviele Vogelarten wirklich demnächst bedroht sind.

LG,
fee
 

Scal

Mitglied
Liebe Petra!

Wo ist in diesem Moment mein Sitzplatz am runden Tisch?
Auf dem runden Tisch liegt ein Text. Eine Blickwinkelfrage. Kann ich den Text aus den unmittelbar gegebenen, verschiedensten Kontextualitäten herauslösen, in einem Forum mit seiner - auch menschlich-persönlichen - Historie? Nein, sicherlich nicht ganz.

Lyrische Prosa. Einfache, beschreibende, berichtende Mitteilungs-Schritte. Der Text erzählt von einer Be-findlichkeit, erzählt von einem der vielen Orte einer Seelenlandschaft.
Finde ich Zugang von diesem Ort? Ist es ein Ort, der mir vertraut ist? Kann ich mich darin einleben? Spielt mein momentaner Platz am runden Tisch dabei eine Rolle?

Da ist die Elster und da sind noch einige andere Vögel. Ich lebe die meiste Zeit des Jahres in einem Haus am Waldrand und sehe von meinem Schreib-Sitzplatz aus auf eine Tanne, unter der ein Vogelhaus hängt, das ich täglich fülle. 17 Vogelarten habe ich vor einigen Wochen an einem Tag gezählt.

Anvertraue ich mich meinem Gefühl, dann komme ich zu einer Formulierung wie: Der Atem der Poesie reicht etwas über den strengen Diagnoseblick der Poetologie hinaus, ihr Raum bleibt uneinrahmbar. Gut so, eine Möglichkeit, durchzuatmen. Sagt mein Gefühl, dem ich im Moment vertraue, vertrauen will.

Da sagst Du in einer Antwort auf einen Kommentar:


Mir war auch daran gelegen, diese Eigendynamik des anderen Lebens ins Spiel zu bringen, das seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten folgt, die wir Menschen - und insbesondere ich - nicht immer entschlüsseln können.
Ich mag diese Relativierung unserer Welt - es gibt ein Leben hinter dem Leben. und es ist nicht leichter.


Zwei für mich bemerkenswerte (und irgendwie auch erleichternde) Sätze.

Hätte mein Kommentarversuch vorgestern oder übermorgen anders geklungen? Vielleicht? Wahrscheinlich? Ja, ich wäre andere Formulierungswege gegangen, aber letztlich ähnliche, bilde ich mir ein.
Texte und ihr persönlicher Stellenwert: Ich habe Deinen Text (für mich) in einen Zusammenhang mit meinem kürzlich geposteten Text "Ein Seelchen halt" hineingedacht.
Hoffentlich habe ich meine Äußerungen nicht zu kompliziert vorgetragen. Das passiert mir ja immer wieder mal.

Lieben Gruß
Scal
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Scal,

wenn man ehrlich seine Anmutungen benennt, dann geht das zu Lasten einer gewissen Stringenz - und das ist auch gut so.

Vor allem schaffst Du dabei - insbesondere auch in Deinen Texten - einen Assoziationskosmos, alles scheint nicht nur für sich selbst zu stehen, sondern weist auf unendlich viele Verknüpfungsmöglichkeiten hin. Das sind im wahrsten Sinne offene Texte, die trotzdem nicht beliebig sind. Dich zu lesen gibt meinem Kopf resp. seinem Inhalt immer einen kleinen Stups in eine andere, unbekannte Richtung.
Von daher, nein, nicht zu kompliziert. (Ich habe hier in der Leselupe übrigens mal einen Text gepostet 'Von Komplexität und Kompliziertheit' - fiel dem Aussortieren der Essayrubrik zum Opfer.)

Dass Du den 'Seelchen'-Text hier erwähnst ... der hatte mich beschäftigt. Ich habe mir vierzig Jahre lang nicht gewährt, dies nach außen dringen zu lassen, aber für mich und Vertraute war immer klar, dass ich ein Seelchen bin. Passt nicht so gut zu dem Selbstbild einer toughen Frau, die ich auch sein wollte und im Grunde bin, aber das erklärt so manchen Haken, den ich im Leben schlug - und ist immer die letzte Instanz bei Entscheidungen.

Dass dies auch die Grundlage meines poetischen Erlebens bildet, leuchtet mir da auf Anhieb ein - es ist, als würde zwischen der Person und dem Erleben kein Blatt (Papier) passen.

Liebe Grüße - und vielen Dank!
Petra
 



 
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