Arbeitsamt-Blues

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Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich musste heute hin zum Arbeitsamt, ich verlor mich in den Gängen dort,
und ich zeigte den Zettel einem Wachmann: "Sagen Sie, wie find ich diesen Ort?"
Und der sprach: "Das geht mich gar nichts an, bitte schauen Sie nur auf das Schild,
dort steht klar, dass keiner mit mir sprechen darf, und jetzt sind sie wohl im Bild!"

Und das war klar, und das war klar,
und das war immer immer immer völlig klar,
denn man soll mit dem Wachmann nicht sprechen,
denn man ist dem Amte 'ne Gefahr.

Und da ging ich also die Gänge lang und die Treppe hoch zum vierten Stock,
und da öffnete sich dort eine Tür, und schon kam der nächste Schock.
Denn da stand vor mir eine lange Schlange, alle blickten sie bedrückt,
und ich stellte mich also an der Schlange an, und ich hoffte, dass es glückt.

Und das war klar, und das war klar,
und das war immer immer immer völlig klar,
denn man braucht hier immer mächtig lange,
damit da ein wenig Hoffnung war.

Als ich dran war, kriegte ich ein Kilo Formulare. "Bitte füllen Sie sie aus!"
Und da nahm ich alle die Papiere und ich wurde nicht schlau daraus.
Denn da waren lauter dumme Fragen, und die Drohung lag in der Luft:
"Wenn Sie uns die Wahrheit nicht sagen, dann kürzen wir Leistungen, Sie Schuft!"

Und das war klar, und das war klar,
und das war immer immer immer völlig klar,
ohne Klagen all die Fragen auszufüllen,
dafür brauchst du fast ein Jahr.

(Melodie: frei nach "Free and equal blues")
 
F

Fettauge

Gast
Hallo Bernd,

ja. Mit einem kleinen Aber. Du hast den Text unter Gereimtes gepostet. Mir ist es schon fast zu dumm, es schreiben zu müssen: Zu einem gereimten Text gehört aber ein bestimmtes Metrum. Das hältst du in diesem Text nicht ein. Er hätte wohl eher in die Rubrik Ungereimtes gepasst, auch wenn er Reimwörter aufweist.

Inhaltlich lobe ich dich, der Inhalt ist kritisch, er zeigt sehr realistisch in mehreren Facetten die Demütigung auf, die dem Arbeitslosen auf dem Amt begegnet. Erst auf dem Arbeitsamt begreift man das ganze Ausmaß des Elends der Arbeitslosigkeit, es wird einem geradezu eingehämmert. Vielleicht vermisse ich noch den wirklichen Protest, mein Eindruck ist doch eher der, dass sich die Arbeitslosen in ihrer Mehrzahl den Schikanen beugen. Aber das liegt nicht an deinem Text, sondern an der Realität. Vielleicht hätte so etwas wie ein innerer Monolog, in dem du deinen ganzen Frust herausschreist, dem Text gutgetan.

Gruß, Fettauge
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo, Fettauge,
der Text mag Dir vielleicht ungereimt erscheinen, hat aber sowohl Reim als auch Metrum.
Sonst könnte man ihn ja weder sprechen noch singen.
Allerdings ist das Metrum nicht jambisch oder trochäisch, sondern entspricht einem Blues-Rhythmus, bei dem unbetonte Silben relativ frei sind.

Im hier vorliegenden Fall ist das Metrum dem Free-and-Equal-Blues angepasst.

Das stärkere Herausschreien des Frusts: Ich denke drüber nach.

Im Moment habe ich Arbeit, aber leider befristet, ich weiß noch nicht, ob es weitergeht. Jedenfalls muss ich nächste Woche wieder hin zur Agentur für Arbeit, weil die Befristung Ende September erst mal abläuft. Es soll ja weitergehen. ...
Jedenfalls ist der Stapel Papiere jedesmal dicker.

Viele Grüße von Bernd
 
F

Fettauge

Gast
Tja, dann wünsch ich dir Erfolg. Eine Arbeitsstelle, die man als Arbeitsstelle bezeichnen kann, werden sie dir kaum anbieten. Vielleicht wieder eine Informationsveranstaltung, davon haben sie reichlich.

Was nun den Blues-Rhythmus angeht, so ist er sicherlich bei einem gesungenen Blues angebracht, aber als Gedicht? Da habe ich meine Zweifel. Vielleicht kannst du eine Audio-Version posten? Hätte ich allen Ernstes gemacht.

Gruß, Fettauge
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ich werde das noch machen, mit der Sound-Datei.
Geht leider nicht so schnell.

Ich bin zur Zeit wieder in meiner alten Firma, die waren eigentlich immer gut zu mir. Sie haben mich auch wieder eingestellt, wenn auch nur befristet. Verlängerung ist geplant. Ich hoffe das Beste.
 

hermannknehr

Mitglied
Hallo Bernd,
obwohl ich mich völlig inkompetent fühle, über einen Text wie diesen ein Urteil abzugeben, möchte ich doch aus meiner Sicht etwas dazu sagen. Ich muss Fettauge beipflichten, wenn er sagt, das ihm die Metrik fehlt, d.h. die Metrik eines Gedichtes, die jede Zeile, sei es mit Jamben oder Trochäen, mit Wortbeugungen, Endreimen oder Mittelreimen selbstständig trägt, ohne dass man sie skandieren muss. Aber wie gesagt, ich weiß über das Free-and-Equal-Blues Metrum zu wenig Bescheid.
Übrigens, dass ein Text Reim und Metrum haben muss, um ihn singen zu können, stimmt nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich ungereimte Texte wesentlich besser vertonen lassen als Gedichte, die sonst all zu leicht in das schlagerhafte oder ins Rapper-Milieu abgleiten.
mfg

Hermann
 

Bernd

Foren-Redakteur
Teammitglied
Das ist wahr, aber der vorliegende Text hat ein Metrum.
Ich werde es bei Gelegenheit einsprechen, schaffe das aber heute nicht.
Natürlich ist es ein Wagnis, Metren zu verwenden, die aus anderen Kunstrichtungen kommen.
Letztlich ist aber die Lyrik sehr eng mit der Musik verwandt, und ich habe es hier als Gedicht geschrieben, das man auch singen kann.

In den Grundstrophen besteht jeder Vers aus zwei tripodischen Halbversen, mit je drei Hebungen und unterschiedlich vielen Senkungen.

Beispiel
Ich musste heute hin zum Arbeitsamt,
ich verlor mich in den Gängen dort,

In den Zwischenstrophen (ursprünglich Kehrreim) ist die Struktur anders:

Und das war klar, und das war klar, (Zwei Halbstrophen mit je zwei Hebungen, zwei dipodische Halbverse, aber eigentlich, da man Pausen mitrechnen muss, sind diese Verse ebenfalls tripodisch, haben drei Hebungen, eine davon in der Pause.)
und das war immer immer immer völlig klar, (Sechs Hebungen, hexapodisch)
denn man soll mit dem Wachmann nicht sprechen, (drei Hebungen, tripodisch)
denn man ist dem Amte 'ne Gefahr. (drei Hebungen, tripodisch)

Wir haben ganz regelmäßige Takte, die sich in den Strophen wiederholen.

Danke für die bisherige Diskussion, weil man ja nur aus Einwänden lernt.
 

hermannknehr

Mitglied
Vielen Dank für Deine Erklärungen. Ich könnte mir Deinen Text tatsächlich sehr gut als Song vorstellen, auch wenn mir jetzt dazu keine Melodie durch den Kopf geht. Als geschriebener Text allein habe ich nach wie vor Schwierigkeiten ihn als Gedicht anzusehen (wie es mir im übrigen bei den meisten Songtexten geht). Aber das liegt wahrscheinlich an meiner konservativen Vorstellung, wie ein Gedicht beschaffen sein muss.
Hermann
 



 
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