„Das Knarren der Schritte im Nebenzimmer heißt, da ist zwar jemand, aber nicht mehr er. Die Band im Nachtclub und die ausgelassene Stimmung in der Menschenmenge heißt, das Leben ist voller Erlebnisse, aber sie wird sie nicht mehr mit ihm teilen können. Das Rauschen des Wassers während sie sich im Badezimmer die Zähne putzt, bedeutet die Routinehandlungen des Alltags gehen weiter, aber das Wir hat aufgehört zu existieren. An der Ampel strömen Fußgänger zusammen. Sie bedeuten, daß es viele Menschen auf dieser Welt gibt, aber er nicht mehr an ihrer und sie nicht mehr an seiner Seite ist. Sie nimmt eine Tablette, weil sie vom nächtlichen Alkohol Kopfschmerzen hat, was bedeutet, daß sie mit Freunden unterwegs war, aber ohne ihn. Und jetzt sieht sie sich einen Film an, der sie auf Gedanken bringt, die sie nicht mehr mit ihm teilt…..“
Ascheblättchen
Das Ascheblättchen dreht sich wie ein kleiner Propeller, steigt zuerst ein wenig in die höhe, und tänzelt dann wieder nervös ein paar Milimeter richtung Boden, weigert sich aus ihrem Blickfeld hinaus hinunter in den Hof zu sinken. Sie lehnt rauchend am Fenster, beobachtet das schauspiel eine Weile während die letzten Stunden mit ihm in ihr Revue passieren...
Sie sitzt nach vorne zwischen ihre Beine gebeugt auf dem Asphalt, am Wasser weht starker Wind, sie muß sich immer wieder ihre schwarzen Haare aus dem Gesicht streichen.
Er spricht als erster.
„Ich lasse mir das nicht eintrichtern! Diese falsche Vision von der Liebe, die man uns von klein auf anerzogen hat. Filme, Bücher, Religion, alles ist voll von dieser Vorstellung, daß man in der Liebe leiden muß. Die Liebe hat für mich mit Leiden nichts zu tun.“
Sie ärgert sich. Als ob sie das denken würde.
„ Der Meinung bin ich auch. Oder glaubst du etwa ich möchte leiden? Für mich ist eine Beziehung dann etwas wert, wenn man sich gegenseitig inspiriert, wenn man sich Dinge beibringt und die postiven Eigenschaften des anderen aus seinem Partner hervorholt.“
„Nicht so wie wir.“
„Ja , nicht so wie wir. In letzter Zeit war alles nur noch Mißverständnis und fehlende Kommunikation.“
Sie zündet sich die x-te Zigarette an und blickt auf den nächtlichen Fluß, der vor ihnen liegt.
„Eben darum sollten wir es sein lassen solange wir uns noch gerne haben. Alles andere wäre ein langsames Zugrundegehen dessen was wir füreinander empfunden haben.“
Verzweiflung packt sie. Sie glaubt, daß man aus Krisen gestärkt hervorgeht. Als ob das Zugrundegehen von dem er spricht unaufhaltsam gewesen wäre....
....andererseits waren die letzten beiden Male die sie sich gesehen haben eine Dauerkrise. Wahrscheinlich sind das diese zwei Dimensionen von denen er immer öfter spricht. Sie sagt sich, dass alles doch nicht so schlimm ist, sie ist zwar nicht zufrieden so wie es ist, aber das wird schon noch. Sie werden sich schon zusammenraufen. Er sagt sich, das ist nicht das, was er möchte. Und er fühlt genau, dass er nicht mehr so in sie verliebt ist wie vor ein paar Monaten.
Ist sie es denn noch?
Sie bläst den Rauch in die warme Sommerluft. Der Fluß liegt dunkel vor ihnen, ein Touristenboot fährt vorbei und bricht für einige Augenblicke die Stille. Ein spanisches Poplied mischt sich mit einer Mikrofonstimme, wahrscheinlich der Animateur, der die Gäste in Stimmung und zum Tanzen bringen soll, damit sie auch mit dem Gefühl nachhause gehen für ihr Geld was erlebt zu haben.
Ein Schluck aus dem 1/2 Liter Plastikbecher, den sie für ihr Abschiedsgespräch mit an den Fluß genommen haben. Dazu ein paar Chips. Ihr Magen krampft, ob vor Hunger oder Niedergeschlagenheit, weiß sie nicht mehr.
Das Boot ist jetzt verschwunden. Es ist wieder still. Ein paar Katzen haben sich zu ihnen an den Fuß der Steinmauer gesellt und strecken ihnen erwartungsvoll die Köpfe entgegen.
„ Für mich ist eine Beziehung, das was man aus ihr macht. „
Ein Satz der für sie im Widerspruch zu dem steht, was er vorher gesagt hat . Sie sieht ihn von der Seite an.
„ Natürlich ist es so. Aber dieses „was man aus ihr macht“ heißt doch genau das, was ich denke, nämlich, daß man auch durch Krisen geht. Und dann nützt man diese Krisen und macht etwas neues aus der Beziehung, entwickelt sich zusammen weiter. Du hast einmal zu mir gesagt die Liebe ist für dich wie die Religion, jeder glaubt an etwas anderes, jeder bastelt sich seinen eigenen Glauben zurecht und dasselbe gilt für die Art wie man die Liebe lebt. Ich denke da genauso wie du, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass du mich falsch interpretierst. Ich habe dieselbe Meinung. Ich bin nicht die Filme und Bücher und die Predigten unserer Eltern von denen du sprichst. Ich möchte auch glücklich sein. Eine Beziehung in der man recht und schlecht zusammen ist, sich keine wirkliche Erfüllung schenkt und dann so tut, als wäre die Tatsache, dass man doch noch zusammen ist ein Beweis für die Existenz von wahrer Liebe, ist für mich genauso eine Illusion wie für dich. Der Unterschied zwischen uns ist nur der, daß ich keine Befürchtungen habe, daß weitermachen bedeuten könnte, daß wir uns in so ein Paar verwandeln werden. “
Im selben Moment in dem sie aufhört zu sprechen, weiß sie, daß ihre und seine Gedanken keine Übereinstimmung finden werden. Sein nächster Satz wird sicher wieder in eine andere Richtung gehen. Sie kennt diese Stimmung in der nur noch Unmöglichkeit in der Luft liegt. Und dann, wenn sie den Mund aufmacht, kämpft sie doch dagegen an, versucht sie beide wieder auf eine Linie zu bringen. Er starrt vor sich hin, als ob etwas in ihm über ihre Worte nachdenken würde, aber sein Entschluß ist die Gegenwart und hat nichts mehr zu tun mit den Dingen in denen sie möglicherweise doch die gleiche Sichtweise verbindet. Sie wartet kurz auf eine Reaktion, dann fährt sie fort:
„Ich ignoriere ja nicht, daß es in den letzten Monaten mehr Unwohlsein als Zufriedenheit zwischen uns gegeben hat, aber im April zum beispiel, in den zwei Wochen die ich hier war, haben wir uns kein einziges Mal wirklich gestritten. Erinnerst du dich an den Tag als wir mit Manuel auf der Terrasse gesessen sind und scherzend zu ihm gesagt haben, dass alles so ruhig ist zwischen uns , das wir uns schon fragen ob dieses plötzliche Gleichgewicht nicht bald langweilig….“
"....das hast du schon einmal erwähnt!“
„ Na und, dann sage ich es eben noch mal! „
Sie zündet sich genervt eine Zigarette an.
„ ....an die schönen Dinge kannst du dich nicht einmal erinnern. „
„ Das stimmt nicht. Aber es ändert nichts daran, dass ich mich in den letzten Monaten immer ausgelaugter gefühlt habe.“
Der Wind treibt Rauch in seine Augen, er reibt sie und blickt dann geradeaus, ohne sie anzusehen.
„ Die Distanzbeziehugng, die wir führen, hat einfach an meinen Kräften gezehrt. Es war alles eine Anhäufung von Faktoren, die mich immer mehr entliebt haben. Ich habe ja schon so gut wie alleine gelebt. Und im März als ich in Bilbao war und du mich dauernd angerufen hast, da habe ich plötzlich nur noch ein riesen Gewicht gespürt.“
Seine Stimme ist jetzt energisch. Wenn er so spricht rechtfertigt er sich weder, noch geht er auf sein Gegenüber ein, er vertritt dann seine Meinung und fühlt nicht mehr oder weniger als das was er fühlt. Einerseits bewundert sie seine Bestimmtheit, andererseits läßt sie diese Eigenschaft verzweifeln. Im Prinzip ist alles umsonst. Wenn er einmal in eine bestimmte Richtung denkt, dann ist jeder Versuch ihn umzustimmen als ob man gegen eine Wand rennt.
Aber sie lebt in „ihrer Dimension“ wie er es so schön ausdrückt, und deshalb versucht sie ihn mit einer Mischung aus Verständnis und Bemühen dazu zu bringen, wenigstens eine andere Perspektive in Erwägung zu ziehen.
Langsam wallt Gereiztheit in ihm auf.
„Ich fühle nun einmal nicht dasselbe wie früher. Und basta. Wir leben in zwei völlig verschiedenen Welten. Jeder muß jetzt sein leben alleine leben. Du hast ein bestimmtes Alter, bist 24, ich 30, du hast eine bestimmte Erfahrung ich eine andere, du hast einen bestimmten Charakter, ich einen anderen. Und zu allem kommen dann die Kommunikationsprobleme, die Distanz, die Streits. Wenn wir auf der Straße spazieren fühle ich mich nicht mehr als Paar zusammen.“
Jetzt redet er ins einem üblichen Professorenton. Sie kennt das schon. Und anstatt sich umzudrehen und zu gehen, bleibt sie sitzen und versucht geduldig zu sein und zu verstehen, das Agressive an ihm zu ignorieren. Er ist einfach ein bestimmter Mensch. Er ist geradeheraus. Das hat sie ja schon seit langen gewusst, zu lange als daß sie jetzt darüber aufbrausen könnte.
Sie ist gekränkt, versucht aber sachlich zu bleiben.
„ Es ist doch normal, daß man in einer Beziehung Probleme hat. Ich sehe das ganze als Krise, die wir aber überwinden können. Und all die Dinge, die du mir sagst, von wegen wir sind so unterschiedlich, leben auf zwei verschiedenen Ebenen, ich bin einfach nicht deiner Meinung. Wir sind uns in Wahrheit sogar sehr ähnlich. Vielleicht nicht in der Art, wie wir mit Problemen umgehen, aber wir wollen doch beide dasselbe im Leben. Ich bin ein Mensch voller Lust auf Leben, voller lust zu wachsen und mich weiterzuentwickeln, und das ist auch meine Vorstellung von einer Beziehung. Ich möchte reisen, im Ausland leben...die Erfahrung ist doch eine Sache und der Wille den anderen zu verstehen und an seinem Leben teilzunehmen eine andere. Ich glaube nicht dass wir altersmäßig so weit auseinander sind, als daß ich dich nicht verstehen könnte. Außerdem ist die Zuneigung, die man für jemanden verspürt doch der beste Schlüssel zum Verständnis…..“
Sie weiß nicht, ob sie das alles sagt, weil sie wirklich so empfindet oder ob es einfach ihre Art ist, sich an den Dingen festzuhalten in dem Moment in dem ihr klar wird, daß sie etwas verliert. Hat sie nicht selbst schon darüber nachgedacht ob sie überhaupt zu ihm fahren sollte? Doch dann konnte sie nicht, sie kann nicht einfach etwas abbrechen. Sie muß es immer versuchen und macht alles schwieriger damit.
Ein Schluck aus dem Plastikbecher, die Flüssigkeit ist weniger geworden, die Eiswürfel sind geschrumpft und an den Rändern bereits durchsichtig geworden.
Er seufzt und streichelt mit seiner Hand über ihren rechten Oberschenkel. Dann zieht er den Tabak aus der Tasche um sich einen Joint zu drehen...
Der Druck im Magen kehrt zurück, sie schnippt die Zigarette in den Hof und sieht dem Ascheblättchen nach wie es langsam verschwindet. Wenn die Liebe geht, dann tanzt sie in der Schlußphase manchmal auf und ab, als ob sie ein schwebendes Etwas wäre. Zwischen Hoffnung und Ernüchterung drehen sich die Dinge noch eine zeitlang im Kreis, unstet wie fliegende Asche, die die Luftschichten letztendlich doch in Richtung Boden drücken.
Ascheblättchen
Das Ascheblättchen dreht sich wie ein kleiner Propeller, steigt zuerst ein wenig in die höhe, und tänzelt dann wieder nervös ein paar Milimeter richtung Boden, weigert sich aus ihrem Blickfeld hinaus hinunter in den Hof zu sinken. Sie lehnt rauchend am Fenster, beobachtet das schauspiel eine Weile während die letzten Stunden mit ihm in ihr Revue passieren...
Sie sitzt nach vorne zwischen ihre Beine gebeugt auf dem Asphalt, am Wasser weht starker Wind, sie muß sich immer wieder ihre schwarzen Haare aus dem Gesicht streichen.
Er spricht als erster.
„Ich lasse mir das nicht eintrichtern! Diese falsche Vision von der Liebe, die man uns von klein auf anerzogen hat. Filme, Bücher, Religion, alles ist voll von dieser Vorstellung, daß man in der Liebe leiden muß. Die Liebe hat für mich mit Leiden nichts zu tun.“
Sie ärgert sich. Als ob sie das denken würde.
„ Der Meinung bin ich auch. Oder glaubst du etwa ich möchte leiden? Für mich ist eine Beziehung dann etwas wert, wenn man sich gegenseitig inspiriert, wenn man sich Dinge beibringt und die postiven Eigenschaften des anderen aus seinem Partner hervorholt.“
„Nicht so wie wir.“
„Ja , nicht so wie wir. In letzter Zeit war alles nur noch Mißverständnis und fehlende Kommunikation.“
Sie zündet sich die x-te Zigarette an und blickt auf den nächtlichen Fluß, der vor ihnen liegt.
„Eben darum sollten wir es sein lassen solange wir uns noch gerne haben. Alles andere wäre ein langsames Zugrundegehen dessen was wir füreinander empfunden haben.“
Verzweiflung packt sie. Sie glaubt, daß man aus Krisen gestärkt hervorgeht. Als ob das Zugrundegehen von dem er spricht unaufhaltsam gewesen wäre....
....andererseits waren die letzten beiden Male die sie sich gesehen haben eine Dauerkrise. Wahrscheinlich sind das diese zwei Dimensionen von denen er immer öfter spricht. Sie sagt sich, dass alles doch nicht so schlimm ist, sie ist zwar nicht zufrieden so wie es ist, aber das wird schon noch. Sie werden sich schon zusammenraufen. Er sagt sich, das ist nicht das, was er möchte. Und er fühlt genau, dass er nicht mehr so in sie verliebt ist wie vor ein paar Monaten.
Ist sie es denn noch?
Sie bläst den Rauch in die warme Sommerluft. Der Fluß liegt dunkel vor ihnen, ein Touristenboot fährt vorbei und bricht für einige Augenblicke die Stille. Ein spanisches Poplied mischt sich mit einer Mikrofonstimme, wahrscheinlich der Animateur, der die Gäste in Stimmung und zum Tanzen bringen soll, damit sie auch mit dem Gefühl nachhause gehen für ihr Geld was erlebt zu haben.
Ein Schluck aus dem 1/2 Liter Plastikbecher, den sie für ihr Abschiedsgespräch mit an den Fluß genommen haben. Dazu ein paar Chips. Ihr Magen krampft, ob vor Hunger oder Niedergeschlagenheit, weiß sie nicht mehr.
Das Boot ist jetzt verschwunden. Es ist wieder still. Ein paar Katzen haben sich zu ihnen an den Fuß der Steinmauer gesellt und strecken ihnen erwartungsvoll die Köpfe entgegen.
„ Für mich ist eine Beziehung, das was man aus ihr macht. „
Ein Satz der für sie im Widerspruch zu dem steht, was er vorher gesagt hat . Sie sieht ihn von der Seite an.
„ Natürlich ist es so. Aber dieses „was man aus ihr macht“ heißt doch genau das, was ich denke, nämlich, daß man auch durch Krisen geht. Und dann nützt man diese Krisen und macht etwas neues aus der Beziehung, entwickelt sich zusammen weiter. Du hast einmal zu mir gesagt die Liebe ist für dich wie die Religion, jeder glaubt an etwas anderes, jeder bastelt sich seinen eigenen Glauben zurecht und dasselbe gilt für die Art wie man die Liebe lebt. Ich denke da genauso wie du, aber irgendwie habe ich immer das Gefühl, dass du mich falsch interpretierst. Ich habe dieselbe Meinung. Ich bin nicht die Filme und Bücher und die Predigten unserer Eltern von denen du sprichst. Ich möchte auch glücklich sein. Eine Beziehung in der man recht und schlecht zusammen ist, sich keine wirkliche Erfüllung schenkt und dann so tut, als wäre die Tatsache, dass man doch noch zusammen ist ein Beweis für die Existenz von wahrer Liebe, ist für mich genauso eine Illusion wie für dich. Der Unterschied zwischen uns ist nur der, daß ich keine Befürchtungen habe, daß weitermachen bedeuten könnte, daß wir uns in so ein Paar verwandeln werden. “
Im selben Moment in dem sie aufhört zu sprechen, weiß sie, daß ihre und seine Gedanken keine Übereinstimmung finden werden. Sein nächster Satz wird sicher wieder in eine andere Richtung gehen. Sie kennt diese Stimmung in der nur noch Unmöglichkeit in der Luft liegt. Und dann, wenn sie den Mund aufmacht, kämpft sie doch dagegen an, versucht sie beide wieder auf eine Linie zu bringen. Er starrt vor sich hin, als ob etwas in ihm über ihre Worte nachdenken würde, aber sein Entschluß ist die Gegenwart und hat nichts mehr zu tun mit den Dingen in denen sie möglicherweise doch die gleiche Sichtweise verbindet. Sie wartet kurz auf eine Reaktion, dann fährt sie fort:
„Ich ignoriere ja nicht, daß es in den letzten Monaten mehr Unwohlsein als Zufriedenheit zwischen uns gegeben hat, aber im April zum beispiel, in den zwei Wochen die ich hier war, haben wir uns kein einziges Mal wirklich gestritten. Erinnerst du dich an den Tag als wir mit Manuel auf der Terrasse gesessen sind und scherzend zu ihm gesagt haben, dass alles so ruhig ist zwischen uns , das wir uns schon fragen ob dieses plötzliche Gleichgewicht nicht bald langweilig….“
"....das hast du schon einmal erwähnt!“
„ Na und, dann sage ich es eben noch mal! „
Sie zündet sich genervt eine Zigarette an.
„ ....an die schönen Dinge kannst du dich nicht einmal erinnern. „
„ Das stimmt nicht. Aber es ändert nichts daran, dass ich mich in den letzten Monaten immer ausgelaugter gefühlt habe.“
Der Wind treibt Rauch in seine Augen, er reibt sie und blickt dann geradeaus, ohne sie anzusehen.
„ Die Distanzbeziehugng, die wir führen, hat einfach an meinen Kräften gezehrt. Es war alles eine Anhäufung von Faktoren, die mich immer mehr entliebt haben. Ich habe ja schon so gut wie alleine gelebt. Und im März als ich in Bilbao war und du mich dauernd angerufen hast, da habe ich plötzlich nur noch ein riesen Gewicht gespürt.“
Seine Stimme ist jetzt energisch. Wenn er so spricht rechtfertigt er sich weder, noch geht er auf sein Gegenüber ein, er vertritt dann seine Meinung und fühlt nicht mehr oder weniger als das was er fühlt. Einerseits bewundert sie seine Bestimmtheit, andererseits läßt sie diese Eigenschaft verzweifeln. Im Prinzip ist alles umsonst. Wenn er einmal in eine bestimmte Richtung denkt, dann ist jeder Versuch ihn umzustimmen als ob man gegen eine Wand rennt.
Aber sie lebt in „ihrer Dimension“ wie er es so schön ausdrückt, und deshalb versucht sie ihn mit einer Mischung aus Verständnis und Bemühen dazu zu bringen, wenigstens eine andere Perspektive in Erwägung zu ziehen.
Langsam wallt Gereiztheit in ihm auf.
„Ich fühle nun einmal nicht dasselbe wie früher. Und basta. Wir leben in zwei völlig verschiedenen Welten. Jeder muß jetzt sein leben alleine leben. Du hast ein bestimmtes Alter, bist 24, ich 30, du hast eine bestimmte Erfahrung ich eine andere, du hast einen bestimmten Charakter, ich einen anderen. Und zu allem kommen dann die Kommunikationsprobleme, die Distanz, die Streits. Wenn wir auf der Straße spazieren fühle ich mich nicht mehr als Paar zusammen.“
Jetzt redet er ins einem üblichen Professorenton. Sie kennt das schon. Und anstatt sich umzudrehen und zu gehen, bleibt sie sitzen und versucht geduldig zu sein und zu verstehen, das Agressive an ihm zu ignorieren. Er ist einfach ein bestimmter Mensch. Er ist geradeheraus. Das hat sie ja schon seit langen gewusst, zu lange als daß sie jetzt darüber aufbrausen könnte.
Sie ist gekränkt, versucht aber sachlich zu bleiben.
„ Es ist doch normal, daß man in einer Beziehung Probleme hat. Ich sehe das ganze als Krise, die wir aber überwinden können. Und all die Dinge, die du mir sagst, von wegen wir sind so unterschiedlich, leben auf zwei verschiedenen Ebenen, ich bin einfach nicht deiner Meinung. Wir sind uns in Wahrheit sogar sehr ähnlich. Vielleicht nicht in der Art, wie wir mit Problemen umgehen, aber wir wollen doch beide dasselbe im Leben. Ich bin ein Mensch voller Lust auf Leben, voller lust zu wachsen und mich weiterzuentwickeln, und das ist auch meine Vorstellung von einer Beziehung. Ich möchte reisen, im Ausland leben...die Erfahrung ist doch eine Sache und der Wille den anderen zu verstehen und an seinem Leben teilzunehmen eine andere. Ich glaube nicht dass wir altersmäßig so weit auseinander sind, als daß ich dich nicht verstehen könnte. Außerdem ist die Zuneigung, die man für jemanden verspürt doch der beste Schlüssel zum Verständnis…..“
Sie weiß nicht, ob sie das alles sagt, weil sie wirklich so empfindet oder ob es einfach ihre Art ist, sich an den Dingen festzuhalten in dem Moment in dem ihr klar wird, daß sie etwas verliert. Hat sie nicht selbst schon darüber nachgedacht ob sie überhaupt zu ihm fahren sollte? Doch dann konnte sie nicht, sie kann nicht einfach etwas abbrechen. Sie muß es immer versuchen und macht alles schwieriger damit.
Ein Schluck aus dem Plastikbecher, die Flüssigkeit ist weniger geworden, die Eiswürfel sind geschrumpft und an den Rändern bereits durchsichtig geworden.
Er seufzt und streichelt mit seiner Hand über ihren rechten Oberschenkel. Dann zieht er den Tabak aus der Tasche um sich einen Joint zu drehen...
Der Druck im Magen kehrt zurück, sie schnippt die Zigarette in den Hof und sieht dem Ascheblättchen nach wie es langsam verschwindet. Wenn die Liebe geht, dann tanzt sie in der Schlußphase manchmal auf und ab, als ob sie ein schwebendes Etwas wäre. Zwischen Hoffnung und Ernüchterung drehen sich die Dinge noch eine zeitlang im Kreis, unstet wie fliegende Asche, die die Luftschichten letztendlich doch in Richtung Boden drücken.