Atlas

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Hier lag ein Pferd, eine Karkasse
ein Restgewicht im Gras

im toten Winkel der Sonne
dort, unter den Kronen
bei den gebrochenen Kameen

wo in mir erstmals eine Glut aufkam,
Stiefel voll Seerand und Spiegellicht,
als ich über verdorrte Ernte marschierte

ein Tier auf Scherben kauen sah

ahnte ich, dass über Bruchlinien
und Hangwälder ziehen zu müssen
mehr als nur ein Entwurf mit Gelände war

sondern womöglich ein letzter Weg
dich aus dem Geröll der Jahre zu heben
 

Frodomir

Mitglied
Hallo Jonas Laufberg,

herzlich Willkommen hier in der Leselupe!

Ich finde deinen Einstand - genau wie Ubertas - großartig. Unverbrauchte, extrem mächtige Bilder wie z.B. ein Restgewicht im Gras oder
ein Tier auf Scherben kauen sah sind hier beinahe in jedem Vers zu finden. Und es sind Bilder, die durch die Wortwahl die Sinne ansprechen und dadurch eingängig sind.

Ich interpretiere dein Gedicht als ein Umwelt- bzw. Naturgedicht, wie es nur in einer Zeit geschrieben werden kann, die manche Menschen bereits Anthropozän, also das Erdzeitalter des Menschen, nennen. Es stellt sich der Realität extremer Naturzerstörung und gibt aber am Ende des Textes noch einen letzten Kampfesschrei ab - Wir sollten diese Welt nicht aufgeben!

Ich habe aber eine Frage: Was sind Kameen? Dieses Wort kenne ich nicht. Meinst du Kamelen?

Ich wünsche dir, dass du hier viele geneigte Leser findest! Mich hast du jedenfalls schon mal für dich gewonnen, ich finde dein Gedicht so gut, dass es direkt in meine persönlichen Empfehlungen aufgenommen wird.

Viele Grüße
Frodomir
 
Zuletzt bearbeitet:

petrasmiles

Mitglied
Hallo Jonas Laufenberg,

auch von mir ein herzliches Willkommen in der Leselupe!

Ich möchte mich meinen Vorrednern nur bedingt anschließen - aber nur im Hinblick auf die übergroße Begeisterung.
Mir gefällt Dein Gedicht auch und ich finde auch die Originalität der Bildsprache beachtlich.
Mir scheint es nur manchmal zu kippen ins Unkonkrete, 'Gewollte' hier z.B.
Stiefel voll Seerand und Spiegellicht,
oder
mehr als nur ein Entwurf mit Gelände war
Ich lese es nicht als Naturgedicht, aber durchaus apokalyptisch, denn Zerstörung ist überall. Aber dann ist Sinn und Zweck des 'Entwurfes', ein Du aus der Zeit zu heben. Es bleibt offen, ob die Bilder der Zerstörung eine Realität oder eine Projektion sind - was mir gut gefällt. Aber für mich ist es damit ein Beziehungsgedicht. Dafür steht meines Erachtens auch der Titel - es ist der Atlas, der am Rand der Welt den Himmel stützt, um die Erde zu schützen und dem Du ein Entkommen zu ermöglichen, das im Geröll der Zeit versunken ist.

Wirklich ausgezeichnet!

Liebe Grüße
Petra
 



 
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