Atombombe

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Arcos

Mitglied
Ein Pilz aus glühender Stille,
der jeden Namen aus der Luft tilgt,
jede Erinnerung.

Eingebrannte Schatten
bleiben länger als Körper,
überdauern die Geschichte,
und niemand erkennt sich in ihnen wieder.

Die Städte werden zu Formen aus Staub,
zu Karten ohne Bedeutung,
zu Sperrgebieten,
weil alles Menschliche verflogen ist.

Kein Sieg bleibt in dieser Asche.
Nur das leise Aufflammen der Erkenntnis,
dass Himmel und Hölle
denselben Atem teilen.



„Ich bin zum Tod geworden,
der Zerstörer der Welten.“
(Bhagavad Gita)
 
Zuletzt bearbeitet:

Frodomir

Mitglied
Hallo Arcos,

mir "gefällt" dein Gedicht, wenn man das bei diesem Thema überhaupt sagen kann. Es ist erschreckend banal gehalten, es beschreibt in den ersten drei Strophen die Folgen des Atombombeneinsatzes, ohne eine Wertung abzugeben. Dadurch ist das Gedicht eigenartig still, genau so wie der geneigte Leser, der trotzdem den Atem anhält ob des Geschriebenen.

Die letzte Strophe ist dann aber sehr wichtig für das Gedicht, jetzt kommt die Conclusio. Würde die Aufzählung einfach weitergeführt, würde das Gedicht meiner Meinung nach ins Leere laufen, aber so ist es genau richtig. Auch mit dem Zitat aus der Bhagavad Gita.

Hoffen wir, dass dein Gedicht nie aktuell werden muss.

Viele Grüße
Frodomir
 

sufnus

Mitglied
Hey Arcos,

die von Dir gewählten Bilder haben für mich tatsächlich etwas unmittelbar Überwältigendes (vermutlich auch dem Sujet geschuldet) und insofern kommt es bei mir beim Lesen zu einer gewissen Aufspaltung von Gefühl und Verstand, das Gefühl stürmt sozusagen voraus und ist von Deinem Gedicht völlig mitgenommen (im doppelten Wortsinn), während der Verstand etwas verzögert hinterherhinkt und dabei, so ein bisschen auf sich allein gestellt, etwas weniger "mitgeht". Wenn ich dann jetzt über den Text schreibe, merke ich, dass es in diesem Fall immer noch schwer ist Gefühl & Verstand auf einen Nenner zu bringen. Mein Durchdenkungs-Gehirn verbeißt sich in bisschen in Details und verliert etwas den Überblick und mein Durchfühlungs-Gehirn macht in gewisser Weise sein eigenes Ding, droht sich dabei aber etwas vom Text zu entfernen.
Insofern bleiben zwei mögliche Detail-Diskussionspunkte in meinem Schreib-Sieb hängen:
1) Ist in der ersten Zeile wirklich "Stille" bereits das passendste "Baubeschreibungsmaterial" für den Atompilz? Man kann vieles ins Feld führen, um dieses Wort "Stille" zu rechtfertigen - z. B. denke ich gerade an den "Trick", dass in Filmszenen, wo Hochdramatisches passiert auch manchmal der Ton "abgeschaltet" wird, so dass die Bilder ganz für sich stehen - nichtsdestotrotz habe ich den Eindruck, es könnte noch ein treffenderes Wort geben.
2) Ist das "Zitatzitat" am Ende wirklich so "hilfreich"? Sobald man weiß, dass hier Oppenheimer zitiert wird, bekommt die sprachlich sicherlich sehr eindrückliche Wendung ein bisschen was von einem Bildungsversatzstück und wird ein Stück weit zum schmückenden Beiwerk.
... und dann bleibt eben nach diesen zwei Details noch der gefühlsmäßige Eindruck: Betroffenheit. Oder Getroffenheit. Und auch Ängste, natürlich.

Diesen letzten Aspekt aufgreifend könnte man nun einiges Relativierendes zu Atomwaffen sagen, denen man neuartigere, sich gerade erst manifestierende Formen der Massen-Abschlachtung und Zivilisationszerstörung an die Seite stellen könnte... aber das steht wohl auf einem anderen Blatt.

LG!

S.
 

Arcos

Mitglied
Ein großes Dankeschön an @wirena , @Arno Abendschön , @Aniella , @Ubertas , @seefeldmaren , @Frodomir und @sufnus .
Ich freue mich sehr über diese tolle Resonanz.

@Frodomir : Danke für deinen Kommentar und die positive Analyse / Einschätzung. Ja, wir hoffen alle, dass dieses Gedicht niemals (wieder) unsere aktuelle Realität abbildet. Zweimal ist es leider bereits geschehen.

@sufnus : Danke für deinen langen Kommentar und das gefühlsmäßige Mitgehen mit dem Werk. Je nach Geschmack, gibt es sicherlich viele Varianten, wie es anders geschrieben werden könnte. Vielleicht sind manche besser und andere nicht. Die Wirkung des Gedichts ist so vielfältig wie die Anzahl der Lesenden, denke ich....

Grüße
Önder
 



 
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