Auch Gedanken spielen - mit Fragen und Antworten zum Beispiel (kleine Erörterung)

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Mistralgitter

Mitglied
Mancher schreibt Fragen an die Wand, damit alle sie lesen, oder er überpinselt sie wieder, damit sie verborgen bleiben. Ob er dann auch keine Antworten will? Mancher klopft Fragen in Stein oder gräbt sie in Holz. So bleiben sie erhalten. Für wen sind sie wichtig? Oder verwittern sie dort und werden unleserlich?

Nur die Antworten stehen anderswo, vermutlich nicht an der Wand, hinter ihr vielleicht. Nicht in Holz geritzt, in Stein gemeißelt auch nicht. Man muss sie suchen. Am Meeresufer könnten sie liegen, wie eine angespülte, geheimnisvolle Flaschenpost. Oder werden sie unterwegs unvermutet mit dem Wind herangeweht? Einfach so? Wer achtet darauf?
An der Haltestelle stehen sie vielleicht, weil man auf sie warten muss. Oder sie fahren lächelnd im Bus vorbei, während man hinterherrennt und nur noch die Rücklichter sieht. Vorüber. Unerreichbar. Oder sie stehen am Pult der Universität und halten lange Vorträge, man langweilt sich - oder hört begeistert zu, falls man keinen Hustenanfall bekommt und deshalb den Saal vorzeitig verlassen muss.

Man sollte die richtigen Fragen stellen, wird gesagt. Welche aber sind die richtigen? Und was ist falsch an den anderen? Sind die richtigen milde und langlebig, die falschen energisch und bedrängend? Oder ist alles ganz anders? Sie fallen und stehen wieder auf, sie fallen von Fall zu Fall ganz anders aus, die Fragen und ihre Antworten.
Und wer kommt zuerst? Die Fragen und dann die Antworten? Oder erst die Antworten und dann die Fragen?

Das Leben ist anscheinend ein Frage-Antwortspiel. Es hat mit Suchen und Finden zu tun, mit Aufbrechen, Unterwegssein und Ankommen. Und mit Balancieren. Wie gut, wenn man den Halt nicht verliert. Und einen Grund hat.
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mistralgitter,

Oder sie stehen am Pult der Universität und halten lange Vorträge, man langweilt sich - oder hört begeistert zu, falls man keinen Hustenanfall bekommt und deshalb den Saal vorzeitig verlassen muss.
Bei diesem Teil musste ich schmunzeln, weil ich Dozent an der Uni bin. Es sind wohl in jeder Vorlesung beide Fraktionen vertreten.

Nur ein Fragment, nicht erschöpfend behandelt, ich weiß :cool:
Eine abschließende Behandlung kann es wohl nicht geben, Wichtig ist, dass man nie aufhört Fragen zu stellen und nach Antworten zu suchen.

Du hast dies in nicht alltägliche Bilder gepackt und ich habe deine kleine Erörterung gerne gelesen!

Liebe Grüße
Manfred
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Manfred,

danke für deine Rückmeldung.
Die meisten Menschen in meinem Umfeld (Dorf, lauter alt Eingesessene mit niedrigem oder höchstens mittlerem Bildungsabsschluss - was aber letztlich nichts heißt, finde ich eigentlich) sind so selbstgenügsam. Sie haben keine Fragen. Ich merke immer mehr, dass ich im Gegensatz dazu mit zunehmendem Alter "fraglicher" werde. Erlebnisse an der nahen Uni: Die Profs u.a. antworten zwar auf Frage der Stud.s, aber es sind oft nur große und ganz viele Worte, die an der Frage weit vorbeigehen. Ob der Fragende davon was hat? Ich kann den jeweiligen Prof Dozenten gut verstehen, denn in seinem Kopf gehen bei so einer Fragerei unendlich viele Gedanken und Zusammenhänge umher, die es schwer machen, ad hoc eine prägnante und gebündelte Antwort zu geben. Ein Meister, wer das kann.-
Gut, wenn du als Dozent an der Uni den Fragen der Studenten nicht ausweichst. In welchem Fach bist du aktiv?

Viele Grüße
MG
 

Franke

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Mistralgitter,

das von dir benannte Problem kenne ich aus meinem Dorf auch. Es ist aber nach meinem Dafürhalten weniger die Selbstgenügsamkeit, sondern die Angst vor unbequemen Fragen oder Antworten. Mein Vater war genau so ein Kandidat.
Ich bin BWL-Dozent, speziell für Buchführung und Kosten-/Leistungsrechnung.

Liebe Grüße
Manfred
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Manfred,

uii, BWL und darin Buchführung und Kosten-/Leistungsrechnung sind sicher wichtig, aber mir ganz fremd. Naja ein bisschen ziemlich fremd, obwohl VWL und BWL in meinem Studium vorkamen. Aber nur so am Rande. Und ist seeehr lange her.
Ein Dorf und seine Spezialitäten und "Ureinwohner" - ein spezielles Thema. So ganz durchschau ich die Situation hier im "Schwabenländle" ja nicht. Es kann alles ganz andere Gründe haben, weshalb die Leute so sind, wie sie sind; ganz anders vielleicht, als ich es annehme. Jedenfall glaube ich, dass sie Neuem (bruch'n wir des?) und neuen Menschen gegenüber verschlossen sind, zumindest wenig neugierig. Sie sind nur sich und der jeweiligen Familie verpflichtet, wobei sie untereinander geheiratet haben, sodass hier fast jeder mit jedem verwandt ist. Da kommt man als "Zugewanderter" (wie ich) nicht dazwischen. Aber ich will dich nicht langweilen und schreib lieber wieder (ausgedachte) Geschichten. ;)

LG
MG
 

hein

Mitglied
Hallo Mistralgitter,

vielleicht stellen die "gebildeten" Menschen einfach zu viele Fragen, die letztlich nicht relevant für das (Über-)Leben sind.

Und die anderen stellen keine Fragen, sondern tun etwas, um den Laden am laufen zu halten. Wie sollten die Fragenden sonst zu ihrem täglichen Brot und dem Dach über den Kopf kommen?

Die Überheblichkeit der "Eliten" ist es doch, was viele "einfache" Leute in die Arme der Idioten mit den einfachen Antworten treibt.

LG
hein
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo hein,

mein Text ist so weit gefasst, dass er sich nicht auf eine Personengruppe reduzieren lässt. Ich dachte auch mehr an das Neugierigsein, als an ein - wie du richtig bemerkst - sinnloses Fragenstellen.

LG
MG
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo Mistralgitter,

Tja, die Antworten sind wohl alle da, die Schwierigkeit besteht wohl darin sie zu finden. Ich gehöre denjenigen an, die immerzu fragen…Und was mir immer mehr auffällt: Die meisten Menschen fragen nichts mehr und wollen auch garkeine Antworten mehr. Sie zucken nur noch die Schultern ….:oops:

Mit Gruss, Ji
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Ji

Das scheint dann doch viel weiter verbreitet zu sein, als ich zunächst (in meiner kleinen Welt) dachte, so, als ob den meisten alles gleichgültig ist und uninteressant.
Schade für sie.

Viele Grüße
MG
 

molly

Mitglied
Hallo zusammen,
ich lebe auch in einem Dorf, es gibt die "Einheimischen" und die "Zugezogenen", zu denen ich gehöre. Kann sein, dass hier die Einheimischen nicht alle Abitur haben, doch besitzen die, die ich seit über 40 Jahre kenne, eine Erdverbundenheit, Gewitztheit, auch Genügsamkeit, vor denen ich Achtung habe. Viele alte Einheimische benutzen zur Infofrmation die Tageszeitung und die Dorfbuschtrommeln. Es ist schade, wenn im Dorf Menschen gleichgültig werden. Ich kenne auch zwei, aber das sind "Zugezogene".
Fragen gibt es genug, Antworten werden oft heftig diskudiert. Ich lebe sehr gern hier, weiß aber, dass der Zusammenhalt in anderen Dörfern nicht so gut klappt; so wie bei Dir,Mistralgitter. Vielleicht wohnst Du ja auch noch nicht so lange in Deinem Dorf, aber gib das Fragen nicht auf. Neugierig sein ist gut und viel Zuhören ist wichtig.

Viele Grüße an euch alle
molly
 
G

Gelöschtes Mitglied 14278

Gast
Hallo Mistralgitter,

ein guter Text, der nach mehrmaligem Lesen noch besser wird.

Ja, man sollte immer Fragen stellen. Aber genau wie zum Sehen Wissen gehört, setzt auch das Fragenstellen Wissen voraus. Jemand, der sich nicht für Politik interessiert, wird selten Fragen dazu stellen, weil er überhaupt nicht informiert ist. Jemand, der täglich auf irgendwelchen dubiosen Kanälen Nachrichten einsaugt, meint keine Fragen mehr stellen zu brauchen, er hält sich ja für informiert.

Bei dem Informationsüberfluss, dem wir heutzutage ausgesetzt sind, wird das Balancieren immer schwieriger. Und selbst wenn man die „richtigen“ Fragen stellen würde, ist es nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich, dass man keine zufriedenstellenden Antworten darauf bekommt. Denn schon der Frage könnte eine unerwünschte Ideologie zugrundeliegen, die der Befragte nicht teilt und darum ausweichend oder gar nicht antwortet.

Ein schwieriges Feld. Aber Kopf in den Sand stecken hilft auch nicht. Darum lasst uns unbequem bleiben und fragen, fragen, fragen.

Gruß, Ciconia
 



 
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