Auf dem Bootssteg

Mistralgitter

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Die Luft ist milde hier am Ufer. Die Sonne steht schon tief, leuchtet orange. Die Touristen, auch die Sportsegler sitzen zu Hause oder in ihren Ferien-Unterkünften beim Abendbrot. Ihre Boote haben sie vertäut. Es ist Sonntag und sehr still. Nur ein einzelnes, schimpfendes Blässhuhn paddelt vorbei.

Ich stehe auf dem Bootssteg. Immer wieder zieht es mich an diesen See. Die kleinen Orte im Umland mit ihren Unterkünften und Einkehrmöglichkeiten, den Kirchen, Klöstern und Schlössern, die hügelige und bewaldete Landschaft, die Inseln wecken immer wieder aufs Neue meine Sehnsucht. Alles habe ich vielmals besucht, fotografiert und erkundet in den letzten Jahrzehnten. Ich kenne mich aus, weiß, wo die von den Ausflüglern geliebten Orte liegen und meide sie inzwischen möglichst. Dennoch gehören sie zu meinem Leben, zu meinen Erinnerungen und dem Wunsch nach Normalität, nach Nähe und Übereinstimmung, so wie es schon einmal war in früheren Jahren.

Heute wollte ich endlich nach dem langen, unwirtlichen Winter Frühlingsblumen sehen: Schneeglöckchen, Krokusse, vielleicht Narzissen. Doch es ist wohl selbst hier noch zu kühl dafür gewesen in den letzten Wochen, die Natur blieb in der Winterstarre stecken, sie wirkt kahl und trostlos. Nur dunkles, grünliches Wasser kräuselt sich unter mir. Ich bin enttäuscht. Ein Gefühl der Leere und Einsamkeit steigt in mir hoch.

Schönen Sonntag hatte man mir heute Morgen nach dem Gottesdienst gewünscht.
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(am 22.03.2009 in Horn)
 

Mistralgitter

Mitglied
Erstens. Es gibt ein Leben außerhalb von Corona. Und zweitens steht, weil ich mir so eine Antwort schon im Voraus dachte, ein Datum unter dem Text. Es ist das Jahr seiner Erstfassung. Und drittens gibt der Text doch keineswegs etwas her, was einen Bezug zu Corona hätte. Ich kann doch heute genauso einsam auf einem Bootssteg stehen wie damals - oder? Naja, bis auf die Touristen. Segler kann es doch trotzdem geben ???
 

revilo

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Du hast natürlich vollkommen Recht. Und mir ist auch nicht entgangen, dass der Text aus 2009 stammt. Aber als ich ihn las, entglitt mir ein Soifzer......Lg revilo
 

John Wein

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Vielleicht in dem Horner Kirchlein, dessen Lage den Großherzog so beeindruckt hat, dass er hier gerne Pfarrer geworden wäre? Fast hätte ich mich dort in Horn endgültig niedergelassen.
"Alles hat seine Zeit", habe ich damals in der aufgeschlagenen Bibel auf dem kleinen Nebenaltar gelesen, "Zeit zu lachen Zeit zu weinen, Zeit leben, Zeit zu sterben." (Prediger) Ich habe hier vor Jahren mal einen Beitrag dazu gemacht, weiß gar nicht ob er noch irgendwo hier in Foren herumgeistert, ist aber auch nicht von Belang. Aber dieser Spruch hat mich jedes Jahr, das ich dort auf der Mettnau am See weile und in Horn mit dem Rad um die Kurve biege, dazu veranlasst in dem Kirchlein die aufgeschlagene Bibel zu studieren.
Deine aufgeschriebenen Gedanken gefallen mir.
Gruß, John
 

Mistralgitter

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@revilo Ich hab den alten Text frisch überarbeitet, also schon zu Corona-Zeiten ... ;) Aber mir entgleitet bei der Erinnerung an früher auch ein "Soifzer" ... ach ja ... Aber das hat eher mit der Entfernung als mit Corona zu tun.

@John Wein Ich kann den Großherzog und dich sehr, sehr gut verstehen! Der Bodensee generell und gerade auch diese Gegend war für viele Jahrzehnte bis vor 11 Jahren mein Nachmittags-Ausflugs- und auch Sehnsuchtsort. Wir wohnten damals nicht so furchtbar weit weg. Manchmal hab ich das Fahrrad im Auto mitgenommen und bin dann am Bodensee-Ufer entlang gefahren, auf der Höri und sonst auch immer wieder. Ja, es stimmt "alles hat seine Zeit", gerade mit dieser Gegend verbinde ich diese Bibelstelle. An die Bibel in der Kirche in Horn kann ich mich allerdings nicht erinnern. Dein alter Beitrag würde mich aber interessieren.
Danke für dein Interesse
Mistralgitter
 



 
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