Auf dem Meer

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a.lipschitz

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Der Schuss war aus dem Nichts gekommen, aber nicht ohne Vorwarnung, denn es war dem Kapitän, als habe er eine Stimme gehört, die scheinbar hinter dem Horizont hervor gekommen war und mit dem Wind über das Meer wehte. Was die Stimme sagte klang wie "Gebt acht." Aber da waren sie schon getroffen. Es konnte nur der Torpedo eines U-Bootes gewesen sein, da weit umher nichts zu sehen war, der ein Loch in den Rumpf geschossen hatte, so dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis das Schiff untergehen musste.
"Und das nur zwei Tage vor La Rochelle. Wo wir uns schon fast wieder zu Hause glaubten", fluchte der Steuermann. "Die verdammte Hure Hoffnung!"

Die Stimme aber hatten sie alle gehört und es war ihnen kein Zweifel, dass Gott zu ihnen gesprochen hatte. Nur der alte George, der vor vielen Jahren ein solches Unglück nur durch einen Zufall überlebt hatte, beharrte darauf: "Es sind zwei da oben. Sie kommen immer zu zweit."
Aber keiner beachtete ihn, denn jeder rannte mit dem, was ihm in die Hände fiel, das Leck zu stopfen und mit Eimern und Kannen, das Wasser aus dem Boot zu schütten.
Als ihnen jedoch klar wurde, dass es nichts zu retten gab, da dachte jeder noch ein letztes Mal an das, was ihm von Bedeutung war. Der Kapitän nahm seine Orden, die er sich in der Schlacht verdient hatte, der Matrose küsste den Ring, den ihm seine Braut vor der Ausfahrt geschenkt hatte und der Zweite Offizier holte ein vergilbtes Foto aus seinem Brustbeutel und betrachtete es, und er ließ den Steuermann, der nichts hatte, mit schauen.
Nur der alte George murmelte wieder: "Es sind zwei, immer zwei."

Gerade in diesem Moment ertönte die Stimme wieder. Aber diesmal war ein unverhohlener Triumph aus ihr zu hören. Sie kam hinter dem Horizont hervor und fegte wie ein Sturm über den Ozean. Sie sagte: "Geht heim".
Als ob es nur auf diesen Befehl gewartet hätte, brach das Schiff im selben Augenblick in der Mitte entzwei und versank.

Und die Stimme wiederholte es noch einmal und wenn der Kapitän und seine Mannschaft es jetzt noch hören könnten, dann hätten sie besser verstanden, denn es hieß nicht "Geht heim", sondern die Stimme sagte in Wirklichkeit "G Neun".
Und jetzt ist auch eine andere Stimme zu hören, resigniert wie die des ewigen Verlierers, dessen Niederlage wieder einmal unabwendbar geworden ist. Sie antwortet der ersten mit den Worten: "Treffer. Versenkt."



Was Fliegen sind den müß'gen Knaben,
das sind wir den Göttern; Sie töten uns zum Spaß.

W. Shakespeare, König Lear, IV,1
 



 
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