Peter sitzt geistesabwesend auf der Schaukel und bohrt in der Nase. Ich möchte ihm zurufen, dass er damit aufhören soll, aber es sind noch andere Kinder da und ich bin zu müde, um aufzustehen und zu ihm zu gehen. Außerdem hat es ohnehin keinen Sinn. Er kann es nicht lassen. Was immer er in seiner Nase sucht, er findet es nicht. Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass er wenigstens nicht mehr den Daumen in den Mund steckt.
Pippa und Naomi sind auch noch da. Wie sauber sie aussehen, obwohl es schon spät ist. Sie sitzen links und rechts neben ihrer Mutter, die in einem Journal blättert, Jetzt hat Pippa den nasebohrenden Peter entdeckt und tuschelt mit ihrer Schwester. Die lacht und macht die Mutter auf ihn aufmerksam. Sie lässt die Zeitschrift sinken, lächelt und schüttelt ein bisschen den Kopf.
Jetzt wäre der Zeitpunkt, um aufzustehen und Verantwortung zu zeigen. Ich sollte ihm den Finger aus der Nase nehmen und schimpfen. Aber ich bin so müde und will auch kein Aufsehen erregen, weil meine Schuhe ausgetreten sind und weil ich schon so lange nicht beim Friseur war. Außerdem haben nun ohnedies schon alle gesehen, dass mein Sohn ein Nasenbohrer ist.
Nicht weit von der Schaukel entfernt stehen zwei Betonröhren, eine waagrecht, eine senkrecht mit einer kleinen Sprossenleiter. Auf der waagrechten sitzen rittlings zwei Buben, die mit Peter in die Klasse gehen. Sie diskutieren über die Autos ihrer Väter. In der Röhre sitzt ein dritter, hört zu und spielt mit seinem Handy. Hin und wieder mischt er sich ein und lässt seine Stimme schaurig durch die Röhre hallen. Von Peter nehmen sie keine Notiz.
Pippa und Naomi wohnen vis-à-vis in einem Einfamilienhaus. Ihr Vater ist Rechtsanwalt. Er hat mich einmal von der Straße aufgelesen und heimgeführt, weil ich mir den Knöchel verstaucht hatte. Im Fond saßen die Töchter. Eine ist um ein Jahr älter als Peter, die andere um ein Jahr jünger. Es sind liebenswürdige Kinder, die immer grüßen und hübsche Kleider tragen. Nichts Besonderes, nur T-Shirts und halblange Hosen, so wie jetzt, aber alles passt, ist nicht zu groß und nicht zu klein. Wahrscheinlich liegt es an ihrer Körperhaltung.
Peter pendelt auf seiner Schaukel linksherum und rechtsherum, bis sich die Ketten verheddern. Den Finger behält er in der Nase. Ich sollte aufstehen und ihm Schwung geben, aber ich bin so müde, und er hat ja schon gelernt, wie man Anlauf nimmt, um richtig zu schaukeln. Seine Lehrerin sagt, dass er unaufmerksam ist, mit den Gedanken immer woanders. Das macht mir Sorgen. Nicht weil ich große Pläne mit ihm hätte, aber es wäre gut, wenn er das Gymnasium besuchen könnte, wenigstens bis zur mittleren Reife.
Meine Eltern meinen, dass er es schon schaffen wird, weil er ein Bub ist und Buben schlauer sind als Mädchen, jedenfalls auf den Gebieten, auf die es ankommt. Das tröstet mich ein bisschen. Vielleicht sammelt er ja seine Kräfte und kommt mit neun oder zehn Jahren groß heraus. Jetzt jedenfalls wirkt er nicht schlauer als Pippa oder Naomi. Die beiden lassen sich von ihrer Mutter aus dem Journal vorlesen. Sie macht das richtig gut, wie eine Schauspielerin. Die Töchter hängen an ihren Lippen.
Peter hängt in der Schaukel. Kurz hat er den Finger aus der Nase genommen, aber jetzt weiß er nicht, wohin damit, und steckt ihn ins andere Nasenloch. Wahrscheinlich ist er müde. Wir sollten heimgehen. Ich winke ihm zu und bedeute ihm, zu mir zu kommen, aber er schüttelt den Kopf und wendet sich ab. Was für ein trauriges Paar wir sind. Hoffentlich ändert sich das noch. Ich möchte einen gutgelaunten Sohn, der mich hin und wieder ausführt oder einen Ausflug mit mir macht.
Eine Freundin wie Pippa oder Naomi wird er nicht kriegen, aber er wird die beiden noch längere Zeit vor der Nase haben. Sie werden sicher so hübsch wie ihre Mutter und auf die Uni gehen, das heißt, sie werden dort mit ihrem ersten Auto vorfahren. Die Buben auf und in der Röhre haben sicher bessere Chancen. Sie werden genug Taschengeld haben, um Mädchen wie Pippa und Naomi auszuführen.
Ich darf mich nicht in Phantasien verlieren, die den Neid reizen. Er könnte auf Peter überschwappen, und das ist, was mir am meisten Sorgen macht: dass er später meint, sich schadlos halten zu müssen. Das Startkapital ist so ungleich verteilt. Man kann auf die Idee kommen, die Dinge geradezurücken, indem man einem anderen nimmt, was er aus purem Glück von Anfang an mehr hatte. - Aber vielleicht wird aus meinem Sohn ein unterhaltsamer junger Mann, mit dem die Mädchen gern ausgehen, auch wenn sie ihre Getränke selber bezahlen müssen.
Die Buben haben zu streiten begonnen. Einer versucht den anderen von der Röhre zu stoßen. Die Angeberei mit den Vaterautos war nur ein Vorwand, um aufeinander einzudreschen. Der Dritte legt sein Handy beiseite, weil er mitmachen will. Pippa und Naomi eilen herbei und schimpfen mit den Streitparteien. Ihre Mutter erhebt sich von der Bank, um das Geschehen besser zu überblicken. Peter beobachtet die Szene mit dem Finger in der Nase. Ich bin geneigt, diese Abstinenz als Reife zu deuten.
Nach einem Doppelsturz mit einem blutenden Knie und einem aufgeschürften Unterarm gelingt es Naomi, den Frieden wieder herzustellen. Ihre Mutter ist stolz auf sie, packt Journal und Handtasche zusammen und mahnt zum Aufbruch. Jetzt finde auch ich die Kraft zum Aufstehen. "Komm," sage ich zu Peter und nehme ihm den Finger aus der Nase, "es ist spät. Wir müssen heimgehen."
Pippa und Naomi sind auch noch da. Wie sauber sie aussehen, obwohl es schon spät ist. Sie sitzen links und rechts neben ihrer Mutter, die in einem Journal blättert, Jetzt hat Pippa den nasebohrenden Peter entdeckt und tuschelt mit ihrer Schwester. Die lacht und macht die Mutter auf ihn aufmerksam. Sie lässt die Zeitschrift sinken, lächelt und schüttelt ein bisschen den Kopf.
Jetzt wäre der Zeitpunkt, um aufzustehen und Verantwortung zu zeigen. Ich sollte ihm den Finger aus der Nase nehmen und schimpfen. Aber ich bin so müde und will auch kein Aufsehen erregen, weil meine Schuhe ausgetreten sind und weil ich schon so lange nicht beim Friseur war. Außerdem haben nun ohnedies schon alle gesehen, dass mein Sohn ein Nasenbohrer ist.
Nicht weit von der Schaukel entfernt stehen zwei Betonröhren, eine waagrecht, eine senkrecht mit einer kleinen Sprossenleiter. Auf der waagrechten sitzen rittlings zwei Buben, die mit Peter in die Klasse gehen. Sie diskutieren über die Autos ihrer Väter. In der Röhre sitzt ein dritter, hört zu und spielt mit seinem Handy. Hin und wieder mischt er sich ein und lässt seine Stimme schaurig durch die Röhre hallen. Von Peter nehmen sie keine Notiz.
Pippa und Naomi wohnen vis-à-vis in einem Einfamilienhaus. Ihr Vater ist Rechtsanwalt. Er hat mich einmal von der Straße aufgelesen und heimgeführt, weil ich mir den Knöchel verstaucht hatte. Im Fond saßen die Töchter. Eine ist um ein Jahr älter als Peter, die andere um ein Jahr jünger. Es sind liebenswürdige Kinder, die immer grüßen und hübsche Kleider tragen. Nichts Besonderes, nur T-Shirts und halblange Hosen, so wie jetzt, aber alles passt, ist nicht zu groß und nicht zu klein. Wahrscheinlich liegt es an ihrer Körperhaltung.
Peter pendelt auf seiner Schaukel linksherum und rechtsherum, bis sich die Ketten verheddern. Den Finger behält er in der Nase. Ich sollte aufstehen und ihm Schwung geben, aber ich bin so müde, und er hat ja schon gelernt, wie man Anlauf nimmt, um richtig zu schaukeln. Seine Lehrerin sagt, dass er unaufmerksam ist, mit den Gedanken immer woanders. Das macht mir Sorgen. Nicht weil ich große Pläne mit ihm hätte, aber es wäre gut, wenn er das Gymnasium besuchen könnte, wenigstens bis zur mittleren Reife.
Meine Eltern meinen, dass er es schon schaffen wird, weil er ein Bub ist und Buben schlauer sind als Mädchen, jedenfalls auf den Gebieten, auf die es ankommt. Das tröstet mich ein bisschen. Vielleicht sammelt er ja seine Kräfte und kommt mit neun oder zehn Jahren groß heraus. Jetzt jedenfalls wirkt er nicht schlauer als Pippa oder Naomi. Die beiden lassen sich von ihrer Mutter aus dem Journal vorlesen. Sie macht das richtig gut, wie eine Schauspielerin. Die Töchter hängen an ihren Lippen.
Peter hängt in der Schaukel. Kurz hat er den Finger aus der Nase genommen, aber jetzt weiß er nicht, wohin damit, und steckt ihn ins andere Nasenloch. Wahrscheinlich ist er müde. Wir sollten heimgehen. Ich winke ihm zu und bedeute ihm, zu mir zu kommen, aber er schüttelt den Kopf und wendet sich ab. Was für ein trauriges Paar wir sind. Hoffentlich ändert sich das noch. Ich möchte einen gutgelaunten Sohn, der mich hin und wieder ausführt oder einen Ausflug mit mir macht.
Eine Freundin wie Pippa oder Naomi wird er nicht kriegen, aber er wird die beiden noch längere Zeit vor der Nase haben. Sie werden sicher so hübsch wie ihre Mutter und auf die Uni gehen, das heißt, sie werden dort mit ihrem ersten Auto vorfahren. Die Buben auf und in der Röhre haben sicher bessere Chancen. Sie werden genug Taschengeld haben, um Mädchen wie Pippa und Naomi auszuführen.
Ich darf mich nicht in Phantasien verlieren, die den Neid reizen. Er könnte auf Peter überschwappen, und das ist, was mir am meisten Sorgen macht: dass er später meint, sich schadlos halten zu müssen. Das Startkapital ist so ungleich verteilt. Man kann auf die Idee kommen, die Dinge geradezurücken, indem man einem anderen nimmt, was er aus purem Glück von Anfang an mehr hatte. - Aber vielleicht wird aus meinem Sohn ein unterhaltsamer junger Mann, mit dem die Mädchen gern ausgehen, auch wenn sie ihre Getränke selber bezahlen müssen.
Die Buben haben zu streiten begonnen. Einer versucht den anderen von der Röhre zu stoßen. Die Angeberei mit den Vaterautos war nur ein Vorwand, um aufeinander einzudreschen. Der Dritte legt sein Handy beiseite, weil er mitmachen will. Pippa und Naomi eilen herbei und schimpfen mit den Streitparteien. Ihre Mutter erhebt sich von der Bank, um das Geschehen besser zu überblicken. Peter beobachtet die Szene mit dem Finger in der Nase. Ich bin geneigt, diese Abstinenz als Reife zu deuten.
Nach einem Doppelsturz mit einem blutenden Knie und einem aufgeschürften Unterarm gelingt es Naomi, den Frieden wieder herzustellen. Ihre Mutter ist stolz auf sie, packt Journal und Handtasche zusammen und mahnt zum Aufbruch. Jetzt finde auch ich die Kraft zum Aufstehen. "Komm," sage ich zu Peter und nehme ihm den Finger aus der Nase, "es ist spät. Wir müssen heimgehen."
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