Auf der Flucht

Dale

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Jakob lief durch die enge Gasse und hielt sich dabei den linken Oberarm fest. Es war ein Streifschuss, aber dennoch blutete es stark.
Stärker drückte er seine Hand auf die Wunde und blickte nervös hinter sich. Der Weg war spärlich beleuchtet. Dadurch konnte er in der Dunkelheit wenig erkennen, aber er war sich sicher, dass sein Verfolger ihm noch auf den Fersen war.
Die Schritte, die hinter ihm wieder lauter wurden, gaben ihm die Gewissheit.

Jakob bog an der nächsten Ecke ab, in der Hoffnung, dass er ihn auf diese Weise abhängen konnte.
Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Die schmalen Wege zwischen den Häuserblöcken waren das reinste Labyrinth.
Sein Arm schmerzte, vielleicht war doch eine Arterie getroffen. Jakob versuchte die aufkommende Panik zu unterdrücken. Er brauchte einen klaren Kopf.
Sein Hintermann war bewaffnet und wenn er Jakob einholen würde, wäre es vorbei.

Jakob lief schneller, sein Puls raste, das Herz klopfte.
Er bog so oft ab wie möglich, doch sein Jäger war hartnäckig. Der Verfolger näherte sich, denn die Distanz zwischen ihnen verkürzte sich hörbar.

„Verdammte Sch…!“, zischte Jakob aufgebracht.

Ein Maschendrahtzaun versperrte ihm den Weg, der geradeaus führte. Sofort fiel ihm das Loch in dem metallverzinkten Hindernis auf, das einen Durchmesser von circa einem Meter aufwies. Geistesgegenwärtig schlüpfte er hindurch, anstatt den abzweigenden Pfad nach links zu nehmen, der ihm erst auf den zweiten Blick aufgefallen war.
Vielleicht konnte er sich durch dieses Manöver Zeit verschaffen oder seinen Jäger abhängen.
Die Schrittgeräusche seines Verfolgers wurden leiser und verstummten.

Jakob lief weiter, aber drosselte sein Tempo, da seine Kondition sehr zu wünschen übrig ließ.
Den Pfad, den er eingeschlagen hatte, wurde schmaler und endete vor einer hohen Bretterwand.
Er atmete durch, lehnte sich hechelnd an die Barriere und schnappte nach Luft.

Das Hindernis aus Holz war mindestens drei Meter. Diese Begrenzung konnte er unmöglich überwinden. Es war unter Umständen aber auch nicht mehr notwendig, denn sein Verfolger schien die Fährte verloren zu haben.

Sein Puls wurde ruhiger, die Gefahr schien gebannt. Er würde noch ein paar Minuten warten, ehe er aus seinem Versteck herauskam. Die Lage war ihm zu unsicher.
Seine Gedanken schweiften ab: War es ein Fehler gewesen? Hatte er sich mit diesem Vorhaben übernommen und die Situation völlig unterschätzt?
Nein, er war sich von Anfang an dem Risiko bewusst gewesen und es hatte keine andere Möglichkeit gegeben. Er musste auf diese Weise handeln, schließlich tat er dies für Katja und die Kinder. Wenn er aber genauer darüber nachdachte, machte er es sich mit dieser Sichtweise vielleicht doch etwas zu einfach.

Jakob blickte auf sein Handy. Noch immer hatte er keinen Empfang, ansonsten hätte er Rick angerufen. Rick musste ihm helfen, er konnte ihn doch nicht zurücklassen.
Jakob hatte den Gedanken gerade zu Ende gedacht, da schallten wieder die Schrittgeräusche seines Verfolgers durch die Gassen.
Er konnte deutlich vernehmen, dass sich der Mann in der Nähe befand. Seine Panik war zurück und diesmal konnte er sie nicht mehr unterdrücken.
Hektisch sah er sich um. Das flackernde Licht der Laterne, die die Gasse beleuchtete, erschwerte es ihm den Überblick zu behalten. Es gab nur einen Weg heraus und der führte ihn direkt in die Arme seines Treibers.

Ihm musste etwas einfallen. Vor dem Gebäude, das sich auf der rechten Seite befand, stand ein verbeulter Müllcontainer.
Direkt daneben führte eine rostige Feuerleiter auf das Dach des Flachbaus.
Die Konstruktion sah nicht sehr stabil aus und schien schon einige Jahre auf dem Buckel zu haben.
Doch die wackelige Feuerleiter, bei der kein TÜV der Welt ein Auge zudrücken würde, war seine einzige Chance. Sein Verfolger musste jeden Moment bei ihm sein.

Jakob wischte seine Bedenken beiseite, stieg auf den Müllcontainer und bekam die unterste Sprosse des Aufstiegs zu fassen. Unter großer Kraftanstrengung und Schmerzen zog er sich stöhnend hinauf. Die Feuerleiter knarzte und wippte. Aus der Höhe kam ihm eine Schraube samt Dübel entgegengefallen.
Geistesgegenwärtig begann er zu klettern und ließ sich nicht durch seine Angst beirren. Das Risiko abzustürzen war groß, er nahm es aber billigend in Kauf. Jeden Moment rechnete er damit, dass er mit der instabilen Konstruktion in die Tiefe stürzen würde. Doch auf wundersame Weise hielt das Metallgestänge, obwohl es sich schon deutlich von der Wand abhob.

Er blickte nach unten und sah den Schatten seines Verfolgers, der unterhalb der Feuerleiter zu ihm hinaufblickte.
Jakob befand sich in einer Höhe von zehn Metern, wobei es ihm deutlich höher vorkam.
Die letzten beiden Sprossen ließ er hinter sich und stieg auf das Flachdach, in der Hoffnung sein Jäger würde ihm nicht folgen.
Doch diese Hoffnung zerschlug sich sofort, als Jakob das erneute Klappern des Metallgestells vernahm. Der Mut seines Verfolgers war genauso beeindruckend wie beängstigend.

Panisch ließ Jakob seinen Blick pendeln, auf der Suche nach weiteren Fluchtmöglichkeiten.
Am Ende des Daches befand sich ein kleiner Anbau mit einer schweren Metalltür.

Jakob sprintete los und hoffte, dass der Durchgang nicht verschlossen war. Fast wäre er über die zahlreichen Lüftungsrohre gestolpert, die auf dem Dach verlegt waren.
Doch er konnte sich auf den Beinen halten, stürzte im Eiltempo auf die Tür zu und riss an der Klinke.
Sie klemmte leicht, doch nach dem zweiten kräftigen Ruck sprang sie quietschend auf.

Er lief hinein, blickte nicht mehr zurück, wünschte sich aber, dass die Feuerleiter unter dem Gewicht seines Verfolgers nachgab. Doch das erhoffte Geräusch, von fallendem Metall, blieb aus.
Jakob stand in einem Treppenhaus. Sofort rannte er die Stufen hinunter, übersprang stellenweise vier Tritte. Drei Etagen lief er abwärts, bis er im Erdgeschoss angekommen war.

Eilig ließ er seinen Blick kreisen, entdeckte in nächster Nähe eine offene Tür und lief gedankenlos hinein. Starr blieb er stehen, als er erkannte, wo er sich gerade befand.
Es handelte sich um eine große Küche, die zu einem Restaurant gehörte. Das Küchenpersonal hatte ihn noch nicht bemerkt, da sie gerade abgelenkt waren.

Die fünf Personen hatte sich vor einem Fernseher versammelt, der in der anderen Ecke des Raumes stand. Es liefen die Nachrichten und eine Reporterin berichtete gerade, was in diesem Stadtviertel geschehen war.
Jakob konnte auf keinen Fall unerkannt durch diese Küche laufen. Er entschloss sich dazu, einen anderen Weg zu nehmen und ging zurück in das Treppenhaus, aus dem er gekommen war.
Er hörte seinen Verfolger, der gerade über ihm die Treppe hinunterlief und höchstens noch zwei Stockwerke entfernt war.

„Er muss hier irgendwo sein. Wir müssen uns beeilen und ihn finden!“, hörte er eine Stimme.

Offensichtlich waren zwei Personen hinter ihm her.
Jakob erblickte eine weitere Tür in diesem Flur, die sich versteckt hinter der Treppe befand. Geistesgegenwärtig ging er schnellen Schrittes auf den Durchgang zu, der ihn wieder ins Freie führen sollte.
Er befand sich nun auf einem Hinterhof, der durch einen Jägerzaun begrenzt war. Die knapp ein Meter hohe Hürde stellte mutmaßlich kein Hindernis dar und er wollte sie überspringen.
Dabei riss er sich an einem scharfen Holzsplitter den Oberschenkel auf, als er mit einem Satz darüber hüpfte.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht ging er die Hocke und hielt sich das Bein. Jakob konnte hören, wie seine beiden Verfolger den Hinterhof betraten.
Mit letzter Kraft schleppte sich Jakob in einen Hauseingang in unmittelbarer Nähe, damit sie ihn nicht entdecken konnten.
Jakob beobachtet, wie die beiden Typen suchend über den Innenhof liefen. Sie waren großgewachsen und er konnte hören, wie sie sich unterhielten.

„Verdammt, er ist wohl doch durch die Küche gelaufen“, fluchte der Kräftigere.

„Du gehst durch das Restaurant und ich suche ihn hier!“, befahl der Andere.

Jakob kauerte sich in die Ecke, sodass er außer Sichtweite war. Er könnte hören, wie der Mann näher kam. Jeden Moment rechnete er damit, dass er ihn entdeckte. Doch er spurtete an seinem Versteck vorbei und seine Schritte verhallten in der Ferne.
Jakob blieb ruhig sitzen und wartete noch ein paar Sekunden, ob die Luft wirklich rein war.
Dabei inspizierte er seine Wunden. Der Riss am Oberschenkel schien glücklicherweise nur oberflächlich zu sein und auch sein Arm blutete nicht mehr so stark.

Die kurze Verschnaufpause gab ihm die Zeit darüber nachzudenken, was eben geschehen war:
Er war alles so schnell gegangen. Er hatte die anderen aus den Augen verloren, als der Schuss gefallen war.
Jakob war einfach losgerannt, hatte aber zu spät realisiert, dass er in die falsche Richtung geflüchtet war.
Er haderte mit seinem Schicksal. Wie war es nur so weit gekommen?

Hätte er nicht mit dem Pokern angefangen, wäre er sicherlich nicht in dieser Situation.
Vermutlich auch nicht, wenn er Katjas Rat befolgt hätte und rechtzeitig eine Therapie gegen seine Spielsucht begonnen hätte.
Jakob hatte viele Fehler gemacht, die er nun bereute. Aber noch war es nicht zu spät.

Seinen Schulden bei Lex waren enorm und er musste sie dringend begleichen.
Dass mit diesem zwielichtigen Gesellen nicht zu spaßen war, hatte Jakob bereits festgestellt.

Er dachte an den Typ, der Lex eine erhebliche Geldsumme geschuldet hatte. Schließlich war der Mann von einer Brücke gestürzt, nachdem er nicht zahlen konnte. Man redete von einem Unfall, da es zufällig gerade stark stürmte, als er die Straßenüberführung passiert hatte.
Aber Jakob glaubte nicht an Zufälle.

Rick hatte ebenfalls Schulden bei Lex und er hatte Jakob gesagt, dass er wüsste, wie man sie auf einen Schlag loswerden würde.
Sich darauf einzulassen, war gefährlich gewesen. Doch Rick hatte ihm versichert, dass er das schon des Öfteren getan hatte und nie etwas schiefgelaufen war.

Die Sirenen im Stadtbezirk heulten auf und rissen Jakob aus den Gedanken. Er musste hier weg, ansonsten würden sie ihn früher oder später entdecken.
Noch immer hatte er keinen Empfang. Sein Arm und sein Bein schmerzten zwar, behinderten ihn aber nur leicht bei der Fortbewegung. Er erhob sich und ging schnellen Schrittes über die Straße. Es musste irgendwo eine Stelle geben, an der er telefonieren konnte.

Ein Auto fuhr an ihm vorbei. Er ging hinter einem Hausvorsprung in Deckung und wartete, bis es vorbeigefahren war. Direkt über ihm befand sich ein Fenster. Es war nur halb geöffnet und er konnte den Fernseher hören, auf dem gerade die Tagesschau lief.

Eine Reporterin sprach gerade zur Bevölkerung:
„Die Lage ist noch nicht unter Kontrolle. Halten Sie Türen und Fenster geschlossen! Die Täter sind noch auf der Flucht und könnten bewaffnet sein.“

Im nächsten Moment wurde das Fenster über im verriegelt. Jakob blickte wieder auf sein Mobiltelefon und diesmal leuchtete tatsächlich ein Balken auf. Mit zittrigen Fingern wählte er Rick an. Quälend lange hörte er das Freizeichen, bis Rick den Anruf endlich annahm.

„Wo bist du, Idiot?“, begrüßte Rick ihn schroff.

„Warum seid ihr ohne mich verschwunden?“, reagierte Jakob vorwurfsvoll in ebenso unfreundlichem Tonfall.

„Wenn du dich an den Plan gehalten hättest, würdest du jetzt bei uns im Auto sitzen“, zischte Rick wütend.

„Und wenn du nicht auf diesen Typen geschossen hättest, dann wäre das Ganze nicht eskaliert!“, konterte Jakob.

„Er hat mein Gesicht gesehen. Ich musste es tun“, rechtfertigte sich Rick.

„Nein, das hat er nicht. Diese Aktion war völlig unnötig.“

Jakob schlug verzweifelt gegen die Hauswand und schürfte sich dabei die Handknöchel auf.

„Verdammt, du hast ihn umgebracht. Um Gottes willen!“, schrie Jakob panisch, als würde ihm das erst jetzt bewusst.

Es brachte nichts, sich in dieser Situation die Schuld gegenseitig zuzuschieben. Das wurde wohl auch Rick bewusst, genauso wie die Tatsache, dass Jakob gerade die Nerven verlor. Rick versuchte, ihn zu beruhigen.

„Hör´ auf damit! Du musst ruhig bleiben! Atme tief durch!“, forderte er.

Jakob bemühte sich, die Anweisung zu befolgen. Aber das war leichter gesagt als getan. In gleichmäßigen Atemzügen konnte er wieder halbwegs die Kontrolle gewinnen und die wachsende Panik unterdrücken.

„Ich habe das Geld, und wenn wir es unerkannt aus diesem Bezirk schaffen, sind wir alle Probleme los“, machte Rick ihm Hoffnung.

Jakob fing sich wieder und schöpfte neuen Mut.

„Wo bist du jetzt?“, fragte Rick ihn mit fester Stimme.

Jakob sah sich um. Diese Straße war ihm völlig fremd.

„Ich habe keine Ahnung. Ich weiß es nicht“, erwiderte Jakob verzweifelt.

„Gibt es in deiner Nähe irgendetwas Auffälliges?“, bohrte Rick nach.

Jakob ließ erneut seinen Blick schweifen. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich eine große Reklame-Tafel auf leuchtend gelbem Hintergrund.

„Ja, da ist ein riesiges gelbes Werbeschild mit roter Laufschrift.“

Rick schien zu überlegen, denn es herrschte kurzzeitig Stille am anderen Ende der Leitung.

„Ich weiß, wo das ist. Schau die Straße hinunter! Dort siehst du eine Tankstelle.“

Jakob ging ein paar Schritte vor und spähte die vierspurige Zentralstraße entlang. Tatsächlich konnte er die gut beleuchtete Tankstelle entdecken. Sie war etwa vierhundert Meter entfernt.

„Ja, ich sehe sie.“

„Wir sind in fünf Minuten dort. Beeil` dich und nehm` nicht die große Straße, sondern lauf` durch die Gasse, die parallel verläuft.“

„Alles klar, mache ich“, versprach Jakob, der nun wieder zuversichtlich war.

„Hast du deine Maske noch an?“, fragte Rick.

Jakob bestätigte es.

„Zieh´ sie aus! Damit fällst du zu sehr auf.“

„Ich falle sowieso auf. Mein Arm ist verletzt, außerdem würden sie ohne Maske mein Gesicht sehen“, widersprach Jakob.

„Zieh` sie bitte aus“, wiederholte Rick vehement.

„Ja schon gut“, willigte Jakob zähneknirschend ein und legte auf.

Jakob lief sofort los und steuerte die kleine Gasse zwischen den Häusern an, um sich unauffällig der Tankstelle zu nähern. Die Polizisten mussten noch in der Nähe sein und würden sicherlich noch nach ihm suchen.
Er entschied sich jedoch doch dafür, die Sturmhaube nicht abzulegen. Falls sich Überwachungskameras auf seinem Fluchtweg befanden, würde er anonym bleiben.

Je länger er über seine Situation nachdachte, desto verrückter kam es ihm vor. Wieso hatte er sich nur auf dieses Abenteuer eingelassen?
Die Antwort konnte er sich selbst geben. Er hatte schließlich Schulden bei einem der gefährlichsten Männer der Stadt, der damit gedroht hatte, seiner Familie und ihm etwas anzutun, wenn er nicht zahlen würde.

Während er über seine verzwickte Lage nachdachte, kam er der Tankstelle immer näher und desto größer wurde die Hoffnung, dass er es schaffen konnte.
Wenn er zu Rick ins Auto gelangte, würde er höchstwahrscheinlich wieder ein normales Leben führen können.
Nichts könnte ihn dann mit diesem Banküberfall in Verbindung bringen und er wäre seine Schulden, wie auch die Sorgen, auf einen Schlag los.

Jakob bog zuversichtlich nach rechts ab. Er war nun auf Höhe der Tankstelle. Jetzt konnte er durch die schmale Häuserschlucht ihre Beleuchtung sehen.
Abrupt blieb er stehen, da gerade ein Streifenwagen auf der Straße vorbeifuhr. Jakob blieb in der Gasse in Deckung, um ein paar Sekunden zu warten, bis die Luft wieder rein war.

Sein Handy vibrierte und auf dem Display leuchtete Katjas Name auf.
Es wäre unklug in dieser heiklen Situation, mit seiner Frau zu telefonieren, dennoch ging er ran, da er das starke Bedürfnis verspürte ihre Stimme zu hören.

„Hallo Schatz“, begrüßte er sie und war darum bemüht, so ruhig wie möglich zu klingen.

„Wo bist du? Du wolltest doch die Kinder ins Bett bringen. Sie warten schon auf dich“, klang sie verärgert.

„Ich schaffe es nicht. Bei mir dauert es noch etwas. Auf der Arbeit war viel los“, rechtfertigte er sich.

Er hörte, wie Katja genervt seufzte.

„Ich habe bei deinem Chef angerufen, weil ich dich nicht erreicht habe. Er sagte, dass er dir schon vor Wochen gekündigt hat. Was ist los, Jakob? Warum belügst du mich?“

Katja wirkte nicht mehr zornig. Ihr Tonfall war eher besorgt.
Jakob atmete tief durch und zögerte mit seiner Antwort. Ihm war bewusst, dass er ihr nicht die Wahrheit sagen konnte.

„Ich muss auflegen. Ich liebe dich und geb` den beiden einen Kuss von mir“, entgegnete er sanft.

„Du machst mir Angst, Jakob. Was ist los?“, hakte Katja hörbar verstört nach.

„Ich werde dir alles erklären, aber ich muss jetzt noch etwas erledigen“, würgte er sie ab.

Sie wollte noch etwas erwidern, aber Jakob drückte sie schweren Herzens weg.
Er ging an die breite Zentralstraße und spähte vorsichtig um die Ecke. Die vierspurige Fahrbahn war jetzt wie leergefegt, vom Polizeiwagen keine Spur mehr.
Jakob konnte kaum glauben, dass keine Polizisten in der Nähe waren, obwohl das Geldinstitut nur wenige Straßen entfernt lag. Offensichtlich suchten sie an der völlig falschen Stelle nach ihnen.

Er entdeckte Ricks roten Mercedes, der mit laufendem Motor direkt vor einer der Zapfsäulen hielt.
Jakob musste nur noch die Straßenseite wechseln und er hätte es geschafft.
Er spurtete los, lief über die Straße und in hohem Tempo auf den Wagen zu. Rick streckte den Kopf aus dem Seitenfenster und rief etwas Unverständliches, scheinbar verärgert darüber, dass er doch die Maske trug. Er winkte ihn eilig herbei.
Jakob hatte die Straße überquert und war nur noch knapp zwanzig Meter vom Auto entfernt, als er einen lauten Knall hörte.

„Halt stehen bleiben, Polizei!“

Abrupt blieb er stehen und wandte ruckartig seinen Kopf in Richtung der Stimme. Der Polizist, der den Warnschuss abgegeben hatte, stand gut 15 Meter hinter ihm und hatte seine Waffe auf Jakob gerichtet.
Jakob war wie gelähmt, blickte wieder in Richtung Rick und zurück zum Staatsmann mit der geladenen Pistole, um seine Situation einzuschätzen.
Jakob stand genau zwischen Rick und dem Gesetzeshüter.

Es hatte noch eine Chance und die musste er nutzen, wenn er nicht im Gefängnis landen wollte. Fest entschlossen loszulaufen, sah er, wie Rick seine Waffe aus dem Fenster streckte und in Richtung des Polizisten zielte.

„Nein!“, schrie Jakob entsetzt.

Doch die zwei Schüsse hallten bereits durch die leeren Straßen und die Kugeln flogen an ihm vorbei.
Fassungslos blickte Jakob zu dem Polizisten, der scheinbar nicht getroffen wurde, aber nun auf logische Weise reagierte.

Er richtete seine Waffe auf das Auto, in dessen Schussbahn Jakob stand und feuerte ebenfalls zwei Schüsse ab.
Für Jakob geschah alles wie in Zeitlupe. Brennender Schmerz durchzuckte ihn und breitete sich auf seiner Brust aus.

Schockiert starrte er an sich herab, sah die zwei roten Flecken auf seiner Brust, die größer wurden. Er sank auf die Knie, mit weit aufgerissenen Augen.
Jakob war wie in Trance, nahm das, was in seiner Umgebung passierte, fast nicht mehr wahr.
Die quietschenden Reifen von Ricks Auto und die Rufe des Polizisten schienen weit entfernt.

Das Handy in seiner Hosentasche vibrierte wieder. Er dachte an Katja, an seine Kinder und bereute zutiefst, was er in den letzten Wochen getan hatte.
In dem Moment als er die Augen schloss, war er ganz weit weg, hatte nur noch seine drei Liebsten vor sich. Mit ausgestreckter Hand versuchte er sie zu berühren, doch bekam sie nicht zu fassen.

Die Schusswunden auf der Brust taten plötzlich gar nicht mehr weh.
Jakob spürte, wie er nach vor kippte und fiel. Er erwartete den Aufschlag auf den Asphalt. Doch diesen bekam er nicht mehr mit, denn vorher wurde es dunkel……
 

jon

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Das Ganze wirkt sehr zerfasert und bröcklig. Ein Grund dafür sind die massenhaft Absätze - oft sind sie gerade mal einen Satz lang. Der andere Grund ist, dass diese Absatz-Gestaltung auch mit dem Klang korrespondiert. Damit meine ich: Selbst wenn du die Umbrüche rausnehmen würden, entstünde kein fließender Text. Übersetzt in eine Kopfkino-Film-Analogie: Der Film springt von Bildchen zu Bildchen, es entwickelt sich kaum eine durchgehende Szene.
Also Schritt eins: Leerzeilen raus (die sind sowieso alle falsch) und sinnvolle Absätze schaffen! Dabei den Text zum Fließen bringen.

Es sind zudem etliche Stolperstellen drin. Nur mal ein paar Beispiele:

Der Weg war spärlich beleuchtet. Dadurch konnte er in der Dunkelheit wenig erkennen,
Er hätte in der Dunkelheit auch dann wenig erkannt, wenn der Weg besser beleuchtet gewesen wäre. Es sei denn, er wäre so gut beleuchtet gewesen, dass es nicht dunkel gewesen wäre.

Sein Arm schmerzte, vielleicht war doch eine Arterie getroffen.
Wenn es blutet, sind ganz sicher Arterien verletzt worden, das Fleisch ist voll davon.
Es schmerz nicht mehr, wenn größere Arterien getroffen wurden - der Gedankengang ist also auch deshalb unlogisch.

Sein Hintermann war bewaffnet und wenn er Jakob einholen würde, wäre es vorbei.
Das Wort Hintermann hat eine andere Bedeutung als die hier gemeinte. Du meinst Verfolger.

Der Verfolger näherte sich, denn die Distanz zwischen ihnen verkürzte sich hörbar.
Das sagt: Er kommt näher, denn er kommt näher.

„Verdammte Sch…!“, zischte Jakob aufgebracht.
Das Wort aufgebracht passt hier nicht – weder zur Lage noch zum Zischen.

Das Hindernis aus Holz war mindestens drei Meter.
Drei Meter was? Breit? Hoch? Dick?


Nein, er war sich von Anfang an dem Risiko bewusst gewesen
des Risikos

Wenn er aber genauer darüber nachdachte, machte er es sich mit dieser Sichtweise vielleicht doch etwas zu einfach.
Und wenn er nicht drüber nachdachte, machte er es sich nicht zu einfach?

Vor dem Gebäude, das sich auf der rechten Seite befand, stand ein verbeulter Müllcontainer.
Arg umständlich für rechts stand ein Mülleimer.

Jakob befand sich in einer Höhe von zehn Metern, wobei es ihm deutlich höher vorkam.
Zehn Meter sind schon arg hoch - das sind immerhin vier Geschosse mit 2,50-Meter-Wohnungen. Vor allem aber: Du hast was von einem Flachbau erzählt - in einer so engen Gasse erkennt man das bei einem 4-Geschosser nicht mehr wirklich, also sind es höchstens 2 Etagen.

Fast wäre er über die zahlreichen Lüftungsrohre gestolpert, die auf dem Dach verlegt waren.
Wer verlegt denn Lüftungsrohre auf einem Dach? Was wird da gelüftet?

… und so weiter und so weiter.
 

Dale

Mitglied
Hallo jon,
vielen Dank für die konstruktive Kritik und dass du dir die Mühe gemacht hast, sie detailliert darzulegen.
Um solches Feedback zu bekommen, habe ich mich in diesem Forum angemeldet.
Ich hatte nur nicht erwartet, dass meine Geschichte derart mangelhaft ist.
Es ist meine erste Geschichte und ich bin absoluter Anfänger.
Werde die Geschichte noch einmal gründlich bearbeiten und deine Verbesserungsvorschläge beachten.

Gruß Daniel
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Hallo Daniel,
wenn es deine erste Geschichte überhaupt ist, brauchst du dich nicht über die Mängel zu grämen. Erstens, weil es wirklich „schlimmere“ Texte gibt (und nicht alle davon sind Erstlingswerke), und zweitens, weil nur sehr, sehr selten ein Meister von Himmel fällt.
 



 
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