Auf Mallorca

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen
Oktober 1977 (Palma de Mallorca)

„Peter! Wach endlich auf!" Susanne rüttelte ihren Freund unsanft an der Schulter, ohne Erfolg. Peter knurrte, drehte sich zur anderen Seite und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
Ihr Hotelzimmer lag im zweiten Stock. Von unten war Lärm aus dem Frühstückssaal zu hören.
„Also ich gehe jetzt frühstücken. In einer Stunde bekommen wir nichts mehr." Susanne warf mit Schwung die Bettdecke zurück, stand auf, lief auf die andere Seite und wollte Peter die Bettdecke wegziehen. Peter hielt sie krampfhaft fest.
„Lass das! Geh nur. Ich hab eh keinen Hunger."
„Aber einen Kater", stellte Susanne trocken fest.
„Und wenn schon. Den letzten Urlaubsabend muss man eben genießen."
„Okay, wie du willst. Aber denk dran, wir müssen spätestens um zwölf Uhr auf dem Flughafen sein. Und das Zimmer soll bis elf geräumt sein."
Peter knurrte etwas vor sich hin. Susanne gab es auf. Im Moment würde er nicht adäquat reagieren, aber davon würde sie sich das letzte Frühstück auf Mallorca nicht verderben lassen.

Im Frühstückssaal sah sie Klaus und Petra am Tisch sitzen. Fast alle Tische waren schon besetzt, es herrschte Stimmengewirr, Lachen und das Klappern von Geschirr. Petra winkte ihr zu. Vorsichtig balancierte Susanne ihr Tablett in ihre Richtung und setzte es behutsam auf. „Darf ich mich zu euch setzen?"
„Nein. Kommt gar nicht in Frage." Petra grinste.
Susanne lachte. „Ich mache es trotzdem."
„Wo hast du Peter gelassen?"
„Schläft seinen Rausch aus. Der hat gestern in der Kneipe zu tief ins Glas geschaut."
„Unser allerletzter Urlaubstag", bemerkte Klaus, „ich kann es gar nicht glauben, wie schnell die Zeit rumgegangen ist. Ich glaube, das machen wir nächstes Jahr wieder, einen Urlaub zu viert."
„Ja. War klasse."
Ein etwa sechsjähriges Mädchen kam vom Nebentisch und fragte höflich nach dem Salzstreuer. Petra gab ihn ihr. Das Mädchen schlenderte an seinen Tisch mit den Eltern zurück. Petra sah ihr nach.„Waren die nicht auch auf dem Hinflug im selben Flugzeug wie wir?", fragte sie. „Dann fliegen sie sicher heute auch zurück."
Susanne fiel siedend heiß etwas ein. „Shit, ich weiß nicht, wo die Flugbestätigung ist."
„Reg dich nicht auf. Peter wird es wissen", versuchte Klaus sie zu beruhigen.
„Ich habe unsere hier." Petra zog sie aus der Handtasche. „Flugnummer LH 181. Zum Glück eine Lufthansa-Maschine. Letztes Jahr sind wir mit einer richtigen Apfelsinenkiste geflogen. Ich weiß gar nicht mehr, welches Flugzeug das war, es war jedenfalls klein und furchtbar, und alle Passagiere haben gekotzt."
„He, ich bin noch am Essen", protestierte Klaus, „du musst mich nicht dran erinnern."
„Ich habe mir jedenfalls geschworen, nur noch mit den großen Linien zu fliegen", bemerkte Petra abschließend.

Drei Stunden später standen alle vier auf dem Flughafen von Palma de Mallorca. Peter war rechtzeitig fertig geworden.
„Das sind ja wir!" Petra lief auf ein Regal zu, in dem sich Fotos der Passagiere stapelten, die gerade ein Flugzeug verließen.
„Ja, als wir angekommen sind", sagte Klaus. „Kennst du das nicht? Die machen die Fotos, wenn die Leute landen, und wenn sie zurückfliegen, stellen sie sie hier aus. Kannst du kaufen. Pure Geldmacherei."
„Mir egal. Ich kaufe sie." Petra schnappte sich einen Stapel und rannte zur Kasse.
„Typisch Frau." Peter gähnte laut.
Eine Familie ging an ihnen vorbei. Susanne erkannte das Mädchen, das am Morgen nach dem Salzstreuer gefragt hatte. Es trug ein hübsches Sommerkleid, und Susanne hoffte unwillkürlich, dass es der Kleinen im Flugzeug nicht schlecht werden würde und sie das Kleid ruinierte.
„Erster Aufruf für die Passagiere der LH 181!", kam eine Durchsage über den Lautsprecher.
„Na denn", sagte Petra, „ab nach Hause. Hast du die Flugbestätigung gefunden, Susanne?"
„Ja, habe ich. Wisst ihr eigentlich den Namen des Flugzeugs?"
„LH 181."
„Nein, es hat noch einen richtigen Namen", erklärte Susanne, und während sie zum Einchecken gingen, fügte sie hinzu:
„Landshut."
 
Zuletzt bearbeitet:

Sammis

Mitglied
Hallo @SilberneDelfine,

anbei noch meine Gedanken zum Text.

Das ist solide geschrieben, lediglich die wörtlichen Reden wirken für meine Ohren nicht immer stimmig. Und manchen Zusatz würde ich streichen. Das sind oft so Dinger, die man erwartet, aber mMn gar nicht nötig.

„Peter! Wach endlich auf!" Susanne rüttelte ihren Freund unsanft an der Schulter. ohne Erfolg. Peter knurrte, drehte sich zur anderen Seite. und zog sich die Bettdecke über den Kopf.
Ihr Hotelzimmer lag im zweiten Stock. Von unten war Lärm aus dem Frühstückssaal zu hören.
„Also ich gehe jetzt frühstücken. In einer Stunde bekommen wir nichts mehr." Susanne warf mit Schwung die Bettdecke zurück, stand auf, lief auf die andere Seite und wollte Peter die Bettdecke wegziehen. Peter hielt sie krampfhaft fest.
„Lass das! Geh nur. Ich hab eh keinen Hunger."
„Aber einen Kater." stellte Susanne trocken fest
„Und wenn schon. Den letzten Urlaubsabend muss man eben genießen."
Okay, Wie du willst. Aber denk dran, bis elf müssen wir hier raus sein und spätestens um zwölf am Flughafen.“ (Reihenfolge, und auf dem klingt komisch)
Peter knurrte nur. etwas vor sich hin.Susanne gab es auf. Im Moment würde er nicht adäquat reagieren, aber davon würde sie sich das letzte Frühstück auf Mallorca nicht verderben lassen.

Im Frühstückssaal sah sie Klaus und Petra am Tisch sitzen. Fast alle Tische waren schon (wie so schon? Gibt ja nur noch rund 50 Minuten was) besetzt. es herrschte Stimmengewirr, Lachen und das Klappern von Geschirr. Petra winkte ihr zu. Vorsichtig balancierte Susanne ihr Tablett in ihre Richtung und setzte es behutsam auf. „Darf ich mich zu euch setzen?"
„Nein. Kommt gar nicht in Frage." Petra grinste.
Susanne lachte. „Ich mache es trotzdem."
„Wo hast du Peter gelassen?"
„Schläft seinen Rausch aus. Der Hat gestern in der Kneipe zu tief ins Glas geschaut."
„Unser allerletzter Urlaubstag", bemerkte Klaus, „ich kann es gar nicht glauben, wie schnell die Zeit rumgegangen ist. Ich glaube, Das machen wir nächstes Jahr wieder, einen Urlaub zu viert."
„Ja. War klasse."
Ein etwa sechsjähriges Mädchen kam vom Nebentisch und fragte höflich nach dem Salzstreuer. Petra gab ihn ihr. Das Mädchen schlenderte an seinen Tisch mit den zurück zu seinen Eltern. Petra sah ihr nach. „Waren die nicht auch(wieso auch?) auf dem Hinflug nicht im selben Flugzeug wie wir?", fragte sie. „Dann fliegen sie sicher heute auch zurück."
Susanne fiel siedend heiß etwas ein.(würde ich hinten anstellen oder weglassen. Die Aussage macht das schon deutlich) „Shit, ich weiß nicht, wo die Flugbestätigung ist."
„Reg dich nicht auf. (Vieleicht besser: Mach dir keine Sorgen.) Peter wird es wissen", versuchte Klaus sie zu beruhigen.
„Ich habe unsere hier." Petra zog sie aus der Handtasche. „Flugnummer LH 181. Zum Glück eine Lufthansa-Maschine. Letztes Jahr sind wir mit einer richtigen Apfelsinenkiste geflogen. Ich weiß gar nicht mehr, welches Flugzeug das war, es war jedenfalls klein und furchtbar, und alle Passagiere haben gekotzt."
„He, ich bin noch am Essen", protestierte Klaus. „du musst mich nicht dran erinnern."
„Ich habe mir jedenfalls geschworen, nur noch mit den großen Linien zu fliegen", bemerkte Petra abschließend.

Drei Stunden später standen sie in der Abflughalle. alle vier auf dem am Flughafen von Palma de Mallorca.(wieder das auf dem, und Palma is ja klar) Peter war rechtzeitig fertig geworden. (muss er, sonst wär er nicht dabei)
„Das sind ja wir!" Petra lief auf ein Regal zu, in dem sich Fotos der Passagiere stapelten, die gerade ein Flugzeug verließen.
„Ja, als wir angekommen sind" „Kennst du das nicht?", sagte Klaus. "Die machen die Fotos, wenn die Leute landen, und wenn sie zurückfliegen, stellen sie dann hier aus. Kannst du kaufen. Pure Geldmacherei."
„Mir egal.Ich kaufe sie." Petra schnappte sich einen Stapel und rannte zur Kasse.
„Typisch Frau." Peter gähnte laut.
Eine Familie ging an ihnen vorbei. In der Menge erkannte Susanne das Mädchen, das am Morgen nach dem Salzstreuer gefragt hatte. Es trug ein hübsches Sommerkleid, und Susanne hoffte unwillkürlich, dass es der Kleinen im Flugzeug nicht schlecht werden würde und sie das Kleid ruinierte.
Erster Aufruf für die Passagiere der LH 181 kam eine Durchsage über den Lautsprecher
„Na denn", sagte Petra, „ab nach Hause. Hast du die Flugbestätigung gefunden, Susanne?"
„Ja, habe ich. Wisst ihr eigentlich den Namen des Flugzeugs wie das Flugzeug heißt?"
„LH 181."
„Nein, es hat noch einen richtigen Namen", erklärte Susanne, und während sie zum Einchecken gingen, fügte sie hinzu: „Landshut.“

Nimm, was dir passend erscheint.
Könnte mir auch vorstellen, dass es der Geschichte gut täte, wenn sie den Flieger (aus welchem Grund auch immer) nur ganz knapp erreichen würden. Das würde das Unglück noch herauskehren.

Gruß,
Sammis
 
Hallo Sammis,

danke für deinen Kommentar und das „solide geschrieben."

Und manchen Zusatz würde ich streichen. Das sind oft so Dinger, die man erwartet, aber mMn gar nicht nötig
Das sah ich auch mal so. Mittlerweile habe ich darüber meine Meinung geändert, seitdem mir mal jemand sagte, dass ich von der Fantasie des Lesers zuviel verlangen/voraussetzen würde. Und manche Sachen klingen auch stilistisch einfach besser, „auf dem Flughafen von Palma de Mallorca" klingt für mich besser und aufschlussreicher als „auf dem Flughafen." Ich finde übrigens nicht, dass „auf dem Flughafen" komisch klingt, sagt man bei uns so ...

Manche Dinge, die du anmerkst, habe ich sogar später noch absichtlich eingefügt, z. B. das Stimmengewirr und Lachen, damit der Leser sich ein besseres Bild machen kann. Ich werde also nichts ändern, es ist alles so gewollt. :)

Schöne Grüße
SilberneDelfine
 

petrasmiles

Mitglied
Liebe SilberneDelfine,

offensichtlich muss man schon ein paar Jahre auf dem Buckel haben, um den historischen Bezug erkennen zu können. Und fast denke ich, dass dieser Bezug der Geschichte eher schadet als nützt. Wenn der Ausgang der Geschichte bekannt sein könnte (und damit feststeht), legt das eine hohe Bürde auf den 'Moment' davor, da muss etwas sein, was diesen Moment auszeichnet, um an diese konkrete Geschichte zu erinnern. Dass wir Menschen unvorbereitet in eine solche Situation stolpern, und uns vorher nur mit unseren Alltagssorgen auseinandersetzen, ist an sich noch keine Geschichte (die mir gefallen würde).

Du weißt ja, ich setze mich meist mit dem Inhalt und der Botschaft eines Textes auseinander, und die fehlt mir hier.
Handwerklich und sprachlich ist die Geschichte wie immer bei Dir sehr gut. Ich stimme Dir auch dabei zu, dass Deine Wortwahl und Ausführung zu Dir passt und mit Sammis Änderungen ein anderer Text daraus würde.

Liebe Grüße
Petra
 
Wenn der Ausgang der Geschichte bekannt sein könnte (und damit feststeht), legt das eine hohe Bürde auf den 'Moment' davor, da muss etwas sein, was diesen Moment auszeichnet, um an diese konkrete Geschichte zu erinnern.

Hallo Petra,

das sehe ich nicht so. Ich wollte keine politische Geschichte schreiben. Ich wollte gar keine Botschaft vermitteln. Ich wollte auch keine Geschichte schreiben, um an diese Sache zu erinnern. Ich wollte ein paar (in meiner Geschichte natürlich fiktive) Urlauber zeigen, die damals so völlig unvorbereitet in dieses Flugzeug gestiegen sind.

Du meinst wahrscheinlich, man hätte ins Gespräch der Urlauber den „heißen Herbst 1977" einflechten müssen?
Ich kenne eine Menge Leute, die sich damals überhaupt nicht dafür interessierten, obwohl überall die Fahndungsplakate der RAF hingen.

Ich wollte nicht die Vorgeschichte erzählen. Ich wollte nicht berichten, ich war damals schließlich nicht dabei und habe diese Flugzeugentführung als Teenager nur am Rande mitbekommen. Ich wollte auch kein Statement abgeben.

. Dass wir Menschen unvorbereitet in eine solche Situation stolpern, und uns vorher nur mit unseren Alltagssorgen auseinandersetzen, ist an sich noch keine Geschichte (die mir gefallen würde).
Mir ging es genau darum - von jetzt auf gleich in eine Katastrophe. Übrigens beginnen sehr viele Katastrophenfilme so ;)

Handwerklich und sprachlich ist die Geschichte wie immer bei Dir sehr gut. Ich stimme Dir auch dabei zu, dass Deine Wortwahl und Ausführung zu Dir passt und mit Sammis Änderungen ein anderer Text daraus würde.
Danke, es freut mich, dass du das auch so siehst.

Danke für deinen gesamten individuellen Kommentar! Ich fand ihn interessant.

LG SilberneDelfine
 
Zuletzt bearbeitet:

Matula

Mitglied
Hallo SilberneDelfine !
Mir gefällt die Geschichte gut, obwohl ich erst ein bisschen googeln musste. Der Gegensatz zwischen den banalen Problemchen im Hier und Jetzt und dem, was da wartet und nur in einem Wort ausgesprochen wird, ist sehr gelungen. Und eine Lehre gibt's auch: Ob große Fluglinie oder Apfelsinenkiste, man kann nie sicher sein.

Schöne Grüße,
Matula
 

petrasmiles

Mitglied
Du meinst wahrscheinlich, man hätte ins Gespräch der Urlauber den „heißen Herbst 1977" einflechten müssen?
Ich kenne eine Menge Leute, die sich damals überhaupt nicht dafür interessierten, obwohl überall die Fahndungsplakate der RAF hingen.
Aber ganz und gar nicht! Das würde doch zu der Geschichte gar nicht passen.
Ich weiß auch nicht, was ich da habe, vielleicht ist es das Plakative zum Schluss, der reale Bezug, der mir die Geschichte quasi hinterrücks erschlagen hat. Bitte entschuldige meine unbeholfene Ausdrucksweise - ich fahnde selbst noch, was ich als Ungleichgewicht empfinde, denn eigentlich hast Du ja sehr dezent diesen Landshut-Hinweis gebracht. Vielleicht empfinde ich das Gefälle von fiktivem Geplänkel im Gegensatz zur realen Kastastrophe zu groß. Mir fiel ein, man könnte ja nur eine spätere Lautsprecherdurchsage oder Radionachricht einblenden, Flugzeug wurde entführt - aber das wäre das Gleiche in Grün.
Haken wir beide das bitte als eine Art Schluckauf bei mir ab, ok :D

Liebe Grüße
Petra
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Man stolpert immer vom banalen Alltag in die Katastrophe!

Nichts anderes erzählt Silberne Delfine hier.

Alter Kunstgriff, fiktive Einzelpersonen mit einem historischen Ereignis zu verknüpfen. Das ist tatsächlich auch ein uralter Trick der Filmindustrie.

Ja, man hätte noch tiefer in die Psyche der Protagonisten eindringen können, aber das braucht es nicht. Es reicht, das Kopfkino nach dem letzten Wort in Gang zu setzen - Landshut.

Funktioniert - zumindest bei gewissen Jahrgängen!

Zu Beginn wird Bezug auf den deutschen Herbst genommen - da dort allerdings Palma de Mallorca steht, hätte es auch etwas anderes sein können.

Ich finde die Geschichte stimmig!

Gruß DS
 



 
Oben Unten