August

5,00 Stern(e) 2 Bewertungen

wiesner

Mitglied
August


Menschensammler will er zum Sichern
aller Früchte von Feld und Berg sein,
denn viel Schweiß düngte einst die Böden.
Schlägt lauter schon der Wind an Schindeln,
stummen die alten Lieder vor den Kitteln,
die Wein und Kraut klug bedienen. Auf Grün!
treten und quetschen Gebeine aus Chrom.

Doch lauthals das rasselnde Hinaushusten
des Korns von liniensturen Mähdreschern,
dass Pressen heftig ruckelnd Ballen gebären
und akkurat gezählt ablegen aufs Feldbett,
zeigt auch betroffen dieses Neugesicht
frühfaltig als Verwundung der Erdenmutter,
erschöpft voll Krähen im kühleren Licht.

Verlangt er nach Störchen und Schwalben?
Gibt er Befehl zum Lüften unserer Mäntel?
Sollten nicht jetzt schon alle Blätter fallen,
sich zu schmücken mit rot-fremden Federn?
Sich schmücken weiß man von leer Gehüllten,
deren Tage ein Schwappen sind ins Dämmern.
Es stirbt einmal der Menschensammler.
 
Zuletzt bearbeitet:

wiesner

Mitglied
Liebe Claudia, liebe Petra,

Ihr habt Euch die Mühe gemacht, dieses Schwergewicht zu lesen und großzügig zu bewerten. Herzlichen Dank dafür! Dieser Text hat bestimmt seine Sperrmomente, auch für mich. Irgendwie will er ständig kämpfen, droht mit Wortsteinen zu werfen ...

Gruß
Béla
 

fee_reloaded

Mitglied
Dieser Text hat bestimmt seine Sperrmomente, auch für mich. Irgendwie will er ständig kämpfen, droht mit Wortsteinen zu werfen ...

In diesem Fall "Sperrmomente" der guten Sorte, lieber Béla!

Ich muss nicht immer alles ganz konkret verstehen müssen, damit Worte eine Wirkung entfalten. Manchmal ist das Viel-fältige darin - also der Umstand, dass sich in wenigen Versen oder nur einem Satz viele verschiedene Gedanken und/oder Bilder entfalten (oder auch Denkrichtungen) - gerade das Spannende.

In Worte wie
könnte ich mich reinlegen! So schön!

Und wie du in der Sprache das teilweise Gewaltsame der modernen Technik und der "Kultivierung" der Natur umsetzt, finde ich höchst beeindruckend.

Der Mensch, der der Erde abringt und ihr aufzwingt, was nur irgend geht. Der endgültige Anbruch des Anthropozän - er ist überall sichtbar, spürbar.
Dass du es hinbekommen hast, dieses auch in deinem Gedicht sprachlich so umzusetzen - nämlich genauso unsichtbar sichtbar - finde ich richtig stark!
Das Ringen "Mensch - Erde"...man kann es, wenn man will, immer noch romantisieren. Aber eigentlich eben nur noch, wenn man zwei Augen zudrückt.

zeigt auch betroffen dieses Neugesicht
frühfaltig als Verwundung der Erdenmutter,
erschöpft voll Krähen im kühleren Licht.
Wunderschön!!!

Und der Schluss
Sich schmücken weiß man von leer Gehüllten,
deren Tage ein Schwappen sind ins Dämmern.
Es stirbt einmal der Menschensammler.
Was für ein Schluss! Eins deiner schönsten Gedichte aus meiner Sicht!

Liebe Grüße,
Claudia
 

wiesner

Mitglied
@fee_reloaded

Liebe Claudia,

einigermaßen erschrocken lese ich gerade, dass ich gar nicht auf Deinen längeren Kommentar geantwortet habe. Möglicherweise hing das mit einem gewissen Erschöpfungszustand nach der Fertigstellung des Gedichts zusammen. Möglich auch, dass ich doch geantwortet, aber vergessen habe, den Text loszuschicken. Tut mir wirklich sehr leid.
Um so schöner, von Deiner Begeisterung zu lesen, die mich nun wieder ein wenig näher an das Gedicht rücken lässt. Zwischenzeitlich habe ich es nicht ertragen können, was ich nicht begründen kann. Bis heute bleibt mir ein Nachdenken über diesen Text übrig, ich bin immer noch nicht zufrieden. Wenn ich nur wüsste, was der Grund ist ...
Wird zu opulent aufgetischt?

Die Opulenz der Strophen kann damit zusammenhängen, dass ich mich derzeit ausführlicher mit dem Thema Ode beschäftige. So rechte Fortschritte wollen mir allerdings noch nicht gelingen. Vielleicht sollte ich das schwere Blut aus ihnen aderlassen, Pablo Neruda konnte das in vielen seiner (modernen) Oden.

Danke für Lob und Wertung!

Gruß
Béla
 



 
Oben Unten