Michael Kempa
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Die Schlacht von Setra
August, 22827 vor Christus
Die Ebene von Setra flirrte in der heißen Sonne, in der Ferne zog eine Staubwolke auf. Istar stand auf dem Streitwagen, neben ihr stand Ka - ihr ergebener Freund.
Kaum in Sichtweite formierte sich der Feind. Streitwagen fuhren auf, flankiert von Fußtruppen und Bogenschützen, Reihen von schwankenden Elefanten, deren Gebrüll selbst über diese Distanz zu hören war. Der Staub trübte die Sicht, doch die Bedrohung war spürbar. Figuren erschienen wie auf einem Schachbrett. Reiter zogen heran, Fahnen wehten an langen Lanzen. Im Hintergrund formierten sich die Fußtruppen, Schilde glänzten im Licht, Waffen im Anschlag. Kanonen zielten auf Istars Stellung und der Staub hinter den ersten Reihen des Feindes lichtete sich nicht, weitere Truppen zogen auf - der Feind schloss seine Reihen.
Die Armeen waren ein seltsames Gemisch: Menschen, die als Fußsoldaten und Reiter kämpften, Soldaten, die mit Istars Technik vertraut waren, und schließlich jene wenigen, von Istars eigener Art.
Istar hörte das Klopfen der feindlichen Helikopter und sah die Kondensstreifen am Horizont - sie gehörten nicht zu ihren Truppen.
Erst am Abend des Tages fiel der erste Schuss. Ein einzelner Treffer tötete einen Fußsoldaten aus Istars Reihen. Die Männer verharrten, Rufe hallten über die Ebene. Ein Schützenpanzer wirbelte Sand auf, barg den Toten und verschwand. Im Schutz der Dämmerung robbten - Meter um Meter - die Speerträger vor und vergruben sich im Sand.
In der Nacht gab es keine Gefechte, doch einzelne Leuchtgranaten erhellten für Sekunden die Dunkelheit. Gespenstige Schatten bewegten sich in einem unheimlichen Muster.
Istars Heer wuchs mit jeder Stunde: Tausende Soldaten stärkten die Front und verbreiterten die Flanken. Scheinwerfer flammten auf und beleuchteten punktgenau die feindlichen Stellungen. Laser tasteten das Gelände ab. Die Spannung war unerträglich, die Soldaten warteten auf den Befehl zum Angriff - auf beiden Seiten. Unzählige Soldaten mit dem Finger am Abzug.
Die Mondsichel erschien in dunklem Rot und tauchte die Ebene von Setra in gespenstisches Zwielicht.
Istar verbrachte die schlaflose Nacht im Unterstand ihrer Generäle. Die Militärs drängten zum Angriff, es galt die Gunst der Stunde zu nutzen und Entschlossenheit zu beweisen.
Istar zögerte. Noch konnte sie das Blutbad verhindern, sich dem Feind - ihrem Bruder - unterwerfen und milde Bedingungen erhoffen.
Sie trat vor den Unterstand und schaute in den schwach leuchtenden Himmel.
„Zeig keine Angst! Zweifel nicht! Tu, was getan werden muss!“
Ka trat aus dem Schatten und trat seiner Herrin entgegen, mit geöffneten Handflächen, so wie es Sitte war, wenn offene Worte gesprochen wurden.
Die reptiloide Königin erwiderte die Geste zögerlich. „Mardu ist mein Bruder. Ich will ihn nicht töten. Noch kann ich es verhindern.“
Ka senkte den Blick und vermied es, in die Augen seiner Königin zu sehen.
„Dein Bruder hat dich belogen, er hat dich verachtet und verraten. Er will die Herrschaft über die ganze Welt und nicht nur über den Himmel, so wie es ihm zusteht. Er hat dich gedemütigt und verspottet und er wird dich auf diesem Feld nicht verschonen!“
Istar stampfte mit dem Fuß in den Sand. „Er ist trotzdem mein Bruder!“
Im Morgengrauen schritt Istar in ihrer leichten Rüstung zum Kampfpanzer. Ka folgte ihr. Die Königin schaute über die Reihen ihrer Kämpfer und sie schaute auf die Front ihrer Gegner.
„Neuigkeiten?“ fragte sie.
Ka knurrte: „Er verlangt deine Kapitulation. Dir allein wird nichts geschehen.“
Hoffnung flackerte in Istars Augen.
„Alle außer dir müssen sterben - so lautet die Botschaft von Mardu.“
Die Hoffnung erlosch, die Königin erhob das Kinn.
An der Front hielt ihr Panzer, der Motor brummte bedrohlich. Istar sprach in ihr Headset und ein Soldat löste sich aus der Phalanx, er fuhr langsam auf die gegnerische Front zu. Sein Geländewagen hielt an und er stieg aus, schwenkte die weiße Fahne und blieb im Feld stehen.
Eine Minute verging.
Sand spritzte auf, der Wagen fing Feuer, eine Sekunde später hallten die Schüsse. Der Unterhändler war das zweite Opfer der Schlacht.
Dann brach die Hölle los.
Unzählige Pfeile wurden von Istars Bogenschützen abgefeuert und es dauerte nicht lange, bis die ersten Pfeile von Mardus Truppen zurückgeschossen wurden. Istars schnelle Panzer bargen ihre Toten und die Verwundeten, Mardus Kämpfer scherten sich nicht um ihre Opfer.
Kanonendonner erfüllte die Luft und Sand spritzte weit in den Himmel, an den ersten Reihen der Front und auch weit dahinter. Pfeile flogen ungezielt durch die Reihen und töteten ohne Erbarmen. Feuerstrahlen trafen die ersten Krieger, die flüssige Glut wirkte nicht weit in die Reihen, doch wo es einen Krieger traf, verbrannte es ihn langsam und gründlich. Panzer lösten sich aus Istars Verband, die rechte Flanke versuchte einen Durchbruch. Panzer walzten die Fußtruppen Mardus auf vielen Metern nieder, fuhren gnadenlos durch die Reihen, blieben stecken, drehten sich im Sand und brachen den Angriff ab. Einige Panzer schafften den Rückzug, dutzende brannten im Schlachtgetümmel aus.
Mardus Panzerwagen wurden von der Frontlinie zurückgeworfen.
Staub und Sand und Rauch verdunkelten den Himmel, Motorenlärm, Schreie und Schüsse erfüllten die Luft. Nun schlug die Stunde der Fußtruppen. Schreiend stampften und rannten die Männer aufeinander los. Handgranaten flogen, einzelne Schüsse fielen, Salven krachten über die Ebene. Dort wo die Soldaten zusammenprallten, zogen sie ihre Handwaffen, schossen die Magazine leer und kämpften mit Schwertern und Keulen. Stahlkugeln mit Dornen rissen blutige Wunden und wo sich einzelne Kämpfer duellierten, gab es Szenen mit Dolchen, Zähnen und Klauen.
So dauerte der erste Tag der Schlacht bis in die Dämmerung. Trompeten und Schallhörner riefen die Krieger zurück in ihre Reihen. Bergepanzer sammelten Istars Verwundete und die Toten ein.
Mardu kümmerte sich nicht um seine Soldaten, ließ die Toten liegen, wo sie lagen und ließ die Verwundeten sterben. Wer von Mardus Truppen zurücktaumelte, wurde erschossen. Bis tief in die Nacht hallten einzelne Schüsse über das Schlachtfeld.
Die Generäle versammelten sich um Istar. Transporte mit Verletzten zogen in einer langen Linie nach Tanesar. Später folgten die Lastwagen mit den Toten.
„Istar, du musst noch in dieser Nacht das Quartier verlegen!“ General Bima war aufgeregt, wedelte mit Karten des Schlachtfeldes in seiner Hand.
„Wie viele Tote haben wir? Wie viele Verletzte?“, fragte Istar.
Bima konzentrierte sich. „Wir wissen es noch nicht genau, die Transporte laufen noch. Tausende. Eine große Zahl!“ Der General berichtete auch von den Zelten der leichter Verletzten, sie sammelten ihre Waffen und versorgten gegenseitig ihre Wunden. Großartige Geschichten wurden erzählt. Die Stimmung der Truppe war erstaunlich gut.
Die Sonne kündigte sich in der Dämmerung an, die Truppen formierten sich wieder an der Frontlinie. Istar umschritt ihren Kampfwagen und war bereit für den zweiten Tag. Da rannte Ka auf den Wagen zu und schwenkte in seiner Hand ein Pergament. Schwer atmend stellte sich Ka vor seine Königin. „Eine Botschaft von Mardu!“
„Was will er?“, fragte Istar.
„Verhandeln!“
Istar las das Pergament, eine Handschrift aus dem Führungszelt.
„Lass unsere Zentrale verlegen und gut tarnen! Ka, du wirst mich hier auf dem Schlachtfeld vertreten, du wirst die Truppen verstärken, mit den Kriegern, die heute aus dem Hinterland eintreffen und du wirst die Armee informieren - vom General bis zum einfachen Soldaten. Sorge für frisches Wasser und für Nahrung und sei auf der Hut! Es könnte eine Falle sein! Ich werde mich nach Tanesar begeben, mein Bruder verlangt nach mir.“
„Es wird eine Falle sein!“ Ka warf das Pergament auf den Boden.
„Tu was ich dir sage.“ Istar ließ kein weiteres Wort zu.
In Tanesar wartete ein Himmelswagen auf Istar, sie stieg ein, wissend, dass dies ihren Tod bedeuten könnte. Doch der Einsatz war groß und Mardu war ihr Bruder.
Fortsetzung folgt.