AURUM 3/11

Michael Kempa

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Tanesar


Tanesar blieb von der Seuche verschont. Istar residierte in ihrem Palast. Die Weisen ihres Landes versammelten sich und überlegten, wie es weitergehen sollte. Aus dem fernen Osten reiste Sunzi an, ein General, der weise Worte sprach. Der Königin wurde bewusst, dass die Gefahr durch ihren Bruder längst nicht gebannt war. Sunzi lehrte mit bedächtigen Worten, und die Vertrauten um Istar hörten seine Worte.
„Es gibt keine größere Gefahr, als die Unterschätzung des Feindes!“, Sunzi lehrte an jedem Abend eine These seiner militärischen Weisheit, seine Worte ließen die Herrscherin von Tanesar nicht unberührt. Nachdem sich der abendliche Hofstaat zurückgezogen hatte, beriet sich Istar regelmäßig mit Ka. Langsam reifte ein Plan. Ka gab zu bedenken, dass Marduk seinen Plan, seine Schwester zu beseitigen, nicht aufgeben würde.
„Wer ist stärker, wer hat die besseren Chancen?“, fragte der fremde General an einem weiteren Abend.
Sunzi empfahl eine ausgefallene Strategie: „Zuschlagen und verschwinden!“ Viele lehnten das ab und verurteilten die Strategie als feige und ehrlos. Der General ließ sich nicht beirren und lehrte weiter.
„Tauche dort auf, wo man dich nicht erwartet!“
Dann kamen die Astronomen, die Unglaubliches zu berichten hatten: Drei Sterne erschienen am Himmel, sie waren den Beobachtern völlig neu.
Ka schaute seiner Königin in die Augen, und Istar nickte ihm zu. Zusammen mit den Sternsuchern untersuchte Ka die Erscheinung. An einem späten Abend gab Ka seine Ergebnisse im Geheimen bekannt. „Es sind tatsächlich drei Himmelskörper, es sind aber keine Sterne, es sind große Steinbrocken, die hier auf der Erde einschlagen werden, ab jetzt in acht Tagen. Ich habe viel gerechnet, und es ist sicher, dass die Brocken in den großen Weltmeeren einschlagen werden, fast zur gleichen Zeit.“
„Dann ist es Zeit, unseren Plan durchzuführen!“
„Ja, Herrin.“
„Wie wirst du mich begleiten?“ fragte Istar.
„Ich werde dein Bote sein.“
Die Königin ging alleine die Treppe hinauf zur Terrasse des Palastes und suchte sich ihren Platz, wischte sich die Tränen aus den Augen und begann, den Himmel abzusuchen. Dann sah sie die Raketen starten, erst wenige, dann immer mehr. Aus allen Himmelsrichtungen waren die Leuchtspuren deutlich sichtbar. Istar konnte die Lichter nicht mehr zählen, dann war Ruhe, die Lichter erloschen. Eine einzelne Spur folgte dem Schwarm.
Mach’s gut mein Freund, wir werden uns sehen, gute Reise, Ka.“

Der Himmel begann zu leuchten, helles Flackern beleuchtete die Stadt. Mitten in der Nacht sah Istar ihren eigenen Schatten, direkt vor sich und dann von allen Seiten. Mit geballter Wucht traf sie das Licht, heller als die Sonne. Dabei blieb es still - kein Lufthauch brachte Erleichterung - nur die Sonnen strahlten kurz auf und Minuten später war es wieder finstere Nacht.

Eine weitere Stunde verging in Dunkelheit, dann gab es die ersten Sternschnuppen, und vom Horizont war ein leichtes Grollen zu hören. In allen Farben zogen die Sternschnuppen über den Himmel, ein nicht enden wollender Strom aus Licht und Farben - ein Spektakel am Nachthimmel. Die Herrscherin der Erde stand auf und begab sich in ihre Räume, sammelte, was nötig war und machte sich für eine lange Reise bereit.

Ein Gleiter brachte Istar sicher in das große Gebirge, in die geheime Festung Shangri, von der niemand etwas wusste. Hier fühlte sie sich sicher, und sie konnte sich auf die nächsten Tage vorbereiten. Kontakt zu Ka konnte sie erst in einigen Tagen erwarten, bis dahin kümmerte sie sich um ihre Regeneration und aktivierte die Anlagen der Station.

Die Asteroiden schlugen ein, selbst in Shangri waren die Erschütterungen zu spüren. Die Erde bebte.
Zu Ka konnte Istar keinen Kontakt herstellen, das würde sicher noch einige Tage dauern, doch auch nach Tanesar gab es keinen Kontakt, und Istar fühlte sich als Herrscherin ohne Reich, einsam und isoliert. Am Berghang von Shangri saß die Königin und schaute in den Himmel, an dem noch immer die Sternschnuppen über den Horizont zogen. Dunkle Wolken zogen auf, und es begann zu regnen. Der Regen ließ nicht nach, wurde immer heftiger und spülte Schlamm und leichtes Geröll vor die Bunkertüre. Schließlich zog sich Istar zurück in ihre neue, einsame Behausung, ohne Berichte aus ihren Städten oder von Ka. Einsamkeit war ihr neuer Begleiter.
Die Müdigkeit kam wie eine schleichende Natter; Tage oder Wochen konnte sie nicht unterscheiden, die Zeit verlor ihre Bedeutung, die Zeit schlich wie Schatten in der Nacht, flog wie ein Vogel und deckte alles zu, wie der Schnee im Winter.

Die Herrin erwachte aus ihrem Schlaf und sortierte sich. Von Ka gab es keine Nachricht, und ihre geheimen Kanäle der Informationen schwiegen. Der Gleiter war bereit, und in aller Sorgfalt bereitete sie ihre Erkundung vor. Das erste Ziel war ihre Heimat - Tanesar.
Das Bild war erschütternd. Tanesar glich einer Schlammwüste. Der Palast war verschwunden, und nur aus größerer Höhe waren die Strukturen einer Stadt erkennbar. In Surat und in Panaji sah es genauso aus. Thane konnte sie nicht finden, in Kalkata und Haora sah es nicht besser aus. Straßen gab es nicht mehr, alle Spuren von Zivilisation waren erloschen. Die Welle vom Ozean musste riesig gewesen sein, der Bordcomputer berechnete 50 bis 200 Meter, je nach Struktur des Geländes. Die Flutwellen hatten auch das Landesinnere erreicht und folgten den Flussläufen. Die Zerstörung war unbeschreiblich. In tiefer Trauer befahl Istar den Gleiter zurück nach Shangri, unterwegs überflog sie Gebiete, in denen Spuren von Menschen sichtbar waren, doch die Bildauswertung zeigte nur Elend und zerstörte Ernten. Die Lebensgrundlagen waren fortgespült.
Es war noch nicht die Zeit der großen Regengüsse, der Monsun müsste erst in einigen Wochen beginnen, doch die Wolken waren schwer beladen. Istar musste die Erkundung abbrechen, eine Zwischenlandung war nicht möglich, so steuerte sie das Fluggerät zurück zum Startpunkt. Niedergeschlagen saß sie in der Empfangshalle, in der es wohl niemals mehr einen Empfang geben würde.
Es war Zeit für den langen Schlaf.

Zeit?
Was ist Zeit?
Das waren die Gedanken der Königin.



Fortsetzung folgt.
 

jon

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Sachfehler: Steinbrocken leuchten nicht, sie sehen nicht aus wie Sterne.

Meine Lust, das Ganze weiter zu verfolgen, sinkt immer mehr. Alles ist so skizzenhaft, so wenig erzählend … das "holt mich nicht ab", wie man so unschön sagt.
 

Michael Kempa

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Unser Mond kann hell strahlen und ist auch nur ein Steinbrocken.
In SF nach Sachfehlern zu suchen, ist eine kniffelige Angelegenheit.
Schade, dass du die Story nicht genießen kannst. OK.
Ich lese gerade das SF-Buch "Otherland" von Tad Williams, ein fetter Schinken, der im HEYNE-Verlag erschienen ist.
Eine persönliche Frage: Kannst Du einen SF-Roman (käuflich) empfehlen, den Du mit Genuss gelesen hast?
Bis dann,
Michael
 

jon

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Nein, der Mond strahlt nicht, er wird angestrahlt. Steinbrocken werden zwar auch (vor allem in Sonnennähe) angestrahlt, reflektieren das Licht aber nicht so stark, dass man sie mit Sternen verwechseln könnte. (Es sei denn, sie haben Planetengröße - dann würde das reflektierte Licht reichen, wie bei Venus, Mars etc. Dann lösen sie beim Einschlag aber nicht einfach nur eine Mega-Flut aus. Die Widerspiegelung des Sonnenlichts könnte auch wahrnehmbar werden, wenn die Steine nah an der Erde sind - aber auch dann würden sie wohl eher flächig wirken nicht wie Sterne, also Lichtpunkte.)

"In SF nach Sachfehlern zu suchen, ist eine kniffelige Angelegenheit." Jain. Dieser konkrete Fakt ist so banal, dass ein Bruch damit den Text zu Fantasy macht. Sollen die "falschen Sterne" SF sein, müsste die Verwechslung durch eine Technologie erklärt werden (ohne dass man die Technologie erklären muss, wohlgemerkt). Aber auch für Fantasy braucht man eine Erklärung, nur darf die eben nicht-technologisch sein. Die dritte Variante wäre, dass es um eine völlig abgedrehte Welt nach Pratchett-Manier geht, das aber wird durch den Text nicht unterstützt.

Es ist, um dieses Thema mal abzurunden, inhaltlich völlig irrelevant: An der Geschichte ändert sich nicht das Geringste, wenn die Steinbrocken nicht als Sterne missinterpretiert werden. Es gibt also keinen Grund, so einen (sorry) Flapsigkeitsfehler, der einem beim Schreiben schon mal passiert, drin zu lassen. Etwas anderes ist es z. B. mit der Erschaffung der Menschen - dieser in diese Geschichte eingebaute Fehler ist essentiell für die Story, die man als Alternativ-Geschichte (ein Teilgebiet von SF) deuten könnte.
 

jon

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"Eine persönliche Frage: Kannst Du einen SF-Roman (käuflich) empfehlen, den Du mit Genuss gelesen hast?"
Oooch, da gibt es einige, auch wenn das schon etwas her ist. Manches davon wirkt aus heutiger Sicht vielleicht auch "angestaubt".
Eschbach: Die Haarteppichknüpfer (Episoden-Roman)
Addams: Per Anhalter durch die Galaxis
Strugazki: Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein
Snegow: Menschen wie Götter
Weitbrecht: Das Orakel der Delphine
Kröger: Die Kristallwelt der Robina Crux
Hammerschmitt: Polyplay
Bach: Germelshausen, 0:00 Uhr
Steinmüller: Andymon

… und die Erzählungen von Bernd Ulbrich (Störgröße M), der Steinmüllers, von Stanislaw Lem (Pilot Pirx) …
 

Michael Kempa

Mitglied
Hallo Jon,
danke für Deine Literaturliste. Da sind schon Ikonen des Genres dabei.
Addams - Per Anhalter durch die Galaxis: Genial!
Lem: Urgestein.
Eschbach: Anstrengend ausufernd...
Da hängen die Sterne der SF hoch!
Zu Tad Williams will ich noch etwas sagen: Ein hochgelobter Bestseller.
Meine Meinung: 990 Seiten Langeweile. Eine gute Idee aufgeblasen bis zum Platzen.
So ist das mit Meinungen. Viele Leser von Williams sehen das anders.
Mit Lem, Addams und Eschbach kann ich mich nicht messen - mein Hobby ist SF. Non Profit und non Budget.
Austausch von Gedanken ist immer gut.
In diesem Sinne:
Gute Nacht.
Michael
 



 
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