aus "Das Wunschkind"

klara

Mitglied
Heute waren wir auf dem Berg.

Der Berg heißt Staufen. Da sind wir oft.
Meine Mama uns mein Papa lieben Berge. Mama sagt, dass sie die Berge lieb gewonnen hat. Sie sagt auch, dass Papa ihr die Bergliebe beigebracht hat.
Mama liebt auch das Meer. Sie ist nämlich in der Nähe eines Meeres Großgeworden. Ob Papa auch das Meer lieb gewonnen hat? Das weiß ich nicht. Jedenfalls, er sagt immer, dass das Meer, von dem Mama erzählt, nur ein größerer Teich sei.
Wer weiß, vielleicht konnte Mama die Liebe zum Meer meinem Papa nicht beibringen. Manchmal ist sie dumm. So sagt jedenfalls Papa. Aber so, wie er sagt, weiß ich nie, wie er es meint. Er lächelt nämlich dabei. Wenn meine Mama sich dann wehrt, fragt, was das mit der Dummheit zu tun habe oder wessen Dummheit er gerade meine... Schüttelt Papa den Kopf und sagt „du verstehst aber auch gar keine Ironie!“
Manchmal wird Mama sehr heftig. Sie schreit sogar. Besonders auf das Wort Ironie ist sie gar nicht gut zu sprechen. Am meisten geht sie bei diesem Wort in die Luft: „Wenn die Realität die Ironie überholt... „ so etwas ähnliches sagt sie. Sie weint. Sie ist fürchterlich verzweifelt. Aber es ist anscheinend nicht so wichtig, denn Papa lächelt immer. Dann denke ich,
es ist alles in Ordnung.
Mama spinnt halt wieder.

Auf dem Berg war es schön. Nur ich kann nicht so oft trinken, wie ich will. Papa sagt, „ Kinder müssen was aushalten.“ Wir dürfen auch keine Pause machen, weil man ja davon müde wird und nicht weiter gehen kann.
Mama hat versucht, dass wir Pause machen und doch nicht müde werden. Sie gab mir Schluck Wasser zum trinken und ließ mich auch den Mund ausspülen. Am Brunnen legte Mama ihre Handgelenke unter das Wasser. Ich auch. Es tat gut. Sie hat dann ihren Stirn und ihren Nacken nass gemacht. Ich auch.
Papa sagte: „So ein Irrsinn! So ein Irrsinn!“

Mama hatte mir gerade gezeigt, wie sie das wasser durch die Hand spritzen lassen kann, ging Papa weiter. Dann blieb er stehen und wartete auf uns. Mama hat mit dem Wasserspiel aufgehört, mir den Schweiß abgewischt. Sie war nicht fröhlich. Sie wird ungeduldig, wenn Papa auf uns wartet.
Wir gingen weiter. Es ist sehr schön auf dem Berg.
Ich habe einen Stein gehoben und weg geworfen. Er flog ganz weit weg. Ich habe gelacht. Papa war sauer. Das heißt, mein Papa ist niemals sauer. Ich meine, er war sehr ernst und fragte mich, ob ich sterben wolle? Ob ich lebensmüde bin? Ob ich keinerlei Respekt habe?
Ich habe ihn nicht verstanden.
Mama schon. Denke ich.
Sie sagte mir, ich solle aufpassen mit dem SteineWerfen. Es sei sehr gefährlich. Weil ein Stein noch einen Stein mitnimmt, dann sie zusammen noch andere Steine... Es könnte eine Stein Lawine entstehen und es wäre sehr gefährl... da sagte Papa: „ So ist es. Willst du sterben?“
Nein. Das will ich nicht.

Wir gingen weiter. Ich habe keinen Stein angerührt. Aber Mama. Meine Mama ist unmöglich. Sie kann manchmal gar nicht glauben, was für welche Gefahren sich im Bergwandern verbergen.
So roch sie an einem Blatt. Und sogleich war sie glücklich. Ich habe meinen Papa angeschaut. Er schien Mamas Glück nicht gesehen zu haben. Gott sei dank.
Da habe ich auch an dem Blatt gerochen. Es roch nach Tee.
„Es ist Tee! Es ist Tee!“
Mama sagte, dass es ein Minzblatt sei. „Aber im Tee sieht man es nicht“ habe ich gesagt. Mama hat gelacht.
Sie hat alle Blumen und Pflanzen angeschaut. Papa weißt schon, was alles auf dem Berg Blüht. Er hat gesagt, dass sie alle echt sind, nicht gezüchtet. Da haben wir alle gelacht. Das heißt, ich habe nichts verstanden und gelacht, weil Mama und Papa zusammen lachten.

Auf dem Berg gibt es leider keine gerade Wege. Sie sind voller Kurven, sind entweder Bergauf oder Bergab. So sind die Bergwege. Ehrlich. Meine Fersen taten mir weh. Papa hat meine Blasen an meinen Fersen zu gepflastert. Ich habe richtige Bergschuhe. Ganz neu. Als Papa meine Blasen an Fersen verarzte, „ Turnschuhe wären besser“ habe ich gesagt.
Papa meinte, dass ich nicht in der Lage wäre, die Bergschuhe von Turnschuhen zu unterscheiden.
Ich habe ihn nicht verstanden. Mama schon. Denke ich. Sie war wieder nicht fröhlich. Ich war auch nicht fröhlich, weil mir die Füße weh getan haben. Und das war wegen der neuen Bergschuhen.
Wir gingen weiter. Papa hat immer wieder gesagt, dass ich es schaffen müsse, es gäbe dann auch Pizza zu Belohnung, wenn ich bis zur Hütte durch halte. Ich wollte, dass Papa mich ein Bisschen trägt. Er sagte, dass ich nicht schlapp machen solle, dass ich wohl in der Lage wäre bis zur Hütte...
Mama hielt meine Hand. Sie hat mich gezogen. Es tat gut. Manchmal hatte ich gar nicht schwer zu laufen. Hin und wieder schwebte ich. So hat sie mich gehoben.
Ich habe bis zur Hütte geschafft. Papa wollte noch zum Kreuz. Mama blieb sitzen. Sie machte schlapp.
Ich ging mit Papa weiter.
Später kam auch Mama, weil ich von Mama und Papa ein Foto machen wollte.
Ich habe sie fotografiert. Papa machte ein sehr lustiges Gesicht, wie auf allen Fotos. Mama sagte, dass ich auf passen solle, weil ich fürs Fotografieren rückwärts gegangen bin.
Ich passe schon auf. Ich bin groß. Ich habe bis zur Hütte, sogar bis zum Kreuz geschafft.

Bergrunter geht es schneller. Nur, da zittern mir die Knien so. Das habe ich aber nur Mama gesagt.
Unten, im garten der Almhütte haben wir Kuchen gegessen.
Das hat so gut geschmeckt.
Von da aus können wir Bad Reichenhall sehen. Sogar die Wohnung meiner Oma. Das heißt, Papa zeigte es mir. Ich habe die Wohnung nicht gesehen. Man kann aber sie sehen.
Dann fuhr Papa zum See. Am See ist Mama liegen geblieben. Ich ging mit Papa ins wasser. Papa wollte, dass auch Mama ins Wasser kommen soll.
Sie war aber müde und sagte, dass es viel zu viel Pflanzen und Schlamm im See gibt. Sie mag das nicht. Ich mag das auch gar nicht. Aber mit Papa. Es geht schon. Es war soo schön.

Dann fuhren wir nach Hause. Unterwegs, unter der Bahnüberführung waren viele Tauben auf der Straße. Sie fliegen fort. Doch blieb eine da. Wir fuhren weiter. Es kam ein komisches Geräusch. Mama schaute Papa an und sagte, dass wir die Taube überfahren haben. Sie weinte fast. Mir war es auch sehr komisch ums Herz.
Da sagte Papa, dass die Vögel nicht mal in der Lage wären zu fliegen.
Ich habe gelacht. Die Vögel können doch fliegen!
Mama hat nicht gelacht.
Sie hat gesagt: „Das hat mir das Herz zerrissen. Ich habe gespürt, wie der Körper geplatzt ist.“
Papa schüttelte Kopf.
Am Abend hat Mama mein Bruder von unserer Nachbarin abgeholt. Nach dem Abendbrot brachte sie ihn ins Bett. Ich und Papa haben Mensch ärgere dich nicht gespielt. Papa lacht sehr, wenn ich mich ärgere.
Ich wollte, dass Mama mitspielt. Sie saß aber auf der Couch und wollte nicht. Papa sagte, dass sie nicht in der Lage wäre, einen Familienabend mit zu machen.
Nach dem Spiel ging ich mit Mama ins Bett.
Zuerst habe ich Papa gefragt, wann wir Pizza essen gehen.

Er ging ins Wohnzimmer, schaltete Fernseher an und sagte,
„frag´die Mama“
Ich habe Mama gefragt, wann wir Pizza essen gehen?
Sie sagte, „wann immer du willst“.

Mir taten die Füße weh. „Aber Mama“ wollte ich sagen,
„wir gehen aber nicht zu Fuß! Oder?“

Ich glaube, ich bin eingeschlafen.
 

Breimann

Mitglied
Hallo Klara,

diese Kindsicht ist ein verlockendes Mittel, um völlig naiv zu beschreiben, was ein Kind fühlen muss, das zwischen Eltern steht, deren Ehe offensichtlich an einer Bruchstelle steht.
Eine gute Idee also, die Eindrücke und natürlich die Eltern aus der Sicht dieses Kindes zu beschreiben. Keine neue Idee natürlich, das weißt du auch. Darum sind dann die Ansprüche hoch an die Darstellung, an die Sprache. Man kann wählen zwischen harten und sehr weichen Darstellungen. In deiner Geschichte gehst du allerdings sehr, sehr vorsichtig an die Sache heran.
Natürlich merkt man, nicht nur daran, dass die Mutter mit dem Kind ins Bett geht, dass da viele Dinge zwischen den Eltern nicht stimmen. Du hast dir auch starke Situationen einfallen lassen. Aber manchmal denke ich, hier müsste noch etwas deutlicher das hin- und hergerissen werden des Kindes heraus kommen.
Der doch ziemlich präzisen Beschreibung im ersten Teil
>Manchmal wird Mama sehr heftig.....Mama spinnt halt wieder<
folgen dann wieder sehr leise Andeutungen.
Manchmal kommt der Konflikt, in dem sich das Kind befindet, wieder rum klar heraus. Zwischen Vater und Mutter hin und her gezogen, teilt sie ihre Liebe, aber übernimmt auch leicht die jeweils gerade geäußerten Vorwürfe als wahr:
>Mama spinnt...<
Abschließend doch noch ein Wort zu den Fehlern. Ich würde sie ausbauen, es sind halt doch etliche Flüchtigkeitsfehler drin, die einen beim Lesen immer wieder stolpern lassen.
Insgesamt aber eine feine Sache, die nach einer nochmaligen Überarbeitung TOP werden kann.
Liebe Grüße
eduard
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo klara,

eben habe ich mir für einen Kommentar zu deiner Geschichte ein paar Notizen gemacht und will loslegen, da sehe ich, daß eduard schneller war. Und was seine allgemeine Einschätzung angeht, so kann ich mich ihr nur anschließen. Ich glaube, er hat sie auch in treffendere Worte gekleidet, als ich es vermocht hätte.
Was die Details angeht, so will ich hier nicht darauf eingehen, weil es den Rahmen sprengen würde. Bei einem so sensiblen Text, wäre es nur Stückwerk, wenn man sich ein paar verbesserungs- bzw. veränderungswürdige Stellen heraus pickt. Das möchte ich lieber etwas ausführlicher tun. Und da ich gern mit farbigen Textmarkierungen arbeite, schlage ich vor, dir eine Mail zu schicken, an die eine WORD-Datei angehängt ist. Dazu komme ich aber erst morgen. Na denn - für heute Gute Nacht.

Gruß Ralph
 

klara

Mitglied
Hallo Eduard,
danke für deine Zeilen. Du sagst, dass ich sehr vorsichtig an die Sache ran gehe. Du hast recht. Wie Ralph sagt, es ist ein sensibles Thema. Genau genommen ist es eine "Gewalt" Geschichte, in der weder das Kind noch die Mutter so richtigen "Ausweg" finden. Die hin und her Gerissenheit des Kindes, die nie so klar rauskommt, basiert auch auf diese subtile Gewalt. Die besondere Tragik (es hört sich jetzt kitschig an. Nicht wahr?)des Kindes ist, dass sie nicht einmal hin und her gerissen sein darf. Über die weitere Folgen aus "Das Wunschkind" möchte ich gerne vieles von dir hören. Ich denke, du liest sie "richtig".
Schreibe bitte über meine Fehler, wo man stolpert. Deutsch ist meine zweite Sprache, die ich erst mit 21 Jahren gelernt (auch lieben gelernt) habe.
Hallo Ralph,
ich warte auf deine E-Mail und freue mich darauf.
Seid gegrüßt.
 

Breimann

Mitglied
Liebe Klara,

ich habe immer Angst, jemanden beim Deutschen Fehler nachzuwisen. Allerdings hat es hier in der LL schon die schlimmsten Sachen gegeben. Da habe ich dann auch massiv darauf hingewiesen. Das ist bei dir etwas ganz anderes. Da sind mir Hinweise schon etwas peinlich. Da ich auch immer wieder Fehler mache, denke ich, man sollte jeden darauf hinweisen, wenn er etwas falsch geschrieben hat. Niemand ist perfekt! Man lernt doch dabei!
Ich werde "richtig" lesen, bei allen Geschichten, die von dir in die LL gestellt werden.
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
ich

kann mich nur den worten meiner vorredner anschließen. es liest sich recht gut und ist ein interessantes thema. schreib weiter! ganz lieb grüßt
 



 
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