aus den Chroniken eines Steppkes

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Tula

Mitglied
aus den Chroniken eines Steppkes

Die Straße hatte damals eine Länge
von etwa sieben Lederstrumpfgeschichten.
Wir konnten jagen, stromern ... ohne Zwänge
und wenn es hart kam, auf Bonbons verzichten.

Am Strand im Urlaub sammelten wir Muscheln
und ihrer Schönheit wegen(!) Kieselsteine.
Im Schilfgras hörten wir die Nymphen tuscheln:
"Der See birgt alte Schätze und Gebeine."

Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister,
bei Sauriern in jedem Streit die Schlausten.
Wir glaubten an die Kraft der Poltergeister
und dass Zyklopen nur in Märchen hausten.

Der Kuchen Omas ließ uns stärker werden.
Wenn Opa nieste, wackelten die Wände.
Ihr Garten galt als Paradies auf Erden:
die Himbeerstaude nahm und nahm kein Ende.

Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige.
Ich war Korsar, ein guter, mit Gewissen.
Mitunter leider auch ein wenig feige –
ich habe nie in einen Frosch gebissen.
 
Zuletzt bearbeitet:

Scal

Mitglied
Eine schöne Chronik, weckt Erinnerungen.
"Steppkes" war mir unbekannt, ich habe gegoogelt.
Nach der "Himbeerstaudenzeile" hielt ich inne und überlegte (bislang erfolglos), ob's eine Alternative zu "nahm und nahm kein Ende" gäbe.

Grüße
Scal
 

fee_reloaded

Mitglied
Was für ein großartiges Loblied auf die Magie der Kindertage, lieber Tula!

Wie sah es mit der Regenwurm-Schlucken-Mutprobe aus? Die hätte ich mir auch eher vorstellen können, als in einen Frosch zu beißen (der Arme!). Brrrrrr! ;)
Schön, wie der beschwingte Rhythmus deiner Zeilen mich sofort eilige Kinderschritte und aufgeregtes Flüstern und Diskutieren hat hören lassen und dieses allgemeine Knistern kindlicher Aufregung und Wunder ausgelöst hat! Das geht direkt ins und ans Herz und die eigenen vergessenen Wonnen jener Tage.

Lediglich hier
Der Kuchen Omas ließ uns dicker werden.
würde ich das doch nicht ganz wertfrei wahrzunehmende "dicker" in ein "stärker" umändern. Das "dicker" bringt einfach - so empfinde ich es zumindest und ich kann es ja nur aus heutiger, sprich "vernünftiger Erwachsenen-Sicht" lesen - einen winzigen "Schatten" in den Text, der da nicht sein sollte.

Sehr sehr gerne gelesen und der Magie zum Opfer gefallen!

LG,
fee
 

Tula

Mitglied
Hallo Scal
Ja, ich hoffe die Erinnerungen der Leser sind im Allgemeinen ebenso positiv. Traurig wenn Menschen keine unbeschwerte Kindheit hatten.

Die Himbeerstaude lasse ich besser in ihrer ganzen Länge stehen. Sie war in der Tat beträchtlich, wenn man einmal dabei war, sich 'hineinzunaschen', war der Nachmittag ausgebucht :)

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Tula

Mitglied
Hallo fee
In der Tat erinnere ich mich an einen, der sich damit brüstete, einen Frosch mal kurz in den Mund zu stecken. Reingebissen hat er aber nicht, der Feigling :D

Danke für den Tipp, ich habe es abgeändert. Du hast natürlich vollkommen recht. Kuchen macht groß und stark! Ich war übrigens ein großer Kuchen-Fan, trat bei gewissen Familienfeiern mit dem Bruder einer Tante in den Wettstreit. Verlor dann aber stets, in etwa mit 12 zu 16 Stück ... :cool:

Danken lieben Gruß
Tula
 

sufnus

Mitglied
Hi Tula!

Wunderbare Kindheit (soweit hier geschildert) und ganz zauberhafte Zeilen!
Bei "Den Becher Milch trank ich stets bis zur Neige" betont sich für mich das "ich" nicht so leseleicht, als dass ich da nicht ein bisschen stolpere.
Für ließe sich z. B.
Ich trank den Becher Milch stets bis zur Neige
oder
Den Becher Milch trank stets ich bis zur Neige
leichter Jambisieren. Gibt aber da natürlich noch viele andere Lösungsmöglichkeiten.

Und Fees Kuchenvorschlag war echt stark! :)

Aber Dein Gedicht, lieber Tula, ist ganz unabhängig davon auf Sie-sind-der-Meinung-das-war-Spitze-Niveau *eingefroren in der Luft häng* !!!

LG! :)

S.
 

Tula

Mitglied
Hallo sufnus
Freut mich, dass es dir gefällt und du dich als Leser-Kind in den Zeilen wiederfindest.
Zum besagten Vers: du hast recht, so richtig einwandfrei ist er jambisch gesehen nicht, schon weil das 'stets' eine deutlichere Betonung verdient hätte. Die Variante 'Ich trank ...' war die erste, aber der Vers danach fängt ebenfalls mit 'Ich' an. Gerade deshalb baute ich das um.
Das Umtauschen von 'stets' und 'ich' sagt mir allerdings auch nicht zu. Hm ... Vielleicht fällt mir später noch etwas ein.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

Tula

Mitglied
Moin BeBa
Ich hoffe, tief im Innern bist auch du hin und wieder noch einer :cool:
Hoch lebe das Kind in uns allen!
Dankend lieben Gruß
Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Tula,

jaaa, das war was für die Seele der Stromer und Steppkes und wie sie alle heißen.
Da hat wohl jede(r) seine Erinnerungen :cool:
Aber für mich hat so eine 'Ode an die Kindheit' auch etwas Trauriges - weil ich an heutige Kinder denke, die eben nicht unbeschwert Dummheiten machen können und nur wahrnehmen brauchen, was in ihrer kleinen Welt abgeht. Heute müssen sie die Umwelt schonen, politisch korrekte Karnevalskostüme wählen, und wenn sie mal groß sind, den Planeten retten.
Es waren die Eltern, die diese Unbeschwertheit ermöglichten, indem sie ein Kind im besten Sinne 'verantwortungslos' aufwachsen ließen - der 'Ernst des Lebens' würde noch früh genug über sie hereinbrechen. Und heute? Ich kann das nicht ausblenden.

Liebe Grüße
Petra
 

Tula

Mitglied
Hallo Petra
Danke fürs feedback. Eine gute Frage: ist die Kindheit der Kinder heute 'beschwerter' oder unbeschwerter? Ich weiß es nicht. Ich denke, wir sind alle das erzieherische Ergebnis der Umstände, von denen das Elternhaus nur einen, wenn auch sehr wichtigen, Teil ausmacht. Was früher anders war, ganz ohne Handy und mit viel weniger Straßenverkehr: wir zogen los und mussten zur vorgeschriebenen Stunde zurück sein. Die Eltern wussten nicht, wo genau wir in der Zeit dazwischen waren. Heute unvorstellbar.
Mein erstes Kind, meine Tochter, hat sich darüber nie beklagt. Insofern kann ich mir nichts vorwerfen. Das klassische Stromern gibt es vielleicht in Kleinstadt und Dorf. Keine Ahnung.
Zur Erziehung selbst will ich nicht viel debatieren. Zum gedankenlosen Konsum sollten wir die nächste Generation nicht ermuntern. Wenigstens das, denn wir haben in dieser Hinsicht kollektiv versagt. Aber wer weiß ... Sie wird sich an gewisse Dinge der Vergangenheit nicht mehr erinnern und zwangsläufig nicht mehr anstreben. Ansonsten sind die ganz jungen Menschen vielleicht nicht sehr viel anders als wir vor einigen Jahrzehnten, was immer wir uns da mitunter einreden.

Dankend lieben Gruß
Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Hallo Tula,

natürlich sind sie alle unterschiedlich, aber die Kehrseite des Ernstnehmens des Kindes ist die frühe Verantwortlichkeit. Ich sehe es überall um mich herum, weil selbst kleinste Kinder danach gefragt werden, ob sie lieber dies oder das wollten, sie werden im Kinderwagen zu Demos mitgeschleppt, zu Umweltbewusstsein erzogen und politisch korrektem Verhalten. Eltern beziehen ihre Kinder bewusst in ihre politische Haltung mit ein.
Da findet etwas 'Krankes' statt. Aus der irrigen Annahme heraus, die 'Großen' hätten versagt, also müssten die 'Kleinen' auf die Aufgabe getrimmt werden, den Planeten vielleicht doch noch zu retten. Das sind die armen Kinder, die sich auf die Straße kleben, während die größten Umweltsünden - Krieg und Waffenproduktion - munter goutiert werden, weil es um das 'Böse' geht, das bekämpft werden muss, während es immer und immer weiter die gleichen sind, die viel Geld damit verdienen. Nur, dass sie jetzt von den grünen (Groß)-vätern und -Müttern belogen werden, dass LNG viel besser sei, als russisches Gas und die hinter der Wortschöpfung verbergen wollen, dass sich hinter LNG nach wie vor fossile Brennstoffe verbergen und auch aus Fracking gewonnen werden. Die umweltschädliche LNG-Terminals feiern, weil wir es damit 'den Russen zeigen' können. Das sind Kinder, die von ihren Eltern auf die Schlachtbank geführt werden in diesem Irrsinn, das Gute zu wollen, dass sie nie erreichen können, während die Zerstörungen weitergehen.
Das ist einfach zu viel für diese zarten Schultern.
Nein, Tula, es ändert sich und hat sich geändert, und nicht zum Guten. Ich habe als Kind bestimmt nicht in Milch und Honig geschwommen, aber die Welt retten, das hat keiner von mir verlangt.

Aber ich möchte Deinen anrührenden Text nicht in eine Diskussionsplatform verwandeln. (Manchmal verallgemeinere ich auch zu sehr...)

Mögen sie lange und viele in den endlosen Himbeerstauden verbringen.
Liebe Grüße
Petra
 

Tula

Mitglied
Hallo Petra
Ich denke ganz ehrlich, dass das schon immer so war. Demo hin, Demo her, Eltern trichtern ihren Kindern gern Religion und Weltanschauung ein, d.h. jenseits von den natürlich wichtigen Prinzipien von Recht und Unrecht usw. Wobei ich in Sachen Umweltzerstörung durchaus hoffe, dass die nächsten Generationen verantwortlicher sein werden als unsere.
In diesem Sinne,
LG Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Lieber Tula,

vielleicht hast Du recht - es war sehr wahrscheinlich schon immer so. Und vielleicht hatte ich gestern Abend einen schwarzen Raben auf der Schulter sitzen - aber das aktuelle Leid sticht halt hervor.

Dir einen schönen Sonntag!

Liebe Grüße
Petra
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber tula,
ich frag mich bei den gedichten immer, wie viel romantik drinsteckt. und wo die blauen flecken, zerkratzen unterarme und all die tränen des kindes sind oder ob es die nicht gab. schön, wenn der rückblick so mild sein kann. und du malst ein sehr schönes bild.
statt dicker und stärker würde ich größer nehmen - an omas liebe sind wir doch alle gewachsen, wenn wir glück hatten. aber das ist nur mein ding.
schöne stimmung. ich sehe dich richtig.
liebe grüße
charlotte
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte
Tränen gab es sicherlich auch, ein paar Schrammen dann und wann ... und selbst ein blaues Auge blieb mir nicht erspart. Aber alles in allem weckt die Kindheit angenehme Erinnerungen. Ich hoffe, das geht allen oder wenigstens fast allen Lesern hier ebenso.

Dankend lieben Gruß
Tula
 
G

Gelöschtes Mitglied 24479

Gast
lieber Tula,
sprachlich stolpere ich noch hier:
Im Kirschkern-Spucken warn wir echte Meister,

wie wäre denn:
Im Kirschkern-Spucken waren wir echt Meister,

weiß nicht, ob das formal geht.

liebe grüße
charlotte
 

Tula

Mitglied
Hallo charlotte
Bei diesem Vers grübelte ich in der Tat eine Weile, entschied mich dann für die Version mit 'warn', damit es jambisch korrekt bleibt. Bei deiner Variante würde ich sprach-natürlich sowohl auf 'echt' als auch auf 'Meist-' betonen und das 'wir' schwächer.
Also eher wie xXxXxXxxXXx.

Nichtsdestotrotz Danke für den Vorschlag.

LG
Tula
 

petrasmiles

Mitglied
Mit dem 'warn' - muss da nicht so eine Art Auslassungszeichen hin? Ich glaube, man stolpert an der Stelle auch, weil man etwas Nicht-Richtiges beim Darüberlesen merkt - und ich glaube, das macht man so: war'n.

LG Petra
 



 
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