Rainer Zufall
Mitglied
Ausflug nach Venedig
Herrmann Kannenbäcker hatte vor vier Monaten eine neue Sekretärin eingestellt, nachdem seine alte in Rente gegangen war. Als seine Frau die neue Vorzimmerdame zu Gesicht bekommen hatte, unterstellte sie ihrem Mann sofort, dass er die neue wohl eingestellt habe, um was für's Auge zu haben.
Das freilich konnte Herrmann nicht leugnen, denn Paula Schwan machte ihrem Namen durchaus Ehre. Sie war eine sehr hübsche und attraktive Dame um die Dreißig. Lediglich ihre Hüften fand er etwas schmal geraten, aber das kommt wohl schon mal vor, dachte er in seiner Naivität, vermutlich hat sie noch keine Kinder.
In den letzten Tagen war sehr viel zu tun in der Firma. Und da glaubte Frau Kannenbäcker tatsächlich, dass ihr Gemahl dieses Argument nur vorgeschoben habe, um mehr Zeit mit seiner neuen Sekretärin haben zu können. Sie nervte ihn ganz gewaltig mit diesen Vorwürfen. Da ersann Herrmann eine List.
Er sprach seinen Prokuristen an. „Stefan, ich habe einen Auftrag für dich. Wie du weißt, bin ich an dieser Firma in Venedig interessiert. Die haben am Wochenende Vorstandssitzung und haben uns eingeladen. Ich werde mit Paula heute schon hinfahren. Du gehst bitte zu meiner Frau und sagst ihr, dass du sie morgen früh abholen wirst, um mit ihr ebenfalls nach Venedig zu kommen.“
Stefan Molling war ein stattlicher junger Mann, auf den Herrmanns Frau durchaus große Stücke hielt. Außerdem war er ledig.
Während sich Herrmann und Paula auf den Weg machten, begab sich Stefan zu Frau Kannenbäcker. Die war nicht begeistert.
„Und das konnte er mir nicht selber sagen, ja?“, klagte sie. „Na, dann komm doch erstmal rein, Stefan. Ich darf doch Stefan sagen, nicht wahr? Mach es dir bequem.“
Bei der Betriebsfeier vor sechs Wochen hatten sie sich alle einander das 'Du' angeboten. „Sicher, Veronika. War doch richtig, oder?“
Frau Kannenbäcker grinste schelmisch. „Gut gemerkt.“
„An diesem Projekt arbeitet Herrmann schon seit einem halben Jahr. Jetzt will er die Sache endlich anpacken“, plauderte Stefan.
„Und dafür muss er heute sofort mit seiner Paula nach Venedig, ja?“ Veronika machte keinen Hehl aus ihrer Eifersucht. „Aber dann machen wir uns jetzt auch einen netten Abend, ja?“, sagte sie. Die Frau setzte sich bewusst zu Stefan auf das Sofa, ließ sich sogar etwas aufdringlich an seine Schulter fallen.
Stefan fühlte sich überrumpelt. „Was … Was wolltest du denn jetzt tun?“
„Sieh mich an! Bin ich nicht mehr attraktiv genug, dass Herrmann sich so ein junges Flittchen ins Büro setzen muss?“
„Oh, ich glaube, du siehst da ein bisschen mehr, als tatsächlich ist. Paula ist ...“
„Sie sieht toll aus. Ich weiß! Wäre die nicht eher was für dich?“
Stefan rückte ein Stückchen von ihr ab. "Nein, nein, sie ..."
Doch Veronika rückte sofort nach und legte den Arm um seine Schultern. „Findest du mich attraktiv? Sag jetzt nichts Falsches!“
„Sicher, Veronika. du bist ...“
„Dann will ich jetzt mehr. Herrmann bumst seine Paula heute Nacht im Hotel. Dann verlange ich, dass du mich heute Abend beglückst.“
„Veronika, das ist nicht richtig. Bitte, das möchte ich nicht.“
„Aber ich!“, rief sie. Stürmisch fiel sie ihm um den Hals, um ihn zu küssen.
„Ich glaube nicht, dass Herrmann was mit Paula anfangen würde. Ehrlich“, stammelte Stefan. Doch Veronika bedrängte ihn weiter, bis er sich schließlich in sein Schicksal ergab.
Herrmann hatte den Nachtzug gebucht. Zu Beginn der Fahrt saß Paula bei ihm.
„Warum wolltest du denn sofort los? Wir hätten doch alle vier auch morgen früh fahren können.“
„Ach, Paula. Meine Frau denkt, wir hätten was miteinander.“
„Hast du deshalb Stefan zu ihr geschickt?“
„Du weißt, dass Veronika auf der letzten Feier ganz gut mit ihm geflirtet hatte, ja?“
„Und du glaubst, sie wird dir jetzt eins auswischen?“
„Sie wird ihn um den Finger wickeln. Da bin ich sicher. Du … Du kannst gerne hier in meiner Kabine schlafen, wenn du magst“, bot Herrmann schüchtern an.
„Oh, das hätte ich von dir gar nicht erwartet. Du wirkst immer so anständig und schüchtern. Oder verstehe ich da etwas falsch? Du kennst mich nicht, Herrmann.“
„Aber ich will dich kennenlernen. Bleib hier bei mir, okay?“
„Glaub mir, du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Herrmann. Und ich glaube nicht, dass du das wirklich willst.“
„Was redest du?“
„Du hast eine tolle Frau, auch wenn sie manchmal nervt. Aber sie ist eine tolle Frau. Und dabei solltest du bleiben, Herrmann.“
Jetzt wurde es Herrmann zu viel. Er rückte Paula auf die Pelle, legte den Arm um ihre Schultern und deutete an, sie küssen zu wollen. Doch Paula wies ihn zurück, stand auf und verließ die Kabine ohne ein weiteres Wort.
Herrmann ließ sie gehen, fragte sich jedoch, warum Paula ihn nun zurückgewiesen hatte. Noch beim Abendessen hatten sie sich köstlich amüsiert und sogar den ein oder anderen derben Scherz gemacht. So kannte er das sonst nur von seinen Stammtischkameraden und der Kneipenwirtin, die einen solchen Umgangston zweifellos gewöhnt sein dürfte.
Veronika hatte Stefan eine Menge abverlangt. Viel geschlafen hatten sie nicht. Aber nun mussten sie zum Flughafen, um mittags auch in Venedig zu sein.
„Warum glaubst du, dass Herrmann nichts mit ihr anfangen würde?“
„Das fragst du sie lieber nachher selbst“, wich Stefan einer Antwort aus.
„Du willst sie für dich, ja?“
„Nein.“
„Nein? Das verstehe ich nicht. Sie ist doch nicht übel. Das muss ich schon gestehen. Aber ...“
„Frage sie selbst!“
Auf dem Flug redeten sie kein Wort. Aber Veronika zerbrach sich den Kopf darüber, was mit Paula nicht in Ordnung sein könne, dass weder Herrmann noch Stefan Ambitionen haben sollten, sich an sie ranzumachen.
Eine Stunde vor dem Ziel klopfte Paula an Herrmanns Kabinentür.
Er war schon wach. „Komm herein. Will die holde Fee mich wenigstens wachküssen?“, frohlockte er. Noch einmal wollte er sich etwas wagen. Er schlug die Bettdecke zur Seite, hatte nackt geschlafen.
„Vergiss es, Herrmann. Ich stehe nicht auf Kerle!“
Er flüchtete sich in Sarkasmus. „Die Zeit wird jetzt ohnehin zu knapp sein. Wir müssen uns fertig machen, damit wir den Zug in gepflegter Erscheinung verlassen können.“
„Sehr weise. Ich wollte auch nur sehen, wie weit du bist. Dann gehe ich mal wieder und packe meine Sachen zusammen.“
Enttäuscht dachte Herrmann, warum er es nicht erkannt hatte, dass Paula nicht auf Männer stand. Stand ihr ganzes Äußeres dazu nicht im Widerspruch? Und warum hatte er nur geglaubt, dass sie sich darauf einlassen würde? Jetzt empfand er Scham, dass er es gewagt hatte.
Zum Mittagessen um eins trafen sich die vier.
Auch wenn er seine etwas ungestümen Aktionen der vergangenen Nacht am liebsten ungeschehen machen wollte, so wollte er heute trotzdem die nervende Eifersucht seiner Frau erneut herausfordern. „Hattet ihr einen schönen Abend?“, fragte Herrmann.
Veronika erschrak. „Wieso?“
Auch Stefan schaute seinen Chef verunsichert an.
Der lächelte nur. „Ihr braucht mir nichts sagen, aber ich denke mir einfach meinen Teil, okay?“
„Herrmann, das ...“, stammelte Stefan.
„Sie hat dich um den Finger gewickelt, nicht wahr?“ Er war um Selbstbewusstsein bemüht.
„Herrmann!“, schrie Veronika.
Ganz gelassen formulierte er die nächste Frage: „Habt ihr es getan?“
„Ihr zwei doch sicher auch!“, tobte seine Frau.
„Nein“, warf Paula ein. „Warum glaubst du, dass wir etwas hätten tun sollen?“
„Weil er dich nur dafür eingestellt hat. Deswegen!“
„Falsch. Denn er wäre damit gewiss nicht glücklich.“
Entsetzt starrte Veronika die vermeintliche Rivalin an.
Schlagartig war seine gespielte Souveränität dahin. „Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen“, gestand Herrmann.
Dann plagte Stefan plötzlich das schlechte Gewissen. „Verzeih mir diese Unehrlichkeit, Herrmann. Ich hatte Paula empfohlen, sich zu bewerben. Ich kenne sie schon länger. Wir haben gemeinsam die Ausbildung gemacht. Aber danach wollte sie erstmal was von der Welt sehen. Als wir uns vor einem halben Jahr wiedergesehen haben, suchte sie gerade einen Job. Da habe ich ihr deine Firma vorgeschlagen. Und ich wusste ...“
„Bitte, Stefan", unterbrach Paula ihn. "Herrmann, ich bin nicht das, was du in mir siehst."
Man konnte Herrmann ansehen, wie er nachdachte. Dann schaute er sich Paula von oben bis unten an. Für eine Frau eigentlich viel zu schmale Hüften, dann die teils derben Männerwitze gestern beim Abendessen, dachte er, ich glaube es einfach nicht. „Aber du bist doch eine Frau? Dein Gesicht, dieses herrliche lange Haar, deine … Brüste.“
„Das ist meine weibliche Hälfte, richtig. Aber ab hier ...“ Paula legte die Handkante in die Höhe des Bauchnabels. „Ab hier bin ich männlich.“
Herrmann Kannenbäcker hatte vor vier Monaten eine neue Sekretärin eingestellt, nachdem seine alte in Rente gegangen war. Als seine Frau die neue Vorzimmerdame zu Gesicht bekommen hatte, unterstellte sie ihrem Mann sofort, dass er die neue wohl eingestellt habe, um was für's Auge zu haben.
Das freilich konnte Herrmann nicht leugnen, denn Paula Schwan machte ihrem Namen durchaus Ehre. Sie war eine sehr hübsche und attraktive Dame um die Dreißig. Lediglich ihre Hüften fand er etwas schmal geraten, aber das kommt wohl schon mal vor, dachte er in seiner Naivität, vermutlich hat sie noch keine Kinder.
In den letzten Tagen war sehr viel zu tun in der Firma. Und da glaubte Frau Kannenbäcker tatsächlich, dass ihr Gemahl dieses Argument nur vorgeschoben habe, um mehr Zeit mit seiner neuen Sekretärin haben zu können. Sie nervte ihn ganz gewaltig mit diesen Vorwürfen. Da ersann Herrmann eine List.
Er sprach seinen Prokuristen an. „Stefan, ich habe einen Auftrag für dich. Wie du weißt, bin ich an dieser Firma in Venedig interessiert. Die haben am Wochenende Vorstandssitzung und haben uns eingeladen. Ich werde mit Paula heute schon hinfahren. Du gehst bitte zu meiner Frau und sagst ihr, dass du sie morgen früh abholen wirst, um mit ihr ebenfalls nach Venedig zu kommen.“
Stefan Molling war ein stattlicher junger Mann, auf den Herrmanns Frau durchaus große Stücke hielt. Außerdem war er ledig.
Während sich Herrmann und Paula auf den Weg machten, begab sich Stefan zu Frau Kannenbäcker. Die war nicht begeistert.
„Und das konnte er mir nicht selber sagen, ja?“, klagte sie. „Na, dann komm doch erstmal rein, Stefan. Ich darf doch Stefan sagen, nicht wahr? Mach es dir bequem.“
Bei der Betriebsfeier vor sechs Wochen hatten sie sich alle einander das 'Du' angeboten. „Sicher, Veronika. War doch richtig, oder?“
Frau Kannenbäcker grinste schelmisch. „Gut gemerkt.“
„An diesem Projekt arbeitet Herrmann schon seit einem halben Jahr. Jetzt will er die Sache endlich anpacken“, plauderte Stefan.
„Und dafür muss er heute sofort mit seiner Paula nach Venedig, ja?“ Veronika machte keinen Hehl aus ihrer Eifersucht. „Aber dann machen wir uns jetzt auch einen netten Abend, ja?“, sagte sie. Die Frau setzte sich bewusst zu Stefan auf das Sofa, ließ sich sogar etwas aufdringlich an seine Schulter fallen.
Stefan fühlte sich überrumpelt. „Was … Was wolltest du denn jetzt tun?“
„Sieh mich an! Bin ich nicht mehr attraktiv genug, dass Herrmann sich so ein junges Flittchen ins Büro setzen muss?“
„Oh, ich glaube, du siehst da ein bisschen mehr, als tatsächlich ist. Paula ist ...“
„Sie sieht toll aus. Ich weiß! Wäre die nicht eher was für dich?“
Stefan rückte ein Stückchen von ihr ab. "Nein, nein, sie ..."
Doch Veronika rückte sofort nach und legte den Arm um seine Schultern. „Findest du mich attraktiv? Sag jetzt nichts Falsches!“
„Sicher, Veronika. du bist ...“
„Dann will ich jetzt mehr. Herrmann bumst seine Paula heute Nacht im Hotel. Dann verlange ich, dass du mich heute Abend beglückst.“
„Veronika, das ist nicht richtig. Bitte, das möchte ich nicht.“
„Aber ich!“, rief sie. Stürmisch fiel sie ihm um den Hals, um ihn zu küssen.
„Ich glaube nicht, dass Herrmann was mit Paula anfangen würde. Ehrlich“, stammelte Stefan. Doch Veronika bedrängte ihn weiter, bis er sich schließlich in sein Schicksal ergab.
Herrmann hatte den Nachtzug gebucht. Zu Beginn der Fahrt saß Paula bei ihm.
„Warum wolltest du denn sofort los? Wir hätten doch alle vier auch morgen früh fahren können.“
„Ach, Paula. Meine Frau denkt, wir hätten was miteinander.“
„Hast du deshalb Stefan zu ihr geschickt?“
„Du weißt, dass Veronika auf der letzten Feier ganz gut mit ihm geflirtet hatte, ja?“
„Und du glaubst, sie wird dir jetzt eins auswischen?“
„Sie wird ihn um den Finger wickeln. Da bin ich sicher. Du … Du kannst gerne hier in meiner Kabine schlafen, wenn du magst“, bot Herrmann schüchtern an.
„Oh, das hätte ich von dir gar nicht erwartet. Du wirkst immer so anständig und schüchtern. Oder verstehe ich da etwas falsch? Du kennst mich nicht, Herrmann.“
„Aber ich will dich kennenlernen. Bleib hier bei mir, okay?“
„Glaub mir, du weißt nicht, worauf du dich einlässt, Herrmann. Und ich glaube nicht, dass du das wirklich willst.“
„Was redest du?“
„Du hast eine tolle Frau, auch wenn sie manchmal nervt. Aber sie ist eine tolle Frau. Und dabei solltest du bleiben, Herrmann.“
Jetzt wurde es Herrmann zu viel. Er rückte Paula auf die Pelle, legte den Arm um ihre Schultern und deutete an, sie küssen zu wollen. Doch Paula wies ihn zurück, stand auf und verließ die Kabine ohne ein weiteres Wort.
Herrmann ließ sie gehen, fragte sich jedoch, warum Paula ihn nun zurückgewiesen hatte. Noch beim Abendessen hatten sie sich köstlich amüsiert und sogar den ein oder anderen derben Scherz gemacht. So kannte er das sonst nur von seinen Stammtischkameraden und der Kneipenwirtin, die einen solchen Umgangston zweifellos gewöhnt sein dürfte.
Veronika hatte Stefan eine Menge abverlangt. Viel geschlafen hatten sie nicht. Aber nun mussten sie zum Flughafen, um mittags auch in Venedig zu sein.
„Warum glaubst du, dass Herrmann nichts mit ihr anfangen würde?“
„Das fragst du sie lieber nachher selbst“, wich Stefan einer Antwort aus.
„Du willst sie für dich, ja?“
„Nein.“
„Nein? Das verstehe ich nicht. Sie ist doch nicht übel. Das muss ich schon gestehen. Aber ...“
„Frage sie selbst!“
Auf dem Flug redeten sie kein Wort. Aber Veronika zerbrach sich den Kopf darüber, was mit Paula nicht in Ordnung sein könne, dass weder Herrmann noch Stefan Ambitionen haben sollten, sich an sie ranzumachen.
Eine Stunde vor dem Ziel klopfte Paula an Herrmanns Kabinentür.
Er war schon wach. „Komm herein. Will die holde Fee mich wenigstens wachküssen?“, frohlockte er. Noch einmal wollte er sich etwas wagen. Er schlug die Bettdecke zur Seite, hatte nackt geschlafen.
„Vergiss es, Herrmann. Ich stehe nicht auf Kerle!“
Er flüchtete sich in Sarkasmus. „Die Zeit wird jetzt ohnehin zu knapp sein. Wir müssen uns fertig machen, damit wir den Zug in gepflegter Erscheinung verlassen können.“
„Sehr weise. Ich wollte auch nur sehen, wie weit du bist. Dann gehe ich mal wieder und packe meine Sachen zusammen.“
Enttäuscht dachte Herrmann, warum er es nicht erkannt hatte, dass Paula nicht auf Männer stand. Stand ihr ganzes Äußeres dazu nicht im Widerspruch? Und warum hatte er nur geglaubt, dass sie sich darauf einlassen würde? Jetzt empfand er Scham, dass er es gewagt hatte.
Zum Mittagessen um eins trafen sich die vier.
Auch wenn er seine etwas ungestümen Aktionen der vergangenen Nacht am liebsten ungeschehen machen wollte, so wollte er heute trotzdem die nervende Eifersucht seiner Frau erneut herausfordern. „Hattet ihr einen schönen Abend?“, fragte Herrmann.
Veronika erschrak. „Wieso?“
Auch Stefan schaute seinen Chef verunsichert an.
Der lächelte nur. „Ihr braucht mir nichts sagen, aber ich denke mir einfach meinen Teil, okay?“
„Herrmann, das ...“, stammelte Stefan.
„Sie hat dich um den Finger gewickelt, nicht wahr?“ Er war um Selbstbewusstsein bemüht.
„Herrmann!“, schrie Veronika.
Ganz gelassen formulierte er die nächste Frage: „Habt ihr es getan?“
„Ihr zwei doch sicher auch!“, tobte seine Frau.
„Nein“, warf Paula ein. „Warum glaubst du, dass wir etwas hätten tun sollen?“
„Weil er dich nur dafür eingestellt hat. Deswegen!“
„Falsch. Denn er wäre damit gewiss nicht glücklich.“
Entsetzt starrte Veronika die vermeintliche Rivalin an.
Schlagartig war seine gespielte Souveränität dahin. „Ich fürchte, ich kann nicht ganz folgen“, gestand Herrmann.
Dann plagte Stefan plötzlich das schlechte Gewissen. „Verzeih mir diese Unehrlichkeit, Herrmann. Ich hatte Paula empfohlen, sich zu bewerben. Ich kenne sie schon länger. Wir haben gemeinsam die Ausbildung gemacht. Aber danach wollte sie erstmal was von der Welt sehen. Als wir uns vor einem halben Jahr wiedergesehen haben, suchte sie gerade einen Job. Da habe ich ihr deine Firma vorgeschlagen. Und ich wusste ...“
„Bitte, Stefan", unterbrach Paula ihn. "Herrmann, ich bin nicht das, was du in mir siehst."
Man konnte Herrmann ansehen, wie er nachdachte. Dann schaute er sich Paula von oben bis unten an. Für eine Frau eigentlich viel zu schmale Hüften, dann die teils derben Männerwitze gestern beim Abendessen, dachte er, ich glaube es einfach nicht. „Aber du bist doch eine Frau? Dein Gesicht, dieses herrliche lange Haar, deine … Brüste.“
„Das ist meine weibliche Hälfte, richtig. Aber ab hier ...“ Paula legte die Handkante in die Höhe des Bauchnabels. „Ab hier bin ich männlich.“
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