Autorenerwartung versus Lektoratsangebot

Nina H.

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Mich würde mal interessieren, ob Ihr Kontakt zu Autoren hattet, die etwas anderes vom von Euch angebotenen LL-Lektorat hatten, als ihr anbietet - oder auch umgekehrt, vielleicht war jemand sogar mal positiv überrascht?

Also ich möchte zuerst mal betonen (da in solchen Diskussionen die Beschwerden in den Vordergrund treten), dass ich mit einigen Autoren einen sehr netten Kontakt aufgebaut habe.
Manche haben nett wegen ihrer Texte angefragt, ich habe sie durchgesehen, mal mehr, mal weniger ausgebessert/kommentiert, zurückgeschickt, sie haben sich freundlich bedankt und alles war in Butter.
Mit einer sehr jungen Autorin (14) hatte ich überhaupt länger Kontakt, da ich ihren Roman kapitelweise gelesen habe. Er war auch erstaunlich spannend geschrieben und ich habe das alles als sehr positiv empfunden.

Nur ist es natürlich leider so, dass ich so lange Texte inzwischen nicht mehr übernehmen kann. Obwohl ich das in meinem Profil so stehen habe, versteht das auch nicht jeder und ich bekomme immer wieder Texte mit der Überschrift: „Kapitel 1“. - Ich muss allerdings auch dazusagen, dass ich im Gegensatz zu anderen LL-Lektoren dazu auffordere, Texte gleich mal ans erste Mail anzuhängen. Ich schaue auch ganz gerne mal kurz rein, bevor ich zu- oder absage. (Ich verstehe es aber natürlich auch, wenn jemand das nicht will, dazu sind ja die Profile da.)

Eine andere Autorin hat mir einen Text geschickt, den sie einer Zeitschrift zur Veröffentlichung anbieten wollte und die war auch direkt erstaunt, als ich einen wirklich winzigen Fehler (es ging um ein Fremdwort, wo laut Wörterbuch zwei verschiedene Formen möglich sind und sie hatte eine Mischform) und zwei fehlende Kommas angestrichen habe und sonst nichts. Aber ich finde auch, wenn ein Text gut ist, muss man den Autor auch nicht künstlich beschäftigen.

Umgekehrt hat es eben viele Autoren gegeben, die unfertiges Material angeboten haben. Ich persönlich finde es aber reichlich sinnlos, wenn sich der Autor selbst noch nicht so richtig mit seinem Text auseinander gesetzt hat und bereits zu dem Zeitpunkt ein Fremder um Hilfe gebeten wird.
Sehr oft haben auch die Autoren eine ganz andere Vorstellung von Lektorat, wie ich es habe. Ich persönlich teile zwar auch eine allgemeine Meinung mit, diese ist aber sehr kurz - dafür liefere ich im Text selbst auch Kommentare. Manche wollen jedoch zusätzlich eine genaue allgemeine, einer Rezension ähnliche Kritik zu ihrer Geschichte und sind dann enttäuscht, wenn diese mager ausfällt. Ab und an will jemand sogar nur das.

Einmal hatte ich auch eine Anfrage vom Webmaster einer Märchenseite, der die Nacherzählungen von Märchen durchgesehen haben wollte. An und für sich kein Problem - der Herr hat aber erwartet, dass ich mit die ganze Seite ansehe. Wie er sich das nun praktisch vorgestellt hat, weiß ich nicht. Auf meine Aufforderung, erst einmal ein Märchen zu senden und wenn ich damit durch bin, bei Bedarf das nächste, wurde nicht reagiert. Natürlich kann auch mal ein Mail verloren gehen, aber ich habe fast den Verdacht, dass er die Vorgehensweise als zu mühsam empfunden hat. Nun gut, das war dann auch die beste Lösung für die Sache, ohne dass ich den Kontakt abbrechen musste.

Wie geht es Euch damit? Was hat „Euren“ Autoren an Eurer Arbeit gefallen, wo müsstet Ihr sie enttäuschen? Welchen Anfragen geht Ihr grundsätzlich nicht nach?
 

jon

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Teammitglied
Abgesehen von Ausnahmen (am Anfang mal welche, die mich im Nachhinein für inkompetent hielten, weil ich Schwächen zeigte statt zu loben, und ab und zu Leute, die nach Erhalt des Lektorates nichts mehr von sich hören lassen – wohl doch zu geschockt), bekomme ich oft Rückmeldungen, dass die Anmerkungen viel detailierter und kritischer waren, als erwartet, aber "man könne ja nur lernen". Gelegentlich muss ich dann beruhigen, dass die Texte nicht so schlecht waren, wie die vielen Anmerkungen vermuten lassen, weil ich "an jedem Text was finde" (, es gibt auch welche, das finde ich nur sehr wenig, aber das kommt doch eher selten vor.)

Ich habe den Eindruck, viele Schreibanfänger erwarten doch eher allgemeine Aussagen wie "das ist nicht spannend genug, du musst mehr Leben reinbringen" und dergleichen. Sie sind dann erstaunt, dass der Text doch so ausführlich zerpflückt wird. In einem Fall hat diese Penetranz dazu geführt, dass der (Roman-)Autor meinte, er würde nun langsam ein Bild davon bekommen, was ich meine. Das ist ja oft so, dass eine Kette von Beispielen dazu führt, dass man ein "Gefühl" für etwas bekommt – und das ist ausschlaggebend beim Schreiben, denn man hat ja nicht ständig alle Regeln im Kopf, nach denen man konstruiert, sondern es muss "fließen".

Gelegentlich, wenn zu wenig Zeit ist, gehe ich auch weniger konkret in den Text, sondern lasse es (nach der entsprechenden Ankündigung) bei "allgemeinen Bemerkungen". Ich versuche dann aber, es zu erklären, mit Beispielen zu belegen oder auch (eigentlich immer) Lösungsansätze zu bieten.
Das ist mitunter genauso aufwändig wie das "Durchgehen des Textes", so dass ich manchmal dachte: "Toll, da hättest du es auch gleich im Detail machen können!" Das stimmt aber nicht ganz – diese allgemeinen Bemerkungen fallen ja trotzdem an, weil es um sowas wie wiederkehrende Grundprobleme geht, um Dramaturgie, um Charakterisierung etc. Da kann man am Detail zwar sagen: "Hier fällt es besonders auf" oder "Hier könnte man es so und so lösen" aber meist sind es eher "über den Worten schwebende" Dinge, die sich nicht so konkret zuordnen lassen.

Was mich freut, ist, wenn Autoren wiederkommen – dann war es offenbar hilfreich, was ich da so von mir gab. Es ist auch spannend, die Entwicklung zu sehen. Ich habe auch nicht unbedingt ein Problem damit, Erstversionen in die Hand zu bekommen – vorausgesetzt, Rechtschreib- und Grammatikfehler sind schon entfernt und es geht nicht so durcheinandner, dass im Satz 1 Oma fast blind ist und im Satz 5 quer über die Straße Zeitungsschlagzeilen erkennt. Ich bin halt gern "Lernhelfer" und erst in zweiter Linie Feinschleifer für Wettbwerbsbeiträge oder "ich will's an Verlage senden"-Texte.

Es kommt auch vor, dass ich Text nicht komplett durchgehe, obwohl Zeit wäre – wenn die immer gleichen, gravierenden Fehler auftreten und/oder wenn der Text bis dahin schon völlig neu gemacht werden sollte, sodass alles weitere dann sowieso nicht mehr von Belang wäre. Oder wenn es so grässlich wird (* hüstel* das Wort benutze ich natürlich nicht), dass ich zu jedem einzelnen Teilsatz Romane verfassen könnte, was warum nicht funktioniert. Diese Texte zählen dann in der Regel auch zu den Fällen, in denen ich nichts mehr von Autor höre. Ich nehm das Schweigen aber nicht wirklich übel – so harte Brocken verdaut man nicht so leicht, da würde auch mir der Sinn nicht noch nach lockerer Konversation stehen.

Nun bin ich zwar nicht der Typ, der in Kontaktpflege recht begabt wäre, aber während der Arbeit ergibt sich doch oft ein angenehmes Klima – bei Rückfragen oder auch (seltener) Gegenargumenten. Das ist dann der Teil, wo ich viel lerne (, beim Lektorieren natürlich auch, man überlegt ja schon, warum etwas „nicht funktioniert")



Spannend finde ich, dass du, Nina, offenbar ähnlich lektorierst wie ich – ich denke manchmal, ich bin zu krümelkrämerisch. Aber da ich selbst mit lapidaren Aussagen wie "mach es spannender" auch nichts anfangen kann, denk ich zugleich, dass andern mit derartigen Infos auch nur wenig gedient ist.
 

Nina H.

Mitglied
Spannend finde ich, dass nur, Nina, offenbar ähnlich lektorierst wie ich – ich denke manchmal, ich bin zu krümelkrämerisch. Aber da ich selbst mit lapidaren Aussagen wie "mach es spannender" auch nichts anfangen kann, denk ich zugleich, dass andern mit derartigen Infos auch nur wenig gedient ist.
Eben, das denke ich mir auch. Es ist natürlich auch eine prinzipielle Frage, was man unter dem Begriff Lektorat versteht. Und ich ziehe da sehr enge Grenzen.

Ich bin halt gern "Lernhelfer" und erst in zweiter Linie Feinschleifer für Wettbwerbsbeiträge oder "ich will's an Verlage senden"-Texte.
Siehst Du, das ist wieder ein Unterschied. Ich habe z.B. inzwischen in meinem Profil stehen, dass ich nur noch Texte nehme, die für die Veröffentlichung gedacht sind. Wo, ist mir eigentlich egal, und wenns nur eine Fanfic-Geschichte für den Newseltter eines Minifanclubs ist. Oder die Verlagseinsendung, die zu einem unbestimmten Zeitpunkt geplant ist. (Für Wettbewerbe vorbearbeiten halte ich jedoch besonders sinnvoll.) Aber ich denke halt, dass den Leuten ohne konkretes Ziel auch oft die Motivation fehlt, wirklich an ihrem Text zu arbeiten.
Und ich schütze mich damit auch ein bisschen vor Leuten, die im Grunde genommen nur einen Leser für ihr Werk suchen und selbst aohnehin mit ihrem Text zufrieden sind und wo es dementsprechend verlorene Liebesmüh ist, sich eingehend mit damit zu beschäftigen.
 
Hallo,

denkt mal an DSDS. Hinz und Kunz bewerben sich da. Von 30.000 Leuten sind höchstens 300 fähig, etwas zu bieten. Von denen bleiben wiederum nur 15 übrig. Inzwischen sind es nur noch ganze fünf.
So ähnlich verhält sich das mit der Literatur. Wer sich "Lektor" nennt, sieht doch eigentlich, was er vorgelegt bekommt. Er muss doch einschätzen können, ob er sich darauf einlässt, seine Zeit sinnlos zu verschwenden. Im Prinzip ist es auch selbst dann Zeitverschwendung, wenn ein Manuskript geliefert wird, in dem Sinn steckt. Die Sinnlosigkeit ist aber auch dann gegeben, wenn der betreffende Autor sagt, dass er gar nicht veröffentlichen will und nur für sich selbst schreibt. Was soll dieser Unsinn. Es muss kein kostenloser Lektor bemüht werden, wenn es hinterher außer der Tante Nanny sowieso niemand liest. Oder wollen sie als Selbstbestätigung nur die Meinung eines "Fachmannes" hören?
Sagen die Autoren aber, dass sie auf Verlagssuche sind, brauchen sie kein Lektorat im Vorfeld. Da ist es allenfalls nützlich, wenn das betreffende Exposé lektoriert wird. Das ist auch zeitlich vertretbar. So ähnlich ist das auch bei DSDS. Wenn sich die Jury mit jedem Bewerber intensiv befassen müsste, weil jeder ein abendfüllendes Konzert geben will, käme es nie zu einem Ergebnis.
Den Autoren muss auch klar sein, dass Exposés nicht selbst schon halbe Romane sein dürfen. In der Kürze liegt hier die Würze, sonst sieht es niemand an. Das Fräulein im Posteingang eines Verlages hat möglicherweise den Auftrag, alle überlangen Exposés ungelesen mit einem Formbrief abzuwimmeln. "Passt leider nicht in unser Verlagsprogramm."

Michael
 

jon

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Teammitglied
Ich halte es nicht für sinnlos, Lernhilfe zu geben – auch wenn der Autor nicht veröffentlichen will. Warum sollte jemand nicht einfach nur besser werden wollen dürfen? So einer ist mir übrigens tausendmal lieber als jemand, der seinen ersten Roman, ersten größeren Text überhaupt geschrieben hat und damit gleich stolzgeschwellter Brust auf Verlagssuche geht.

Es muss kein kostenloser Lektor bemüht werden, wenn es hinterher außer der Tante Nanny sowieso niemand liest. Oder wollen sie als Selbstbestätigung nur die Meinung eines "Fachmannes" hören?
Warum nicht? Warum ist es sinnlos, sich ein Bild über die eigene Leistung machen zu wollen? Warum ist es sinnlos, einen "objektiven" Betrachter hinzu zu ziehen? Bei Lichte betrachtet: Man macht das doch nur, wenn man mit dem Gedanken an Veröffentlichung spielt – vielleicht nicht mit diesem Text, aber so generell. Wenn ein Autor nur für Tantchen schreibt, wird er keinen Lektor bemühen (und das Risko eingehen, "zerpflückt" zu wwerden). Sowas macht man doch nur, wenn der Gedanke im Kopf ist, dass es vielleicht für mehr als fürs Tantchen reicht. Und dann ist, möglichst frühe "objektive" Hilfe zu holen, das Beste, was man machen kann.

PS: Versteh ich dich richtig? Wenn der Autor noch keine konkreten Veröffentlichungspläne für den Roman hat, ist "fachmännische Sicht" auf den Roman sinnlos, wenn er sie hat, dann auch? DAS erscheint mir weitgehend sinnfrei.
Das Exposee übrigens ist nur ein Teil des Projektes, wenn auch ein wichtiger. Natürlich ist es wichtig, dass dieser „Türöffner“ funktioniert – aber einem Autor das Exposé zu „bügeln“ und dabei so zu tun, dass damit "die Miete drin" wäre, ist doch gelogen.

Der Vergleich mit DSDS hinkt in doppeltem Sinn:
Diese Jury sucht Leute, die gut genug für die Öffentlichkeit sind, ich suche Leute, die willens sind, ernsthaft zu arbeiten. Diese Jury entscheidet, ob das, was sie sieht, veröffentlicht wird, ich entscheide höchstens, ob mir gefällt, was ich sehe – die Leute, die übers Veröffentlichtwerden entscheiden, haben ohnehin zum Teil ganz andere Maßstäbe.
Ich sage zum Beispiel durchaus, ob ich etwas für veröffentlichungswürdig halte – entweder durch das Aufzeigen der Grundsatzprobleme oder, wenn der Autor selbst die Rede drauf bringt, auch im Klartext (so auf keinen Fall, es könnte Verlage geben, läge es bei mir, dann unbedingt)
 
Hallo Jon,

ich sehe schon, dass wir hier meinungsmäßig verschieden liegen. Das macht aber nichts und es wäre auch nicht gut, wenn das anders wäre.
Was Exposés betrifft, sind sie schon Schlüssel, da hast du vollkommen Recht. Und hier gilt es, zu helfen! Und wenn der Schlüssel passt, war es eine gute Tat. Alles andere, was danach kommt, ist Angelegenheit des Verlages!
Es verhält sich nämlich so, dass jeder Lektor seine ganz persönlichen Vorstellungen hat und somit das Manuskript unweigerlich etwas entstellt. Der nächste Lektor hat wieder andere Vorstellungen; der übernächste auch andere. Der Autor erkennt am Ende sein eigenes Manuskript nicht wieder. Der eigentliche Sinn der Geschichte kann dann vollkommen entstellt sein.
"Viele Köche verderben den Brei!"
Wenn ich längere Manuskripte lektoriere, dann mache ich das niemals anonym; da muss schon der Autor dabei sein. Das funktioniert auch am Telefon ganz gut. Dann ist es ja so, dass Lektoren keine Übermenschen sind und auch Fehler machen. Deshalb ist die Mitarbeit des betreffenden Autoren äußerst wichtig. Lektoren sind keine perfekten Maschinen, müssen immer wieder Fragen stellen, auf Ungereimtheiten hinweisen, die ausgebügelt werden müssen. Die Konzentration, die ein Lektor aufbringen muss, ist enorm. Er muss sämtliche Sinne abschalten können und sich voll auf das Manuskript konzentrieren. Wer da als Autor nicht mitzieht, hat abgegessen.
Du siehst das eben anders. Deine Sache.

Michael
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Nene, das sehe ich nicht anders: Der Autor muss „mitziehen“ – es ist sein Text. Ich mach das zwar nicht über Telefon (diese Intensität ist wohl doch eher im Verlagsgeschäft nötig), aber per Mail-Wechsel, wenn der Autor Fragen hat oder mich auf dem Holzdampfer wähnt. Ich schreib die Anmerkungen allerdings auch immer so, dass (so hoffe ich zumindest) klar wird, wo ich "echte Fehler" sehe, wo etwas nur unglücklich formuliert ist oder wo ich etwas nicht verstehe und wie es sein müsste, wenn dies oder jenes gemeint sein sollte.

Dass jeder Verlagslektor den Text mit eigenen Augen sieht, heißt nicht, dass ich als Hobbylektor dem Autor nicht einen Dienst erweisen könnte, wenn ich mir mehr als das Exposee ansehe. Es passiert sehr oft, dass ich in Büchern Texte gedruckt finde, in denen grundsätzliche Probleme (Plot, Spannungsbögen, Charakter-Glaubwürdigkeit) von mir im Lektorat "angestrichen" worden wäre – was mir aber nur sehr selten passiert ist, ist, dass ich einen Text mit deutlichen Stil- und/oder Klang-Stolperstellen in einem Buch hatte. Da ich nicht annehme, dass Verlagslektoren diese Art Fehler (so sie öfter als gelegentlich auftreten) beheben (es sei denn, alles andere riecht nach Litertaturnobelpreis oder World-Best-Seller), gehe ich davon aus, dass ich als Hobbylektor einem "Frischling" zumindest in dieser Richtung helfen kann, den Text geschmeidiger zu machen.
Ehe ein Buch „Angelegenheit des Verlages" wird, ist nämlich nicht nur die Hürde des Exposees zu nehmen. Die Leseprobe darf nicht abschrecken und wenn das Buch dann zur Gänze angefordert wird, darf der Verlagslektor ebenfalls nicht den Eindruck bekommen, dass der Text am besten ganz neu geschrieben werden sollte (, es sei denn, die Idee ist so grandios und unersetzbar, dass er es auf sich nimmt, aber welche Idee ist das heute schon noch). Dass nach vielen, vielen "Verbesserungen" das Buch am Ende vielleicht doch de facto neu geschrieben wurde, ist eine andere Sache …
 
Hallo,

noch mal zu Exposé: Dass es nicht zu lang ausfallen darf, habe ich wohl schon erwähnt. Es ist eine Kunst - ich gehe wie immer von dreihundert Manuskriptseiten aus - eine Geschichte auf eine einzige Seite zu quetschen. Wer das beherrscht, tut sich jedoch gelegentlich nichts Gutes an. Stellt sich nämlich heraus, dass die Grundidee für einen Roman sehr gut ist und auf die nicht jeder gleich gekommen wäre, kann es passieren, dass das Manuskript trotzdem abgelehnt wird, aber doch als Buch erscheint; nur, dass es ein anderer geschrieben hat, der sich auf diese Idee gestützt hatte. Es ist auch schon vorgekommen, dass verlagssuchende Autoren ihre Geschichte in irgendeiner Krimiserie bildlich mitverfolgen konnten. Denn Drehbuchautoren müssen sich auch ständig etwas Neues einfallen lassen. Und in der Filmbranche besteht Zeitdruck. Da ist nichts auf die Schnelle aus den Ärmeln geschüttelt. Es werden Ideen gesucht, gefunden und geklaut. Oder "gemoppst", um diese Angelegenheit etwas zu verharmlosen.
Aber so harmlos ist das nicht. Denn wenn der Autor sein Manuskript später doch noch bei einem Verlag unterbringen sollte, kann es nämlich passieren, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kommt, an die ein Autor oder Verlag nie im Leben geglaubt hätten.
Aussagekräftige Exposés, die auch etwas versprechen und Ideen preisgeben, sollten - so eigenartig es klingt - beizeiten unter Verschluss bei einem Notar hinterlegt werden. Dann könnte nachgewiesen werden, von wem die Idee ursprünglich stammte.
Um diesen ganzen Stress zu vermeiden, den nicht jeder durchhält, sollten Exposés zwar neugierig machen, aber nicht alles verraten.

Michael
 

jon

Mitglied
Teammitglied
Es ist 'ne heikle Sache mit Ideen … Man muss ja (falls man Anteile am Gewinn einkagen will) nicht nur nachweisen, dass man die Idee als erster hatte, man muss auch einigermaßen glaubhaft begründen, wie der "Klauer" an das Exposé/Mauskript gekommen sein soll. Ideen sind je keine Dinge, die nur einmal existieren, so nahc dem Motto: Wenn einer die Idee hat, dann ist sie aus dem "Pool entfernt".
Mein bestes Beispiel: Ich trage seit Jahrzehnten einen Zeitsprung-Kosmos in meinem Kopf rum und eine der ersten Ideen dazu war: Hitler – die Zeit war so, dass, würde man ihn töten, sich garantiert ein anderer für den „Posten“ gefunden hätte, ein "erfolgreicherer" vielleicht. Ich hatte nur nie genug Plot, um das wirklich zu schreiben. Inzwischen hat es jemand getan – es gibt so einen Roman. Und ich wüsste wirklich nicht, wie der Mann an "meine" Idee gekommen sein sollte …
 
Hallo,

so ist das. Es können hundert Menschen zur selben Zeit auf die selbe Idee kommen. Aber nur einer davon schreibt etwas darüber. Kommt drauf an, "Jon", wie gut und ausbaufähig die Idee ist. Weißt du etwas zum Thema "Glück"? Hättest du da eine Idee? Ich habe lange gebraucht, herauszufinden, was Glück ist. Ich bin mir aber immer noch nicht ganz sicher. Die Erfüllung eines Wunsches, zum Beispiel eines Lottogewinnes, ist es jedenfalls nicht. Glück ist auch nicht, wenn man einen Verkehrsunfall überlebt.

Bis dann. Wir "hören" uns extern.

Michael
 
Nina:
Wie geht es Euch damit? Was hat „Euren“ Autoren an Eurer Arbeit gefallen, wo müsstet Ihr sie enttäuschen? Welchen Anfragen geht Ihr grundsätzlich nicht nach?


Allen unverschämten Anfragen. ;) Es ist, wie Du in Deinem Eingangsbeitrag sagst: Eigentlich erkennt man schon an der Anfrage, ob es sich lohnt, mit dem Autor zu arbeiten oder nicht. An der Art, wie der Text aussieht, wie sauber oder schlampig er geschrieben ist.

Ein Text, der vor Rechtschreibfehlern wimmelt, bedeutet, der Autor gibt sich keinerlei Mühe, also warum sollte ich mir dann Mühe mit ihm geben?

Ein Autor, der erwartet, daß ich alle Arbeit für ihn mache, ist nicht der Mühe wert, es liegt ihm offensichtlich selbst nichts am Schreiben.

Ganz anders die Autoren, die für jede Anregung dankbar sind und versuchen sie umzusetzen. Die die Kompetenz des Lektors anerkennen. Mit solchen Autoren arbeitet man gern, und es ist für beide Seiten angenehm und zufriedenstellend.
 
L

LetzterMann

Gast
Mich wundert ein wenig

dass hier über Lektoren derartig berichtet wird, dass sie bei einem Text vorhandene oder eingebildete Schwächen ausmerzen könnten wie ein Wunderheiler. Nicht jeder Lektor hat einen Draht zu jedem Text. Meine Erfahrung ist eher, dass oft ein Text, da er nicht verstanden wurde, in eine Richtung gebogen werden soll, die ihn komplett zerstört. Es ist wie in der Kunst. Wenn man ein abstraktes Bild kritisiert und Vorschläge macht, wie es zu einer guten Abbildung von Sonnenblumen werden könnte, so liegt der Korrektor / Lektor weit daneben. Einfach, weil er das Bild in seinem Ursprung nicht versteht und es gewaltsam auf seine Linie trimmen will. Und: Wenn manche Lektoren schon als Buchstabengötter herum schweben, fragt man sich doch, warum sie nicht Bestseller am Fließband produzieren. Wo sind die großen Werke? Gibt es da Beispiele? Dass man Rechtschreibfehler anmerkt - überhaupt kein Problem. Ich bin mir auch sicher, dass, wenn man z.B. einem Lektor ein bereits lektoriertes Werk vorlegt zur Korrektur, wird der genug Schwächen finden, die auszubessern sind (seiner Auffassung nach). Einfach, weil er ein ganz anderes Kochrezept hat. Abgesehen davon, dass sie Chancen groß rauszukommen gleich Null sind als Schreiber. Es ist da fast besser, einen Text hier in seiner ursprünglichen Rauheit eingestellt zu lassen. Das sagt mehr aus wie ein zig mal überarbeitetes Werk im Sinne eines Anderen. Für wen macht man sich chick? Für den Nobelpreis? Tut man sich einen Gefallen, wenn man in die Haut des Lektors schlüpft um mit dessen Kopf zu schreiben? Es gibt Ärzte, die haben das falsche Bein amputiert. Und so was sollte man bei seinem Text vermeiden, oder?
 

Nina H.

Mitglied
So gesehen soll kein Autor "entmündigt" werden. Ich traue aber der LL-Lektoren durchaus zu, dass sie oft auf Dinge hinweisen, die ohnehin offensichtlich sind. Ich hatte bei meinen eigenen Geschichten, wenn ich die anderen zur Durchsicht gegeben habe, schon solche Fälle, wo ich mich geärgert habe, dass mir das nicht selbst aufgefallen ist.
Andererseits gibt es auch immer wieder Dinge, die "Geschmackssache" sind.
Wenn ich von jemand anderem den Text durchsehe (inzwischen wegen Zeitmangel nur noch für Freunde), dann erwarte ich mir, dass jemand die Vorschläge DURCHDENKT. Punkt für Punkt. Und nicht dann kommt: "Ich wollte doch bloß eine Meinung!"

Und nein, ein magisches Wesen ist kein Lektor. Selbst veröffentlichte Bücher in großen Verlagen sind nie fehlerfrei. Selbst was ganz eindeutige Fehler betrifft, die man per Wörterbuch belegen kann.
 

jon

Mitglied
Teammitglied
dass hier über Lektoren derartig berichtet wird, dass sie bei einem Text vorhandene oder eingebildete Schwächen ausmerzen könnten wie ein Wunderheiler.
Das ist ein Trugschluss, der wohl dadurch entsteht, dass man gern über die Fälle redet, wo man einen Draht zum Text hat (oder zu haben glaubt), und dass das "Wunderheilen" als eine Art Maximal-Erfolg natürlich immer angestrebt wird. Von beiden Seiten übrigens, auch (unerfahrene) Autoren denken gern mal "Ich habe doch alles ausgebessert, was der Lektor angestrichen hat, jetzt muss das Buch doch toll sein."

Nicht jeder Lektor hat einen Draht zu jedem Text. Meine Erfahrung ist eher, dass oft ein Text, da er nicht verstanden wurde, in eine Richtung gebogen werden soll, die ihn komplett zerstört. Es ist wie in der Kunst.
Die Sache hat zwei Seiten: Die eine besteht darin, dass sowohl Lektor als auch Autor lernen müssen, die Fälle zu erkennen, wo sie nicht zusammenpassen. Das ist schwer, für den Lektor wahrscheinlich schwerer als für den Autor, der damit eine gute "Entschuldigung" in der Hand hat.
Auf der anderen Seite begegnet mir oft, dass jemand mit "du verstehst (den Text) nur nicht" Kritikpunkte abschmettert und es sich damit einfach nur zu leicht macht. Ein "dann erklär es mir" bleibt in der Regel dann ohne Antwort.
Wunderbar finde ich dagegen, wenn jemand, der den Endruck hat, ich verstünde den Text (oder Passagen daraus) nicht, ihn mir erklärt. Zum einen, weil ich dann besser verstehe, warum er etwas so und so schrieb (und ich immer neugierig auf Lösungvarianten bin), und weil ich zum anderen dann vielleicht Vorschläge machen kann, die besser zur Intension des Autors (als zu meiner Fehlinterpretation) passen.
Und was heißt hier, "wie in der Kunst"? Literatur IST Kunst ;)


Und: Wenn manche Lektoren schon als Buchstabengötter herum schweben, fragt man sich doch, warum sie nicht Bestseller am Fließband produzieren. Wo sind die großen Werke?
Auf diesen Argument reagiere ich hochgradig allergisch. Ich bringe dann immer: "Ich kann auch keine Eier legen und weiß trotzdem, ob ein Ei faul ist." Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man ein Werk kreiert - also die Idee für eine Story hat, sich Figuren ausdenken und gute Spannungsverläufe konstruieren kann - oder ob man als "Konsument" merkt, dass da was nicht ganz rund ist. Niemand, der halbwegs klar denkt, würde von jemandem, der ein Essen als "zu salzig, zu zäh, zu …" zurückgehen lässt, verlangen, dass er erstmal seinen Michelin-Stern vorzeigen soll.


Abgesehen davon, dass sie Chancen groß rauszukommen gleich Null sind als Schreiber. Es ist da fast besser, einen Text hier in seiner ursprünglichen Rauheit eingestellt zu lassen.
… nur, wenn diese Rauheit beabsichtigtes künstlerischen Mittel ist. (Ich frage dann aber gern mal: Mittel, um was zu transportieren?) Ansonsten geht es hier (also in der LL) darum, die Texte eben nicht "rau" zu lassen, sondern zu verbessern. Inwieweit sie dann so gut werden, dass man als Schreiber groß rauskommt … nun ja, es gibt doch dieses und jenes Beispiel, dass es gelang.

Tut man sich einen Gefallen, wenn man in die Haut des Lektors schlüpft um mit dessen Kopf zu schreiben?
Darum geht es auch gar nicht. Man sollte sich aber schon den Gefallen tun, abzuklopfen, ob die Kritik oder der Änderungsvorschlag zur eigenen Haut passt.
 



 
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