B(englein)

4,00 Stern(e) 1 Stimme

anemone

Mitglied
Ich fiel so schnell von meiner Wolke hinunter, dass ich es erst bemerkte, als ich ankam.
Ich hatte mich nicht gut genug festgehalten und jetzt lag ich hier unten auf meinen Flügeln.
Sie schienen leicht verbogen zu sein und ich versuchte vorerst noch nicht sie zu bewegen.
„Wenn ihr hinunterfallt,“ hatte Petrus uns gesagt, „dann ist es eure eigene Schuld. Dann bleibt dort, wo ihr hinfallt und macht das, was ihr sollt.“
Ich sah mich um, denn der Ort, wo ich gelandet war, glich einer wilden Behausung. Was würde mich nur hier erwarten? Der blosse Anblick erzeugte bei mir eine Gänsehaut und als ich diesen Wüstling mit der Schnapsflasche in der Hand dort kommen sah, versuchte ich vorsichtig, meine Flügel zu bewegen. Mensch, tat das weh!
Noch bevor ich fortfliegen konnte, hielt er mich an meinen Flügeln fest.
„Wen haben wir denn da?“ fragte er eher sich selbst und ich fühte mich wie eine Taube zwischen seinen derben Fingern und er drehte mich zu allen Seiten herum. „Ei, ei, was seh ich da?“ war das Ergebnis seiner Untersuchung. „Das muss ein ENGEL sein! Na sowas!“ rief er aus. „Halt, halt mein Freund, du entwischt mir nicht mehr!“ Ich schien ihm sehr wichtig zu sein, denn sein Klammergriff ließ nicht mehr locker und er ging mit mir herum, versuchte mich in einen Zwinger zu stecken, doch dafür war ich zu groß, bis er sich an den Schädel tippte. Er hatte die zündende Idee eines Säufergehirns und führte sie mit mir aus. Offensichtlich gab es keinen Hund mehr, aber es gab diese Fünf-Meter lange Leine noch, die er mir um den Fuß band. In der Mitte des Hofes steckte ein Metallpflock in der Erde und an den band mich dieser Mann fest.
Nun saß ich hier auf dem Grundstück wie ein angeketteter Hund. Sollte ich jetzt das Bellen lernen? Der Hausherr ging in sein Wohnhaus zurück. Was dachte er wohl, wie ich mich fühlte? Es wurde kalt im Freien und hier auf der Erde konnte ich ohne Essen und Trinken nicht überleben. Der Mann warf mir einen Knochen hin. „Da!“ sagte er, griff sich eine Hure und schob sie ins Haus. Während ich draußen vor der Türe fror hörte ich die beiden im Haus lachen. Es war schon spät, als die Türe sich wieder öffnete und der Alkoholiker mit dem Mädchen ins Freie kam. „So,“ sagte er zu mir, „und jetzt bist du dran. Walte deines Amtes!“
Wie meinte er das? Was sollte ich dabei? Vorsichtig hob ich an zu reden, ängstlich darauf bedacht, dass der Grobian mich nicht wieder so unsanft anfasste. „Was ist mein Amt?“
Er starrte mit wirrem Blick in meine hellblauen Augen.
„Du bist ein Engel, also tu was!“ befahl er mir. „Was soll ich deiner Meinung nach tun?“
fragte ich ihn. „Bete, segne, was weiß ich?!“ gab er mir barsch zu verstehen. „Für deine Sünden?“ wollte ich noch wissen, doch da sprang er mir fast an die Kehle. „Nenn es wie du willst! Es macht Spaß!“ „Du musst es bereuen,“ sagte ich. „Ich will nicht!“ sagte er. „Dann kann ich dir nicht helfen! Mach mich los, ich lauf dir nicht weg!“ bat ich ihn noch.
„Dann kann ich dir nicht helfen!“ sagte der Typ und jetzt sitz ich hier wie ein Kettenhund
und rufe nach Petrus, dass er mir eine Decke wirft, aber der hört mich einfach nicht.
 

Aneirin

Mitglied
Engel in Nöten

Hallo Anemone,

ein Engel fällt vom Himmel und muss sich mit ganz irdischen Problemen plagen. Das ist eine köstliche Idee und gut umgesetzt. Dein Engel hat auch Humor, dass er Petrus nur um eine Decke bittet und nicht in den Himmel zurück will.

Viele liebe Grüße
Aneirin
 

anemone

Mitglied
Hallo Aneirin,

da es dieser Engel gerade mal bis zu einer Wolke geschafft hatte und infolge Unachtsamkeit wieder dort landete, wo er schlecht behandelt wurde, machte er sich nichts mehr vor:
Bei dem Typen war eine Decke schon ein wärmender Gedanke.

Mit annähernd wärmenden Grüßen

anemone
 



 
Oben Unten