Prolog
Geburt und Tod:
Auf einem Hügel stand ein Mann. Vor ihm, in der sumpfigen Ebene starben sie. Sie starben alle. Pfeile flogen von beiden Seiten aus und surrten im Flug wie wütenden Bienen. Sie hagelten auf die Soldaten nieder und spickten ihre Körper, dass hunderte Leben niedergedrückt wurden in den Schlamm, von den Tausenden die nachrückten. Starke Krieger weinten und schrieen, sich die abgeschlagenen Glieder haltend, nach ihren Göttern. Die Schwerter der Heere, die in der Sonne geblinkt und geblitzt hatten, so mutig, so fröhlich, so voller Zuversicht, fraßen sich nun als rote Klingen in das Fleisch von ganzen Völkern, geführt mit der Hand von ganzen Völkern. Sie zerstörten Leben, Hoffnungen und Träume mit einem kurzen Surren und einem dumpfen Aufschlag.
Gegenüber von dem Hügel, auf der anderen Seite des Moores, ebenfalls auf einem Hügel stand eine Gruppe von Männern und Frauen. Sie waren in schimmernde Rüstungen und purpurne Mäntel gehüllt und hinter ihnen hingen schlaff an langen Stangen die golden Fahnen ihrer Herrschaft. Kein Wind wollte ihn die Standarten fahren und so blieb ihre schreckliche Herrlichkeit verhüllt. Die Leute auf dem Hügel berieten sich unter ihren Fahnen. Als sie einen Entschluss gefasst hatten, befahlen sie ein Signal zu geben. Dröhnend schallten die Hörner über die Schlacht. Zufrieden beobachteten die Feldherren des zweiten Hügels wie nun im Rücken ihres Feindes große Kisten auftauchten.
Von Sklaven gezogen bildeten sie eine lange Reihe hinter den Linien. Auf ein weiteres Signal wurden die Kisten geöffnet und aus jeder kamen zwei manchmal sogar drei gewaltige Echsen. Sie waren etwa so lang wie drei Männer, trugen einen blauen Schuppenpanzer und hatte lange Reißzähne und Krallen. Ihre Augen wirkten tot und stumpf. Langsam geradezu gemächlich krochen sie züngelnd auf den Feind zu. Als sie bei den hintersten Reihen angekommen waren senkten sie ihre Köpfe und begannen zu fressen. Erst jetzt bemerkten die Soldaten sie und gerieten in Panik. Sie wollten fliehen doch es gab kein entkommen. Die Echsen fraßen sich durch die Reihen und ignorierten mit einer gleichgültigen Kälte die Schreie der Krieger, die bei lebendigem Leibe verschlungen wurden. Einige der Soldaten wandten sich um und begannen auf den unerwarteten und grausamen Gegner einzuhacken. Doch selbst ohne Beine krochen die Echsen, wenn auch verlangsamt, stetig weiter und auch ein abgeschlagener Kopf schnappte noch nach lebendigem, blutendem Fleisch.
Dem Mann auf dem Hügel rollte sanft eine Träne über die Wange. Hinter ihm stand ein großer Fels, der eine gewaltigen Schatten auf das Gras warf. Der Mann murmelte: „Es ist soweit.“ Und aus dem Schatten traten Männer und Frauen, wo bis vor einen Moment noch niemand gewesen war. Sie waren alle gekleidet wie er. Sie trugen alle lange schwarze Mäntel und auch sonst nur schwarze Kleidung. Sie hatten lange dünne Schwerter umgegürtet und trugen dünne, schwarze Langbögen und viele schwarze Pfeile mit roten Spitzen und roter Befiederung. Ihr langes schwarzes Haar hing ihnen stumpf und strähnig auf dem Rücken und im Gesicht. Sie waren dünn und schienen ausgemergelt. Ihre Augen waren die einzigen Farbflecke in ihrer Erscheinung. Grün, gelb weiß oder purpurn leuchteten ihre Augen, doch um sie herum schien alles seine Farbe zu verlieren. Nicht optisch. Man spürte nur, wie alles um sie herum grau, still und friedlich wurde. Sie waren zu acht. Die Männer und Frauen stellten sich neben dem Mann auf. Auch sie begannen zu weinen, denn auch wenn sie gekommen waren um den Tod zu bringen, so liebten sie ihn nicht.
Die kleine Gruppe auf dem Hügel legte Pfeile auf ihre Bögen und zielte. Als erstes töteten sie die Echsen, dann die Gruppe auf dem gegenüber liegendem Hügel. Wenn ihre Pfeile ein Ziel erreichten wurde der Körper des Getroffen in Schatten gehüllt und verschwand. Nachdem sie, als Boten des Todes, viele Pfeile verschossen hatten, hielten sie inne. Der Mann holte eine gläserne Kugel aus einem Beutel an seinem Gürtel und gab sie einer Frau zu seiner Linken. Diese nahm die Kugel, hielt sie in der hohlen Hand und gab eine Formel über sie. Die Kugel leuchtete auf und flog in die Mitte des Schlachtfeldes. Dort verschwand sie. Sofort sanken die Krieger beider gewaltiger Heere, bestehend aus vielen Armeen, schlafend um und träumten von Frieden. Die Männer und Frauen gingen in den Schatten des großen Felsens, wo sie mit dem Dunkel verschmolzen und ebenfalls verschwanden. Denn sie waren die Traumwandler. Der letzte Clan des Schattenvolkes.
In einer staubigen Gasse saß ein alter Mann. Er war in Lumpen gekleidet und saß im Schneidersitz unter einem kleinen Zelt. Auf seinem Schoß lagen Pergament und Feder. Dem Wanderer fiel er sofort auf. Er spürte etwas Besonderes um diesen Mann. Der Wanderer war groß und hager. Er trug einen langen, schmutzig braunen Mantel dessen Kapuze sein Gesicht vollständig verbarg. An seiner Seite hatte er, verborgen unter dem Mantel, ein langes Schwert gegürtet. In einer seiner großen, knochigen Hände hielt er einen kleinen, schwarzen, glatten Stein. Er steckte die Hände in die weiten Ärmel seines groben Gewandes und ging auf den Alten zu. Mit leiser, heiserer Stimme, fast schon flüsternd, fragte er ihn wer er sei und was er tue. „Ich bin Rak, der Chronist.“, antwortete dieser freundlich. „Ich schreibe diese Geschichte auf, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Setzt euch und ruht euch ein wenig aus, fremder Wanderer. Lauscht der Geschichte, denn ich werde für euch erzählen, während ich schreibe.“, fuhr er fort.
Der Wanderer setze sich wortlos und plötzlich umgab beide ein Art schützende Aura. Die wenigen Passanten konnten sie genauso plötzlich nicht mehr sehen und schauten sich auch nicht nach ihnen um, als wären sie nicht vorhanden. Der alte Mann bemerkte all dies nicht und begann zu erzählen: „Am besten beginne ich mit dem Anfang, mit Eldarion. Eldarion war eine Geburt der Gaiari, den Kräften des Universums, die die Welt im Gleichgewicht hielten. Die Stadt war gelehnt an einen gewaltigen Fels, der, trotzt seiner Größe, keinem guten Wesen Unbehagen bereitete, sondern ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit ausstrahlte. Der Fels war bewachsen mit tief grünem Moos, Bäumen, fruchtbarer und gesünder als in manchen flacheren Gegenden, und Grasfeldern, die vor Leben blühten. Der Fels stand in einer endlosen Ebene bestanden mit smaragdgrünem, schimmernden Gras. Ein gewaltiges grünes Meer.
Eldarion wurde weitläufig eingerahmt von zwei großen Auswüchsen des Felsen, die nach vorne hin abflachten und die Stadt geschützt wie in einer wunderschönen Bucht liegen ließen. Auf den Enden dieser Felsenarme standen zwei gewaltige, heilige Bäume. Sie waren die Väter der heiligen Eichen des Waldes des Nordens und alt wie die Zeit. Die Stadt war ganz aus dem vollkommenen, weißen Stein der Herrin der Sterne erschaffen und bestand aus vielen hohen Türmen und großen Hallen. In dem Kern des Felsens entsprang eine Quelle. Sie war der Ursprung der zeitlosen Herrlichkeit Eldarions, denn es war die Quelle des Lebens. Ihr Wasser ran durch zahllose Löcher aus dem Gestein und die ganze Stadt war durchdrungen davon. Aber das Gestein wurde nicht langsam und stetig von dem Wasser ausgehöhlt und zerstört, sondern vielmehr floss es wie durch lebensspendende Adern und erfüllte Eldarion mit der reinsten Form des Lebens selbst. Das Wasser glitzerte und schimmerte bei Tag und bei Nacht. Es brach das Licht auf die schönste vorstellbare Weise und noch schöner. Außerhalb des Steinkreises verteilte es sich über die ganze Welt und hielt sie am Leben.
Wenn man die Stadt ansah hörte man stets ein leises aber vernehmbares Flüstern vieler Stimmen. Das Flüstern wirkte weder bedrohlich noch geheimnistuerisch. Es war nur deswegen ein Flüstern, da laute Stimmen nicht gebraucht wurden. Jeder der verstehen wollte, verstand. Die Stadt war die Essenz von Leben, Licht, Weisheit und Gesundheit. Jedes Wesen das geheilt werden wollte wurde in Eldarion geheilt, von welchem Leiden auch immer. Jedoch keine anderen Wesen als die Nandri, das gesegnete Volk, lebte dauerhaft dort, den obwohl öfters verschiedenste Kreaturen zur Stadt pilgerten, um um Rat oder Heilung zu ersuchen, blieben sie alle nicht ewig, denn es war nicht ihre Bestimmung. Die Nandri hingegen waren und sind Elementargeister und verwalteten Eldarion. Sie waren wenn überhaupt selten anders als als sichtbarer Wind zu sehen und sprachen mit leiser wohltuender Stimme. Ihr Gesang hatte heilende Kräfte und ein Kuss von ihnen stärkte die geistige Macht.
Doch eines Tages endete das Gleichgewicht von Welt und Leben! Ein Feuersturm, von dem nicht einmal die Gaiari wussten welchen Ursprungs er war zerstörte ganz Gaia und Eldarion mit ihr. Das Feuer bestand aus purer Wut, purer Zerstörung, purer Hitze und purem Bösen. Es war als einzige Kraft fähig das Smaragdgras zu verbrennen, die Väter der Bäume zu verdorren, den Stein der Sterne zerbersten zu lassen und das Wasser zu verdunsten. Einzig die Gaiari konnten sich und einige wenige der Nandri nach ihrem verlorenen Kampf gegen das Feuer retten, um auf ihre Zeit zu warten. So geschah es, dass über eine Millionen Dekaden nach dem schwarzen Feuer, dem Brand der Schatten, der alles Leben von dem Körper der Gaia getilgt hat, die Herrin der Gräser ihre heilenden Kräfte, genährt von einem letzten Tropfen Wasser, der letzte Rest aus den Adern der Stadt Eldarion, aussandte die Welt von neuem zu beleben.
Sie schuf vieles der alten Schönheit der ersten Schöpfung, doch vieles war auch für immer zerstört. In ihren Gedanken rief sie ihren Bruder, den Herrn der Winde und er erschuf mit seinem Atem zuerst den starken, kalten, reinigenden Wind des Nordens, der die giftige Asche des Brandes hinweg fegte. Dann schuf er den Ostwind, der die ersten Samen der grünen Herrin über die Welt brachte und der Westwind deckte sie mit der gereinigten Erde zu. Zuletzt wurde der warme Wind des Südens geboren, der die Wolken des Herrn der Wasser über die Erde ziehen lies und die jungen Pflanzen wärmte. Dann trat das erste Mal seit dem schwarzen Feuer der große Rat der Gaiari zusammen, um die Erde aufs Neue mit Lebewesen zu bevölkern. Und so schufen sie viele Arten in vielen Gegenden, jedes Wesen verschieden und frei in seinen Entscheidungen. Eldarion aber konnte nicht belebt werden und seine Grasfelder ebenfalls nicht. Der heilige Wald wuchs zwar wieder, doch erreichte er nicht anehrend seine einstige Größe. Ursprünglich war der Wald ein Heiligtum der Herrin der Gräser, in das kein Lebewesen außer gelegentlich Auserwählte der Nandri eindringen konnte. Doch mit seiner Größe schwand auch seine Zauberkraft und er war nur noch fähig, niedere, böse Kreaturen fernzuhalten. Und dies sollte sich noch als großes Glück herausstellen. Die Gaiari schickten die acht größten der Nandri, die sie vor dem Vergessen bewahren konnten, aus um die Botschaft von freiem Willen und Frieden unter ihren Geschöpfen zu verbreiten. Sie kamen mit zweierlei Nachrichten zurück: erstens waren sie bei den Levias gewesen, weise, drachenartige Wesen, die schon vor den Gaiari existiert hatten, wenn sie auch weniger mächtig waren.
Dort hatten sie erfahren, dass es irgendwo auf Gaia noch einen zweiten Tropfen des heiligen Wasser geben muss. Denn der älteste, weiseste und mächtigste der Levias und der Nandri, die beide im Brand ihr Ende gefunden hatten, hatten einen Tropfen der Quelle in dem reinsten Kristall eingeschlossen, mit dem Feuer der Levias gereinigt und in Eldarion mit Kraft angereichert. Mit Hilfe dieses Kristalls wäre es den Gaiari möglich Eldarion in all seiner früheren Herrlichkeit wieder auferstehen zu lassen. Als sie dies hörten, geriet der Rat in großen Aufruhr und die Herrin der Flammen sprach mit einer Stimme heißer als die Sonne: „Wir müssen handeln! Jeder Augenblick ist kostbar! Lasst uns die Nandri ausschicken den Kristall zu suchen.“ „Ich stimme Dir zu, Schwester.“, sagte der Gebieter über Erde und Stein, „Eldarion muss neu geschaffen werden!“
Doch Lalwe, der neue Anführer der Nandri, der nachdem Caladon, der alte Anführer, durch das schwarze Feuer vergessen wurde, erwählt worden war das Volk der Quellenhüter zu führen, sprach mit fester Stimme: „Kinder der Zeit! Söhne und Töchter des Lebens! Lachollhug, der Sohn der Flamme, berichtete mir, das Ivomir, der Kristall Eldarions, nur von einem sterblichen Wesen gefunden werden kann, denn in seiner jetzigen Form ist er den Gaiari verborgen, bis er durch besagtes Wesen offenbart wird. Außerdem möchte ich Euch nun von der zweiten Nachricht berichten, die wir mitbrachten. Die Asche des schwarzen Feuers wurde nicht ganz von der Welt getilgt! Etwas blieb erhalten und sickerte in den Boden. Als dann die heilenden Kräfte des Rates über Gaia kam auch in die giftige Asche Leben und schuf Missgeburten! Verdorbene, böse Kreaturen, auf Tod und Zerstörung aus! Sie tragen das schwarze Feuer in ihren Herzen und werden von seinem Willen gelenkt. Sie haben sich in verschiedene Völker aufgespalten und ziehen brennend und mordend in verschieden Richtungen über das Land! Manche von ihnen verhalten sich auch friedlich richten aber noch größere Zerstörung an, denn sie verführen und üben üblen Einfluss auf eure Kinder aus.“ Da erhoben alle Gaiari ihre Stimmen, schrieen ihren Schmerz in die Welt hinaus und die Erde bebte unter der gewaltigen Macht ihres Zorns.
Geburt und Tod:
Auf einem Hügel stand ein Mann. Vor ihm, in der sumpfigen Ebene starben sie. Sie starben alle. Pfeile flogen von beiden Seiten aus und surrten im Flug wie wütenden Bienen. Sie hagelten auf die Soldaten nieder und spickten ihre Körper, dass hunderte Leben niedergedrückt wurden in den Schlamm, von den Tausenden die nachrückten. Starke Krieger weinten und schrieen, sich die abgeschlagenen Glieder haltend, nach ihren Göttern. Die Schwerter der Heere, die in der Sonne geblinkt und geblitzt hatten, so mutig, so fröhlich, so voller Zuversicht, fraßen sich nun als rote Klingen in das Fleisch von ganzen Völkern, geführt mit der Hand von ganzen Völkern. Sie zerstörten Leben, Hoffnungen und Träume mit einem kurzen Surren und einem dumpfen Aufschlag.
Gegenüber von dem Hügel, auf der anderen Seite des Moores, ebenfalls auf einem Hügel stand eine Gruppe von Männern und Frauen. Sie waren in schimmernde Rüstungen und purpurne Mäntel gehüllt und hinter ihnen hingen schlaff an langen Stangen die golden Fahnen ihrer Herrschaft. Kein Wind wollte ihn die Standarten fahren und so blieb ihre schreckliche Herrlichkeit verhüllt. Die Leute auf dem Hügel berieten sich unter ihren Fahnen. Als sie einen Entschluss gefasst hatten, befahlen sie ein Signal zu geben. Dröhnend schallten die Hörner über die Schlacht. Zufrieden beobachteten die Feldherren des zweiten Hügels wie nun im Rücken ihres Feindes große Kisten auftauchten.
Von Sklaven gezogen bildeten sie eine lange Reihe hinter den Linien. Auf ein weiteres Signal wurden die Kisten geöffnet und aus jeder kamen zwei manchmal sogar drei gewaltige Echsen. Sie waren etwa so lang wie drei Männer, trugen einen blauen Schuppenpanzer und hatte lange Reißzähne und Krallen. Ihre Augen wirkten tot und stumpf. Langsam geradezu gemächlich krochen sie züngelnd auf den Feind zu. Als sie bei den hintersten Reihen angekommen waren senkten sie ihre Köpfe und begannen zu fressen. Erst jetzt bemerkten die Soldaten sie und gerieten in Panik. Sie wollten fliehen doch es gab kein entkommen. Die Echsen fraßen sich durch die Reihen und ignorierten mit einer gleichgültigen Kälte die Schreie der Krieger, die bei lebendigem Leibe verschlungen wurden. Einige der Soldaten wandten sich um und begannen auf den unerwarteten und grausamen Gegner einzuhacken. Doch selbst ohne Beine krochen die Echsen, wenn auch verlangsamt, stetig weiter und auch ein abgeschlagener Kopf schnappte noch nach lebendigem, blutendem Fleisch.
Dem Mann auf dem Hügel rollte sanft eine Träne über die Wange. Hinter ihm stand ein großer Fels, der eine gewaltigen Schatten auf das Gras warf. Der Mann murmelte: „Es ist soweit.“ Und aus dem Schatten traten Männer und Frauen, wo bis vor einen Moment noch niemand gewesen war. Sie waren alle gekleidet wie er. Sie trugen alle lange schwarze Mäntel und auch sonst nur schwarze Kleidung. Sie hatten lange dünne Schwerter umgegürtet und trugen dünne, schwarze Langbögen und viele schwarze Pfeile mit roten Spitzen und roter Befiederung. Ihr langes schwarzes Haar hing ihnen stumpf und strähnig auf dem Rücken und im Gesicht. Sie waren dünn und schienen ausgemergelt. Ihre Augen waren die einzigen Farbflecke in ihrer Erscheinung. Grün, gelb weiß oder purpurn leuchteten ihre Augen, doch um sie herum schien alles seine Farbe zu verlieren. Nicht optisch. Man spürte nur, wie alles um sie herum grau, still und friedlich wurde. Sie waren zu acht. Die Männer und Frauen stellten sich neben dem Mann auf. Auch sie begannen zu weinen, denn auch wenn sie gekommen waren um den Tod zu bringen, so liebten sie ihn nicht.
Die kleine Gruppe auf dem Hügel legte Pfeile auf ihre Bögen und zielte. Als erstes töteten sie die Echsen, dann die Gruppe auf dem gegenüber liegendem Hügel. Wenn ihre Pfeile ein Ziel erreichten wurde der Körper des Getroffen in Schatten gehüllt und verschwand. Nachdem sie, als Boten des Todes, viele Pfeile verschossen hatten, hielten sie inne. Der Mann holte eine gläserne Kugel aus einem Beutel an seinem Gürtel und gab sie einer Frau zu seiner Linken. Diese nahm die Kugel, hielt sie in der hohlen Hand und gab eine Formel über sie. Die Kugel leuchtete auf und flog in die Mitte des Schlachtfeldes. Dort verschwand sie. Sofort sanken die Krieger beider gewaltiger Heere, bestehend aus vielen Armeen, schlafend um und träumten von Frieden. Die Männer und Frauen gingen in den Schatten des großen Felsens, wo sie mit dem Dunkel verschmolzen und ebenfalls verschwanden. Denn sie waren die Traumwandler. Der letzte Clan des Schattenvolkes.
In einer staubigen Gasse saß ein alter Mann. Er war in Lumpen gekleidet und saß im Schneidersitz unter einem kleinen Zelt. Auf seinem Schoß lagen Pergament und Feder. Dem Wanderer fiel er sofort auf. Er spürte etwas Besonderes um diesen Mann. Der Wanderer war groß und hager. Er trug einen langen, schmutzig braunen Mantel dessen Kapuze sein Gesicht vollständig verbarg. An seiner Seite hatte er, verborgen unter dem Mantel, ein langes Schwert gegürtet. In einer seiner großen, knochigen Hände hielt er einen kleinen, schwarzen, glatten Stein. Er steckte die Hände in die weiten Ärmel seines groben Gewandes und ging auf den Alten zu. Mit leiser, heiserer Stimme, fast schon flüsternd, fragte er ihn wer er sei und was er tue. „Ich bin Rak, der Chronist.“, antwortete dieser freundlich. „Ich schreibe diese Geschichte auf, um sie vor dem Vergessen zu bewahren. Setzt euch und ruht euch ein wenig aus, fremder Wanderer. Lauscht der Geschichte, denn ich werde für euch erzählen, während ich schreibe.“, fuhr er fort.
Der Wanderer setze sich wortlos und plötzlich umgab beide ein Art schützende Aura. Die wenigen Passanten konnten sie genauso plötzlich nicht mehr sehen und schauten sich auch nicht nach ihnen um, als wären sie nicht vorhanden. Der alte Mann bemerkte all dies nicht und begann zu erzählen: „Am besten beginne ich mit dem Anfang, mit Eldarion. Eldarion war eine Geburt der Gaiari, den Kräften des Universums, die die Welt im Gleichgewicht hielten. Die Stadt war gelehnt an einen gewaltigen Fels, der, trotzt seiner Größe, keinem guten Wesen Unbehagen bereitete, sondern ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit ausstrahlte. Der Fels war bewachsen mit tief grünem Moos, Bäumen, fruchtbarer und gesünder als in manchen flacheren Gegenden, und Grasfeldern, die vor Leben blühten. Der Fels stand in einer endlosen Ebene bestanden mit smaragdgrünem, schimmernden Gras. Ein gewaltiges grünes Meer.
Eldarion wurde weitläufig eingerahmt von zwei großen Auswüchsen des Felsen, die nach vorne hin abflachten und die Stadt geschützt wie in einer wunderschönen Bucht liegen ließen. Auf den Enden dieser Felsenarme standen zwei gewaltige, heilige Bäume. Sie waren die Väter der heiligen Eichen des Waldes des Nordens und alt wie die Zeit. Die Stadt war ganz aus dem vollkommenen, weißen Stein der Herrin der Sterne erschaffen und bestand aus vielen hohen Türmen und großen Hallen. In dem Kern des Felsens entsprang eine Quelle. Sie war der Ursprung der zeitlosen Herrlichkeit Eldarions, denn es war die Quelle des Lebens. Ihr Wasser ran durch zahllose Löcher aus dem Gestein und die ganze Stadt war durchdrungen davon. Aber das Gestein wurde nicht langsam und stetig von dem Wasser ausgehöhlt und zerstört, sondern vielmehr floss es wie durch lebensspendende Adern und erfüllte Eldarion mit der reinsten Form des Lebens selbst. Das Wasser glitzerte und schimmerte bei Tag und bei Nacht. Es brach das Licht auf die schönste vorstellbare Weise und noch schöner. Außerhalb des Steinkreises verteilte es sich über die ganze Welt und hielt sie am Leben.
Wenn man die Stadt ansah hörte man stets ein leises aber vernehmbares Flüstern vieler Stimmen. Das Flüstern wirkte weder bedrohlich noch geheimnistuerisch. Es war nur deswegen ein Flüstern, da laute Stimmen nicht gebraucht wurden. Jeder der verstehen wollte, verstand. Die Stadt war die Essenz von Leben, Licht, Weisheit und Gesundheit. Jedes Wesen das geheilt werden wollte wurde in Eldarion geheilt, von welchem Leiden auch immer. Jedoch keine anderen Wesen als die Nandri, das gesegnete Volk, lebte dauerhaft dort, den obwohl öfters verschiedenste Kreaturen zur Stadt pilgerten, um um Rat oder Heilung zu ersuchen, blieben sie alle nicht ewig, denn es war nicht ihre Bestimmung. Die Nandri hingegen waren und sind Elementargeister und verwalteten Eldarion. Sie waren wenn überhaupt selten anders als als sichtbarer Wind zu sehen und sprachen mit leiser wohltuender Stimme. Ihr Gesang hatte heilende Kräfte und ein Kuss von ihnen stärkte die geistige Macht.
Doch eines Tages endete das Gleichgewicht von Welt und Leben! Ein Feuersturm, von dem nicht einmal die Gaiari wussten welchen Ursprungs er war zerstörte ganz Gaia und Eldarion mit ihr. Das Feuer bestand aus purer Wut, purer Zerstörung, purer Hitze und purem Bösen. Es war als einzige Kraft fähig das Smaragdgras zu verbrennen, die Väter der Bäume zu verdorren, den Stein der Sterne zerbersten zu lassen und das Wasser zu verdunsten. Einzig die Gaiari konnten sich und einige wenige der Nandri nach ihrem verlorenen Kampf gegen das Feuer retten, um auf ihre Zeit zu warten. So geschah es, dass über eine Millionen Dekaden nach dem schwarzen Feuer, dem Brand der Schatten, der alles Leben von dem Körper der Gaia getilgt hat, die Herrin der Gräser ihre heilenden Kräfte, genährt von einem letzten Tropfen Wasser, der letzte Rest aus den Adern der Stadt Eldarion, aussandte die Welt von neuem zu beleben.
Sie schuf vieles der alten Schönheit der ersten Schöpfung, doch vieles war auch für immer zerstört. In ihren Gedanken rief sie ihren Bruder, den Herrn der Winde und er erschuf mit seinem Atem zuerst den starken, kalten, reinigenden Wind des Nordens, der die giftige Asche des Brandes hinweg fegte. Dann schuf er den Ostwind, der die ersten Samen der grünen Herrin über die Welt brachte und der Westwind deckte sie mit der gereinigten Erde zu. Zuletzt wurde der warme Wind des Südens geboren, der die Wolken des Herrn der Wasser über die Erde ziehen lies und die jungen Pflanzen wärmte. Dann trat das erste Mal seit dem schwarzen Feuer der große Rat der Gaiari zusammen, um die Erde aufs Neue mit Lebewesen zu bevölkern. Und so schufen sie viele Arten in vielen Gegenden, jedes Wesen verschieden und frei in seinen Entscheidungen. Eldarion aber konnte nicht belebt werden und seine Grasfelder ebenfalls nicht. Der heilige Wald wuchs zwar wieder, doch erreichte er nicht anehrend seine einstige Größe. Ursprünglich war der Wald ein Heiligtum der Herrin der Gräser, in das kein Lebewesen außer gelegentlich Auserwählte der Nandri eindringen konnte. Doch mit seiner Größe schwand auch seine Zauberkraft und er war nur noch fähig, niedere, böse Kreaturen fernzuhalten. Und dies sollte sich noch als großes Glück herausstellen. Die Gaiari schickten die acht größten der Nandri, die sie vor dem Vergessen bewahren konnten, aus um die Botschaft von freiem Willen und Frieden unter ihren Geschöpfen zu verbreiten. Sie kamen mit zweierlei Nachrichten zurück: erstens waren sie bei den Levias gewesen, weise, drachenartige Wesen, die schon vor den Gaiari existiert hatten, wenn sie auch weniger mächtig waren.
Dort hatten sie erfahren, dass es irgendwo auf Gaia noch einen zweiten Tropfen des heiligen Wasser geben muss. Denn der älteste, weiseste und mächtigste der Levias und der Nandri, die beide im Brand ihr Ende gefunden hatten, hatten einen Tropfen der Quelle in dem reinsten Kristall eingeschlossen, mit dem Feuer der Levias gereinigt und in Eldarion mit Kraft angereichert. Mit Hilfe dieses Kristalls wäre es den Gaiari möglich Eldarion in all seiner früheren Herrlichkeit wieder auferstehen zu lassen. Als sie dies hörten, geriet der Rat in großen Aufruhr und die Herrin der Flammen sprach mit einer Stimme heißer als die Sonne: „Wir müssen handeln! Jeder Augenblick ist kostbar! Lasst uns die Nandri ausschicken den Kristall zu suchen.“ „Ich stimme Dir zu, Schwester.“, sagte der Gebieter über Erde und Stein, „Eldarion muss neu geschaffen werden!“
Doch Lalwe, der neue Anführer der Nandri, der nachdem Caladon, der alte Anführer, durch das schwarze Feuer vergessen wurde, erwählt worden war das Volk der Quellenhüter zu führen, sprach mit fester Stimme: „Kinder der Zeit! Söhne und Töchter des Lebens! Lachollhug, der Sohn der Flamme, berichtete mir, das Ivomir, der Kristall Eldarions, nur von einem sterblichen Wesen gefunden werden kann, denn in seiner jetzigen Form ist er den Gaiari verborgen, bis er durch besagtes Wesen offenbart wird. Außerdem möchte ich Euch nun von der zweiten Nachricht berichten, die wir mitbrachten. Die Asche des schwarzen Feuers wurde nicht ganz von der Welt getilgt! Etwas blieb erhalten und sickerte in den Boden. Als dann die heilenden Kräfte des Rates über Gaia kam auch in die giftige Asche Leben und schuf Missgeburten! Verdorbene, böse Kreaturen, auf Tod und Zerstörung aus! Sie tragen das schwarze Feuer in ihren Herzen und werden von seinem Willen gelenkt. Sie haben sich in verschiedene Völker aufgespalten und ziehen brennend und mordend in verschieden Richtungen über das Land! Manche von ihnen verhalten sich auch friedlich richten aber noch größere Zerstörung an, denn sie verführen und üben üblen Einfluss auf eure Kinder aus.“ Da erhoben alle Gaiari ihre Stimmen, schrieen ihren Schmerz in die Welt hinaus und die Erde bebte unter der gewaltigen Macht ihres Zorns.