Ballade of the Sea (gelöscht)

San Martin

Mitglied
Ich werde mal frei von der Leber kritisieren... bitte störe dich nicht an dem Ton. Ok? Sonst muss ich vorsichtiger formulieren...

"Ballade" heißt auf englisch "ballad". (siehe Titel). Dann habe ich Probleme damit, dass du Jambus nicht konsequent durchhältst - das hat mich zum Stolpern gebracht in den Zeilen 4 und 12, zumal du durchgängig männliche Kadenz benutzt. Da wäre durchgehender Jambus Pflicht und Harmonie. Solch rhythmische Ausnahmen wie in den angesprochenen Zeilen müssten schon inhaltlich begründet sein, ansonsten denkt der Leser, du konntest nicht anders.

Dann sagst du manchmal "my dear" oder nur "dear". Da kann ich mich dem Eindruck des "paddings" nicht verschließen. Auch solltest du davon absehen, "dear" auf eine unbetonte Silbe zu legen - das widerstrebt der natürlichen Aussprache. Das Adjektiv "oily" finde ich gänzlich unpoetisch und unpassend. "dew-sprinkled" finde ich arg zuckerwattig und rosawolkig. Den Teil mit "the sea reflects a golden earth" verstehe ich nicht.. die See reflektiert eine goldene Erde? Wie? Und was sind die purpurnen Ichs und Dus? Wolken?

"When sunny day" ist grammatikalisch nicht ganz fein. "When sunny day, dear, grants the sea a thousand hues, it'S deep and bright" würde ich in "And when the day endows the sea with thousand hues, all deep and bright" oder etwas ähnlichem. "The park" kommt völlig überraschend und macht mich konfus. Wir reden doch die ganze Zeit über das Meer? Wie kommen wir da plötzlich zu einem Park? Es war von Bäumen die Rede, ok, aber ... "the park is swallowed by a sea so dark"? Klingt, als ob der Park nur wegen des Reimes dort steht. MIr gefallen die Wiederholungen in den letzten Zeilen der 3. und 4. Strophe.

Insgesamt bleiben mir die Zusammenhänge im Inhalt, verteilt über die Strophen, ein Rätsel. Das kann gewollt sein, muss aber nicht. Ich verstehe z.B. nicht, warum das lyrische Ich am Ende davon abschwört, einen Regenbogen in den Augen des Anderen zu finden. Wenn das keiner der Leser versteht, verschenkst du damit die Aussage.

Von diesen Kritikpunkten abgesehen finde ich deine Sprache fließend und rhythmisch. Ich würde mich freuen, wenn du "Ballad of the sea" noch einmal überarbeitest.

Liebe Grüße, Martin.
 

presque_rien

Mitglied
Hallo Martin,

vielen Dank für deine Kritik und entschuldige bitte, dass ich erst jetzt antworte!

bitte störe dich nicht an dem Ton. Ok? Sonst muss ich vorsichtiger formulieren...
Ich weiß nicht, was du meinst - ich habe selten eine so sachliche und detailverliebte Kritik bekommen wie diese ;-).
Vorab muss ich sagen, dass ich dieses Gedicht im Groben irgendwann mit 17 geschrieben habe, mein Englisch war ziemlich mies (ist es eigentlich immer noch); und irgendwie kam ich vor einiger Zeit drauf zurück, hab's ein wenig umgeschrieben, spontan eingestellt - und, ganz ehrlich, ich bin sehr überrascht, dass es so gut angekommen ist und auf Platz 4 meiner Bestenliste steht! Es gibt sicherlich weit bessere Gedichte von mir und ich muss deiner Kritik weitestgehend zustimmen.
"Ballade" heißt auf englisch "ballad".
Danke! Das hat man davon, wenn man dann doch zu faul ist, Vokabeln im Zweifelsfall nachzuschlagen - werd gleich mal nen Mod um Änderung bitten...
Dann habe ich Probleme damit, dass du Jambus nicht konsequent durchhältst - das hat mich zum Stolpern gebracht in den Zeilen 4 und 12
In der Zeile habe ich das "real" als ['ri:el] gedacht, was natürlich an der eigentlichen englischen Aussprache vorbeigeht. Was hälst du von "genuine" (obwohl, da bin ich mir auch nicht so sicher) oder "the perfect sea" (aber dann wäre der Sinn ein anderer)? Vielleicht fällt mir ja noch was ein... Aber was ist an Vers 12 so verkehrt? *grübel*
Dann sagst du manchmal "my dear" oder nur "dear". Da kann ich mich dem Eindruck des "paddings" nicht verschließen.
Schade, denn diese Betonung des "dear" ist beabsichtigt und sollte die zwiespältigen Gefühle des Prot unterstreichen (dazu später). Es ist ja auch nicht zufällig verteilt - "my dear" je in Strophe 1 und 5 und "dear" in den restlichen Strophen, immer in Vers 1 je Strophe. Dass "dear" z.T. unbetont und deshalb wie automatisch, nicht liebevoll klingt, pass ebenfalls durchaus zu meiner Idee...
Das Adjektiv "oily" finde ich gänzlich unpoetisch und unpassend.
"oily" soll ja auch einen eher unschönen Eindruck erwecken - das "ölige" (mit Ölfarben gemalte, künstliche) Meer auf der Staffelei des/r Geliebten im Gegensatz zum wirklichen Meer - bei dessen Beschreibung ich, da hast du vollkommen Recht, sehr tief in die Klischeekiste gegriffen habe:
"dew-sprinkled" finde ich arg zuckerwattig und rosawolkig.
Ich hoffte, das "Ballad" im Titel rechtfertigt das ein wenig, so überladen zu schreiben ;-)
Den Teil mit "the sea reflects a golden earth" verstehe ich nicht.. die See reflektiert eine goldene Erde? Wie? Und was sind die purpurnen Ichs und Dus? Wolken?
Naja, wenn der Tag gerade beginnt (ein schöner Tag natürlich) ist alles ein wenig golden und purpurn durchwebt, auch die Menschen (Kennst du "Nature's first green is gold, her hardes hue to hold..." von Robert Frost?) - und das spiegelt sich auf der Wasseroberfläche wieder - mehr wollte ich mit diesen Zeilen nicht ausdrücken ;-)
"When sunny day" ist grammatikalisch nicht ganz fein. "When sunny day, dear, grants the sea a thousand hues, it'S deep and bright" würde ich in "And when the day endows the sea with thousand hues, all deep and bright" oder etwas ähnlichem.
Wieder ein toller Hinweis von dir - danke! Dass "sonniger Tag" so ganz ohne Artikel nicht verwendbar ist, auch wenn man von irgendeinem Durchschnitts-Sonnentag sprechen will, war mir eigentlich klar, aber ich hab mal großzügig drüber hinweggesehen ;-). Ich übernehme deinen Vorschlag mit einer Änderung.
"The park" kommt völlig überraschend und macht mich konfus. Wir reden doch die ganze Zeit über das Meer? Wie kommen wir da plötzlich zu einem Park? Es war von Bäumen die Rede, ok, aber ... "the park is swallowed by a sea so dark"? Klingt, als ob der Park nur wegen des Reimes dort steht
- womit du auch nicht gerade auf dem Holzweg bist ;-). Darüber sollte ich nochmal nachdenken, das stimmt...
Insgesamt bleiben mir die Zusammenhänge im Inhalt, verteilt über die Strophen, ein Rätsel. Das kann gewollt sein, muss aber nicht. Ich verstehe z.B. nicht, warum das lyrische Ich am Ende davon abschwört, einen Regenbogen in den Augen des Anderen zu finden. Wenn das keiner der Leser versteht, verschenkst du damit die Aussage.
Hmm. Wäre natürlich schade, wenn die Aussage tatsächlich nicht verstanden worden ist, von allen - ich würde mal gerne von den Bewertern hören, warum sie das Gedicht eigentlich so gut werteten ;-). Ich habe da schon eine sehr klare "message" im Sinn: Das Meer wird generell oft als eine Metapher für Gefühle verwendet, ebenso wie Augen eine Metapher für die Seele sind. Únd dann ist da jemand mit blauen Augen, der gerne das Meer malt, wobei es auf seiner Leinwand immer gleich blau aussieht. Nun versucht das Lyri diesem (offensichtlich geliebten) Menschen klar zu machen, dass das Meer ja eigentlich niemals einfach "blau" ist, dass diese Betrachtungsweise zu oberflächlich ist. Die nächsten drei Strophen beschäftigen sich mit der Ausführung der möglichen "Meerfarben" - golden und purpurn am Morgen, tausendfach schimmernd an sonnigen Tagen, schwarz in der Nacht... das alles wird von der/m malenden Geliebten nicht wahrgenommen ("one could think, you never saw") und somit nicht berücksichtigt. Und das wird dann in Strophe 5 auf das Wesen der/s Geliebten übertragen: Seine/Ihre Augen sind einfach nur blau wie das Meer, das sie/er malt, es ist nichts dahinter: Kein verträumter Idealismus ("And purple you-s . And purple me-s."), keine facettenreiche charakterliche Tiefe ("that sapphire drunk with light we ought to be"), auch keine dunkle, böse Seite, die irgendwo zum Menschen gehört ("a sea so dark
that you should fear it"). Das heißt nicht, dass der/die Angesprochene ein schlechter Mensch ist - nur hat das Lyri umsonst versucht, in ihm/ihr diese Mannigfaltigkeit ("Regenbogen") zu finden. Aber so unbeschwert und "plain", wie der/die Geliebte ist, kann er/sie für einen Menschen wie das Lyri kein dauerhafter Halt sein ("Too light to bear
a cloud")... Ich weiß, das ist alles ein Bisschen metaphysisch - kennst du vielleicht die Figur der Klara in Hoffmanns Sandmann? Ich glaube, so ein Gedicht hätte Nathanael ihr vielleicht schreiben können.
Auf alle Fälle danke für deine ausführliche Kritik - und auch das Lob am Ende :). Ich werde mich mit dem Text noch einmal beschäftigen - aber ich kann ihn nicht mehr "von Grund auf neu schreiben" - einfach weil er mir als Relikt aus meiner Jugend mehr bedeutet, denn als ein aktuelles lyrisches Werk.

LG,
Julia
 

San Martin

Mitglied
Hallo Julia,
erstmal Vorschläge wie folgt:

No sea, my dear, is ever blue,
[blue]as blue are but [/blue]the waves you draw,
[blue]so [/blue]one could think you never saw
[blue]a sea both genuine and true[/blue].

[blue]And when the day endows the sea
with thousand hues, it's deep and bright,[/blue]
[blue]such as [/blue]that sapphire drunk with light
we ought to be - we ought to be.

But when the night is falling, dear,
upon the dark’ning mind – [blue]the day[/blue]
is swallowed by a sea [blue]so gray[/blue]
that you should fear it. Don't you fear?

***

Dabei halte ich "true" und "genuine" für doppelt gemoppelt. Ich würde genuine durch ein anderes Adjektiv ersetzen. Ich habe als Ersatz für "real" auch sofort an "genuine" gedacht. :) Aber das Wort hat leider 3 Silben.
In Zeile 13 (Leerzeilen mitgerechnet; ich hatte vorher Zeile 12 gesagt) habe ich aus dem trochäischen "like" ein jambisches "such as" gemacht. Aus "park" habe ich andeutungsweise "day" gemacht, und den Reim auf "gray", aber das halte ich für wenig gelungen. Dort könntest du dir noch einmal etwas besseres überlegen (vielleicht mit "gone astray"?)

"oily" soll ja auch einen eher unschönen Eindruck erwecken - das "ölige" (mit Ölfarben gemalte, künstliche) Meer auf der Staffelei des/r Geliebten im Gegensatz zum wirklichen Meer
Ich weiß nicht, ob man die Assoziation im englischen macht. Oily ruft auch bei mir Assoziationen an verunglückte Öltanker wach, und das wolltest du sicher nicht erreichen.

Nothing Gold Can Stay

Nature's first green is gold,
Her hardest hue to hold.
Her early leaf's a flower,
But only so an hour.
Then leaf subsides to leaf.
So Eden sank to grief,
So dawn goes down to day.
Nothing gold can stay.

Robert Frost (1874-1963)
Nein, das Gedicht kannte ich noch nicht. Es gefällt mir gut. Frost mochte ich schon immer, habe aber leider wenig Gelegenheit, englische Lyrik zu lesen. Ich habe gerade mal ein Yeatsbüchlein daheim, mehr nicht. :(

Ich weiß, das ist alles ein Bisschen metaphysisch - kennst du vielleicht die Figur der Klara in Hoffmanns Sandmann? Ich glaube, so ein Gedicht hätte Nathanael ihr vielleicht schreiben können.
Zufälligerweise ist Der Sandmann die einzige E.T.A. Hoffmann-Geschichte, die ich kenne. Und in der Tat, wenn du mir die Aussage nicht erklärt hättest, verstünde ich es nicht - ich wäre von allein nicht drauf gekommen. Das ist ein Problem, dass ich auch bei deiner deutschen Lyrik manchmal hatte. Ich fände es sehr schade, wenn die interessante Aussage von The Ballad of the Sea nicht durchscheint. Deshalb würde ich dir empfehlen, noch ein oder zwei erklärende Strophen einzufügen oder die bestehenden klarer zu formulieren. Dabei wirst du auch dem Original nicht untreu, solange du nicht die Aussage änderst.

Martin.
 

MDSpinoza

Mitglied
Another nitpicker

"No sea, my dear, is ever “blue” – "

"Always" statt "ever". Ever würde heißen: Kein Meer, mein Liebster, ist jemals blau. Always: Kein Meer ... ist immer blau.
Die "oily waves" sind OK; ich denke da an ein Meer bei Windstille, das nur wenig bewegt wird.

"with thousand hues, it’s deep and bright,"
with a thousand hues... ist besser

"that you should fear it. Don’t you fear?"
Vorschlag: statt "don't you fear?" "Don't you, dear?"

"the bluest blue! Too light to bear"
Wie wär's mit "too bright to bear / a cloud..."?

Ich finde das Gedicht gar nicht so verunglückt.
 



 
Oben Unten