Ballade von der bleichen Maid Jolande - (noch eine Dichter-"Jugendsünde" und wirklich (!) lang)

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Ich habe dem lieben Uwe aka @Stavanger versprochen, ihm anlässlich seiner wirklich gelungenen - und wie ich finde gar nicht soooo langen - "Leuchtturmwärter-Ballade" meine Ballade von der bleichen Maid Jolande zu zeigen. Nun mache ich diese meine Drohung wahr.
Dieses Stück ist eine echte "Jugendsünde" aus früheren Dichterinnenjahren, entstand anlässlich eines lustigen Wettstreits in meinem ersten Gedichteforum damals und die Warnung "Vorsicht - lang!" ist wirklich angemessen. Ich hoffe, es ist noch für den einen oder anderen Schmunzler gut (sonst hätte ich damit jemandem verdammt viel Zeit gestohlen :cool: ). Also habt bitte etwas Nachsicht. ;)


Ballade von der bleichen Maid Jolande

Jolande war ein bleiches Kind.
Viel bleicher als sonst Kinder sind.
Man meinte, dass es daran läge,
dass ohne Eltern sie in Pflege
bei einer alten Vettel war,
welche schon immer sonderbar.
Doch stets war diese gut zum Kinde,
flocht ihr ins Haar manch Blumenwinde.

Des Mädchens Eltern war'n, - welch' Not ! -
von Räubershand gemordet, tot!
Das Grab der Mutter unbekannt.
Den Leib des Vaters man noch fand
in einem Walde nah der Stadt,
wo sich die Tat begeben hat.

In seiner Faust ein Blümelein
wie´ s stets sein Weib ins Haar flocht ein.
Das war, was ihm von ihr noch blieb -
von seiner allergrößten Lieb'.
So nahm zur letzten Ruhestatt
er mit, was sie gezieret hat.

Jolande blieb, noch klein, zurück.
Kam zu der Alten. Welch ein Glück!

Der Umständ halber erst nach Jahren
fiel auf Jolandes fremd Gebahren;
Oft, wenn sie durch die Felder ging
und Sommerwind im Haar sich fing,
das kupferrot um schmale Wangen
und grüne Augen fiel in langen
Locken, welche manchen Blick
sich fingen - doch sie gab ihn nie zurück - ,
dann hielt sie manchmal plötzlich inne
und schien zu lauschen ferner Stimme.

Das Haupt ganz sacht nur schief gelegt,
so, wie man halt zu lauschen pflegt.
Auch wussten manche zu beschwören,
dass bei Jolanden wär zu hören
Gewisper, Raunen, nie ganz klar.
Und eh man sich ganz sicher war,
da war der Spuk auch schon vorbei.
Man schob's auf Luftzugs Raschelei
(zu gern, um nicht gesteh'n zu müssen,
dass wir noch längst nicht alles wissen,
was zwischen Erd und Himmel wandelt,
wo es sich gar um Geister handelt).

Man schlug um sie manch großen Bogen,
obwohl Jolande wohlerzogen
und wahrlich voller Liebreiz war,
der wuchs bis an ihr siebzehnt' Jahr.
Dann fasste sich doch ab und an
derart berückt manch junger Mann
den Mut und freite voll der Kunst
um Maid Jolandens holde Gunst.

Doch sie, die eher still und leise
nur selten sprach, und wenn, dann weise
und voller Anmut, wie Gesang,
machte den kühnsten Freier bang.
Denn stets, wenn eines Jünglings Arm
sie hielt, damit Jolanden warm,
da hörte dieser nah am Ohr,
- wie Wispern kam's den meisten vor -
die Worte: „gib sie mir zurück!“,
woraufhin - welch ein Missgeschick! -
sie alle rasch das Weite suchten.
Mieden die Nähe der Verfluchten.

Indessen wandelte Jolande,
stets lauschend an manch Waldes Rande,
den Kopf, mal leugnend, mal bejahend
schüttelnd. Jene, die es sahen,
bedauerten das arme Mädchen.
Sie war bekannt in Dorf und Städtchen,
welches nur unweit lag entfernt,
als die, die Hexenkunst erlernt.
Und es erwog in diesen Tagen
der Stadtrat, sie streng zu befragen
aufs Peinlichste und mit Bedacht,
ob sie im Bund mit Teufels Macht.

Jolande konnte dies nicht ahnen,
doch einem Jüngling wollte schwahnen,
dass auch die wunderschöne Maid
vor solchem Unglück nicht gefeiht.
Jörg hatte jüngst in einer Schenke
gehört, was man zu tun gedenke,
und fasste alsdann Mut und Herz,
zu retten sie vor Gram und Schmerz.

Er wusste von den Spukgerüchten.
Auch um die Kunst, sie zu erdichten!
Und war auch sonst stets drauf bedacht,
dass eignes Bild er sich gemacht,
bevor er wagte urzuteilen.
Doch nun tat Not, sich zu beeilen!

Noch spät bei Nacht stieg er aufs Ross,
derweil des Vollmonds Glanz sich goss
auf ruhend Dörfer, Wiesen, Haine.
Er ritt auf weiter Flur alleine
dem kleinen Orte flugs entgegen,
in dem Jolandes Haus gelegen.

Jedoch zum Schutz und weil nicht frei
von üblich Abergläuberei
hatt' er, kaum war sein Plan geboren,
am Grab noch seiner God geschworen
stets die, die er erwählt, zu ehren,
zu lieben und auf sie zu hören.

Und als dort zart im Mondenschein
ein Blümlein stach ins Aug ihm fein,
so pflückt' er es als Talisman.
Entschlossen ritt er los sodann.

Jolande hatte diese Nacht
kein einzig Aug noch zugemacht.
Zu laut umfing sie heut das Wispern,
das Flehen, Singen, Ahnenflüstern,
das kündete ihr von Gefahr,
von Rettung auch, ganz wunderbar.

Und weil sie dies noch nie getrogen,
hatte Jolande angezogen
ihr schönstes Kleid, das sie besaß,
und wartete vorm Haus im Gras,
das Nachttau schon in Schimmer hüllte.
Ein Anblick, der ihr Herz erfüllte.

Bald sah sie fern über den Hügeln
vor Mondenscheibes Glanz mit Zügeln
mit Schlägen treibend fest sein Ross,
den Reiter, der durch Felder schoss.
So schnell als säßen ihm im Nacken
Nachtmahre, Geister, ihn zu packen.

Da wisperts, rauschts im ganzen Garten:
„nicht länger sollst du nun mehr warten!“
Die Blätter, Gräser, Äste raunen:
„geschieht mein Wille, sollst du staunen.“

„Worüber?“ will Jolande fragen,
doch ist gesagt, was war zu sagen.
Und als nun Jörg reitet heran,
da fasst ihn gleich die Stimme an:
„gib mir zurück,“ kreischt laut der Wind
„was mir gehört! Und zwar geschwind!“

Und Jörg erschrickt - wer tät das nicht?!
Doch rasch ruft er sich selbst zur Pflicht.
„Ich will Jolande, gebt sie frei!“
so ruft er laut, als ob es sei
das Üblichste, wenn Winde sprechen.
Die toben nun, dass Zweige brechen.

Es findet Jörg Jolandes Blick,
sie gibt ihn flehend gleich zurück.
Und mitten in des Sturms Gewüte
erinnert er sich an die Blüte
des Blümleins, welches er gebrochen,
und was er hat dabei versprochen.

Da schwillt des Sturmes Stimme jäh
die Blume in der Hand – oweh! -
sie brennt die Finger, die sie halten.
Sind's üble Mächte, die hier walten?

Nochmals versucht er laut sein Glück:
„Du willst die Blume? Nimm zurück,
was ich aus heil'ger Erd gezogen.
Doch dafür, Geist, sei mir gewogen,
und gib Jolande endlich frei,
so sie durch mich gerettet sei!
Die Hexenhäscher nahen schon.
Niemals vergönnt' ich denen Lohn!“

Jolande sieht und hört mit Staunen,
steht immer noch, umringt vom Raunen
der Windsbraut Stimme, welche nun
besänftigt ward in ihrem Tun.
Mit weichem Tonfall die nun spricht:
„das Blümlein ist, worauf erpicht
ich bin, denn einst gehört' es mir.
Du stehst vor meiner Tochter hier
und bist der Einz'ge, der gewagt,
wo andere schon längst verzagt.

So steck die Blume flugs ins Haar
dem Mädchen, das ich einst gebahr.
Jolanden soll die Deine sein.
Und meine Seele kehrt nun heim,
nach vielen Jahren, heim zu ihm,
von dem so lang getrennt ich bin!
Das Blümlein erst hat heil gemacht,
was Mörderhand entzweigebracht.
Ein Blümlein, das nur dort gedeiht,
wo herrschen Lieb und Redlichkeit!“


Noch eh das letzte Wort verklungen,
hat Jörg Jolande fest umschlungen,
und diese, welche noch ganz starr
vor Glück ob des Erlebten war,
rasch zu sich hoch aufs Pferd gehoben,
sein Blick mit ihrem fest verwoben.

So nahm er sie weit mit sich fort,
floh ihre Häscher und den Ort,
an welchem nun ein Blümlein ruht.
So lebten sie gar lang und gut.





.2007...8?
 
Zuletzt bearbeitet:

Stavanger

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Wow, liebe Claudia, und vielen Dank!

Super Story, du brauchst dich nicht für diese Jugendsünde zu schämen.
Was mir auffällt: Wir suchen beide, eher Balladen-untypisch, das Happyend.
Nett von uns.

Von wegen Länge, hast du tatsächlich gewonnen: Zwar bringe ich 33 Strophen auf die Matte gegenüber 27 von dir, aber du hängst mich insgesamt mit 186:139 Zeilen deutlich ab.
Gratuliere!

Habe mir beim Lesen ein paar Notizen gemacht:

- Gegen Schluss irgendwo ein Flüchtigkeitsfehler: "... brennt die Finger" - 1 Buchstabe verkehrt oder fehlt.
- Allerletzte Zeile: soll das Semikolon so? Ich hätte ein Komma gesetzt oder gar nichts.
- eine wunderhübsche Zeile fand ich: "... und wartete vorm Haus im Grase."
- "urzuteilen" hat mir gefallen.
- auch: "Luftzugs Raschelei", das ganz besonders.

Zusammengefasst:
Wow!
Oder sagte ich das schon?

Dir einen schönen Gruß!
Uwe
 

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Dank deines liebevollen und genauen Hinsehens, lieber Uwe,

konnte ich nun noch die letzten Störfelder im Text beseitigen. Manches findet man auch beim zig-sten Drüberlesen nicht. :cool:

Freut mich, dass du den "alten Hadern" goutierst ;)
Dass ich dich in der Länge knapp geschlagen habe, war keine Absicht (der Text hat ja jetzt schon locker fünfzehn oder mehr Jahre auf dem Buckel)...und wie heißt es - auch im Falle einer Ballade? Länge ist nicht immer alles.

Ich hatte eher befürchtet, dass deswegen manche schon unterm Lesen hinschmeißen und sagen: viel zu lang...

Meine bessere Hälfte meinte, man würde der Ballade auch deutlich den Einfluss der sagenhaft guten "Das Morden höret nimmer auf - Moritaten", gesprochen und gesungen von den unvergleichlichen Zwei: Kurt Sowinetz und Helmut Qualtinger (ein echter Hör-Tipp!...gibt's auch auf CD), anmerken. Und das stimmt. Mit denen bin ich quasi aufgewachsen. Eine sprachliche Prägung ist da schon mit im Spiel. ;)

Lieben Dank nochmal für die Korrekturen und den positiven Zuspruch! Hab mich sehr gefreut darüber! Ich hatte doch etwas gezaudert, die Jolande nochmal in die Öffentlichkeit zu holen..

Claudia
 



 
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