Bauer und Knecht
„Gewährt mir“, sprach der Knecht zum Bauern:
„Fünf Tage, ich will fort zur Stadt.
Muss dort um meinen Bruder trauern.
Den hingerafft die Pest mir hat.
Der Letzte war's der mir noch blieb.
Herr lasst mich ziehen im Guten.
Ich bitt euch drum, bei aller Lieb`
Will mich auch redlich sputen.“
„Du weißt“, so sprach der Herr zum Knecht:
„Wir haben böse Zeiten.
Doch da es geht um dein Geschlecht,
Will ich nicht mit dir streiten.
Ich lass dich gehen, doch gebe mir
Für die fünf Tag Ersatz.
Nimm mit zur Zehrung Brot und Bier
Doch lass mir deinen Schatz.
Denn wenn verstreicht am sechsten Tag
Ohne dich die Mittagsstunde
Ich mir dein Weib dann nehmen mag
Fehlt von dir jede Kunde.
Dann brauchst du nicht mehr, denk ich mir,
Deines Weibes treue Liebe.
Denn ich erwart dich nicht mehr hier,
Was dir zustände wären Hiebe.“
Da färbt der Knecht sich leichenblass.
Er springt an seinen Herrn.
Auf ihn stürzt er sich voller Hass
Und sieht ihn nicht, den Morgenstern.
„Schafft ihn hinfort die schlappe Sau,
Er reist nicht mehr zum Bruder.
Jetzt putzt heraus mir seine Frau,
Ich heirate heute noch das Luder.“
So spricht der Herr und dreht sich um,
Der Knecht liegt flach im Dreck.
Dass Gesinde blickt vor Grauen stumm,
Den Leichnam trägt man weg.
Noch selbigen Tages aber trifft
Ein auf dem Hof die Pest.
Der schwarze Tod verspritzt sein Gift
Und feiert mit, das Hochzeitsfest.
©RT