Baumfreunde

MarxMalt

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Jorn wurde von dem uralten Baum wie von einem mächtigen Magneten angezogen. Er schlich durch den dunklen Park und folgte einem steinigen Bachbett, das bestimmte schon seit Jahren ausgetrocknet war. Jorn passierte linkerhand den alten, defekten Springbrunnen und kletterte dann auf den rissigen, geteerten Fußweg, um über die steinerne Brücke zu gehen, die auf den runden Platz führte.

Der Junge blieb stehen, als er sein Ziel erreicht hatte, und blickte mit offenem Mund zu dem uralten Baum auf, der mitten auf dem mit Kies bestreuen Platz stand, der von einer schmiedeeisernen Laterne mit einer einzelnen Glühbirne mehr schlecht als recht ausgeleuchtet wurde. Er kam mittlerweile so ziemlich jede Nacht her und hätte den Weg inzwischen sicherlich auch im Schlaf gefunden. Respektvoll blieb Jorn eine Minute stehen und näherte sich dann langsam der riesigen Kastanie. Er stieg auf die windschiefe, alte Holzbank, die man rund um den Baum gebaut hatte, breitete die Arme aus und schmiegte sich an die rissige, raue Rinde. Er lächelte, als er sein Ohr gegen den Stamm drückte und das alte, aber kräftige Herz des Baumes schlagen hörte.

Er hatte schon viele Bäume umarmt, auf seinen rastlosen Wanderungen durch die Stadt. Oftmals war viele Stunden, manchmal aus mehrere Tage unterwegs, immer auf der Suche nach freundlichen Bäumen, mit denen er reden konnte. Doch es gab nicht viele Bäume in der alten Industriestadt Sheffield. Und viele von den Bäumen, die hier ihr Leben fristeten, hatten keine Lust mit einem ‚Schädling‘ zu reden. So nannten sie ihn manchmal, die grantigen Alten, doch Jorn ärgerte sich nicht darüber. Für sie, die sie hunderte von Jahren an einem Ort lebten, war alles, was sich schneller als sie bewegte ein ‚Schädling‘. Und wie sehr traf diese Bezeichnung auf den Menschen zu! Jorn schämte sich oft, einer von den schlimmsten aller ‚Schädlinge‘ zu sein. Wie gern wäre er ein Baum gewesen, eine riesige, kraftstrotzende Eiche oder, wie der Alte hier im Park, eine mächtige Kastanie.

Mit diesem hier verband Jorn eine innige Freundschaft, die auf Gegenseitigkeit beruhte. Mit der Kastanie konnte er stundenlang reden. Er liebte es, sich die alten Geschichten und Erinnerungen aus über 100 Jahren ruhigen Lebens in Sheffield anzuhören und erfreute andererseits den Baum mit Erzählungen aus seinem eigenen, viel kürzeren und bedeutend unruhigeren Leben.

Jorn hatte keine Freunde, nicht in der Schule, die er nur selten besuchte und nicht zuhause, bei seiner Mutter, die ihre Tage in der Regel damit verbrachte, sich mit wechselnden Männern zu betrinken. Jorn sollte diese Kerle, wenn sie länger als drei Tage da waren, ‚Onkel‘ Jimmy, Harry, Peter, Walther, Hugh, Wallace oder wie auch immer nennen. Er tat es nie. Stattdessen riss er aus und wanderte durch die Stadt, auf der Suche nach alten Parks und Brachflächen, wo er Bäume zu finden hoffte, die seine Freunde sein wollten.
Bäume wie diese Kastanie, die inzwischen sein allerbester Freund geworden war. Und genau diesen sollte er, wenn nach seiner Mutter ging, jetzt auch wieder verlieren.

„Sie… meine Mutter, sie will umziehen, nach Liverpool, direkt in die City. Da gibt es weniger Grün als auf dem Mond!“ Jorn spürte, wie ihm wieder die Tränen in die Augen stiegen, wie vorhin, als er die ‚große Neuigkeit‘ erfahren hatte.

Natürlich hatte seine Mutter ihm nicht davon erzählt. Sie erzählte ihm nie etwas. Jorn hatte sie und ihren aktuellen Liebhaber, ‚Onkel‘ Winston, belauscht, als die beiden betrunken Monopoly gespielt und dabei viel zu viel gelacht hatten. Jorn hatte in seinem unaufgeräumten, dreckigen Zimmer gelegen und versucht, das Geräusch der klackernden Würfel und das betrunkene Gelächter zu ignorieren. Dann jedoch hatte er das Wort ‚Liverpool‘ gehört und aufgemerkt. Leise war er in den Flur geschlichen, hatte sein Ohr an das Schlüsselloch der Wohnzimmertür gepresst und da hatte er es gehört: ‚Onkel’ Winston hatte angeblich einen Job in Aussicht, in Liverpool, und er wollte Cathy, Jorns Mutter, mit dorthin nehmen. Die war, wie immer, sofort Feuer und Flamme gewesen. Umzüge waren eine Art Hobby seiner Mutter, solange Jorn sich zurückerinnern konnte. Mittlerweile, mit der Weisheit seiner zwölf Lebensjahre, wusste er, dass sie, wie viele unglückliche Menschen, nur versuchte, ihren Problemen davonzulaufen - doch die warteten immer schon vor dem neuen Haus, wenn der Umzugswagen vorfuhr.

Jorn und seine Mutter waren mehr als acht Mal umgezogen in den letzten zehn Jahren, allein fünf Mal, seitdem er zur Schule ging. Auch deswegen fand er keine Freunde. Bevor er jemanden richtig kennenlernte, zogen sie meist schon wieder weg. Zum Glück hatte er die Bäume für sich entdeckt, Bäume wie diese wundervolle, alte Kastanie im Stadtpark, der nur eine halbe Stunde von ihrem Haus entfernt lag. Und nun sollte er auch diesen Freund wieder verlieren. Er verfiel in haltloses Schluchzen und krallte seine Finger in die raue Rinde, während ihm Tränen über das von Trauer und Wut verzerrte Gesicht liefen.

„Ich fahre nicht mit! Diesmal nicht!“, rief Jorn zornig. „Soll sie doch allein ins Scheiß-Liverpool ziehen! Ohne mich! Niemals!“ Der Junge stieß einen Schrei aus, in dem sich Wut und Schmerz vermischten. „Ich will dich nicht verlassen“, schluchzte er schließlich und presste seine Stirn an die kühle, schroffe Rinde.

„Na, na!“ Die tiefe, ruhige Stimme der Kastanie drang wie ein schwaches Erdbeben aus den Tiefen des Baumstamm. „Nur die Ruhe, junger Mensch.“

„Du hast gut reden!“, schluchzte Jorn. „Dich schleppt man ja auch nicht ständig von einer Stadt in die andere. Ich hab‘ das so satt!“

„Ja, ich bin tatsächlich nur ein einziges Mal 'umgezogen'.“ Der Baum lachte sein grummelndes Baum-Lachen, dessen Vibrationen Jorn bis in die Magengrube spürte. „Als sie mich von der Schonung, wo ich gekeimt bin, hierher verpflanzt haben. Daamals war ich noch fast ein Schössling, nicht einmal so alt, wie Du es heute bist, junger Mensch.“

Jorn schniefte und musste gegen seinen Willen lächeln, als er das rumpelnde Lachen der alten Kastanie hörte. Das ging ihm immer so.

„Jedenfalls gehe ich diesmal nicht mit”, sagte er bestimmt. “Liverpool, verdammter Mist! Was soll ich in Liverpool! Nein, diesmal nicht.“ Jorn atmete tief durch. „Ich laufe weg! Wir…“, er räusperte sich, „Wir laufen weg!“

„Oho!“, sagte der Baum überrascht. „Und wo gehen wir hin, junger Mensch?“

Jorn war froh, dass der Baum seinen Vorschlag nicht rundheraus abgelehnt hatte und erläuterte eifrig seinen Plan, an dem er den ganzen Abend über getüftelt hatte.

„Der Peak District National Park! Ein riesiger Wald, der keine 12 Meilen westlich von hier liegt. Da gibt es tausende und abertausende von Bäumen und sie sind geschützt, weil es ein Nationalpark ist! Dort können wir in Frieden leben." Jorn zögerte. "Was meinst Du?“, fragte er dann leise.

„Nun“, brummte der Baum und machte dann eine lange Pause, was aber für ein so altes und in sich ruhendes Lebewesen keine Seltenheit war. In ihren Gesprächen schwieg die Kastanie oft minutenlang, um dann einfach weiterzureden, als hätte es überhaupt keine Unterbrechung gegeben. „Das hört sich sehr nett an. Peak District, sagst Du, heißt dieser Wald?“

„Ja“, bestätigte Jorn eifrig. In der Tiefe seines Herzens wusste er, dass er zu viel von dem alten Baum verlangte. Würde denn er selbst, wären die Rollen vertauscht, seinen Wohnort von 100 Jahren verlassen, nur um mit einem Jungen davonzulaufen, den er kaum ein halbes Jahr kannte? Jorn konnte es nicht sagen.

„Hmmm…“, brummte der Baum. „Und was ist mit Deiner Mutter? Sie wird Dich doch vermissen, meinst Du nicht?“

Jorn lachte bitter auf.

„Hast Du mir eigentlich zugehört? Sie wird froh sein, wenn ich weg bin. Sie…“, er stockte und schluckte den Kloß in seiner Kehle herunter, der sich mit einem Mal gebildet hatte. „Sie liebt mich nicht.“

„Hmmm…“, brummte der Baum wieder und Jorn gab die Hoffnung auf.

Die Kastanie würde nicht mitkommen und allein… wieso sollte er allein weglaufen? Und wohin? Also würde er doch mit nach Liverpool fahren müssen. Bittere Tränen stiegen Jorn erneut in die Augen und er löste sich von dem uralten Baum.

„Schon okay“, sagte er leise und tätschelte die Rinde. „Ich… ich kann verstehen, dass Du hier nicht weg möchtest.“ Jorn schniefte. „Ich werde Dich nie vergessen, hörst Du, Kastanie? Leb' wohl.“ Er wartete einen Moment, aber als der Baum nichts sagte, wandte er sich zum Gehen.

Jorn schlurfte niedergeschlagen über den runden Platz und die alte Steinbrücke und wollte gerade wieder in das trockene Bachbett hinabsteigen, als ein krachendes Ächzen und Reißen ertönte und der Boden erbebte. Erschrocken wandte sich der Junge um und für einen schrecklichen Moment lang schien es ihm, als würde die Kastanie, sein uralter Freund, wie von einer unsichtbaren Axt gefällt zu Boden stürzen. Doch dann fing sich der riesige Baum, fand sein Gleichgewicht wieder und riss ächzend seine vier jeweils mehrere Meter breiten Wurzelfüßen aus dem Boden. Erde, Pflastersteine und Teile der alten Holzbank flogen durch die Luft, so dass Jorn hinter einem der Pfeiler der Steinbrücke Deckung suchte.

Die riesige alte Kastanie schüttelte schließlich mit grollendem Lachen ihre belaubte Krone und ringsum prasselten Kastanien in ihren stacheligen Hüllen wie in einem Hagelschauer auf den Boden. Wo die Kastanie über 100 Jahre lang gestanden hatte, klaffte nun ein mehrere Meter tiefes und breites Loch in der Erde. Der alte Baum machte seine ersten, stampfenden Schritte in Jorns Richtung.

„Nun, denn junger Mensch! Dein Vorschlag gefällt mir! Brechen wir auf!“

Jorn juchzte vor Freude, wies seinem Freund die Richtung und sie machten sich gemeinsam auf den Weg nach Westen.
 

ahorn

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Hallo MarxMalte,
deine Geschichte geht ans Herz, wenn der Leser deine ersten Sätze überstanden hat.
Anstatt Stimmung aufzubauen, erschlägst du deine Leser mit langen Sätzen, in welchen du ihn mit Kleinigkeiten langweilst. Fasse dich kurz, schwafel nicht herum. Dein Text ist es Wert.

Jorn wurde von dem uralten Baum wie von einem mächtigen Magneten angezogen. Er schlich durch den dunklen Park und folgte einem steinigen Bachbett, das bestimmteschon seit Jahren ausgetrocknet war. Jorn passierte linkerhand Linkerhand den alten, defekten Springbrunnen und kletterte dann auf den rissigen, geteerten Fußweg, um über die steinerne Brücke zu gehen, die auf den runden Platz führte.
Bringt es den Text weiter, ob der Magnet mächtig ist.
Wie ein Magnet zog der uralte Baum Jorn an. (Als Aktivsatz sogar kürzer)

Dunkler Park? Ist dieser dunkel oder ist es dunkel? Spielt es überhaupt eine Rolle? Bringt es den Leser weiter ob der Fluss – bei dir ist es das Bachbett – seit Jahren ausgetrocknet ist oder erst seit gestern? Kommt der Springbrunnen in deine Geschichte ein weiteres Mal vor und ist sein Zustand entscheidend. Wie klettert man auf einen Fußweg oder wer? Vielleicht nur, wenn man geteert und gefedert ist. Ist ein runder Platz besser als ein eckiger. Warum benutzt du bestimmte Artikel, wenn die Gegenstände dem Leser gar nicht bekannt sind, erst in diesen Textteil definiert werden.
Jorn wurde von dem uralten Baum wie von einem mächtigen Magneten angezogen. Er schlich durch den dunklen Park und folgte einem steinigen Bachbett, das bestimmteschon seit Jahren ausgetrocknet war. Jorn passierte linkerhand den alten, defekten Springbrunnen und kletterte dann auf den rissigen, geteerten Fußweg, um über die steinerne Brücke zu gehen, die auf den runden Platz führte.

Er schlich durch den dunklen Park, dabei folgte er einem Bachbett.
Oder
Einem Bachbett folgend, schlich er durch den Park. Jorn passierte Linkerhand einen Springbrunnen, betrat einen asphaltierten Fußweg, um über eine steinerne Brücke zu gehen, die auf einen Platz führte.

Oder mystischer:
Das Licht des Mondes leuchtete durch die Wipfel der Bäume des Parkes. Nebelschwaden waberten über die Ufer eines Baches, den Jorn bis zu einer Brücke folgte. Er überquerte das steinerne Bauwerk, bog an einem Springbrunnen links ab, schlich über einen asphaltierten Weg, bis er das Ziel seiner Reise, den Platz erreichte.

Der Junge blieb stehen, als er sein Ziel erreicht hatte, und blickte mit offenem Mund zu dem uralten Baum auf, der mitten auf dem mit Kies bestreuen Platz stand, der von einer schmiedeeisernen Laterne mit einer einzelnen Glühbirne mehr schlecht als recht ausgeleuchtet wurde.
Was für ein Satz. Geht es länger?
Wann bleibt man stehen? Oftmals, wenn man sein Ziel erreicht hat. Er blickt mit dem Mund, ich mit den Augen. Kies wird bekanntermaßen gestreut oder geschüttet. Schön das die Laterne Schmiedereisens ist. Seht eine Gezogene schlechter. Erstens heißen die Dinger Glühlampe, zweitens ist die Leuchtkraft nicht abhängig von der Anzahl.
Der Junge blieb im Zentrum, des von einer Laterne spärlich ausgeleuchtet Platz, stehen. Den Mund geöffnet, blickte er zu dem uralten Baum auf.


Er kam mittlerweile so ziemlich jede Nacht her und hätte den Weg inzwischen sicherlich auch im Schlaf gefunden. Respektvoll blieb Jorn eine Minute stehen und näherte sich dann langsam der riesigen Kastanie. Er stieg auf die windschiefe, alte Holzbank, die man rund um den Baum gebaut hatte, breitete die Arme aus und schmiegte sich an die rissige, raue Rinde. Er lächelte, als er sein Ohr gegen den Stamm drückte und das alte, aber kräftige Herz des Baumes schlagen hörte.
Wenn er schlafwandelt okay. Er blickte auf, somit steht er vor dem Baum. Und, und, und!
Ich mache es mal kurz.
Jede Nacht kam er zu ihm. Mit Respekt vor dem Alter der Kastanie blieb Jorn eine Minute stehen. Dann stieg er auf die Holzbank, die frühere Generationen rund um den Baum erbaut hatten, breitete die Arme aus und schmiegte sich an die rissige Rinde. Er lächelte, als er sein Ohr gegen den Stamm presste und das Herz des Baumes schlagen hörte.

So geht es weiter!

Gruß Ahorn
 

MarxMalt

Mitglied
Hallo, Ahorn,

vielen, vielen Dank dass Du meiner kleinen Geschichte eine so ausführliche Kritik gewidmet hast, die ich mir selbstverständlich zu Herzen nehmen und in deren Sinne ich zugleich versuchen werde, zukünftig keine Bandwurmsätze mehr zu verwenden, da ich diese, wenn ich sie selbst lese, auch nur schwer verständlich finde, wenngleich sie mir bei meinen eigenen Texten eben nicht sofort ins Auge fallen und mir ein ums andere Mal durchgehen. ;-)

Auch in der Wahl meiner Adjektive werde ich zukünftig kritischer sein und mich bemühen, mich insgesamt kürzer zu fassen.

Nochmals Danke für die Arbeit, die Du Dir gemacht hast!

Viele Grüße

MarxMalt
 



 
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