Бахмут. Himmel. Blau. - Sonnet

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Walther

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Бахмут. Himmel. Blau.

Der blaue Himmel spannt sich übers Land.
Er segnet selbst die Hölle unter sich.
Dort bomben sie sich tot, und der Verstand
Verließ sie lange schon. Gelegentlich

Fliegt eine Amsel durch den Fleischwolfschlund,
Der sich hier aufgetan hat: Februar
War’s, los ging’s ohne jeden guten Grund.
Jetzt ist‘s ein Wintertag im Januar,

Und keine kleine Wolke steht im Blau,
Kein Wind verweht die Schreie der Soldaten.
In der Ruine weint nur eine alte Frau.
Ihr Unglück ist der Preis von Potentaten,

Die nach dem Ruhm und nach Salinen gieren;
Als Heldentod verbrämen sie Krepieren.
 

sufnus

Mitglied
Hi Walter,
formal und sprachlich ist das sehr schön und vom Thema her unbestreitbar wichtig. Aber die Kombi aus Sprache (und der etwas überheblichen Haltung der Erzählstimme) und dem Inhalt mundet mir persönlich jetzt nicht so. Wobei... das klingt jetzt harscher, als ich es meine.
Also Erklärversuch:
Ich empfinde neben der Wut auf Putin und seine Schergen vor allem Trauer bei den Nachrichten zum Ukrainekrieg. Beide Gefühle (vor allem aber die Trauer) kann ich in einem schön gestalteten Sonett nicht unterbringen.
Da klingt auf den ersten Blick der Adorno an, aber ich meine das weniger grundsätzlich. Natürlich ist jedes Gedicht eine Ästhetisierung und insofern stoßen eben auch bei z. B. der Todesfuge die Ästhetik und das Grauen auf einander. Aber bei den für mich funktionierenden lyrischen Verarbeitungsversuchen von etwas Schrecklichem (z. B. eben bei Celans Gedichten) spüre ich eine Resonanz auf das Schlimme im Gedicht, es nimmt nicht die Haltung eines überlegenen Betrachters vor dem Leid an, sondern geht auch da mit dem Furchtbaren mit, wo es versucht (nur: versucht) diesem etwas aus der Sphäre des Schönen entgegenzusetzen. Die Todesfuge endet mit dem aschenen Haar Sulamiths. Sie ist ein Trauergesang. Die Vorlage für Celans Werk, das Gedicht von Weißglas, war eher eine Anklage als eine Klage, dabei nebenbefundlich (noch) stärker eine Anklage gegenüber Gott als gegenüber Deutschland. Dieser anklagende Ton funktioniert bei Weißglas dennoch, weil er eben aus der Opferperspektive geschrieben ist. Je weiter man aber von der Opferrolle entfernt ist, desto heikler wird die Operation, wie ich finde. Dabei jetzt nicht missverstehen: Auch ein alter weißer Mann (wie ich) darf (wenn er das kann) das Patriarchat oder praktizierenden Rassismus usw. anklagen. Aber es ist ein Drahtseilakt.
Ich hoffe, es kommt so grob rüber, wo meine Bedenken sitzen und nochmal: Klingt jetzt harscher, als ich es meine.
Schön finde ich die kleine Brechtsche Wolke, die über dem Gedicht steht (resp. eben nicht), aber auch die würde ich lieber über einem anderen Thema stehen (fehlen) sehen.
Und noch eine letzte Kleinigkeit: Bist Du sicher, Walther, dass in Soledar das Salz im Soleverfahren abgebaut wird (sprich, dass es dort Salinen gibt). Ich weiß es jetzt wirklich nicht und eine schnelle Google-Abfrage hat mir nicht weitergeholfen, es wäre aber zumindest denkbar, dass das Salz dort tatsächlich "einfach" nur bergmännisch abgebaut wird, soweit wie ich das mitbekommen habe.
LG!
S.
 

Walther

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Hi @sufnus,
"politisch lied ist garstig lied" - zit. sinngemäß nach Goethe in Faust I 1808 (Szene Auerbachs Keller in Leipzig, Brander, Zeile 2092). das beantwortet deine frage.
mit Celan, dessen gedicht in erster linie anklage im verbund mit trauerarbeit ist, möchte ich mich aus gutem grund nicht vergleiche. das ist eine andere liga. im verhältnis dazu ist das, was wir hier tun, vielleicht landesliga. mehr nicht.
auch salzbergwerke nennt man salinen.
lg W.
 

sufnus

Mitglied
auch salzbergwerke nennt man salinen.
Wenn Du das nachgeschaut hast oder Dir über jeden Zweifel hinaus sicher bist, schau ich jetzt nicht nochmal in mein dickes Wörterbuch, ich hab das Wort bisher anders abgespeichert. Ist aber ja jetzt auch nicht so wichtig. ;)
Mit Celan & der Landesliga hast Du natürlich eh recht. Die besten Beiträge in Lupanien oder anderen Lit-Foren sind wahrscheinlich irgendwo im Landesligabereich ... aber eigentlich ist das doch schon ziemlich klasse. :)
LG!
S.
 

Walther

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Patrick Schuler

Foren-Redakteur
Teammitglied
Mit Celan & der Landesliga hast Du natürlich eh recht. Die besten Beiträge in Lupanien oder anderen Lit-Foren sind wahrscheinlich irgendwo im Landesligabereich ... aber eigentlich ist das doch schon ziemlich klasse. :)
LG!
S.
Nein, hat er nicht. Eine der größten Krankheiten im Kultur, wie im Betrieb der Intellektuellen, ist diese furchtbare Sache mit der Vergötterung von Dingen, bei denen nicht einmal ein klares Bewertungswerkzeug vorliegt. ich wüsste wirklich nicht, warum Celan auch nur zwei Spannen über mondnein schweben sollte und ich mache damit keine Scherze. In dem Moment, als ich den Glauben daran abgelegt habe, das die "Großen Dichter und Denker" genau das sind, hat sich alles bei mir geändert und sie standen plötzlich nackt da - Ich habe gemerkt, das 90% meiner Bewertung so tief sitzende Attitüde war, das ich nicht einmal bemerkt habe, dass es Attitüde war - aber heute bin ich frei, heute kann ich herausposaunen, dass Da Vincis Gemälde mich zu Tode langweilen, Celan kein Maß für Proportionen besessen hat und Inhaltlich immer dasselbe wiedergekäut hat und Richard David Precht bei aller Armseligkeit seiner Inhalte wenigstens solche besitzt, die sich mit der Realität berühren, was man Heidegger nicht unterstellen kann. Ach ja, Tissop zb. ist mnm. nach auch ein interessanterer und besser Dichter als Georg Heym, bei dessen Formulierungen ich manchmal lauthals lachen muss, weil sie so albern sind. Ich meine, habt ihr euch nie gefragt, warum das, was "Hobbypoeten" machen bei den meisten Menschen außerhalb der Bubble besser ankommt, als der ganze "große Stoff". Alle gehen immer davon aus, dass das daran liegt, dass die meisten "keinen Sinn für Kunst" haben, aber könnte es nicht sein, dass diese Menschen bloß nicht "indoktriniert" sind. Man kann das ablegen, es stört nur! PS: Macht euch nicht ständig unbedeutender, als ihr seit, das grenzt bei einigen hier an Masochismus.
 
Zuletzt bearbeitet:

Walther

Mitglied
Nein, hat er nicht. Eine der größten Krankheiten im Kultur, wie im Betrieb der Intellektuellen, ist diese furchtbare Sache mit der Vergötterung von Dingen, bei denen nicht einmal ein klares Bewertungswerkzeug vorliegt. ich wüsste wirklich nicht, warum Celan auch nur zwei Spannen über mondnein schweben sollte und ich mache damit keine Scherze. In dem Moment, als ich den Glauben daran abgelegt habe, das die "Großen Dichter und Denker" genau das sind, hat sich alles bei mir geändert und sie standen plötzlich nackt da - Ich habe gemerkt, das 90% meiner Bewertung so tief sitzende Attitüde war, das ich nicht einmal bemerkt habe, dass es Attitüde war - aber heute bin ich frei, heute kann ich herausposaunen, dass Da Vincis Gemälde mich zu Tode langweilen, Celan kein Maß für Proportionen besessen hat und Inhaltlich immer dasselbe wiedergekäut hat und Richard David Precht bei aller Armseligkeit seiner Inhalte wenigstens solche besitzt, die sich mit der Realität berühren, was man Heidegger nicht unterstellen kann. Ach ja, Tissop zb. ist mnm. nach auch ein interessanterer und besser Dichter als Georg Heym, bei dessen Formulierungen ich manchmal lauthals lachen muss, weil sie so albern sind. Ich meine, habt ihr euch nie gefragt, warum das, was "Hobbypoeten" machen bei den meisten Menschen außerhalb der Bubble besser ankommt, als der ganze "große Stoff". Alle gehen immer davon aus, dass das daran liegt, dass die meisten "keinen Sinn für Kunst" haben, aber könnte es nicht sein, dass diese Menschen bloß nicht "indoktriniert" sind. Man kann das ablegen, es stört nur! PS: Macht euch nicht ständig unbedeutender, als ihr seit, das grenzt bei einigen hier an Masochismus.
lb @Patrick Schuler,
warum ich dich so mag, kann man oben nachlesen. ich sag's mal freiraus: selbst ich bin als poet besser als Hermann Hesse und Günther Grass - nicht als romanautor, wohlgemerkt. daher weiß ich, was du sagen willst.
und ich weiß durchaus, warum es Walthers Anthologie der Internetlyrik gibt. das hat damit zu tun, dass - selbst wenn man sich nicht in die höchste liga einordnet - dem einen oder der anderen texte gelingen, die schlicht überdurchschnittlich sind. dem wollte ich rechnung tragen. ich bin leider bisher allein damit geblieben, weil keine/r der so geehrten an diesem projekt mitstricken wollte. schade drum.
bei Celan bin ich nicht ganz deiner ansicht und bei Georg Heym auch nicht - aber natürlich ist auch bei Goethe nicht alles gold, was glänzt - bei der masse auch kein wunder. da war Schiller schon insgesamt besser - er hat aber auch viel weggeschmissen und war lange nicht bei wirklich guter gesundheit (im gegensatz zu Goethe). viele autorinnen und autoren haben sternstunden - und wenn es nur wenig sind, es gibt sie. aber sie haben nicht dauernd sternstunden, selbst die bekannten, sog. großen, nicht.
lg W.
 

sufnus

Mitglied
heute kann ich herausposaunen, dass Da Vincis Gemälde mich zu Tode langweilen, Celan kein Maß für Proportionen besessen hat und Inhaltlich immer dasselbe wiedergekäut hat und Richard David Precht bei aller Armseligkeit seiner Inhalte wenigstens solche besitzt, die sich mit der Realität berühren, was man Heidegger nicht unterstellen kann. [...] Ich meine, habt ihr euch nie gefragt, warum das, was "Hobbypoeten" machen bei den meisten Menschen außerhalb der Bubble besser ankommt, als der ganze "große Stoff". Alle gehen immer davon aus, dass das daran liegt, dass die meisten "keinen Sinn für Kunst" haben, aber könnte es nicht sein, dass diese Menschen bloß nicht "indoktriniert" sind. Man kann das ablegen, es stört nur! PS: Macht euch nicht ständig unbedeutender, als ihr seit, das grenzt bei einigen hier an Masochismus.
Hi Patrick & Walther,
1) Einige Punkte von Dir, lieber Patrick, find ich äußerst sympathisch - wo Du andere Lupaner ins Spiel bringst, ziehe ich allerdings eine Diskussion, die nicht über Bande geführt wird, vor.
2) Eine Diskussion über da Vinci sprengt wahrscheinlich gelinde den Leselupenrahmen. ;)
3) Dein Verdikt zu Celan ist bestenfalls originell. Was Du mit "immer dasselbe" bei ihm meinst (hoffentlich nicht den Holocaust), weiß ich nicht, aber Deine Einschätzung, er würde quasi alles über einen Leisten schlagen, ist kappes. Wie viele Gedichte von ihm hast Du denn gelesen? 5? 10? 100? 200?
Auch wenn man die Rilkeanischen Töne des jungen Celan mal beiseite lässt, so gibt es beim "reifen" Dichter (also ab Mitte 20) viel mehr als die üblichen Anthologieverdächtigen zu entdecken. Von metrisch gebundenen, streng endgereimten Gedichten über herrlichen Dada-Nonsens zu liebevollen Gelegenheitswerke und weiter zu überraschend leicht verständlicher Seelenlyrik.
4) Leider haben die meisten Menschen tatsächlich keinen Sinn für Kunst. Nicht weil sie zu doof dafür wären, sondern weil sie schlicht und einfach über ihrer Lebensplanung mit Brotjob, Familiengründung, Fernreisen und Wohneigentum keine Zeit hatten (auch nicht haben konnten), um genug Kunst rezipiert zu haben (das dauert!), wie es für ein sicheres Geschmacksurteil nötig wäre. Wirklich gute Kunst-Fertigkeit wird - außer bei total schrägen Inselbegabungen - nicht in reiner Autodidaktik erworben und auch nicht schnellschnell im Vorbeigehen.
5) Grass dichtet besser als Hesse.
6) Hesse dichtet besser als Walther.
7) Walther dichtet besser als Sufnus.

LG!

S.
 

Walther

Mitglied
So ein Gedicht in herkömmlicher Form und in herkömmlicher Sprache ist diesem Krieg total unangemessen
hey, das darfst du gern so sehen. lg W.
Hi Patrick & Walther,
1) Einige Punkte von Dir, lieber Patrick, find ich äußerst sympathisch - wo Du andere Lupaner ins Spiel bringst, ziehe ich allerdings eine Diskussion, die nicht über Bande geführt wird, vor.
2) Eine Diskussion über da Vinci sprengt wahrscheinlich gelinde den Leselupenrahmen. ;)
3) Dein Verdikt zu Celan ist bestenfalls originell. Was Du mit "immer dasselbe" bei ihm meinst (hoffentlich nicht den Holocaust), weiß ich nicht, aber Deine Einschätzung, er würde quasi alles über einen Leisten schlagen, ist kappes. Wie viele Gedichte von ihm hast Du denn gelesen? 5? 10? 100? 200?
Auch wenn man die Rilkeanischen Töne des jungen Celan mal beiseite lässt, so gibt es beim "reifen" Dichter (also ab Mitte 20) viel mehr als die üblichen Anthologieverdächtigen zu entdecken. Von metrisch gebundenen, streng endgereimten Gedichten über herrlichen Dada-Nonsens zu liebevollen Gelegenheitswerke und weiter zu überraschend leicht verständlicher Seelenlyrik.
4) Leider haben die meisten Menschen tatsächlich keinen Sinn für Kunst. Nicht weil sie zu doof dafür wären, sondern weil sie schlicht und einfach über ihrer Lebensplanung mit Brotjob, Familiengründung, Fernreisen und Wohneigentum keine Zeit hatten (auch nicht haben konnten), um genug Kunst rezipiert zu haben (das dauert!), wie es für ein sicheres Geschmacksurteil nötig wäre. Wirklich gute Kunst-Fertigkeit wird - außer bei total schrägen Inselbegabungen - nicht in reiner Autodidaktik erworben und auch nicht schnellschnell im Vorbeigehen.
5) Grass dichtet besser als Hesse.
6) Hesse dichtet besser als Walther.
7) Walther dichtet besser als Sufnus.

LG!

S.
lb sufnus, dabei sollten wir das schulterklopfen belassen. ;)lg W.
 



 
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