Hannah Rieth
Mitglied
Befremd/ich
Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Ich steige aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.
Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.
Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.
Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.
Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.
Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch im Wohnzimmer und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.
Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.
Eine Frau um die vierzig geht.
Drei Minuten vor dem vereinbarten Termin werfe ich einen letzten prüfenden Blick in den Rückspiegel meines Autos. Ich steige aus, wende mich um und gehe zu dem grauen Mehrfamilienhaus auf der anderen Straßenseite. Nach kurzer Suche finde ich den Namen auf dem Klingelschild und betätige den danebenliegenden Knopf. Der Türöffner summt, ich betrete das Haus. Die Wohnung befindet sich in der dritten Etage. Eine Frau um die siebzig steht in der Wohnungstür, lächelnd, etwas unsicher vielleicht. Es scheint, als freue sie sich über meinen Besuch. Eine kurze unangenehme Umarmung lang überlege ich, mich einfach umzudrehen und die erst gerade erklommenen Stufen wieder hinunterzulaufen.
Ich lächle und folge der Frau in den Flur. Sie deutet auf die Garderobe, ich nicke und lege meinen Mantel ab. Dabei fällt mein Blick ins Wohnzimmer. Ein Mann um die siebzig sitzt in einem Sessel und schaut fern. Als sich unsere Blicke treffen, steht er auf und bewegt sich auf mich zu. Ich lächle, etwas unsicher vielleicht. Er reicht mir die Hand. Freundlich. Ich atme aus.
Der Mann redet. Er lobt mein Aussehen, spricht über das Wetter und lädt mich ein, Platz zu nehmen. Der Fernseher läuft. Ich setze mich auf die Kante einer cremefarbenen Couch. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher. Erleichtert greife ich in meine Handtasche und ziehe eine Schachtel Zigaretten hervor. Ich lege sie neben den Aschenbecher. Eine blonde Frau auf dem Bildschirm singt einen Schlager. Ich blicke den Mann an. Er schweigt.
Ich erhebe mich und gehe in die Küche. Die Frau brät Fleisch. Ich frage, ob ich etwas helfen kann. Die Teller soll ich holen. Ich frage mich, warum man Geschirr auf einen Tisch stellt, wenn man es doch am Herd befüllen will. Ich hole die Teller, stelle sie auf die Arbeitsplatte und gehe zurück ins Wohnzimmer.
Der Mann lächelt mich an. Ich setze mich auf die Couch, greife nach meinen Zigaretten und zünde mir eine an. Ich rauche etwa zehn Züge, bis die Frau aus der Küche ruft, dass das Essen fertig sei. Ich drücke die Zigarette aus und stehe auf.
Der Mann erhebt sich ebenfalls, geht zum Esstisch, zündet eine Kerze an und schenkt Wein ein. Dann bewegt er sich in die Küche. Ich folge ihm, greife nach den Tellern und reiche der Frau einen nach dem anderen.
Die Frau, der Mann und ich sitzen vor gefüllten Tellern am Esstisch im Wohnzimmer und widmen uns dem Essen. Ich sage, dass es lecker schmeckt, der Mann stimmt mir zu. Die Frau redet über meinen Beruf und die nächste Bundestagswahl. Ich bin nicht ihrer Meinung. Die Frau redet über den bevorstehenden Urlaub und ihre Bekannten. Ich kenne sie nicht. Die Frau lädt mich zu ihrem Geburtstag ein. Ich weiß nicht, warum ich hier bin. Der Mann fragt, ob ich überhaupt zuhöre. Ich blicke ihn verständnislos an. Der Mann erhebt sich, schiebt den Stuhl zurück, bewegt sich um den Tisch herum auf mich zu. Ich zucke zusammen. Der Mann greift nach meinem Teller und fragt, ob ich auch noch einen Nachschlag möchte. Nein, sage ich. Nein.
Nach dem Essen räumt der Mann den Tisch ab. Eine Frau um die vierzig bedankt sich und spricht von Terminen. Sie erhebt sich, verlässt das Wohnzimmer, nimmt ihren Mantel von der Garderobe und zieht ihn an. Sie verabschiedet sich, zwei kurze Umarmungen.
Eine Frau um die vierzig geht.