Befummel bloß die Lilith nicht (Achtung: nichts für Zartbesaitete!)

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WackyWorld

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Ich habe Mist gebaut, richtigen Mist. Nen Scheißberg so hoch wie der Olymp, so würde es Satan nennen, mein Chef. Zum Glück ist der Schlamassel noch unter seinem Radar. Ich war den Tag rattenscharf, war „In der blutenden Sichel“ am Kurze wegkrachen, da tauchte Lilith auf. Sie hatte gerade Dämonenweihe und war am Feiern. 13 Lämmer wurden zerfleischt und danach gabs noch ‚ne Stierkeule. Wie sie das Fleisch in sich reinhämmerte, verdammt, das war Erotik, die knisterte wie trockenes Holz im Kaminfeuer. Ihre Freundin Lucy war mit Adramelech da. Den Knallkopf kann ich auf den Tod nicht ausstehen. Hat das Aussehen einer Bergziege mit seinem Ringelschwanz, der Schwefelsack. Und ein Arschküsser ist er obendrauf. „Satan, darf ich deine Hörner polieren? Satan, darf ich nen Sündenbock foltern, damit du dein Blutbad genießen kannst? Satan dies, Satan das.“ Hab ihn vollgepumpt mit Hochprozentigem, bei ihm braucht’s eh nicht viel. Total besoffen ist er rausgewankt. Sein ganzer Ziegenhintern wackelte wie eine Hafennutte nach der zehnten Kornrunde.

Irgendwann knackte ich ihre harte Schale mit meinem Alphabeast-Charme. Sie winkte mich heran, da am Fleischtresen. Das saftige Innenleben vom letzten Lamm wurde gerade vertilgt, für den zarten Eingeweidekram griffen wir zu den Esssticks. Wir schlürften den Darm wie Ramen-Nudeln und währenddessen versank ich in ihren bluttriefenden Augen. Das Problem war, ihr Alter. Samael, ein Draufgänger wie aus dem Bilderbuch, aber wehe man streichelt seine Kleine, dann wird deine Seele an Cerberus verfüttert, den verfluchten Tölen, und deinem Kopf das Denken abgewöhnt. Aber an dem Abend war mir das scheißegal. Was der Alte nicht checkt, bleibt unentdeckt.

Aber natürlich ging’s genau so ab, wie’s abgehen musste. Ich war kurz davor, den Jackpot zu knacken, da tauchte der Alte wie aus dem Nichts auf. Seine Augen loderten wie zwei Einweggrills, angereichert mit extra scharfer Hölle-Grillsoße. Er war eine wandelnde Vulkanexplosion, jede Ader auf seiner Stirn pulsierend wie eine Zeitzünderbombe. Sein Gesicht war ein lebendiges Inferno, ein Vorzeigeblatt aus dem Bilderbuch des Zorns, die Adern an seinem Hals waren dicker als Gartenschläuche.

Er sah mich an und ich schwöre, ich konnte das wütende Donnergrollen hören, das sich in seiner Kehle zusammenbraute. Es war ein Geräusch, das in die Knochen drang, ein tiefer Bass, der die Luft zum Vibrieren brachte und das Blut in meinen Adern gefrieren ließ. Der Alte war bereit für den Showdown, und ich, verdammt noch mal, ich war im Scheißhaus des Jenseits gelandet.

Ich versuchte noch, mir ‚nen Ausweg herbeizulabern, aber die Situation sprach Bände. Samael fuchtelte mit seinen Geierkrallen in der Luft rum und sprach irgendwas von "Realitätsverzerrung", da war mir klar, ich musste agieren und nicht reagieren.

Bin kein Hexer, nie für’s Mystische gewesen, auch dieses Flammenrumwedeln war nicht mein Ding, ich war eher der Typ fürs grobe, hatte Stierkräfte und war verdammt gut im Einstecken. Also hab ich dem Alten einen Uppercut verpasst, dass ihm die Reißzähne klapperten. Danach gabs zwei Seitwärtshaken und als er schon wackelte, hab ich ihm mit voller Power meine Hufe ins Gemächt gerammt. Lilith war schockiert. Aber hier ging’s um mein Leben. So beschissen es auch war, aufgeben stand nicht auf dem Plan.

Er hielt sich die Ziegeneuter und jaulte wie ein kastrierter Werwolf.


Und ich gab Hackengas.

Nur wohin? In der Hölle konnte ich nicht mehr bleiben. Wenn Samael mich zu fassen kriegte, war ich weg vom Fenster. Als ich an der Sündenfolterkammer vorbeirannte, kam mir die rettende Idee. Die Welt der Menschen. Ich musste in irgendeinen Menschen einfahren und erst mal untertauchen.

Ich kritzelte flott ‚n Pentagramm in die Luft und zack, weg war ich. Ich fühlte mich körperlos, als ich auf die Erdkugel zuraste. Jetzt musste ich nur noch ‚n geeignetes Opfer ausfindig machen. ‚n richtiges Scheißkerlchen. Ich schoss durch die Erdschichten und knallte aus einem Gullideckel raus. Direkt vor einer Kirche. Verdammt, dachte ich, das ist der letzte Ort, an dem ich landen wollte. Aber dann sah ich ‚nen Typen auf ‚ner Harley, tätowiert bis zum Kinn, Oberarme wie Omas Rouladen, Kippe im Gesicht und dabei zog er gerade ‚nem Kerl eins über die Rübe, der sich langsam in ein blau-grünes Monster verwandelte. Jau, dachte ich mir, der ist genau mein Ding.

Ich visier seinen Körper an, spüre schon die bösartige Aura, die er verströmte und schoss wie eine Rakete in seine Richtung.

Und wieder schlug mir mein Scheißpech ne Breitseite. Der Vollidiot sprang von der Harley, um seinem Opfer an die Kehle zu gehen, ich sause knapp vorbei und BAMM, steckte ich in einem Körper. Leider nicht in seinem.

Ich gucke an mir runter und da sah ich es, ein Kreuz. Fuck, man, ein Kreuz. Nen Stehkragen, steifer als der Riemen vom Chef, und dann dieser bestialische Gestank. Weihrauch. Ich musste würgen. Ich steckte in einem Pfaffen. Schlimmer hätte es nicht kommen können. Ich wär lieber in eine Knoblauchzehe eingefahren.

Der Typ wollte wohl gerade den Streit schlichten. Ich fragte mich womit? Wollte er das tätowierte Monster in die Flucht beten?

Der Rockerstier bemerkte mich und ging auf mich zu. „Was willst du, Kuttenträger? Zieh ab, sonst stecke ich dir deinen Rosenkranz so weit unten rein, dass er oben wieder rauskommt.“

Mann, war der Kerl sympathisch. Den hätte ich gerne als Körper gehabt. Aber hätte, hätte, Fahrradkette. Der Rockere wollte meinem Pfaffen ans Leder. Damit wäre ich auch erledigt. Das konnte ich nicht zulassen.

Ich wühlte in der Kutte von dem Pfaffen herum, und fand ne Broschüre. Ich schnell raufgeguckt: „Bete dich gesund. Der Herr beschütze dich. Das Bet-Bootcamp.“
Ich zeigte das Teil dem Stiernacken.
„Zügele deine Wut, Gewalt ist keine Lösung. Unser Betcamp kann dich reinigen, und dich von deinen Sünden befreien. Wir werden dich nicht aufgeben, auch du gehörst zur Herde.“

Der Kerl starrte mich an, dann das Heftchen, dann wieder mich. Ein Lachen rollte aus seiner Kehle, hart und rau wie Schotter unter Stahlstiefeln. „Weißt du was, du Freak?“, grunzte er, die Worte rauchig und schwer vom Whisky und Kippenqualm. „Ich hab schon schlechtere Scherze gehört. Vielleicht sollte ich mal vorbeischauen, um deiner Kauleiste die letzte Salbung zu verpassen.“

Sein Grinsen war breit und hässlich, seine Zähne so gelb wie Straßenmarkierungen.

Ich gab ihm mein heuchlerischstes Lächeln und reichte ihm die Hand. „Wir freuen uns auf dich, mein Sohn“, sagte ich mit der salbungsvollsten Stimme, die ich aufbringen konnte. Er spuckte in seine Pranke und schüttelte meine. Sein Griff war hart genug, um Knochen zu zerquetschen, aber ich hielt stand. Ich hatte keine Wahl.

Denn während ich dort stand und mit einem durchgeknallten Rocker über Erlösung palaverte, konnte ich in der Ferne die Hölle hören. Sie kochte und grollte, und ich wusste, dass Samael bald da sein würde. Es war nur eine Frage der Zeit.

Als der Rockerpitbull abzischte, hockte ich mich ins Gebüsch und reiherte mir die Eingeweide aus dem nicht vorhandenen Leib.

Ich wollte mir gerade den heiligen Fummel vom Körper zerren, als ‚n Autokorso aufkreuzte. Na klar, die legten natürlich direkt vor diesem verfluchten Gotteshaus ‚nen Boxenstopp ein.

„Pater Maslanek, wir sind ‚n Tick früh dran“, zirpte ‚ne Frauenstimme. Also, Maslanek war mein Name.

Die Alte mit der Piepsstimme kam auf mich zugerannt und packte mir in die Hand. Die hatte nun die Rockerrotze an den Fingern, so sollte es sein.

„Sind Sie schon ganz hibbelig wegen der Taufe?“

Taufe, dachte ich, holy shit, nicht gut. Für mich war das Weihwasser wie Napalm.

„Aber natürlich, meine Liebe“, quäkte ich mit der besten Pfaffenstimme, die ich imitieren konnte. „Der heilige Akt der Wiedergeburt durch Wasser und Geist ist stets ein Grund zur Freude.“ Ich lächelte breit und versuchte, nicht daran zu denken, wie meine Haut bei Berührung mit dem Weihwasser blubbern und zischen würde.

Sie quiekte vor Freude und lief zurück zum Auto. Ich nahm einen tiefen Atemzug. Okay, ich musste einen Plan machen. Eine Taufe durchführen, ohne in Kontakt mit dem Weihwasser zu kommen.

Scheiße. Messwein reinplätschern? Das würde das Bälglein nur blau machen, außerdem ist der Schlonz knallrot. Steht nicht zur Debatte. Mini-Mönche? Hab ich sowas? Ich schoss in die Kirche, und mein Pelz fing schon an zu kokeln, kaum dass ich den verfluchten Himmelsbunker betreten hatte. Ich brüllte wie ein Löwe auf Speed: „Messdiener! Raus aus den Puschen, Taufe ist am Start.“ Nix. Da war Stille. Alter, wie konnte einem nur so ein Pechhäufchen auf die Füße fallen?

Auf dem Fenstersims lagerte eine Sprühflasche. Könnte klappen. Abstand halten und das Bälglein mit der Sprühflasche besudeln. Aber ich musste inkognito bleiben, sonst würde Samael meinen Dämonen-Eierkorb grillen. Also blieb mir nur eins: das Bälglein an den Stelzen packen und von oben kurz in die Wanne tauchen, ohne dass ich mit dem Giftcocktail in Berührung kam.

Mehr Denksekunden gab’s nicht. Schon trudelte die Meute ein. Da traf mich die nächste Befürchtung: Musste da nicht immer einer an der Orgel klimpern? Aber die Orgelbänke sahen aus wie meine Schnapsflaschen, leer.

Alter, was für ein Scheißtag.

„Spielen Sie wieder etwas auf der Geige, Pater Maslanek?“, krächzte so eine Runzelratte in der letzten Reihe.

Ah! Gut zu wissen, ich konnte fiedeln.

„Sicher, ich spiel‘ auf der göttlichen Fiedel die Melodie des Herrn.“

Sie guckte verwirrt.

Ich tigerte in den Pfaffenbunker. Kreuze wohin man sah, ich zuckte wie ‚n Stromschlagopfer. Dann erblickte ich die Fiedel.

Abgegriffen und ab nach draußen.

Die Schäfchen hockten bereits in den Pritschen und glotzten mich an, als wenn ich die Wiedergeburt von Elvis Presley wäre.

Oh, heiliger Scheißdreck. Ich muss ja ‚ne Predigt abfeuern. Ich hatte null Plan, wie das gehen sollte. Mein Wortschatz bestand aus Höllenflüchen, Morddrohungen und ich konnte die Tonleiter in Moll rülpsen. Das würde nicht langen.

Improvisation war angesagt.

„Schön, dass ihr alle da seid. Wie heißt der süße Wurm, der heute in den heiligen Pool getaucht wird?“, fragte ich mit honigsüßer Stimme.

„Das wissen sie doch. Gabriel.“

Was nun? Was sagte man jetzt als Pfaffe?

„Amen, Brüder und Schwestern“, rief ich und stemmte die Geige an mein Kinn. Und dann... ließ ich es krachen.

Ich merkte erst jetzt, dass ich einen Zopf hatte. Ich löste mein Haargummi und dann ließ ich die Friese rotieren, Headbanging deluxe.

Die ersten Töne, die ich aus dem Ding herausquetschte, klangen wie ein quäkender Frosch auf Helium. Die geschockten Blicke der Schäfchen waren unbezahlbar. Dann kamen sie, die Töne. Schrill, dissonant, manchmal kreischend und mein rotierte. Endlich etwas, dass ich an diesem Pfaffenkörper geil fand.

Ein kleiner Junge in der ersten Reihe hielt sich die Ohren zu, aber ich spielte weiter, immer wilder, immer lauter. Ich war im Flow.

Das war meine Bühne, meine eigene verfickte Show in einer Gotteshütte. Kniegleitend, wie Hendrix auf ‚nem LSD-Trip, lies ich die Geige schreien, als ob sie von den verlorenen Seelen der Unterwelt besessen wär.

Ich sprang auf, schwenkte das Teufelsinstrument wie ‚ne Kriegsaxt und meine Saiten jaulten auf wie eine Banshee. Alles um mich herum schien stillzustehen, als würden Zeit und Raum von meinen Akkorden beherrscht werden.
Ich gab alles. Aus der Fiedel dröhnte der Sound. Rauh, rissig und martialisch. Eine melodische Atombombe.
Brüllend machte ich ‚nen Sprung, stieg mit einem Fuß auf die Altarstufe und meine Kutte wirbelte um mich rum, als ich den Bogen wie ‚ne Höllenpeitsche über die Saiten jagte.
Dann schleuderte ich die Geige gegen den Altar. Holzsplitter flogen, die Saiten schnalzten, mein Gebrüll hallte durch die Kirche, während mein Speichel wie ein Geschwader an Insekten durch die Luft flog.

Ich griff zur Messweinflasche und kippte den Inhalt über meine Zottelmatte.

„Yeah, für Gabriel!“, schrie ich und kletterte auf den Altar. Dann sprang ich. Stage Diving.

Keine Reaktion. Die kannten das wohl nicht. Ich knallte auf den Boden und mir flog ein Zahn aus dem Maul.

Einige Gesichter schauten schockiert, ein paar Jugendliche in der letzten Reihe zogen Dosenbier auf und johlten. Auf den Shirts standen: Thy Art is Murder und Heaven Shall Burn.

Wenn ich wirklich hätte segnen können, die hätten es verdient. Ich zeigte ihnen mit ‚nem Kopfnicken, dass sie das flüssige Gold ruhig auf Ex runterkippen sollten.

Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und blickte in das Meer aus Gesichtern. „Zeit fürs nasse Ritual, Leute. Zeigen wir dem Kleinen, wie man den Highway zum Heiland nimmt!“

Die Alte vom Täufling, ‚ne heiße Fegerin in den besten Jahren, hatte Tränen in den Klüsen. Ihr Gesicht war gerührt wie Rührei.

„Pater Maslanek, Sie sind der schneidigste Rüde, den diese Kirche je gesehen hat!“

Wenn man mich lobhudelt, dann neigt mein innerer Dämon dazu, ein bisschen Schwefel rauszulassen. Das ist so ‚ne Macke von uns Höllenbewohnern. Im Handumdrehen war die ganze Betbude von meinen gelben Dunst eingenebelt.

Nachdem ich den Knirps ins Heilwasser getaucht hatte, ging’s raus vor die Kirche für die übliche Fotosession.

Und dann trat die verflixt heiße Braut auf den Plan. „Pater Maslanek, hätten sie vielleicht Bock, mit uns abzuhängen?“

Heaven-shall-burn und Thy-Art-is-murder zeigten mit Daumen hoch ihre Zustimmung.

Das Ding war, es war heikel. Wenn ich einen über den Durst trank, neigte ich dazu, aufzufallen und das könnte Samael auf meine Fährte bringen. Aber in dem Moment war mir das Wurscht. Mein Gehirn war mal wieder im Hoden.

Ich nickte.

Das war ein Fehler.

Es war 3 Uhr nachts, ich wirbelte mit einer üppig bestückten Rakete auf der Theke, wir klatschten die Whiskeypullen zusammen. Auf dem Tresen zeichneten sich Kokslinien ab, die länger waren als die Warteschlangen vor einem Heaven-Shall-Burn-Konzert. Auf dem Billardtisch wurde hemmungslos geknattert, die Schlüpfer hingen am Kleiderständer. Zwei Männer hatten sich aus dem Angestelltenzimmer einen Darkroom hergerichtet und da ging es auch kräftig zur Sache. Zwei Bullen, die wegen Ruhestörung den Spielverderber gemimt hatten, waren an ‚ner Laterne angepflockt. Der Koch, total mit magic Mushrooms zugeballert, ließ auf Töpfen und Pfannen ein Drum-Solo ab, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, während die völlig zugekiffte Putzfrau Luftgitarre schredderte. Soweit war alles für mich völlig normal.

Bis die Schergen von Samael auftauchten. Er hatte zwei Medusen geschickt, die ich erst als solche erkannt hatte, als der Koch auf ihren gigantischen Turbanen eine Trommelsession starten wollte. Sie lüfteten die Kopfbedeckung und zack, da waren sie: Schlangenhaare, glitschig wie Aalhaut, giftgrün und mit der Kraft verflucht, jeden zu versteinern, der sie anblickte.

Alle Anwesenden kreischten, es brach Panik aus. Was sollte ich mit diesem Klapperkörper gegen Medusen ausrichten? Ich brauchte Hilfe. Und es gab nur einen Dämon, der mir zur Seite stehen würde. Lilith, die Dark Queen der Vampire. Meine Sexbombe. Das einzige, was Samael jemals gut gemacht hatte.

Ich schloss meine Augen, konzentrierte mich und flüsterte ihren Namen, lauter und lauter, bis es schließlich durch die ganze Bar hallte: „Lilith! Lilith! Komm und hilf mir, Babe!“.

Die Bude wurde dunkler, die Luft nahm an Dicke zu, wurde klebrig, süß und einnehmend. Ein leises Schnurren war zu hören, das mit jedem Moment lauter wurde und schließlich in einem Kreischen gipfelte. Ein eisiger Wind fegte durch die Bar, und dann stand sie da: Lilith. Und ein ganzes Rudel infernalischer Blutsauger schwebte neben ihr. Sie kamen prachtvoll daher, ließen keinen Zweifel daran, wer hier die Spitze der Nahrungskette für sich reklamierte. Ihre Bewegungen waren raubtierhaft, majestätisch; sie offenbarten keine Hektik, nur die reine Überheblichkeit ihrer Art. Sie standen da wie Monstertürme, ihre Klauen länger als Heugabeln. Mit ihrer gewaltigen Präsenz und Spannweite füllten sie den Raum. Legenden des Unterweltreichs, angeführt von der heißesten Hexe der Hölle.

Mit ihrem teuflischen Grinsen und ihren sündhaften Augen, die genug Funken sprühten, um jede Seele anzuzünden, deutete sie auf die Medusen und lachte, ein Lachen, das Gletscher schmelzen und Männer heulen lassen konnte. Die Vampire stürzten sich auf die Medusen, schlugen mit ihren mächtigen Flügeln und stießen ihre Klauen in die versteinerten Körper, ließen den Boden beben und die Medusen zerspringen.
Lilith wandte sich mir zu, und mit einer Bewegung, die eleganter war als ein Schwerttanz, schnippte sie mit den Fingern. Die Bar verwandelte sich zurück in die lärmende, stinkende Höhle, die sie vorher war. Nur die Fragmente der Medusen erinnerten an das infernale Spektakel, das sich hier gerade abgespielt hatte.

Sie schwebte auf mich zu, ihr Lächeln breit, und schenkte mir ein Augenzwinkern. „Na, Süßer, hast du schon wieder ‚ne schöne Bescherung angerichtet?“ Mit einer weiteren eleganten Bewegung ihres Fingers verschwanden sie und ihr Vampirrudel, ließen mich allein in der Bar mit den Trümmern zweier Medusen als Erinnerung an eine Nacht, die selbst den Himmel in Schande stürzen könnte.

„Lilith“, nuschelte ich, und rührte mit dem Strohhalm in meinem Cocktail herum. „Babe, du bist ein echter Hammer.“

Sie grinste breit, entriss mir den Strohhalm, machte die Pulverspuren auf dem Tresen platt und löste sich in einer Wolke aus Schwefel auf. Die Blutsauger verschwanden mit ihr.

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich neben einem der Männer aus dem Darkroom. Mir brummte der Schädel und der Hintern tat mir weh, als ob ich auf ‚nem Stacheldrahtzaun gerutscht wäre.
Ich musste schleunigst aus dem Loch hier raus. Nicht wegen den Jungs, die vielleicht noch ‚nen Nachschlag wollten, nein, Samael war jetzt mein Problem. Medusen in die Menschenwelt schicken, das war schon eine verdammt harte Nummer. Da durfte ich nicht lange fackeln.

Dieser Pfarrerkörper, der mochte vielleicht rückseitig eine gewissen Anziehungskraft ausüben, was das Brennen im Pobereich zu bestätigen schien, aber ansonsten taugte der zu nichts.

Ich war mich nicht mehr sicher, ob die Folter von Samael wirklich so viel schlimmer gewesen wäre als die Gefangenschaft in diesem Gurkenkörper.

Dafür sprach auch, dass ich gerade als ich mit gepackten Koffern abhauen wollte, wieder von einer ganzen Meute von Menschen aufgehalten wurde.

„Pater Maslanek!“, rief ein der Jugend leicht entrückter Sandalettenträger. „Das Betcamp, wir freuen uns so!“.

Verdammt! Nimmt diese Jauche denn nie ein Ende? Das Projekt, das ich dem Rockerkerl gezeigt hatte. Nein, das durfte nicht sein, das war einfach nicht drin. Sollte ich etwa der Leiter dieses gottverdammten Bet-Bootcamps sein?

Ich schaute auf den flatternden Flyer in der Hand des Typen: „Gemeinschaftszeltlager für inneren Frieden - Leitung: Pater Maslanek“. Die blumigen Ornamente und der verspielte Comic-Engel auf der Vorderseite. Wie ein Spott auf die Hölle, in der er gerade steckte.
„Oh, Satan“, stöhnte ich und kratzte mich am Kopf. Das ging jetzt schon wieder los. Das Camp. Beten, singen, vielleicht noch im Kreis tanzen und „Kumbaya“ schmettern. Das war zu viel.
Ich sah mich um. Die Gesichter waren aufgeregt, erwartungsvoll.

Da musste ich mir wieder mal was einfallen lassen. Balzok! Der Dämonenwärter für die Sündenfolterkammer. Dort wurden Serienmörder, Diktatoren, Bombenleger und ähnlich liebenswerte Gestalten an Streckbänken und eisernen Jungfrauen bearbeitet. Balzok sollte mir Ted Bundy, Stalin und Fritz Hamann ausleihen.

Ich schrieb schnell eine Nachricht auf meinem infernalischen Smartphone: „Balzok, alter Schmerzmeister, brauch einen Gefallen. Schick mir Ted, Joe und Fritz, um bei einem Bet-Bootcamp hier oben auszuhelfen. Deal?“

Sofort kam eine Antwort: „Klar, Digga. Aber du schuldest mir einen.“

Okay, damit konnte ich leben. Ich ging zu dem Mann, der mich vorhin angesprochen hatte. „Alles in Ordnung, Bet-Buddy. Das Bet-Bootcamp wird der Hammer. Wir haben ein paar ganz besondere Gäste.“

In diesem Moment fühlte ich mich wieder wie ein Dämon, endlich wieder böse. Und das Gefühl war herrlich. Er konnte es kaum erwarten, zu sehen, wie die anderen auf meine Überraschung reagieren würden.

Der Tag begann, und es wurde schnell klar, dass das Camp anders war als das, was die Teilnehmer erwartet hatten. Da war Fritz, der mit seiner Axt wie besessen um das Lagerfeuer herum tanzte, während er den Holzstapel zu Hackgut verarbeitete. Stalin marschierte durch das Camp, brüllte Befehle und schrie nach einem Telefon, um Putin zu erreichen. Und Bundy ... Nun, Bundy war ein Charmeur. Er flirtete mit den jungen Frauen und machte den älteren Damen Komplimente.

Ich konnte nicht anders, ich fand das Ganze zum Schreien komisch. Die Leute sahen aus, als hätten sie einen Geist gesehen. Immerhin, sie beteten mehr denn je, flehten um göttlichen Beistand und einige fingen an, Weihwasser in sich reinzukippen wie ich Schnaps

Abends, als wir um das Lagerfeuer herum saßen und sangen, fand ich es noch schwerer, mein Lachen zu unterdrücken. Bundy spielte die Gitarre und sang Balladen, die eindeutig nicht aus der Bibel stammten. Stalin hielt eine flammende Rede über den Sieg des Proletariats, und Fritz war gerade dabei, das letzte Stück Holz zu zerteilen. Dabei schielte er immer auf das Bein einer älteren Dame.

In diesem Moment war mir klar, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Klar, ich steckte in einem Pfaffenkörper fest, und ja, ich war auf der Flucht vor Samael, aber das hier ... das hier war der Himmel. Ich würde noch eine Weile im Camp bleiben und diese wahnsinnige Show genießen.

Es war Zeit für mich, meinen inneren Dämon zu umarmen und die Zeit zu genießen, die mir blieb.

Am nächsten Tag erzählte mir Bundy, dass alle Damen plötzlich abgereist seien und Fritze packte irgendwelche Fleischpakete in Tüten ein. Stalin hat ein Bauernhaus eingenommen und ließ die ehemaligen Eigentümer auf ihrem eigenen Hof marschieren.

„Na dann“, sagte ich und hob mein Bier in die Höhe. „Auf die Anarchie, auf das Chaos und auf das absolute Vergnügen, das wir hier haben.“

Die anderen stießen mit mir an und wir tranken. In diesem Moment wusste ich, dass ich keine Angst mehr vor Samael oder der Hölle hatte. Ich war ein Dämon, ein Teil des Chaos, und ich würde meinen Weg gehen, egal wohin er mich führte.

Dann begannen sie, die Glitches.

Die Welt um mich herum begann zu flackern. Farben wurden zu verwaschenen, formlosen Flecken. Meine Freunde, die eben noch neben mir standen, wurden von einem Moment zum anderen durch transparente Silhouetten ersetzt, durch die ich die dahinter liegende Landschaft sehen konnte.

Ich versuchte, aufzustehen, aber meine Beine gehorchten mir nicht. Es fühlte sich an, als würde ich durch tiefen Schlamm waten. Meine Stimme, die eben noch kräftig und sicher war, verkümmerte zu einem flüsternden Hauch.

„Eine virtuelle Realität“, sagte Ted Bundy, der davon eigentlich nichts wissen konnte. „Du bist in einer virtuellen Realität gefangen.“

Und dann wurde mir alles klar. Die Stimmen, die Glitches, die seltsamen Ereignisse - es war alles Teil einer Simulation.

Und mir wurde auf einen Schlag klar, wer sie erschaffen hatte.

Samael.

Und die Moral von Geschicht, befummel bloß die Lilith nicht!
 
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Bo-ehd

Mitglied
Hallo WackyWorld,
ich kann mich an deinen Texten richtig ergötzen. Obwohl ich überhaupt nicht auf diesem Trip bin, reißen mich deine Geschichten regelrecht vom Hocker. Deine Plots sind gut durchdacht, du baust Spannung auf und endest mit einer Pointe. Genau so soll es sein. Leider ist deine Thematik nicht jedermanns Sache; ich jedenfalls lese gern mal was, das völlig gegensätzlich zu meinen eigenen Geschichten ist.
Ich erwähnte es bereits an anderer Stelle: Dein Vokabular, die Bilder, die du mit deiner bisweilen derben Sprache schaffst, der schwarze Humor - das alles ist in diesem Forum einmalig. Bitte mehr davon, die Lilith schwirrt mir im Kopf herum.
Gruß
Bo-ehd
 

WackyWorld

Mitglied
Vielen lieben Dank, Bo-ehd! Das freut mich sehr, dass ich statt auf dem Index doch in so mancherlei "Finde-ich-gut"-Schublade lande ;) Den schwarzen Humor habe ich von meinem Vater, der mit knapp 80 mal an einem Sanatorium vorbeiging, das an ein Solarium grenzte und knochentrocken zu mir meinte "Ah, ich verstehe, das Solarium ist das Probeliegen".
 



 
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