Begegnungen in Südamerika

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Peru

Begegnung auf Machu Picchu


Ich hatte Teresa die Hand gereicht, um ihr auf eine hohe Stufe hinaufzuhelfen, und ihre Hand nicht mehr losgelassen. Nun stiegen wir beide hoch auf diesen pyramidenförmigen Hügel, auf dem sich Freunde, Verliebte und Paare treffen. Es galt, eine kleine Granitsäule gemeinsam zu berühren, die auf einem kunstvoll behauenen Steinblock herausragt. Dieser Stein, in der Inka-Sprache Quechua „Intihuatana“ genannt, was bedeutet „der Ort, an dem die Sonne gefesselt ist“, diente vermutlich als astronomisches Instrument zur Jahreszeitenabgrenzung. Eine der vielen Mythen um Machu Picchu verheißt bei der gemeinsamen Berührung der Spitze ewige Liebe oder zumindest ewige Freundschaft. Teresa kannte diese alte Sage, sie hatte mir die Geschichte erzählt, und nun waren wir beide neugierig darauf sie auszuprobieren. So betraten wir den Gipfel der Pyramide und reihten uns in eine Gruppe von Paaren um den Steinblock ein, die mit der gleichen Absicht hergekommen waren. Dann war es endlich so weit, die kleine Granitsäule war in Reichweite. Ich berührte den Stein mit meiner linken Hand, meine Rechte ließ ihre Hand los und umfasste ihre Taille. Teresa legte ihre rechte Hand auf den Stein und fuhr mit der Linken über meinen Rücken. Sie konnte ein leichtes Zittern ihrer Hand nicht unterdrücken. Würde ich sie jetzt küssen? Dann spürte sie meine Lippen auf ihrer Stirn und hielt den Atem an. Aber es blieb bei dieser leichten Liebkosung. Ich zog sie noch kurz ein wenig näher an mich heran und ließ sie dann los, um nun wieder ihre Hand zu ergreifen.

Wir hatten es also getan. Würde dieser kurze Augenblick reichen um den Mythos von Machu Picchu auf uns einfließen und die Verheißung wahr werden zu lassen? Wir kannten uns doch erst seit gut 2 Stunden! Teresa, ein hübsches 18jähriges Mädchen, war mit ihrer Tante Iris auf ihrer ersten großen Reise unterwegs. Ihre dichten schulterlangen schwarzen Haare und ihre schlanke Figur ließen sie eher noch jünger erscheinen. Sie trug ein langärmeliges weißes Hemd, vorn mit einer großen Rosenstickerei verziert, über ihren Jeans. Ein leichter roter Poncho lag über ihrer Handtasche bereit zum Schutz vor der kalten Luft der Anden.

Der Zug von Cusco nach Aguas Calientes ist die einzige Verbindung, die Touristen und Einheimische von Cusco aus den Rio Urobamba entlang an den Fuß des Berges von Machu Picchu bringt. Die Straße endet kurz hinter dem Ort Ollantaytambo, wo sich auch gut erhaltene Reste einer Siedlung der Inka befinden. Alternativ kann man Machu Picchu auch über eine dreitägige und recht mühsame Wanderung auf dem Inka-Trail erreichen, was von manchen abenteuerlustigen Touristen bevorzugt wird.
In zwei Abteilen des Zuges saßen Teresa und ihre Tante Iris, die jüngste Schwester ihres Vaters, sowie vier Freundinnen der Tante. Einen Gangplatz mitten in dieser Gruppe hatte man mir zugeteilt. Neben mir saß also eine junge Frau, die sich mit den anderen aus der Gruppe unterhielt. Wie die meisten Touristen schaute ich aus dem Fenster, ohne auf die Unterhaltung im Abteil zu achten, von der ich ohnehin nicht allzu viel verstand. Aber meine Nachbarin war neugierig, sie hatte immer mal wieder verstohlen auf mich hinübergeschaut. Ich war damals gerade 30 Jahre alt, trug schwarze Jeans, eine braune Wildlederjacke und abgewetzte Sportschuhe und hatte lediglich einen Einkaufsbeutel aus Leinen vor mich gestellt. Darin erspähte sie eine Kamera und ein Buch, offenbar ein Reiseführer. Ein Tourist also, das war ihr klar, ein Gringo wie die Peruaner sagen, wahrscheinlich aus den USA? Schließlich fasste sie sich ein Herz und sprach mich an, ich verstand Ihre Frage allerdings nicht. So bat sie Teresa um Unterstützung und Übersetzung, und Teresa setzte sich zu uns:

Where do you come from?
Germany. And you?
I am Peruvian.
Ich hätte es mir eigentlich auch denken können.
What are you doing in Germany?“
I am student at university, medicine.
Students must be rich in Germany, traveling to South America?

Ich war nicht reich, hatte mein Geld für den Billigflug zusammengekratzt und saß nun mit ziemlich leeren Taschen in einem Zug mitten in Südamerika. In diesem Moment kam mir das selbst recht abenteuerlich vor. Aber die Basis für eine längere Unterhaltung für den Rest der Zugfahrt war gegeben. Die ganze Gruppe stellte Fragen über Fragen, sie wollten alles über mich wissen, und Teresa war mit den gegenseitigen Übersetzungen gut beschäftigt. Zum Missvergnügen meiner Sitznachbarin stand nun Teresa und nicht sie mit mir im Mittelpunkt des weiteren Geschehens, sie hat sich später darüber bei Teresa beschwert.

Von der Zugstation Aguas Calientes auf der Höhe des Rio Urobamba fährt eine kleine Armada von Minibussen die Besucher über eine schmale Privatstraße mit zahlreichen Serpentinen bis hoch auf den Berg zum Eingang der Inka-Stadt Machu Picchu. Kluge Touristen übernachten preiswert in Aguas Calientes, oder teuer in einer Unterkunft nahe dem Eingang von Machu Picchu, und gelangen so vor dem Eintreffen der Touristenzüge in die alte Inka-Stadt, um dort den Sonnenaufgang zu erleben. Das gelingt allerdings nicht immer, da der Berg oft auch von Wolken verhangen ist. Aber allein die gewaltige Anlage in ihrer Einsamkeit, ohne den Touristenstrom, zu erleben, lohnt jede Mühe, selbst im Nebel.
Für Tante Iris und ihre Freundinnen war es zwar wie für alle Peruaner fast wie eine heilige Pflicht, einmal im Leben Machu Picchu zu besuchen – besonders kletterfreudig waren sie allerdings nicht. In Machu Picchu gibt es aber erhebliche Steigungen und unendlich viele Treppen mit insgesamt über 3.000 Stufen. So war es für Teresa und mich ein Leichtes, uns von der Gruppe zu lösen und die alte Stadt zusammen auf eigene Faust zu erkunden. Der Weg führte uns direkt auf die Pyramide der Freundschaft zum Intihuatana-Stein, an dem „die Sonne gefesselt ist“.

Die Reise nach Cusco

Teresa lebte zu dieser Zeit bei ihrer Tante Iris in Lima, wo sie für ihr Sprachstudium die Unifé, eine Universität nur für Frauen, besuchte. Eigentlich kam sie aus Chiclayo, wo auch ihre Familie lebte. Ihre Mutter hatte aber auf dieser Universität bestanden.
Von Chiclayo, der größten Stadt im Norden von Peru, pendelte Teresa in diesen Jahren jeweils zum Semesterbeginn der Universität mit dem Bus in die Hauptstadt Lima, eine 13stündige Reise auf der berühmten Panamericana-Straße, 800 Kilometer nach Süden. Die Panamericana führt von Alaska im Norden der USA bis nach Feuerland im Süden Chiles mit einer Unterbrechung zwischen Panama und Kolumbien, wo es keine Straßenverbindung gibt. In Peru ist sie die einzige durchgehende Nord-Süd-Verbindung auf einer Länge von 2.500 Kilometer. Auf weiten Strecken führt die Straße durch die Wüste entlang der Pazifikküste. Dabei tangiert sie die wesentlichen peruanischen Städte, die wie Oasen immer dort entstanden sind, wo ein Fluss aus dem Hochgebirge der Anden in den Pazifik strömt - Piura im Norden, dann Chiclayo, und auf dem Weg nach Lima werden noch Trujillo und Chimbote passiert. Weiter im Süden führt die Panamericana durch Arequipa und, kurz vor der Grenze nach Chile, auch durch die kleine Grenzstadt Tacna. Die hoch belastete Piste ist die wichtigste Verbindung im Lande für Lastwagen aller Art, Fernbusse, öffentlichen Regionalverkehr und private Fahrzeuge. Sie ist häufig defekt, was immer wieder zu Baustellen und Staus führt. Insbesondere in politisch angespannten Zeiten, und die sind in Peru nicht gerade selten, gibt es auf der Strecke auch zahlreiche Polizei- und Militärkontrollen.

Es gibt mehrere Gesellschaften in Peru, die Fernbusse betreiben. Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Haltestellen und Busbahnhöfe. Im Gegensatz zu den oft uralten und klapperigen Nahverkehrsbussen sind die Fernbusse meist in einem ganz ordentlichen Zustand und hinreichend komfortabel. Manche Gesellschaften bieten auch eine erste Klasse mit Liegesitzen und Verpflegung an. Auf langen Etappen ohne Haltestelle gibt es gelegentlich Pausen an Raststätten, die mit der Busgesellschaft Verträge haben. Peruaner lieben Fensterplätze im Bus, allerdings nicht um hinauszuschauen. Sie ziehen die Vorhänge zu, legen eine Jacke gegen das Fenster und ihren Kopf darauf und schlafen sofort ein, spätestens wenn der Bus zu rollen beginnt.
Auch für die Reise von Lima nach Cusco gibt es eine Busverbindung, die von mehreren Gesellschaften bedient wird. Sie führt über 1.100 Kilometer und dauert etwa 22 Stunden. Das wollten sich Tante Iris und ihre Freundinnen wohl doch nicht antun und gönnten der kleinen Reisegruppe stattdessen den gut einstündigen Flug. Die meisten Flüge von Lima nach Cusco gehen am frühen Morgen. Die wenigen Flüge, die nachmittags gehen, sind oft unpünktlich und werden auch häufig storniert. Das liegt an der besonderen Lage der Stadt Cusco, mitten im Gebirge der Anden auf etwa 3.400 Meter Höhe zwischen schneebedeckten Gipfeln. Tagsüber kann es in dem Talkessel recht warm werden, gelegentlich bis 30 Grad. Nachts ist es dagegen immer sehr kalt, oft auch frostig. Morgens ist der Himmel über Cusco meist klar, im Laufe des Tages ziehen dann oft Wolken auf, in die die Spitzen der umgebenden Berge eintauchen. Dazu kommt, dass der Anflug auf Cusco durch ein langes geschwungenes Tal zwischen den Berggipfeln hindurch führt von dem aus dann in einer engen Linkskurve die Landebahn erreicht wird. Dieser Anflug ist schon bei guter Sicht nicht ganz einfach, in Wolken nahezu unmöglich, da auch die üblichen Radar-Anflughilfen auf diesem komplizierten Flugweg nicht einsetzbar sind. Der Anflug auf Cusco ist eine Herausforderung für jeden Piloten.

Auch ich war mit dem Flugzeug nach Cusco gekommen und hatte bereits eine sehr lange Anreise hinter mir. Diese Reise sollte mir nach einem gerade abgeschlossenen Scheidungsverfahren etwas Ablenkung bringen und neue Perspektiven eröffnen. Der Flug mit der damaligen Billigfluglinie Sata, den ich nach einiger Sucherei gefunden hatte, wäre für mich fast ausgefallen, weil das bestellte Ticket (damals noch Papierticket) trotz mehrfacher Mahnung nicht eintraf. Es kam schließlich per Expressboten/Nachtzustellung am Abend vor meiner geplanten Abreise. Der Flug begann in Zürich und hatte auf dem Weg nach Lima Zwischenstationen in der Karibik und in Bogota, der Hauptstadt von Kolumbien. Damit war ich ab Zürich rund 16 Stunden unterwegs und erreichte Lima gegen 02:00 Uhr. Vor den Einreiseschaltern hatten sich beträchtliche Schlangen gebildet, die Formalitäten selbst waren dagegen unkompliziert. Der Beamte sprach sogar Englisch, was, wie ich kurz darauf lernen sollte, in Lima keineswegs erwartet werden durfte. Als ich dann glücklich meine schwarze Umhängetasche auf dem Gepäckband fand, war es schon 03:00 Uhr. So betrat ich dann die Flughafenhalle, praktisch ohne ein Wort Spanisch zu sprechen oder zu verstehen. Sofort war ich von einer Horde wahrscheinlich illegaler Taxifahrer umringt, die versuchten nach meiner Umhängetasche zu greifen, um mich für ihr Taxi einzufangen. Das konnte Ich erfolgreich abwehren und beobachtete dabei, dass sie andere Passagiere nicht zu den in einer Reihe bereitstehenden Taxen führten, sondern irgendwo auf den dahinterliegenden Parkplatz. Nachdem sie bei mir nicht landen konnten und sich die Situation einigermaßen beruhigt hatte, war meine Suche nach einem offiziellen Taxi dann auch erfolgreich, und ich ließ mich zur Plaza San Martin im alten Zentrum von Lima fahren. In meinem Reiseführer hatte ich gelesen, dass sich in der Umgebung dieses Platzes viele und teils auch preisgünstige Hotels und Hostales befinden. Ich fand dann ein einfaches Hotel und es gelang mir auch, dem Rezeptionisten klarzumachen, dass ich ein Zimmer und ein Bier benötigte. Damit lernte ich dann von ihm gleich meine ersten spanischen Redewendungen. Ich blieb noch zwei Tage in Lima und lernte auch, wie man in einem Restaurant an ein Essen kommt. Aber dann wollte ich weiter nach Cusco.

Der Flug von Lima nach Cusco, ist nicht nur für den Piloten eine Herausforderung, sondern auch für die Passagiere. Lima liegt am Meer, also auf Meereshöhe, und eine gute Stunde später nimmt der Passagier auf einer Höhe von 3.300 Meter seine Koffer in Empfang. Das bekommt nicht jedem, und spätestens, wenn man sein Gepäck ein Stück getragen hat oder wenn der Weg ansteigt, wird für die meisten Ankommenden erst einmal die Luft knapp. Wenn die Beschwerden anhalten, spricht man von der Höhenkrankheit, die Peruaner nennen diese „Soroche“. Die dort übliche Therapie sind Kokablätter, die meist als Teeaufguss angeboten werden. Die positive Wirkung lässt nicht lange auf sich warten. Ich gönnte mir ein paar Tage der Akklimatisierung, um in Ruhe die schöne Stadt Cusco zu erforschen. Dann buchte ich den Zug nach Machu Picchu.

Cusco – die Inka-Hauptstadt

Na, hat er dich geküsst?“, fragte Tante Iris neugierig.
Nein“, antwortete Teresa und merkte sogleich, dass sie ein wenig rot wurde. Auch Tante Iris war dies nicht entgangen, aber sie ging nicht weiter darauf ein. Sie hatte es sich auf dem Bett ihres gemeinsamen Hotelzimmers im Zentrum von Cusco gemütlich gemacht, um nach der anstrengenden Wanderung durch Machu Picchu ein wenig die Füße hochzulegen. Teresa saß an dem kleinen Tisch des Zimmers. Für den Abend hatte man sich mit mir in der Stadt verabredet, um eine Pena zu besuchen und gegen die Kälte der Nacht Vino Caliente (heißen Rotwein) zu trinken und ein paar Tapas zu essen. Penas sind meist kleine, aber übervolle Kneipen, in denen Live-Musik peruanischer Folklore sowie Getränke und Tapas angeboten werden.

Cusco ist ein Highlight jeder Peru Reise, die Stadt fehlt in keinem pauschalen Reiseangebot. Die Hauptstadt des ehemaligen Inka-Reichs wurde der Sage nach vom ersten Inka, Manco Capac, dem Sohn der Sonne, gegründet. Wissenschaftler datieren die Gründung etwa auf das zwölfte Jahrhundert. Die Entwicklung der Stadt zu einem politischen und kulturellen Zentrum erfolgte dann etwa Anfang des 14. Jahrhunderts. Mehrere Generationen von Inkaherrschern regierten in der Folge von Cusco aus das sich rasch ausdehnende mächtige Inka-Reich. Am 15. November 1533 nahm der Spanier Francisco Pizarro die Stadt Cusco ein. Zuvor hatte er am 16. November 1532 den letzten Inka-Herrscher Atahualpa in der Schlacht von Cajamarca gefangengenommen und anschließend trotz der Beschaffung eines riesigen Lösegelds in Gold getötet.
Heute besticht Cusco durch seine Lage mitten im Gebirge der Anden und durch eine wunderschöne Altstadt mit Gebäuden aus der Kolonialzeit aber auch noch gut erhaltenen Grundmauern aus der Inkazeit. Einige Kirchen stehen auf den Fundamenten und Grundmauern der Inkas. Es war wohl damals ein besonderes Anliegen der Spanier, die bestehenden nicht-christlichen Tempel oder auch wichtige kulturelle oder politische Bauwerke abzureißen und auf deren Fundamenten katholische Kirchen zu errichten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Iglesia de Santo Domingo, wo das Fundament und die Grundmauern aus der Inka Zeit gut erhalten sind.
Das Zentrum der Stadt ist – wie in allen größeren Städten in Peru – die Plaza de Armas. Die Mitte des Platzes bildet ein schöner Park mit zahlreichen Bänken, in dessen Zentrum ein Brunnen, das Monumento del Inka, steht. Zwei große Kirchen dominieren den Platz, die gewaltige Kathedrale an der Ostseite und die kleinere, aber schönere Iglesia de la Compania de Jesus an der Südseite. Um den Platz herum befinden sich einige Hotels, eine Reihe von Restaurants, Reisebüros und Souvenirgeschäften. Und eben auch die eine oder andere Pena, die, wenn sie geöffnet sind, schon aufgrund ihrer Lautstärke leicht zu finden sind.

Wir hatten uns für 19:00 Uhr auf der Plaza de Armas verabredet. Ich war pünktlich da und begann meinen Rundgang um den Platz. Eine erste Runde, und von Teresa nichts zu sehen. Eine zweite Runde und eine dritte. Was ich zu dieser Zeit noch nicht wusste war, dass Pünktlichkeit in Peru eine andere Bedeutung hat als in Deutschland. Während wir unter Pünktlichkeit verstehen, dass eine verabredete Zeit möglichst genau eingehalten wird, wäre gerade das in Peru ziemlich unhöflich. Ist man zum Beispiel in ein Haus eingeladen, wäre es zur verabredeten Zeit gut möglich die Dame des Hauses noch unfrisiert und in Hauskleidung anzutreffen. Üblich ist etwa 1 Stunde später einzutreffen.
Und so kam es dann auch. Gegen 19:45 Uhr sah ich endlich Teresa, Tante Iris und ihre Freundinnen über den Platz spazieren. Nach einer freundlichen Begrüßung ging es dann auch gleich zur nächsten Pena, die in einer ruhigen Seitenstraße zum Plaza de Armas lag. Ruhig war es dann allerdings umso weniger, je näher wir dem Lokal kamen. Man hatte mir bei der Beschreibung des Lokals tatsächlich nicht zu viel versprochen. Eine große Traube von Menschen umringten die Tür, die meisten hielten einen Becher mit dampfender Flüssigkeit in der Hand, Vino Caliente. Musik und laute Unterhaltung erfüllten die gesamte Straße. Beim Eintreten wurde es dann sehr eng und noch viel lauter. Die Musikgruppe bestand aus fünf Musikern in traditionellen bunten Gewändern, zwei spielten die Quena, eine peruanische Panflöte in unterschiedlichen Größen, einer hatte eine kleine Flöte, einer spielte die Ukulele, die sie hier Charranga nennen und einer schließlich saß auf einer Kiste mit einer Membran, dem Cajon, auf dem der Rhythmus geschlagen wird. Gesungen haben abwechselnd alle fünf. Die typische Musik der Anden ist oft getragen und etwas melancholisch, hat aber auch viele sehr rhythmische Lieder, die in dieser Umgebung bevorzugt wurden. Die Verständigung war bei diesem Geräuschpegel nicht einfach, mit Unterstützung von Teresa gelang es mir aber, eine Runde Vino caliente zu ergattern. Dazu teilten wir uns ein paar Tapas. Nach spätestens 1 Stunde in diesem Gedränge und der Lautstärke ist man erschöpft und einfach froh, wieder auf der Straße zu stehen. Teresa und mir war es trotz der erschwerten Bedingungen gelungen, Adressen und Telefonnummern auszutauschen. Würde sich die Verheißung von Machu Picchu erfüllen und dieser Tag der Geburtstag einer lebenslangen Freundschaft werden? Mit diesem Gedanken im Kopf verabschiedeten wir uns erst einmal, nicht ohne gegenseitige Briefe anzukündigen - E-Mail und Smartphones waren noch nicht erfunden. Die ganze Gruppe stand dabei und hatte ihren Spaß mit uns. Ich bat sie dann noch, sich doch alle in einer Reihe für eine Abschiedsumarmung aufzustellen. So geschah es und es wurde viel gelacht.
Auf dem Weg zu meinem einfachen Hotel spazierte ich noch ein wenig durch die dunklen und teilweise recht einsamen Gassen, in einigen von denen noch die prächtigen Mauern der Inkas zu bewundern sind. Die großen Steinblöcke, aus denen diese Mauern bestehen, sind nicht etwa gleichförmig und quadratisch, sondern vielfältig mit teilweise bis zu sieben oder acht Randflächen. Sie wurden von den damaligen Handwerkern mit einfachen Werkzeugen so perfekt passend zugeschnitten, dass sie lückenlos und ohne Mörtel stabile Mauern bilden, die über die Jahrhunderte sogar Erdbeben widerstanden haben.

Arequipa – die schöne weiße Stadt

Bereits bei dieser ersten Peru-Reise wollte ich es keinesfalls versäumen, auch Arequipa zu sehen, laut vielen Reiseführern die schönste Stadt von Peru. Das bezieht sich insbesondere auf die wunderschöne große Plaza de Armas inmitten der Altstadt, die man sicher als den schönsten Platz in Peru bezeichnen kann. Auch fällt auf, dass die meisten Häusern im Stadtzentrum aus dem vulkanischen weißen Sillar-Stein gebaut sind, weswegen Arequipa auch als Ciudad blanca, die weiße Stadt, bezeichnet wird. Arequipa ist die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und gilt als das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Südens von Peru. Die Stadt mit etwa 55.000 Einwohnern liegt in einer gemäßigten Klimazone auf etwa 2.300 Meter Höhe. Das Wetter ist meist frühlingshaft. Die Einwohner, die Arequipenas, sind sehr stolz auf ihre Stadt und gelten im übrigen Peru als etwas hochnäsig und arrogant. Besonders stolz sind sie auf den nordöstlich unmittelbar neben der Stadt gelegenen aktiven Vulkan El Misti mit einer Höhe von immerhin 5.822 Meter. Der vielfach besungene und verehrte Vulkan mit seiner klassischen Kegelform und der schneebedeckten Spitze hatte seine letzte Eruption noch im Jahr 1985.
Es gibt jeden Tag zahlreiche Busse verschiedener Gesellschaften, die Lima und Arequipa verbinden. Die Reise von Lima nach Süden auf der Panamericana Sur dauert für die gut 1.000 Kilometer rund 17 Stunden. Sie passiert die Pazifik-Küstenorte Pisco und Ica, sowie die kleine Stadt Nazca, bekannt durch die langen geraden Streifen auf dem Felsgrund, deren Herkunft noch unklar ist. Darüber gibt es wilde Spekulationen, die dort Landebahnen von Außerirdischen vermuten. Schneller geht es nach Arequipa natürlich mit dem Flugzeug in gut eineinhalb Stunden.

Erstmals angekommen in Arequipa fand ich auf Empfehlung des South America Handbook, meines ständigen Reisebegleiters, das preisgünstige Hostal Jerusalen auf der gleichnamigen Straße, sechs Blocks von der Plaza de Armas entfernt. Mein erster Weg führte dann zur Plaza. Das Innere des Platzes ist begrünt mit einem Brunnen in der Mitte. Man kann auf den zahlreichen Bänken mit etwas Glück sogar einen Schattenplatz finden und das Leben um sich herum beobachten. Man sieht Paare und Pärchen, Eltern und Kinder, Geschäftsleute, Senioren, einige Händler für Getränke, Kaugummi und Lose sowie Schuhputzer. Auch einige Schreiber haben ihre Schreibmaschinen auf kleinen Tischen aufgebaut und bieten an, beim Erstellen von Schriftsätzen oder dem Ausfüllen von Formularen zu helfen. Die gesamte Nordseite des Platzes wird von der Front der gewaltigen Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert eingenommen. Schaut man rechts daran vorbei blickt man auf den schneebedeckten Krater des Vulkans El Misti, ein einzigartiges Panorama das wesentlich zum Charme dieses Platzes beiträgt. Besonders schön stellt sich dieses Panorama in der Abenddämmerung dar, wenn der Platz und die Kathedrale bereits beleuchtet sind, der weiße Gipfel des Berges aber noch in der Abendsonne liegt. Ideal ist der Blick von den Balkonen an den Seiten des Platzes, auf denen sich einige Cafés und Restaurants befinden. Die Kathedrale wurde im 19. Jahrhundert durch einen Brand und ein Erdbeben schwer beschädigt und musste teilweise wiederaufgebaut werden. Bei einer späteren Reise durfte ich in und vor dieser Kathedrale die Osterprozession erleben, ein wichtiges und sehr eindrucksvolles Ereignis in der überwiegend katholischen Stadt Arequipa.

Auf meinem Gang durch die Umgebung der Plaza kam ich an ein altes flaches aber schön gestaltetes und mit Ornamenten verziertes Gebäude mit einem majestätischen Eingang, der auf eine wichtige Funktion des Gebäudes schließen ließ. Als ich noch versuchte, diese Funktion herauszufinden, merkte ich, dass ich beobachtet wurde. Aus dem großen Fenster neben dem Eingang schauten zwei junge Frauen heraus und amüsierten sich offensichtlich über meine Bemühungen. Ich sprach sie auf Englisch an und bat sie um Auskunft über das Gebäude. Eine von ihnen antwortete mir und erklärte, dass es sich um die rechtswissenschaftliche Abteilung der Universidad Nacional de San Augustin de Arequipa handele. Sie, Grace, und ihre Freundin Maria seien Jura-Studentinnen an dieser Universität. Ich lud beide auf einen Kaffee und eine Portion Eis ein, und so gingen wir gemeinsam in ein Café auf dem Balkon der Plaza. Grace war lebhaft, sprachgewandt und genoss es offensichtlich, den fremden Touristen einmal gründlich auszufragen. Sie kam aus Arequipa und sprach recht gut Englisch. Maria war dagegen eher zurückhaltend, die Unterhaltung mit ihr war für mich auch schwierig, da sie nur Spanisch sprach. Und mein Spanisch beschränkte sich derzeit noch darauf, dass ich mir im Restaurant ein Essen bestellen und im Hotel nach einem Zimmer fragen konnte. Aber sie gefiel mir, die schlanke junge Frau mit brauner Haut und langen schwarzen Haaren. Grace half mit Übersetzungen aus, und so fand ich heraus, dass Maria aus Tacna kam, der südlichsten Stadt von Peru unmittelbar an der Grenze zu Chile, 370 Kilometer oder 5 Stunden mit dem Bus von Arequipa entfernt. Die Beiden waren mir sympathisch, und so tauschten wir Adressen aus, woraus sich ein langjähriger Briefwechsel mit ihnen ergab. Und ich sollte beide auch wiedersehen – bei späteren Besuchen in Arequipa.

Allerdings habe ich über Arequipa nicht nur gute Erinnerungen zu berichten. Hier ist mir bei einem der späteren Besuche auch das passiert, was wohl viele Touristen in Südamerika erleben. Ich wurde beraubt, und das in einer Bank, beim Geldwechseln. Da war natürlich auch Leichtsinn im Spiel. Ich trug meine wesentlichen Wertsachen in einer der damals modernen Handgelenktaschen bei mir. Das sollte einem erfahrenen Reisenden wirklich nicht passieren, man trägt seine Wertsachen immer körpernah und verdeckt bei sich. Also gab es nun einen schnellen Griff von hinten und die Tasche war weg. Und mit ihr mein Rückflugticket (damals gab es nur Papiertickets), der Führerschein, die Kreditkarte und mein Geld, außer dem Betrag, den der Bankangestellte mir zusammen mit meinem Pass gerade übergeben wollte. Ein kleiner flinker Mann war blitzschnell unsichtbar. Die zwei am Eingang der Bank positionierten und mit Maschinenpistolen bewaffneten Polizisten schauten dem Geschehen untätig und absolut desinteressiert zu. Meine Aufforderung doch etwas zu unternehmen, löste bei Ihnen nur ein leichtes Schulterzucken aus. Immerhin gaben sie mir die Adresse der nächsten Polizeistation mit der Empfehlung, dort eine Anzeige zu Protokoll zu geben. Dieser Vorgang, begonnen am frühen Vormittag, nahm dann allerdings den gesamten Rest des Tages in Anspruch. Das Ergebnis war ein für die Wiederbeschaffung der verlorenen Dokumente überaus wichtiges Formular, das schließlich sogar als Dokument für meinen Rückflug ausreichte. Im Büro von American Express wurde die gestohlene Kreditkarte gesperrt und umgehend eine Ersatzkarte ausgestellt. Zum Glück hatte ich meinen Pass behalten, da er für den Geldumtausch benötigt wurde, sonst hätte es bei der Ausreise wohl Probleme gegeben. Mein Lehrgeld für mehr Vorsicht hatte ich damit bezahlt, und die Mode der Handgelenktaschen war für mich endgültig gestorben.

Weihnachten in Chiclayo

Nach einem regelmäßigen Briefwechsel mit Teresa in der Folge unserer Begegnung in Cusco hat sie mich zu einem Besuch bei ihrer Familie eingeladen – und das sogar über die Weihnachtstage. Ich war sehr gespannt, wie das Weihnachtsfest dort aussehen würde und freute mich über die Gelegenheit, dies in einer Familie miterleben zu dürfen. Mein knappes Budget erlaubte dafür nur den billigsten Flug – und der führte mit Avianca von Düsseldorf über Paris, Madrid, Caracas, Bogota nach Lima, und dann mit der peruanischen Airline Faucett nach Chiclayo im Norden von Peru, wo Teresa mit ihrer Familie wohnte. Alles in allem war ich mit dieser abenteuerlichen Verbindung knapp 40 Stunden unterwegs. Angekommen am Flughafen von Chiclayo wurde ich von der ganzen Familie empfangen. Wir kannten uns ja noch nicht, bis auf Teresa, aber sie hatten sich Fotos von mir angeschaut. Teresa hat zwei jüngere Geschwister, eine Schwester und einen noch jüngeren Bruder. Der Erste, der mich erkannte, war Teresas kleiner Bruder. Er stürmte auf mich zu, griff nach meiner Reisetasche und rannte damit los. Und ich dachte natürlich, er hätte mir gerade die Tasche gestohlen! Als ich gerade ansetzte hinter ihm her zu laufen und meine Tasche wiederzuholen, sah ich, dass er auf Teresa zulief, die ich auch sofort wiedererkannte. Nach diesem ersten Schreck gab es eine herzliche Begrüßung von der ganzen Familie und ein freudiges Wiedersehen mit Teresa. Wir fuhren mit dem Familienauto zu ihrem Haus, einem Reihenhaus in einer ruhigen Straße nahe der Stadtmitte, in dem die engere Familie die zwei oberen Etagen bewohnte. Die unteren Etagen wurden von Verwandten bewohnt.
Teresa war sehr aufgeregt, sie redete wie ein Wasserfall und fragte mich über alles und jedes aus. Es war schön, so herzlich aufgenommen zu werden, aber eigentlich war ich nach der langen Reise viel zu müde, um das wirklich genießen zu können und um viel zu erzählen. Teresas Mutter merkte das und nach einer kleinen Mahlzeit ermahnte sie ihre Tochter, mich nun doch schlafen zu lassen und zeigte mir mein Zimmer. Die nächsten 12 Stunden verbrachte ich im Tiefschlaf im Bett.

Das Weihnachtsfest am 24. Dezember verlief in der Tat ganz anders als ich es von zuhause gewohnt war. Das fing bereits mit dem Klima an. Peru liegt auf der Südhalbkugel der Erde und dort ist im Dezember Sommer. Die Temperaturen können in dieser Jahreszeit in Chiclayo tagsüber 30° oder auch mehr betragen. Es ging vormittags also erst einmal an den Strand. Dieser liegt bei dem kleinen Ort Pimentel, gerade einmal 12km von Chiclayo entfernt. Nachmittags, wieder im Haus, ging es dann sehr umtriebig und etwas chaotisch weiter. Der Grund war ein gewaltiges Abendbuffet, das in Gemeinschaftsarbeit in der Küche vorbereitet wurde. Eine so reichhaltige Mahlzeit am Weihnachtsabend hatte ich hier nicht erwartet. Ich bin auch eher gewohnt, dass es am Heiligen Abend ein bescheidenes Essen gibt und das Festessen dann am ersten Weihnachtsfeiertag stattfindet. Der Abend kam und die gesamte Familie setzte sich zusammen, während noch die letzten Vorbereitungen liefen. So wie man es aus Amerika kennt gab es einen eher kleinen künstlichen Weihnachtsbaum, der allerdings reich geschmückt und mit vielen bunten Lampen versehen war. Ich hatte ein paar bescheidene Weihnachtsgeschenke mitgebracht, die ich dann auf den Tisch legte. Teresas Vater bedankte sich im Namen der Familie und brachte einen Toast auf den deutschen Gast auf. Mit dem guten Essen stieg auch die Stimmung, es war laut, man unterhielt sich durcheinander und es wurde viel gelacht. Musik kam dazu, die Weihnachtslieder sind weniger melancholisch als die deutschen, und dazwischen gab es auch flotte südamerikanische Rhythmen, wie zum Beispiel Salsa. Es wurde getanzt. Nun bin ich eher ein schlechter Tänzer, und wohl die meisten Südamerikaner, so auch Teresa, sind begeisterte und wirklich gute Tänzer. Ich habe mich in dieser Gesellschaft also herzlich blamiert. Gleichwohl konnte ich mich an den Tanzkünsten meiner jungen Freundin durchaus erfreuen. Die Türen zur Straße hin standen offen und gelegentlich kamen Nachbarn vorbei, um frohe Weihnachten zu wünschen. Es wurde spät.

In Teresas Familie durfte ich große Gastfreundschaft erleben. Man zeigte mir die Stadt Chiclayo, ein berühmtes historisches Museum im Nachbarort Lambayeque und das von Deutschland unterstützte große Staudammprojekt Tinajones. Das Royal Tombs of Sipan Museum in Lambayeque, 15km nördlich von Chiclayo, zeigt unmittelbar neben den Fundstellen kunstvolle Grabbeigaben der Königsgräber von Sipan aus der Präinkazeit. Weitere Fundstücke werden im benachbarten Museo Arqueologico Nacional Brüning gezeigt. Das Staubecken von Tinajones war zu dieser Zeit fast leer und der Boden ausgetrocknet. Am Rande des Staubeckens fanden wir einige Mangobäume. Wir kletterten hinauf, setzten uns auf die Äste und Teresa zeigte mir wie man Mangos aus der Hand essen kann, ohne sich dabei fürchterlich zu bekleckern. In einem Restaurant kam es dann zu einer Situation, die mich sehr berührt hat. Die Familie bestellte für alle jeweils einen Teller Reis mit einer Sauce, nur auf meinem Teller fand sich noch ein Hühnerbein. Mein Protest wurde nicht akzeptiert, auch Teresa lehnte eine Teilung ab. Ich musste diesen Akt der Gastfreundschaft annehmen, obwohl es mich beschämt hat. Wahrscheinlich war die Haushaltskasse nach dem üppigen Weihnachtsessen einfach leer.
Nach den schönen Weihnachtstagen in Chiclayo war mein Plan für die nächste Etappe die Weiterreise mit dem Bus nach Huaraz und von dort weiter in die Hauptstadt Lima. Ich bot Teresa an mitzukommen, was ihre Eltern natürlich nicht erlauben wollten. So gab es nach ein paar schönen Tagen einen herzlichen Abschied am Busbahnhof und für mich allein den Start in eine neue Etappe meiner ersten Perureise.

Mit der Eisenbahn durch Peru

Es gibt auch in Peru zwei Eisenbahnlinien, eine davon ist die Ferrocaril Central Andino, die von Lima aus quer durch die Höhen der Zentralanden bis zur Stadt Huancayo fährt. Für die Strecke von 332 Kilometer benötigt der Zug 10 bis 14 Stunden. Huancayo liegt auf einer Höhe von 3.260 Meter, auf dem Weg dahin muss der Zug einen Gebirgspass mit mehr als 4.800 Meter Höhe überwinden. Dort liegt auch die mit 4.781 Meter höchste Station, Galera. Die eindrucksvolle Gebirgsstrecke geht über sieben Spitzkehren, 60 Brücken und 66 Tunnel und führt über die gesamte Länge durch eine imposante Berglandschaft. Da nicht alle Passagiere diese Höhe gut vertragen und dann unter der Höhenkrankheit (Soroche) leiden, wird der Zug immer von einer Krankenschwester begleitet und auch Sauerstoffflaschen sind verfügbar. Aktuell fährt der Zug nur noch zweimal monatlich. Die Fahrt ist auch wesentlich teurer als mit den bequemen Fernbussen, die die Strecke deutlich schneller in etwa 8 Stunden bewältigen.

Ich hatte beschlossen, den Zug nur bis La Oroya zu nehmen, das sind knapp zwei Drittel der Strecke bis Huancayo. In La Oroya auf 3.750 Meter Höhe trifft der Zug auf einen anderen Zug in Gegenrichtung, so dass ich die Hin- und Rückreise an einem Tag durchführen konnte. Das funktionierte auch ganz sicher, da die beiden Züge bei der weitgehend eingleisigen Streckenführung in La Oroya aufeinander warten mussten. Die Zugfahrt begann in Lima gegen 7:00 Uhr morgens am historischen Bahnhof Desamperados in unmittelbarer Nähe der Plaza de Armas, also im alten Stadtzentrum. Ein Blasorchester verabschiedete den Zug kurz vor der Abfahrt. Die Tickets hatte ich bereits einige Tage vorher in einem Reisebüro gekauft. Heute geht das auch über das Internet, und wegen der nun selten verkehrenden Züge ist eine sehr frühzeitige Buchung empfehlenswert. Die durchschnittliche Geschwindigkeit des Zuges beträgt ungefähr 40km/h, es geht also sehr gemächlich voran. Außerdem gibt es viele Stopps, an denen teilweise auch die Lokomotive gewechselt wird. Im Zug werden Speisen und Getränke serviert, aber das Schönste ist natürlich die Aussicht. Auf dem abenteuerlichen eingleisigen Schienenweg geht es zunächst dem Rio Rimac folgend entlang einer Schlucht und parallel zur Straße Ruta 22 stetig aufwärts. Schroffe Felswände umrahmen die Schlucht, nur unten am Fluss gibt es Vegetation. Tunnel und Brücken wechseln sich ab und einige Steigungen können nur im Zick-Zack bewältigt werden.
In La Oroya stieg ich dann um in den anderen Zug zurück in Richtung Lima, der auf einem anderen Gleis bereits wartete. Während der Zug gemächlich durch das Tal abwärts rollte, genoss ich auf dem Rückweg nochmals die grandiose Berglandschaft. Einige Sitzreihen vor mir im Waggon fiel mir ein hübsches jüngeres Paar auf, das europäischer aussah als die anderen Reisenden. Sie unterhielten sich in einer Sprache, die ich nicht identifizieren konnte, aber dennoch einige Worte davon verstand. Neugierig geworden sprach ich sie an und lernte so Randi und Jostein aus Norwegen kennen. Wir kamen ins Gespräch und tauschten uns gegenseitig über unsere Reisepläne und -erfahrungen aus. Randi und Jostein waren mit dem Zug unterwegs von Huancayo nach Lima. Sie waren zum ersten Mal in Peru und hatten noch einige Ziele für ihre Weiterreise. Unter anderem wollten sie noch nach Cusco und Arequipa. Arequipa stand auch noch auf meinem Reiseplan, da ich dort mit Grace und Maria verabredet war. Wir verglichen unsere Routen und stellten fest, dass Randi und Jostein ebenso wie ich für den nächsten Morgen einen Flug nach Cusco gebucht hatten. Nach der Ankunft in Lima rundete dann ein gemeinsames Abendessen das schöne Kennenlernen ab. In Cusco trafen wir uns am nächsten Tag wieder und verabredeten uns erneut zum Abendessen. Dann trennten sich unsere Wege zunächst. Randi und Jostein hatten Machu Picchu und das Valle Sagrado im Blick und ich wollte mit einer anderen Eisenbahnverbindung von Cusco aus an den Titicacasee und dann nach Arequipa. Aber wir beschlossen uns auch dort zu treffen und vereinbarten für einen bestimmten Tag ein Treffen um 12:00 Uhr mittags auf der Plaza de Armas.

Zum Lago Titicaca führt von Cusco aus die zweite peruanische Eisenbahnlinie, Ferrocaril del Sur, bis nach Juliaca, der Nachbarstadt der Stadt Puno, die direkt am See liegt. Die Strecke führt dann weiter über Arequipa bis an die Pazifikküste zum Hafen von Malarani. Dieser älteste Teil der Strecke, erbaut von dem deutschen Ingenieur Friedrich Blume, wurde bereits 1870 in Betrieb genommen, die Anbindung an Cusco folgte 1908. Der Zweck der Bahn war ursprünglich der Transport von Agrarprodukten und kupfer- oder silberhaltigem Gestein aus dem Hochland zur Verschiffung über den Pazifik. Heute dient der Betrieb der Bahn überwiegend touristischen Zwecken. Das lockt auch allerlei Profis aus dem Diebstahlgewerbe als Mitreisende an, so dass diese Bahn in dem Ruf steht, dass eine überwiegende Zahl der Reisenden während der Reise in irgendeiner Weise bestohlen wird. Beliebt ist angeblich zum Beispiel das Aufschneiden von Gepäck mit Rasiermessern. Neben diesem alten Zug der PeruRail gibt es seit einigen Jahren auf dieser Strecke auch einen Super-Luxus-Zug, der Belmond Andean Explorer, der keine Wünsche offenlässt, mit Aussichtsterrasse, Sternekoch und Champagnerbar und viel Service-, Medizin-, und Sicherheitspersonal.
Diesen Luxuszug gab es noch nicht, als ich in Cusco, im Bahnhof Estacion del Sur Wanchaq, den einfachen Zug bestieg, der mich in (offiziell) etwa 10 Stunden über die 380 Kilometer nach Juliaca bringen sollte. Dieser Zug war erheblich weniger komfortabel als der Zug von Lima nach Huancayo. Und er startete verspätet und sammelte unterwegs noch weitere zwei Stunden Verspätung ein, so dass er erst am Abend Juliaca erreichte. Ich passte gut auf mein Gepäck auf und hatte zum Glück kein Problem mit den Diebesbanden. Das größere Problem war der Zustand der Toiletten, derart verdreckt, dass man die Räume wirklich nicht betreten konnte. Irgendwie schaffte ich es, die 12 Stunden auch ohne auszukommen. Die Strecke ist ähnlich abenteuerlich und landschaftlich großartig wie die Strecke von Lima nach La Oroya. Den höchsten Punkt erreicht man am Pass La Raya mit 4.314 Meter, wo der Zug an einer kleinen Station auch anhält. Gegen 20:30 Uhr erreichte er schließlich Juliaca. Es gibt von dort auch eine Nebenstrecke nach Puno, aber um diese Zeit war kein Zug vorgesehen, und so musste ich mich nach einem Bus umsehen, um mein Ziel Puno am Lago Titicaca zu erreichen.

Verabredungen in Arequipa

Nach zwei Tagen am Lago Titicaca musste ich mich dann aber darum kümmern, schnell nach Arequipa zu kommen, denn dort war ich ja mit Randi und Jostein und auch mit Maria und Grace verabredet. Ich wählte den schnellsten und auch bequemsten Weg dorthin zu kommen und nahm den Bus. Dieser brauchte für die knapp 300 Kilometer auf der damals noch teils unbefestigten Straße einschließlich einer Passüberquerung gut 6 Stunden. Am nächsten Tag, dem Tag meiner Verabredungen, sah ich tatsächlich um 12 Uhr mittags auf dem Plaza de Armas Randi und Jostein stehen, und wir konnten gemeinsam unser Wiedersehen in einem der Cafés auf den Balkonen feiern. Einige leichte gesundheitliche Beschwerden der Beiden konnte ich aus meiner umfangreichen Reiseapotheke mit entsprechender Medizin versorgen. Bei dieser Gelegenheit lernten sie auch Grace und Maria kennen, und es entging ihnen nicht, dass ich mich für Maria interessierte, obwohl die Verständigung mit meinen inzwischen besseren aber immer noch recht marginalen Spanischkenntnissen schwierig war. Wir besichtigten gemeinsam einige Sehenswürdigkeiten der schönen Stadt, insbesondere das Monasterio de Santa Catalina, nicht weit von der Plaza de Armas. In dem 1579 begründeten Kloster lebten bis zu 150 Nonnen vom Orden der heiligen Katharina von Siena. 1970 wurde das gerade renovierte Kloster in weiten Teilen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Einige wenige Nonnen leben noch in einem abgetrennten Flügel der Anlage. Das Kloster wirkt wie eine spanische Miniaturstadt, mit möblierten Räumen, Bildern und eingerichteten Küchen. Die Straßen tragen die Namen spanischer Städte und die Häuser sind bunt gestrichen in orange, dunkelrot oder blau, manche auch weiß. Mehrere kleine Plätze lockern das Bild der großen Siedlung auf.

Randi und Jostein wollten weiterreisen, ich blieb dagegen noch zwei Tage länger. Maria schlug mir vor, gemeinsam eine Tour zum Valle de Colca zu unternehmen, eine tiefe Schlucht, in der häufig der Kondor der Anden zu sehen ist. So buchte ich für uns in einem Reisebüro eine Tagestour, und wir machten uns frühmorgens auf. Mit einem Minibus ging die recht holperige 6-Stunden-Fahrt bis zum Aussichtspunkt Cruz del Condor auf einer Anhöhe des Canyons. Der Valle de Colca ist angeblich der tiefste Canyon der Welt – wie auch einige andere, zum Beispiel in den USA, in Mexiko und in Griechenland. Der Ausblick in die Schlucht ist schon sehr spektakulär und bemerkenswert; und ganz in der Ferne konnten wir auch zwei große Vögel ausmachen, möglicherweise waren es Anden-Kondore. Näher zu uns kamen sie allerdings leider nicht. Nach zwei Stunden Aufenthalt drängte der Busfahrer auf Rückfahrt, und am späteren Abend erreichten wir wieder Arequipa.

Mit Randi und Jostein blieb ich nach unseren Begegnungen in Peru auch weiter in einem lockeren gelegentlichen Briefverkehr, bis ich einige Jahre später beschloss, sie einmal gemeinsam mit meiner Frau, Cecilia, in Norwegen zu besuchen. Der Besuch begann mit einer großen Überraschung, da Randi und Jostein fest davon ausgegangen waren, dass ich mit Maria verheiratet wäre. Sie waren so bei der Begrüßung recht erstaunt, mit Cecilia eine Asiatin von den Philippinen anzutreffen. Ich hatte Cecilia einige Jahre zuvor in einem Krankenhaus kennengelernt, wo sie als Krankenschwester und ich als Arzt beschäftigt war. Das ließ sich dann aber sehr schnell erklären, und es wurde ein sehr schönes Zusammensein in der norwegischen Stadt Forde - und der Beginn einer wunderbaren und herzlichen Freundschaft. Seitdem besuchen wir uns jedes Jahr gegenseitig, abwechselnd in Norwegen und in Deutschland, manchmal auch gemeinsam ganz woanders, z.B. auf den Philippinen.

Eine Vortragsreise mit Umwegen

Ich weiß gar nicht mehr genau wie es dazu kam, aber in einem Anflug von Übermut hatte ich Maria versprochen, an ihrer Universität einen Vortrag zu halten. Sie war stolz darauf, mit mir einen ausländischen Referenten für ihre Universität zu gewinnen. Aber sie studierte Rechtswissenschaften, und so musste es natürlich ein juristisches Thema sein. Ich hatte mich viele Jahre mit Umweltschutz beschäftigt und mit einer Tätigkeit als Geschäftsführer des Deutschen Arbeitsrings für Lärmbekämpfung (DAL) schließlich auch mein Medizinstudium finanziert. Rechtsfragen im Umweltschutz waren mir daher durchaus vertraut, obwohl ich dafür ohne juristische Ausbildung natürlich nicht spezialisiert war. Aber dann fand ich doch ein geeignetes Thema. Es war mir aufgefallen, dass in Peru trotz relativ geringer Bemühungen für die Umwelt der Umweltschutz immerhin Verfassungsrang hatte, also in der Verfassung des Staates ausdrücklich erwähnt war. In Deutschland war es genau umgekehrt, die vielfältigen Aktivitäten zum Schutz der Umwelt fanden keinen ausdrücklichen Rückhalt im Grundgesetz. Dieser Gegensatz reizte mich zu einigen Überlegungen zu diesem Thema, die ich dann auch zu Papier brachte und mit Unterstützung einer Bekannten in ein brauchbares Spanisch übertragen konnte.

Ich wollte allerdings nicht nur wegen des Vortrags nach Südamerika reisen, sondern auf dem Weg nach Arequipa möglichst auch noch andere Länder kennenlernen. Auf der Suche nach billigen Flügen fand ich einen interessanten und sehr günstigen Flug von Paris über Manaus/Brasilien nach Lima. Leider war er als Gabelflug, d.h. Hinreise bis Manaus und Rückreise ab Lima, erheblich teurer als für den Hin- und Rückflug nach Lima. Ich beschloss also Lima hin und zurück zu buchen, aber dann dennoch in Manaus auszusteigen. Das war natürlich nur ohne Gepäck möglich, da sonst das Gepäck automatisch bis Lima weitergeflogen wäre. Ich konnte also nur mit Handgepäck reisen. So packte ich drei Hemden, davon ein weißes, eine gute Hose, ein Jackett, etwas Wäsche, ein Reisebügeleisen und das notwendigste Waschzeug einschließlich einer Tube Textilwaschmittel in eine stabile Einkaufstasche. Damit flog ich nach Manaus, wo ich mit meiner Tasche einfach ausstieg. Der Zollbeamte bei der Einreise schaute ungläubig auf mein Reisegepäck: So wenige Sachen, aber ein Bügeleisen! Er rief einen Kollegen dazu, beide amüsierten sich köstlich, ließen mich dann aber passieren.

Manaus, heute eine Großstadt mit 2,2 Millionen Einwohnern, war in den 80er Jahren noch eine liebenswerte Stadt, deutlich unter 1 Million Einwohner, mitten im brasilianischen Amazonasdschungel. Gegründet 1669 als portugiesisches Fort an der strategisch bedeutsamen Mündung des Rio Negro in den Amazonas, der bis dort noch Solimoes heißt, und ab 1791 Sitz des portugiesischen Gouverneurs, erlebte die Stadt einen beispiellosen Boom zwischen 1870 und 1910 als Weltzentrum der Kautschukproduktion, was ihr großen Reichtum bescherte. In dieser Zeit entstand auch das berühmte und prachtvolle Opernhaus, in dem angeblich Stars wie Maria Callas aufgetreten sind. Heute gilt Manaus mit seinem tropischen feucht-heißen Klima immer noch als sehenswertes Reiseziel, aber wegen hoher Kriminalität auch als gefährlich.
Natürlich wollte ich auch einmal auf den Amazonas hinaus, und so buchte ich eine Tagestour in einem offenen Boot gemeinsam mit einigen anderen Touristen. Wir bewunderten den Zusammenfluss des aus Venezuela kommenden schwarzen Rio Negro mit dem gelbbraunen aus Peru kommenden Solimoes und die kilometerlange Durchmischung der unterschiedlichen Farben dieser beiden Flüsse. Wir sahen fantastische Seerosen mit Blättern von fast 2 Meter Durchmesser. Und in den Wäldern am Ufer konnten wir auf den Bäumen Affen beobachten. Auch besuchten wir ein Indianerdorf, wohl hauptsächlich um dort Kunsthandwerk angeboten zu bekommen. Gegen Ende der Bootsfahrt bemerkte ich, dass sich ein etwas jüngeres Paar offensichtlich über mich amüsierte. Sie sprachen ein merkwürdiges Deutsch, was mir schweizerisch vorkam. Ich sprach sie an und lag richtig, so lernte ich Jörg und Elisabeth aus der Schweiz kennen. Der Grund ihrer Freude war mein Kopf, ich hatte keine Kopfbedeckung, und meine schon ziemlich lichten Haare boten auch keinen Schutz gegen die äquatoriale Sonne. So hatte ich mir während der Bootsfahrt einen veritablen Sonnenbrand geholt, der meinen Kopf in leuchtendem Rot erscheinen ließ. Das sah sicher lustig aus, die Quittung für den fehlenden Kopfschutz erhielt ich dann in der kommenden Nacht, als der Sonnenbrand zu schmerzen begann. Aber vorher ging es mit der Bootsgruppe noch in einer Pizzeria, und so lernten wir uns näher kennen und tauschten unsere Kontaktdaten aus. Mit Jörg, inzwischen mit einer anderen Partnerin, bin ich noch heute gut befreundet.

Von Manaus ging es dann weiter nach Brasilia, der offiziellen Hauptstadt des Landes. Nach der Landung um 3:00 Uhr verbrachte ich den Rest der Nacht auf einer Bank im Flughafen, die Tasche mit meinem Jackett und der guten Hose für den Vortrag als Kopfkissen. Am nächsten Morgen schaute ich mir die noch recht neu errichtete Stadt an. Außer vielen modernen Zweckbauten der Regierung gab es nicht viel zu sehen, und die Straßen waren auch fast menschenleer. Am gleichen Tag fand ich noch einen Weiterflug nach Rio de Janeiro. Es gab zu dieser Zeit in manchen Ländern einen Air-Pass, mit dem man einer Anzahl beliebiger Inlandsflüge zu einem sehr günstigen Gesamtpreis kaufen konnte. Das erlaubte mir, in Brasilien mehrere Flüge zu bestreiten.
Über die unglaubliche Stadt Rio de Janeiro zu berichten, würde den Rahmen dieses Kapitels sprengen, ebenso über Sao Paulo, meiner nächsten Station. Dort traf ich eine Kommilitonin aus meinem Medizinstudium, Elisabeth, die zur gleichen Zeit in der Gegend herumreiste. Wir hatten unsere Reisepläne verglichen und uns für den Fall eines gleichzeitigen Aufenthalts in Sao Paulo locker verabredet. Nun feierten wir unser Treffen in der Ferne mit einem schönen Abendessen und reisten am nächsten Morgen gemeinsam weiter nach Foz do Iguacu. Von São Paulo aus gibt es eine Busverbindung, die die 1.050 Kilometer nach Foz do Iguacu in etwas mehr als 12 Stunden bewältigt. Dank unserer Air-Pässe konnten wir uns aber ein Flug leisten, der nur eine gute Stunde benötigt. Der Abend und der folgende Tag gehörten den fantastischen Iguacu-Wasserfällen. Aus eigenen Vergleichen mit den Niagarafällen in den USA und den Victoria Fällen in Afrika sehe ich die Iguacu-Wasserfälle als die größten und schönsten der Welt an. Der Rio Iguacu, der die Wasserfälle speist, ist ein Abzweig des Rio Parana und stellt die Grenze zwischen Brasilien und Argentinien dar. Die Wasserfälle sind von beiden Seiten zu erreichen und unter unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten. Von der offenen brasilianischen Seite ist die ganze Breite der Wasserfälle einsehbar, auf der dicht bewaldeten argentinischen Seite gibt es verschiedene Aussichtspunkte, unter anderen einen Holzsteg zum Mirador Gargante del Diablo, dem Blick in den „Teufelsschlund“, dem vielleicht eindrucksvollsten Teil der Wasserfälle. Busse bringen einen auf beiden Seiten zur Grenzbrücke über den Fluss, die man zu Fuß überqueren kann. Wir verbrachten den Abend in der Grenzstadt Puerto Iguacu auf der argentinischen Seite des Flusses. Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von Elisabeth, die zurück nach Brasilien wollte, und flog von dem kleinen argentinischen Flugplatz nahe der Stadt weiter nach Buenos Aires.

Für die argentinische Hauptstadt hatte ich eine perfekte Stadtführerin, Julie, eine argentinische Studentin, die im Stadtzentrum von Buenos Aires lebte und die ich vor einiger Zeit in Düsseldorf kennengelernt hatte. Ich rief sie an und wir trafen uns am nächsten Morgen vor dem Präsidentenpalast, der Casa Rosada. Wir spazierten gemeinsam durch die Stadt, und sie zeigte mir den zentralen Plaza de Mayor, die Kathedrale, den Obelisk sowie ein paar schöne Cafés, Kneipen und Restaurants. Obwohl das Land in dauernden wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte und es häufige Unruhen gab, war die Stimmung auf den Straßen an diesem Tag freundlich und friedlich. Nach dem Abendessen brachte ich Julie noch zu ihrer Wohnung bei ihren Eltern und spazierte allein durch die nächtliche Stadt zu meiner Herberge.

Nun wurde es Zeit, mich auf den Weg in Richtung Arequipa zu machen, da mein Vortragstermin näher rückte. Ich stellte fest, dass Flüge von Buenos Aires nach Lima sehr teuer waren und fand schließlich einen wesentlich günstigeren Flug mit der Lloyd Aereo Boliviano (LAB) nach La Paz/Bolivien. Von dort ging es mit dem Bus an den Lago Titicaca und dann mit einem russischen Schnellboot nach Puno in Peru und weiter mit dem Bus nach Juliaca. Von dort wollte ich eigentlich mit der Eisenbahn nach Arequipa fahren, aber mit dem nächsten planmäßigen Zug wäre ich erst am übernächsten Tag in Arequipa angekommen. Als alternative Möglichkeit blieben ein Bus oder das Collectivo. Collectivos sind Sammeltaxis, die dann losfahren, wenn sie voll sind. Ich entschied mich für das Collectivo, da es am billigsten war und schon bereitstand. Es war vielleicht nicht die beste Idee. Es dauerte noch etwa 2 Stunden, bis das Collectivo voll war – richtig voll. Ich saß ziemlich gequetscht vorn mit einem andern Mann auf dem rechten Vordersitz für die etwa 6-stündige Fahrt auf den 270 Kilometer bis Arequipa. Meine Tasche mit dem Jackett und der guten Hose hatte der Fahrer irgendwo im Kofferraum untergebracht, zum Glück nicht auf dem Dach. Denn die in weiten Teilen unbefestigte Straße produzierte eine Menge Staub. Nicht nur ich war eingestaubt, als wir endlich in Arequipa ankamen, sondern auch meine Tasche, wie auch immer der Staub in den Kofferraum gelangt war. Ich fand ein günstiges Hotel in der Nähe der Plaza de Armas, wo auch das Universitätsgebäude ist, und verbrachte den nächsten Tag mit den notwendigen Reinigungsarbeiten. Für das weiße Hemd und die gute Hose kam das extra mitgeführte Reisebügeleisen zu seinem wichtigen und einzigen Einsatz. Am nächsten Tag um 18:00 Uhr sollte der Vortrag stattfinden.

Am 23. Juni 1982 war dann der große Tag und der Höhepunkt der Reise. Am frühen Nachmittag traf ich Maria und Grace zu einer Vorbesprechung. Da meine Spanischkenntnisse für eine Diskussion nach dem Vortrag nicht wirklich ausreichten, erklärte sich Grace bereit, dafür als Übersetzerin mitzuhelfen. Maria zeigte mir einen Zeitungsartikel, in dem bereits über meine Ankunft in Arequipa berichtet wurde, sogar mit einem Bild. Offenbar hatte ich mit den Beiden gute Pressereferentinnen gefunden. Kurz vor 18:00 Uhr fand ich mich, in meinem nunmehr leicht zerknitterten Jackett, dem frisch gebügelten Hemd, der Krawatte und der entstaubten und gebügelten guten Hose, in der Universität ein. Meine etwas ausgelatschten Schuhe hatte ich vorher noch von einem der zahlreichen Schuhputzer auf der Plaza de Armas sorgfältig reinigen lassen. In der kleinen Aula der Universität fand ich ein erwartungsvolles Publikum von Studenten und einigen Professoren vor und wurde vom Dekan der juristischen Fakultät sehr herzlich begrüßt. Nach der Vorstellung durch den Dekan konnte ich mit meinem Vortrag beginnen. Es lief ganz gut, und das Publikum lauschte still meinen Ausführungen. Ein leichtes Schmunzeln auf manchen Gesichtern galt wohl dem etwas abgerissenen Gringo, der sich da in holprigem Spanisch über die deutsche Umweltrechtskultur ausließ. Mein Spanisch wurde später von einigen Studentinnen als „süß und mit französischem Akzent“ beschrieben. Nach freundlichem Applaus kam es dann zur Diskussion, und tatsächlich gab es zahlreiche Fragen. Grace und ich schlugen uns tapfer durch diese Herausforderung und ernteten am Schluss zusammen erneuten Applaus. Im kleineren Kreis mit dem Dekan und zwei weiteren Professoren sowie Maria und Grace gab es dann ein Glas Sekt und ein herzliches Dankeschön seitens der Universität. Die beiden Mädels platzten fast vor Stolz.

Ein Kontrastprogramm in Lima

Viele Jahre und einige Südamerikareisen später unternahm ich mit unserem Sohn, Abdon, zwei Rundreisen durch Peru und Ecuador. Am Schluss der Ecuadorreise ging es dann auch noch einmal kurz nach Peru. Ich wollte Abdon noch mehr von Lima zeigen, was bei der Peru-Rundreise etwas zu kurz gekommen war. Leider war Teresa zu dieser Zeit mit ihrer Familie auf einem Urlaub in den USA, so dass wir uns nicht treffen konnten. Ich musste also allein den Reiseführer geben. Dafür holte ich mir professionelle Hilfe.

Wir wohnten in meinem Stammquartier, dem Fourpoints Hotel in Miraflores. Am nächsten Morgen trafen wir unseren Guide, eine charmante junge Frau, für eine exklusive halbtägige Stadtrundfahrt, die uns nicht nur zu den bekannten Sehenswürdigkeiten führte, sondern auch an Orte der Stadt, die ich bisher noch nicht gesehen hatte. Für den Abend hatte ich weit im Voraus noch ein ganz besonderes Highlight gebucht, ein Dinner bei Astrid & Gaston, einem der besten Restaurants von Lima. Lima galt schon länger als eine Hochburg der feinen peruanischen Küche, und Gaston, Chef dieses Restaurants und einer Kochschule, als einer ihrer prominentesten Vertreter. Wir wurden nicht enttäuscht, es war einfach grandios! Unter dem Namen „lima love“ präsentierte Gaston ein Tasting Menu in zwölf Gängen und mit einer passenden Weinbegleitung, ein kulinarischer Hochgenuss! Aber größer konnte der Kontrast zum ganztägigen Programm des nächsten Tages nicht sein!

Die Lima Local Communities Tour führte uns beide mit zwei Guides in die armen Randgebiete im Süden der Stadt. Die Tour begann noch recht beschaulich mit einem Besuch des lokalen Fischmarkts an der Playa Pescadores im Stadtteil Barranco. Wir schauten uns die Vielfalt der Fische an und fuhren anschließend auf einem Fischerboot ein Stück aufs Meer hinaus, um das Panorama der Stadt von dort aus zu genießen. Viele Boote waren unterwegs und landeten immer neuen Fisch an, der dann direkt auf dem Markt angeboten wurde. Weiter ging es dann in langer Fahrt durch den schier endlosen und dicht besiedelten Stadtteil San Juan de Miraflores bis an den Rand der Stadt, die in einer hügeligen Landschaft an das Gebirge der Anden angrenzt. In dieser Hügellandschaft liegen die armen Stadtteile, grob gesagt, je weiter oben auf den Hügeln desto ärmer. Die Strom- und Wasserversorgung reicht nur bis etwa auf die halbe Höhe, die einfachen Häuser und Hütten oberhalb dieser Linie werden von Tankwagen mit Wasser versorgt. In diesem Gebiet erhielten wir die Gelegenheit, einige Menschen kennenzulernen, die dort leben. Wir sprachen mit einer Frau, die mit ihrer Familie durch blanke Not aus den Bergen in die Stadt gekommen war und nun versuchte, durch teils angekaufte teils selbst hergestellte Folkloreartikel ihren Unterhalt zu bestreiten. Das war in der einfachen Hütte am oberen Rand der Siedlung, fernab von allen Touristenströmen, keine gute Geschäftsaussicht. Der Ertrag reichte wohl auch nur für das Allernötigste. So war es natürlich auch im Sinne unserer Tour, die eher selten durchgeführt wird, hier für etwas Zusatzumsatz zu sorgen.
In einer anderen Siedlung, ebenfalls oberhalb der Strom- und Wassergrenze, trafen wir eine Frau, die eine Einrichtung für Kinderbetreuung organisiert. Spiele und Hausaufgabenhilfe werden dort angeboten. Dies ist nicht etwa eine staatliche Einrichtung, sie ist vielmehr nur durch Selbsthilfe der Bewohner dieser Siedlung entstanden. Dafür hatten sie im Eigenbau ein einfaches Haus errichtet, und auch die Betreuung der Kinder erfolgte in organisierter Eigenleistung. Es hat mich berührt als wir erfuhren, dass manche Kinder bei kaltem Wetter frieren müssen – und noch mehr, als ich der Frau spontan meine alte peruanische Alpakajacke für ein solches Kind anbot, und sie sich überaus herzlich dafür bedankte. Auch eine Spende für das Kinderhaus wechselte den Besitzer, denn eine Toilette fehlte darin noch.
Wir trafen eine andere Frau, die eine gemeinsame Küche für einen größeren Kreis organisiert hatte, in der die jeweils erstandenen Lebensmittel geteilt wurden. Wir waren sehr beeindruckt von der Selbsthilfebereitschaft und dem Gemeinschaftsgefühl der sehr armen Bewohner dieser Siedlung, die ihr Leben gemeinsam praktisch ohne staatliche Hilfe selbst organisieren. Schließlich wurden wir noch zum Essen in eine der Hütten eingeladen, es gab leckeren Reis mit Bohnen. Gekocht wurde auf einem Holzfeuerherd, und das Wasser kam vom Tankwagen.
Dieser krasse Gegensatz zwischen dem opulenten und überaus luxuriösen Dinner im Restaurant von Astrid & Gaston und der einfachen, aber sehr herzlichen Bewirtung in dieser Hütte hat uns während der Rückfahrt und auch noch beim Rückflug nach Deutschland am nächsten Tag sehr beschäftigt. Auch Abdon gaben die beiden Reisen nach Peru und Ecuador wichtige Eindrücke über das Zusammenleben in anderen Ländern und Kulturen.


Venezuela

Erster Eindruck auf der Hochzeitsreise


Mein erster Kontakt zu Venezuela war auf meiner Hochzeitsreise mit Cecilia. Wir hatten kurzentschlossen ein Sonderangebot unserer damaligen Düsseldorfer Airline LTU wahrgenommen, welche die Route nach Venezuela von Düsseldorf über Porlamar auf der Isla de Margarita nach Barcelona/Venezuela neu in ihr Programm aufgenommen hatte. Dazu buchten wir eine einwöchige Rundreise, unter anderem in den Naturpark Canaima. Gruppenreisen im Bus sind eigentlich nicht mein Ding, das tägliche stille oder auch laute Gerangel um die besten Plätze im Bus und die häufig geforderten Toiletten- und Zigarettenpausen finde ich eher nervend. Aber wir hatten einen hervorragenden und äußerst sympathischen lokalen Reiseführer, Carlos. Und wir haben auf der Reise Hartmut kennengelernt und seine damalige Freundin Brigitte. Mit Hartmut, ebenfalls Ingenieur, fand ich sofort eine gute Gesprächsbasis und so verbrachten wir unsere Reise in netter Gesellschaft. Auch wenn wir uns seitdem nur selten treffen, zählen Hartmut und seine (heutige) Frau Sakura auch heute noch zu unseren guten und sehr geschätzten Freunden.

Von der Küstenstadt Barcelona ging es dann mit dem Bus bis nach Ciudad Bolivar am Orinoco. Einer der zwei einzigen Brücken über den Fluss verbindet die Hauptstadt des Bundesstaates Bolivar mit den nördlichen Landesteilen. Dort gibt es einen Flughafen, von dem aus wir dann mit kleinen Flugzeugen in den südlich gelegenen Naturpark Canaima gelangten. Nach einigen Touren und Wanderungen in dieser schönen Umgebung hatten wir Gelegenheit, wiederum mit einer kleinen Cessna zum Wasserfall Salto Angel zu fliegen, der mit rund einem Kilometer Höhe sicher einer der höchsten Wasserfälle der Welt ist. Cecilia setzte sich freiwillig auf einen Einzelsitz ganz hinten im Flugzeug und mit nur wenig Sicht. Wir landeten auf einer kleinen Piste in der Nähe des Wasserfalls, besuchten ein Indiodorf und schauten uns den Wasserfall aus der Ferne an. So viel gab es dabei nicht zu sehen, da wir nicht näher herankamen und der Wasserfall in dieser Saison nur recht wenig Wasser führte. Auch aus dem Flugzeug, mit dem unser Pilot Hannibal versuchte, nahe an dem Tafelberg vorbeizufliegen, war die Sicht bei tiefhängenden Wolken nicht wesentlich besser. Hannibal flog einige rasante Kurven auf dem Rückweg, um die Wolkentürme zu umgehen, und Cecilia musste sich übergeben.
Der Rückflug nach Ciudad Bolivar und die Fahrt nach Barcelona verliefen unspektakulär. Vielleicht bis auf einen Teilnehmer der Gruppe, ein Studienrat, der oft und gerne lautstark mit seiner Videokamera sprach, um seine Bilder zu kommentieren, und uns alle damit abwechselnd nervte und erheiterte. Beim letzten Abendessen der Rundreisegruppe verabschiedete ich Carlos mit einer kleinen Tischrede, bei der ich mich auch an einigen spanischen Sätzen über die Schönheit des Landes und die Liebenswürdigkeit der Bewohner versucht habe. Beim abschließenden „Viva la Venezuela“ standen auch Fremde an den Nachbartischen auf und klatschten.

Allein ins Abenteuer

In mir blieb als Ergebnis das Gefühl zurück, das wir zwar eine nette Hochzeitsreise nach Venezuela gemacht hatten, von der Schönheit dieses Landes im Rahmen dieser Gruppenreise allerdings nur einen sehr flüchtigen Eindruck erhalten hatten. Auch wird der Salto Angel meist als mächtiger und imposanter Wasserfall beschrieben, und das entsprach überhaupt nicht unserem Erlebnis. Wir waren also offenbar einfach zur falschen Zeit da gewesen. Eine neue Reise musste somit her, und diesmal auf jeden Fall eine Individualreise. Bis dahin sollte es allerdings noch viele Jahre dauern. Aber der Plan reifte, und aus vielen Recherchen über das Land und mögliche Reiserouten entstand schließlich ein neuer Reiseplan auf individueller Basis, in den auch Bausteine lokaler Reiseanbieter eingebaut waren. Diese enthielten allerdings auch Übernachtungen in Zelten und auf Hängematten, und das war der Punkt, an dem Cecilia sich aus der Reiseplanung verabschiedete. Ich sollte und wollte also mal wieder allein reisen.

An einem Sonntagmorgen im Juli ging es dann los, mit der regendichten Jacke und der vielfach bewährten Umhängetasche. Diesmal mit der Lufthansa, über Frankfurt nach Caracas und von dort nach fünfstündiger Wartezeit mit einer regionalen Airline nach Puerto Ordaz (Ciudad Guayana) am Orinoco. Ein Airport-Shuttle brachte mich dann am späteren Abend zum Hotel Eurobuilding Guayana. Ein gutes Hotel, und das war gut so, denn ich war müde und wollte am nächsten Morgen früh wieder starten, um der Mittagshitze zu entgehen. Außerdem hatte ich noch keine Ahnung, von wo und mit welchem Bus es nach Ciudad Bolivar weitergehen sollte. Ich musste mich also durchfragen und das gelang auch, so dass ich wenig später in einem bequemen Fernbus in der richtigen Richtung saß. Deutlich schwieriger war mein Hotel mit dem schönen Namen Posada Casa Grande de Angostura zu finden, da aus Sicherheitsgründen an der angegebenen Adresse kein Hinweis auf ein Hotel zu finden war. Ein freundlicher Taxifahrer half mir und klingelte an verschiedenen Türen, bis er schließlich erfuhr, welche Tür die richtige ist. Nur antwortete dort niemand auf unser Klingeln. Ich bedankte mich bei dem hilfsbereiten Fahrer und beschloss zu warten. Nach einer guten Stunde war es dann so weit, mein Klingeln wurde erhört und die Tür geöffnet. Das Problem der letzten Stunde war nur, dass ich nicht an die hier übliche Mittagssiesta gedacht hatte. Von der Dachterrasse des Hotels aus genoss ich den Blick über den Orinoco auf eine schwarze Wolkenwand, die sich langsam näherte und mit vielen Blitzen ein Gewitter anzeigte, solange bis mich der heftig einsetzende Regen von der Dachterrasse vertrieb.

Am frühen Morgen des nächsten Tages ging es dann wieder mit der Cessna nach Canaima. Auf einer Bootsfahrt über den großen See des Naturparks lernte ich einen Schamanen von einem benachbarten Stamm kennen, und wir kamen ins Gespräch über die therapeutischen Möglichkeiten verschiedener Pflanzen aus dem Dschungel. Er erzählte mir auch von einem kleinen Mädchen mit einer Verbrennung am Bein, das er schon länger aber ohne wesentlichen Erfolg behandelte, und bat mich das Mädchen auch einmal anzuschauen. Wir liefen dann – bereits in der Abenddämmerung – über sumpfige Wiesen und durch den Wald zu einer Hütte, wo sich eine Familie um die Bank versammelt hatte, auf der das Mädchen lag. Sie hatte eine runde, vielleicht 6 Zentimeter große und entzündete Brandverletzung am linken Bein, war aber ansonsten in einem guten Zustand. Die Vorstellung in einer chirurgischen Ambulanz kam für die Familie nicht infrage, da das Mädchen dafür hätte nach Ciudad Bolivar fliegen müssen. Zum Glück gab es einigermaßen sauberes Wasser, um meine Hände und die Umgebung der Wunde zu reinigen. Ich versorgte die Wunde mit desinfizierender Betaisadona-Salbe und – so gut wie möglich – einem sterilen Verband und gab dem Schamanen den Rest der Tube von der Salbe, ein paar sterile Kompressen und eine Packung Antibiotika mit entsprechenden Anweisungen. Mit der provisorischen Therapie war ich nicht glücklich, aber vielleicht hatte ja auch der gemeinsame Auftritt des Schamanen mit dem bärtigen Gringo und der Wundersalbe eine heilsame psychologische Wirkung erzielt. Beim Rückweg in der Dunkelheit war ich dann sehr froh den Schamanen als einheimischen Führer bei mir zu haben.

Am nächsten Morgen startete eine kleine Reisegruppe dann in der Frühe mit einem Boot flussaufwärts. Begleitet wurden wir von zwei Einheimischen, dem Reiseführer, erneut ein Schamane, und dem Bootsführer am Außenbordmotor. Der Salto Angel sollte diesmal auf dem Wasserweg erkundet werden. Es hatte viel geregnet in der letzten Zeit, und der Fluss führte ausreichend Wasser. Es gab allerdings auch zahlreiche Stromschnellen, die vom Bootsführer viel Geschick und wohl auch viel Erfahrung erforderten. Nach dem Abzweig in einen Seitenfluss nahmen die Stromschnellen zu, manchmal so kräftig, dass der Motor es kaum schaffte dagegen anzukommen. Das Boot schlingerte schwer in der Gewalt der Wassermassen, und nicht alle der kleinen Gruppe konnten sich an dem Abenteuer wirklich erfreuen. Schließlich erreichten wir das Ziel, unseren Übernachtungsplatz, mitten im Wald und direkt am Fluss gelegen. Es gab dort Tische und Bänke, ein Gestell mit Hängematten sowie einige Toiletten und Duschen.
Um von dort zu dem Aussichtspunkt auf den Salto Angel zu gelangen war noch ein Berg zu besteigen. Es regnete leicht und der Weg hinauf war steil, eigentlich gar kein Weg, sondern ein Geflecht aus dicken Wurzeln, über die man klettern musste, immer auf der Hut auf den feuchten glatten Hölzern nicht auszurutschen. Als Ältester der Gruppe war ich langsamer als die anderen und ließ sie daher vorangehen, um in Ruhe mein eigenes sicheres Tempo zu bestimmen. Endlich angekommen eröffnete sich aus halber Höhe ein grandioser Blick auf den vollen Umfang des mächtigen Wasserfalls, der diesmal auch reichlich Wasser führte. Der Regen hatte nachgelassen und wir alle ließen diesen wunderbaren Anblick schweigend auf uns wirken. Der weitere Weg, abwärts zum Fuß des Wasserfalls, war wegen der aktuellen ungewöhnlich großen Wassermenge im Fluss gesperrt. Nach einer Stunde an diesem schönen Ort beschloss ich, schon einmal allein den Rückweg in meinem eigenen Tempo anzutreten. Eine australische Touristin, Sue, bot mir an mitzukommen, damit ich nicht allein gehen müsse. Ich nahm das Angebot dankbar an, und wir machten uns also beide auf den rutschigen und durchaus anstrengenden Weg abwärts. Wieder im Camp angekommen ließ ich mich auf den nächsten Stuhl fallen, verschwitzt und geschafft. Aber nur wenige tiefe Atemzüge später stand Sue plötzlich wieder vor mir, splitternackt, und meinte sie wolle jetzt duschen. Und ob ich mitkommen wolle. Ein hübscher Anblick, zugegeben. Und auch mir war schwer nach einer Dusche zumute, aber nicht nach mehr. So bedankte ich mich für das sicher freundlich gemeinte Angebot und ließ ihr allein den Vortritt in die Dusche.

Die Dämmerung ist kurz in dieser Gegend, es wird schnell dunkel. Das Abendessen aus den großen Picknick-Kisten bei Kerzenlicht und mit einigen Moskitos war stimmungsvoll und ein schönes Gemeinschaftserlebnis. Auch Sue hat mir meine Absage nicht übelgenommen, und wir haben noch viel gelacht an diesem Abend. Meine erste Nacht in einer Hängematte mitten im Wald war auch gar nicht so unbequem wie ich befürchtet hatte. Ich habe gut geschlafen.
Die Rückfahrt mit dem Boot am nächsten Morgen ging mit der Strömung deutlich schneller durch die Stromschnellen als am Tag zuvor. Zurück in Canaima und mit der Cessna nach Ciudad Bolivar zu meiner Posada ging es von dort am nächsten Morgen wieder mit dem Bus nach Puerto Ordaz, von wo meine nächste Tour starten sollte – in den Dschungel des Orinoco-Deltas.

Tatsächlich stand am nächsten Morgen pünktlich um 7:00 Uhr mein Fahrer in der Rezeption des Hotels Eurobuilding Guayana bereit, um mich abzuholen und nach Tucupita zu bringen. Zu meiner Überraschung war ich der einzige Fahrgast. Für die Route musste zunächst der Orinoco überquert werden. So lernte ich auch die zweite Brücke über diesen Fluss kennen, mehr Brücken gibt es nicht. Tucupita, eine kleine Stadt von knapp 100.000 Einwohnern am Rio Manamo, dem nördlichsten der vielen Arme des Orinoco-Deltas, liegt am Rande des großen Dschungelgebiets im Inneren des Deltas. Die Straße endet hier, es gibt ein kleines Flugfeld, ansonsten geht es nur mit dem Boot weiter. So verabschiedete ich mich hier von meinem Fahrer und wurde in dem kleinen Hafen auch bereits erwartet. Nach zweieinhalb Stunden Autofahrt folgten nun zwei Stunden flussabwärts im Boot in Richtung zu meinem gebuchten Dschungelcamp. Auch im Boot war ich der einzige Gast, allerdings zusammen mit einer Menge Fracht, offenbar zur Versorgung des Camps. Zu meiner Freude entdeckte ich darunter einige Kisten mit lecker aussehendem Obst darin. Bereits kurz nach dem Verlassen der Stadt gab es auf beiden Seiten des Flusses nur noch dichten scheinbar undurchdringlichen Wald. Das Camp bestand aus einem großen Holzgebäude für die Gemeinschaftsräume und einzelnen Hütten für die Unterbringung der Gäste. Die Holzhütten waren zum Fluss hin offen, im Inneren gab es einen Korb für die Bekleidung und eine Bank für die Tasche. Ein Vorhang bildete die Tür, über dem Bett hing ein Moskitonetz. Einige Kerzen lagen zur Beleuchtung bereit. In den Gemeinschaftsräumen gab es Tische und Stühle für die Mahlzeiten, ein paar Hängematten und bequeme Sessel. Ein separates Holzhaus beherbergte einige Toiletten und Duschen, die mit dem Flusswasser gespeist wurden. Strom gab es abends von 18:00 bis 22:00 Uhr von einem Generator, im kleinen Office war auch ein Satellitentelefon verfügbar. Mit mir waren wir 10 Gäste in dem Camp, es war also bei weitem nicht ausgebucht.

Jeden Vormittag und Nachmittag gab es Programm, Wanderungen durch den dichten Dschungel, meist in Gummistiefeln, Bootsfahrten, Fischen, Tiere beobachten, ein Indiodorf besuchen und viele Erläuterungen über das Leben im Dschungel. Bei unseren Bootsfahrten über den Fluss oder beim Piranha-Angeln wurden wir oft von Kindern der benachbarten Stämme in ihren kleinen Kanus begleitet. Die Jungs waren vielleicht so um die sechs Jahre alt und steuerten ihre Kanus äußerst geschickt über den Fluss mit seinen Wirbeln und kleinen Stromschnellen. Ihre größte Freude war ein Glas gekühlte Limonade aus unserem Bordproviant. Unsere oft beschwerlichen Wanderungen durch den morastigen und nahezu undurchdringlichen Dschungel wurden meist von Moskitos begleitet, und gelegentlich musste unser einheimischer Führer uns den Weg mit seiner Machete bahnen. Aber wir konnten viele Tiere beobachten, Spinnen, verschiedene Affen, viele Papageien und ab und zu einen Tukan. Mein schönstes Programm war das spontane Angebot eines Küchenhelfers am frühen Morgen, mich noch in der Dämmerung in einem Kanu in einen kleinen Nebenfluss zu fahren. Die Stimmung in den erwachenden Wäldern war unglaublich und einzigartig, als das Kanu nur mit einem leisen Plätschern über den Fluss glitt, die relative Morgenfrische in der sonst immer feuchtheißen Luft, die Konturen des dichten Grüns im Halbdunkel und schließlich der unverwechselbare Dschungel-Sound, mittendrin und ungestört. Und so viele Tiere, die man hören aber nur selten sehen konnte. Zum Sonnenaufgang waren wir wieder zurück im Camp. Ein großartiges Erlebnis! Leider ging für mich die schöne Zeit in dem Camp bald zu Ende, und dann saß ich eines Morgens wieder in dem Boot, das mich nach Tucupita brachte. Dort sollte ich meinen Fahrer treffen. Zu meiner Überraschung war es eine junge Frau, und ich war wieder der einzige Fahrgast. In den zweieinhalb Stunden Fahrt hatten wir ein schönes Gespräch, und ich lernte viel über das Leben einer einfachen Familie in Venezuela. Am Schluss spendierte ich ihr den Rest meiner Reisekasse in Landeswährung, da für mich am nächsten Morgen nur noch eine bereits gebuchte Fahrt zum Flughafen für den Heimflug anstand. Ihr überraschter und dankbarer Blick war es wert.


Reflexionen über das Reisen

Reisen gibt Erfahrung


Reisen ist vielleicht die wichtigste, auf jeden Fall aber die schönste Art und Weise Lebenserfahrung zu sammeln. Das bringt auch der brasilianische Schriftsteller Paolo Coelho zum Ausdruck:
Las grandes lecciones que aprendi fueron precisamente aquellas que los viajes me ensenaron.”
(Die großen Lektionen, die ich gelernt habe, waren solche, die Reisen mich gelehrt haben.)
Ich würde das sofort unterschreiben. Denn das Umherreisen (nicht unbedingt der Strandurlaub) hat ein viel größeres Potenzial Neues zu sehen, zu erfahren und zu lernen als der ganz normale Alltag. Wenn es dann noch gelingt sich mit allen Sinnen dem Neuen zu öffnen und auch noch eine Portion Neugier und Empathie mitzubringen, dann ist der Kanal für die Aufnahme von Lebenserfahrung weit geöffnet.
Ich habe mich in dieser Erzählung auf Reisen nach Südamerika beschränkt. Ich könnte auch andere Erzählungen schreiben über Reiseerfahrungen in Nordamerika oder solche von den sehr unterschiedlichen Inseln der Karibik. Aber Südamerika und insbesondere Peru waren für mich immer ganz besondere Reiseziele, und ich habe zu dieser Region mit ihren Menschen, ihren Landschaften und ihrer Musik eine sehr persönliche und tief empfundene Beziehung entwickelt. Man kann auch ein Land lieben.
Die hier beschriebenen Reisen spielten sich in einem Zeitraum von gut 4 Jahrzehnten ab. Und so sind es Reisen wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: Reisen mit alter Umhänge-Stofftasche und solche mit Koffer, Reisen mit gutem Reisebudget und solche mit kleinstem Budget, Reisen in der Business Class und solche im Billigstflieger mit endlosen Zwischenstopps, Reisen mit Landkarte und Kompass und solche mit Smartphone – und schließlich Reisen in der Gruppe, Reisen zu zweit und Reisen allein.

Allein reisen

Allein zu reisen ist eine besondere Herausforderung, zugleich aber auch ein ganz besonderes Erlebnis. Mit einem Reisepartner ist es wesentlich einfacher, vier Augen sehen mehr als zwei. Beim Gang zur Toilette wird das sofort deutlich: Der Partner passt in der Zeit auf das Gepäck auf. Als Alleinreisender das Gepäck unbeaufsichtigt lassen, ist in den meisten Ländern, nicht nur in Südamerika, keine gute Idee. Man könnte vielleicht das Gepäck auf die Toilette mitnehmen, was man meistens aber nicht wirklich will. Oder man muss sich eben umschauen, wen in der Umgebung man vielleicht fragen könnte, ein paar Minuten auf das Gepäck zu achten. Eine erste gute Übung in Sachen Kommunikation mit den Einheimischen! Denn auch außerhalb dieser speziellen Situation wird man mit nur zwei Augen und zwei Armen immer mal wieder auf die Hilfe durch Fremde angewiesen sein.
Im Gegensatz zu einer Reise als Paar oder sogar einer organisierten Gruppenreise ist man als Alleinreisender sozusagen Unternehmer in eigener Sache und muss sich um alles und jedes zu jeder Zeit selbst kümmern: Reise- und Tagesplanung, Verkehrsverbindungen und Fahrpläne, Gepäcktransport, Unterkünfte, Finanzen, die eigene Sicherheit und schließlich auch Unterhaltung. Ein gewisses Maß an Managementqualitäten und Selbstbewusstsein sollte man dafür schon mitbringen. Immer wieder kommt es zu Situationen, Begegnungen, Wettereinflüssen oder Pannen, die ein Umplanen oder ein Improvisieren erforderlich machen. Der Bus kommt nicht, das Auto bleibt stecken, ein Gewitter zieht auf, alle Unterkünfte sind ausgebucht, ein Taschendieb versucht sein Glück – es gibt so viele Gründe, warum ein Tag nicht genauso abläuft wie geplant! Es ist im Zeitalter der Pauschalreisen mit Vollkaskomentalität und Rückholgarantie vielleicht etwas aus dem Fokus geraten, dass das Reisen in andere Länder und auf andere Kontinente immer auch mit Risiken verbunden ist: Krankheit, Verletzungen, Kriminalität, Naturgewalten und Ausfälle der Infrastruktur lauern überall. Ein altes persisches Sprichwort aus vorislamischer Zeit sagt:
Das Beste, was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.

Aber dann ist es doch viel mehr! Der Lohn für die Anstrengungen ist jede Mühe mehr als wert: Ein unglaubliches Gefühl von Freiheit, das man im meist gut eingefahrenen Alltag zuhause ebenso wenig erleben kann wie auf durchorganisierten Pauschalreisen. Und dazu eine große Zufriedenheit, wenn man abends wieder einmal eine selbst geplante und organisierte Tagesetappe gut geschafft hat, oder auch einfach mal „ins Blaue“ losmarschiert und irgendwo angekommen ist. So treffend beschreibt der spanische Sänger und Liedermacher Joan Manuel Serrat in seinem Lied „Cantares“ dieses Freiheitsgefühl des Alleinreisenden mit seinen wunderbaren Zeilen:
Caminante, son tus huellas el camino y nada mas,
Caminante, no hay camino, se hace camino al andar.

(Wanderer, deine Spuren sind der Weg und nichts weiter,
Wanderer, es gibt keinen Weg, den Weg macht man im Gehen.)

Gepäck ist dabei ein wichtiges und auch im wahrsten Sinne des Wortes ein schwerwiegendes und sensibles Thema, immerhin muss man es ganz allein schleppen! Und Gepäck ist sehr attraktiv für manche darauf spezialisierten Berufsgruppen, und es ist entsprechenden Attacken gegenüber auch recht verletzlich. Aus diesem Grund bin ich kein großer Freund des Rucksacks, der im Gedränge gern von hinten angegriffen wird. Das wohl unpraktischste Gepäckstück ist dagegen sicher der Rollkoffer, wenn man sich nicht gerade nur in Flughäfen und auf polierten Flächen aufhält. Ich habe auf Alleinreisen meist die Umhängetasche bevorzugt, die man vorn, hinten oder an der Seite tragen oder in der Hand halten kann. Die wohl wichtigste Losung für Gepäck des Alleinreisenden lautet aber: So wenig und so leicht wie möglich! Schon wegen der „Sensibilität“.

Und dann ist da noch die Einsamkeit. Man sollte schon etwas mit sich selbst anzufangen wissen, lesen, schreiben, seine Gedanken sortieren, wenn es einmal einsam wird, oder träumen – aber nur mit einem Auge auf das Gepäck. Und bald vermisst man Gesellschaft, den Gedankenaustausch, die Berührung, man wird neidisch, wenn man einem Paar begegnet. Wie auf einem Bahnhof der peruanischen Eisenbahn zwischen Cusco und Juliaca, wo ich aus dem Fenster schaute und zusehen konnte, wie sich zwei australische Jungs sehr innig von zwei Mädchen verabschiedeten, die sie offenbar einige Tage oder vielleicht auch am Abend zuvor dort kennengelernt hatten. Ein Anblick, der dann doch das Gefühl auslöst, dass man gerade etwas ziemlich vermisst. Und gelegentlich fragt man sich auch: Was mache ich hier eigentlich so allein? Aber – und das ist die andere Seite – dadurch wird man zugleich offener, Eindrücke in sich aufzunehmen, die Umgebung zu betrachten und auch für den Kontakt und die Kommunikation mit Fremden. Viele Menschen habe ich auf meinen Alleinreisen kennengelernt und eine ganze Reihe guter Freunde gewonnen, Einheimische aber auch Reisende aus verschiedenen anderen Ländern. Eindrücke, die man unterwegs sammelt und auch Kontakte sind so meist intensiver, als wenn man in einer Gruppe reist und sich mehr untereinander beschäftigt. Das macht das Alleinreisen besonders wertvoll für die eigene Persönlichkeit und Lebenserfahrung. Ich habe jedenfalls das Reisen und insbesondere das Alleinreisen immer als eine große Bereicherung meines Lebens empfunden.

Technik und Geld

Reisen ohne Smartphone ist für die jüngeren Generationen heute wahrscheinlich kaum noch vorstellbar. Ohne jederzeit erreichbar zu sein, ohne immer die Möglichkeit zu haben Hilfe zu rufen, ohne die heutigen Navigationshilfen, Karten und Routenplanungen, ohne den Busfahrplan oder Flugplan auf Knopfdruck und ohne die Möglichkeiten der Unterhaltung oder Kommunikation, wenn es einsam wird, geht das überhaupt? Die Antwort lautet ja, es geht! Bei den meisten meiner Reisen durch Süd- und Mittelamerika gab es noch kein Smartphone. Deswegen hatte ich auch nicht die Möglichkeit, dies als Nachteil zu empfinden. Routenplanung und Navigation gehen tatsächlich auch mit guten Landkarten und einem Kompass. Flug- und Fahrpläne kann man auch erfragen, gute Reiseführer mit vielen nützlichen Detailinformationen gibt es auch als Buch. Ich war meist mit dem sehr kompakten und klein gedruckten South American Handbook unterwegs, der damaligen Bibel aller Südamerika-Reisenden. Statt Unterhaltung aus dem Smartphone gab es dann die Vorbereitung der nächsten Etappen mit dem Handbook.
Und heute wohl ganz unvorstellbar: Nachrichten von der Familie oder von Freunden erhielt ich meist postlagernd im Hauptpostamt von Lima. Das war umständlich für beide Seiten, und meine Post war daher immer sehr übersichtlich. Aber Lima ist ein wenig wie Paris: Da es so gut wie keine Verbindungen zwischen anderen Städten innerhalb Perus gibt, ging die Reise immer wieder über die Hauptstadt und so hatte ich dann die Möglichkeit mal eben bei der Post vorbeizuschauen. Von der Post aus waren natürlich auch Telefongespräche möglich aber derart unglaublich teuer, dass ich davon so gut wie nie Gebrauch gemacht habe.

Sicher bietet das Smartphone erhebliche Erleichterungen beim Reisen und auch ein großes Maß an zusätzlicher Sicherheit. Darauf wird heute wohl niemand mehr ohne Not verzichten wollen. Die Anforderungen an den allein reisenden „Unternehmer“ werden geringer. Allerdings geht auch ein gutes Stück Abenteuer dabei verloren. Aber auch mit Smartphone ist man gut beraten, sich nicht nur darauf zu verlassen, denn keineswegs überall in Südamerika steht dem Touristen ein kompatibles Netz zur Verfügung. Und vielleicht ist auch dann, wenn man den kleinen Helfer in einer einsamen Gegend dringend benötigt, gerade ein Funkloch „im Dienst“.

Sprechen wir also noch über Geld. Es ist sehr nützlich, aber Reisen geht auch ohne viel Geld. Es gibt einen sehr breiten Markt an Reisemöglichkeiten, für sehr kleine, kleine, große und sehr große Budgets. Ich habe im Laufe der Jahre Verschiedenes praktiziert und kann nicht sagen, dass die lowest-budget-Reisen weniger interessant und erlebnisreich waren als die Luxusreisen. Das fängt bereits beim Flug an. Natürlich ist es sehr angenehm und komfortabel in der Business Class zu reisen, aber die erheblich günstigere Economy Class bringt einen auch ans Ziel. Für beides lassen sich bei akribischer Suche und etwas Flexibilität in der Terminfrage meistens besonders günstige Angebote finden, zahlreiche Plattformen im Netz sind darauf spezialisiert solche auszumachen. Die günstigsten Preise sind oft mit längeren oder ungünstigen Flugzeiten verbunden, aber das ist dann eben so. Und auch was die Verkehrsverbindungen und Unterkünfte im Zielland angeht gibt es ein ebenso breites Preisangebot in allen denkbaren Komfortklassen. Tatsächlich ist es immer noch möglich mit wenig Geld durch Südamerika zu reisen. Das einfache Leben ist in diesen Ländern nicht teuer, die Löhne in Südamerika sind ja auch viel niedriger.

Die Suche nach dem Glück

Die Suche nach dem Glück ist dem Menschen eigen, wohl jeder macht es - und jeder auf seine ganz eigene Weise. Auch sind die Möglichkeiten zum Glück zu finden nicht für alle Menschen gleich, schon deshalb, weil materielle Güter sehr unterschiedlich verteilt sind. Es gibt gewaltige Unterschiede der Verteilung der materiellen Ausstattung zwischen reichen und armen Ländern, ebenso wie zwischen reichen und armen Menschen in diesen Ländern. Ohne in den Verdacht einer unreflektierten Gleichmacherei kommen zu wollen, halte ich diese Unterschiede für mein ganz persönliches Empfinden für viel zu groß. Gleichwohl habe ich bei meinen Reisen auch die Erfahrung gemacht, dass die materielle Ausstattung mit Glück nur wenig zu tun hat. Zwar sind wir in unserer Kultur stark darauf geprägt Wohlstand zu erreichen und zu vermehren, und für viele ist es ein großes Glücksgefühl ein neues und größeres oder besseres Auto kaufen zu können. Umso erstaunlicher, wenn man dann in Gegenden reist, wo so etwas finanziell gar nicht erreichbar wäre, und die Menschen trotzdem genauso glücklich sind – oder sogar mehr? Denn das Streben nach immer mehr Wohlstand erzeugt auch Stress und Unglück. Immer wieder war ich beim Reisen in Gegenden, die man aus hiesiger Sicht als arm bezeichnen würde, sehr beeindruckt, wie fröhlich und selbstverständlich Menschen dort mit ihrem Leben und ihrer Lebenssituation umgehen. Es sind dort offensichtlich andere, nicht-materielle Werte und Erlebnisse, die Glück hervorrufen. Auch feiern können sie oft besser als wir. Und über abstürzende Geldanlagen muss sich dort niemand Gedanken machen. Mich haben solche Erfahrungen immer sehr nachdenklich gemacht. Jeder mag nach seiner Facon glücklich werden, für mich ganz persönlich hat sich durch solche Erlebnisse das Verständnis von Glück verändert – oder besser gesagt erweitert.

Wir haben gelernt, dass das Glück in der Tiefe liegt und in der Stille wächst“,
das habe ich schon 1990 in die Anzeige meiner Hochzeit mit Cecilia geschrieben; es bezog sich auf eine harmonische Beziehung zwischen zwei Menschen, vielleicht das größtmögliche Potenzial für Glück. Aber ist es nicht auch Glück, eine Arbeit zum Erfolg zu bringen, zum Beispiel ein Buch fertigzustellen, einen Sieg zu erringen, im Lotto zu gewinnen – oder ein neues Auto zu kaufen? Glück ist so vielseitig, individuell und relativ. Und es ist auch flüchtig, man muss immer wieder neu daran arbeiten. Selbst die Lotto-Million wäre sonst nur vorübergehend, das neue Auto bald wieder ein altes Modell. Das „Glück, das in der Tiefe liegt“ scheint dagegen vielleicht beständiger zu sein? Aber auch daran muss immer wieder gearbeitet werden.

Macht Reisen glücklich? Ich meine ja. Die kleinen und großen Herausforderungen, die man erfolgreich bewältigt, das Erleben großartiger Landschaften, das Erleben von Unterstützung, Gastfreundschaft und gegenseitiger Sympathie, das Eintauchen in fremde Werte und Gebräuche, in fremde Musik und in eine andere Sprache. Das alles enthält viel Glückspotenzial, umso mehr je aktiver und aufgeschlossener eine Reise gestaltet und erlebt wird.
Und schließlich ist auch der eigene Zuwachs an Lebenserfahrung mit Glück verbunden. Lebenserfahrung gibt Sicherheit, Souveränität und vielleicht sogar ein Stück Weisheit. Die Erfahrungen aus der Fremde lassen einen ein Stück über der begrenzten Alltagssichtweise stehen und vermitteln so mehr Gelassenheit, ein Privileg, das das Leben einfacher und angenehmer – und glücklicher? – machen kann. Umso wichtiger erscheint es mir, jungen Menschen diese Erfahrungen und damit dieses Privileg und dieses Glück zu ermöglichen. Die Kinder meiner Freunde und Bekannten, welche die Chance erhielten, ein paar Monate oder ein Jahr im Ausland zu verbringen, kamen alle deutlich bereichert an wichtiger Lebenserfahrung wieder zurück nach Hause. Angebote dafür, auch mit staatlicher Unterstützung, gibt es viele, man muss sich nur darum bemühen.
Reisen ist aufwändig, kann teuer sein und ist oft auch anstrengend. Für manche der hier beschriebenen Reisen habe ich nicht unerhebliche Strapazen auf mich genommen. Und meistens habe ich das gern getan, ich hatte schnell gelernt, wie sehr es sich lohnt.

Klima und Corona

Ich schreibe diesen Text knapp zwei Jahre nach der Entstehung der weltweiten Bewegung für das Klima „Fridays for Future“ (FFF) und wenige Monate nach dem Beginn der ebenfalls weltweiten Corona-Pandemie im Jahr 2020. Zurzeit ist Reisen, so wie es hier beschrieben ist, gerade kaum noch möglich. Viele Staaten haben Einreiseverbote verhängt oder erlauben die Einreise nur mit einer mehrwöchigen Quarantänepflicht. Selbst der Postverkehr ist in viele Länder nicht mehr möglich. Der Himmel ist leer, der zivile Flugverkehr ist weitestgehend zum Stillstand gekommen, die großen Flugplätze in Deutschland sind zu Flugzeug-Parkplätzen mutiert. Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können, dass der gesamte Flugverkehr so schnell nahezu weltweit fast zum Stillstand kommen kann. Auch am Flughafen Düsseldorf, in dessen Nähe ich wohne, ist es sehr still geworden. Es starten und landen fast nur noch kleine Privatmaschinen und gelegentlich auch Frachtflüge. Der Fluglärm hier in Flughafennähe, den ich als Vielflieger immer gern als „Sound of Freedom“ bezeichnet habe, ist verschwunden. Das Singen der Vögel im Garten erscheint nun viel lauter als früher. Wann es wieder einen Flugverkehr wie noch im vorigen Jahr geben wird, und ob es überhaupt wieder dazu kommen wird, weiß zurzeit niemand. Einige Fluggesellschaften sind bereits pleite und haben Insolvenz angemeldet, andere stehen kurz davor. Manche Fluggesellschaften, so zum Beispiel die Lufthansa, Air France und KLM, erhalten hohe Geldbeträge als Unterstützung vom Staat. Das Fliegen ist gerade auf den Strecken, wo es überhaupt noch möglich ist, erstaunlich preisgünstig, es gibt einige unglaubliche Sonderangebote, wahrscheinlich aus Verzweiflung, um wenigstens einige Flugzeuge überhaupt noch bewegen zu können. Vermutlich werden allerdings mit der Wiederaufnahme des Flugbetriebs wegen der durch Pleiten reduzierten Kapazitäten die Preise eher wieder deutlich ansteigen. Aber die Corona-Pandemie ist nicht das einzige Problem für die Fliegerei.

Fliegen ist auch ein emotional hoch besetztes Thema in der aktuellen Klimadiskussion. Die FFF-Gründerin Greta Thunberg hat öffentlich u.a. ihren Verzicht auf jegliche Flugreisen als ihren persönlichen Beitrag zum Klimaschutz erklärt. Sollte dies zum Vorbild werden, wären Reisen auf andere Kontinente nicht mehr möglich. Denn nicht jeder erhält wie Greta Thunberg für eine Vortragsreise in die USA eine schnelle und hochseefähige Segelyacht zur Verfügung gestellt und hat zwei Wochen Zeit für die Überfahrt. Die Anreise einer größeren Schar von Journalisten mit dem Flugzeug zum Start- und Zielort dieser Reise ließ allerdings am Sinn dieser PR-Aktion zweifeln. Auch die am Ziel abgelöste Crew des Bootes nahm für die Rückreise, ebenso wie die neue Crew für die Anreise, wohl das Flugzeug.
Ich möchte nicht missverstanden werden: Der Klimaschutz ist eine dringende Notwendigkeit und duldet auch keinen weiteren Verzug! Und das Engagement von Greta Thunberg dafür ist ehrenhaft und bewundernswert. Der Klimaschutz braucht aktuell radikale Forderungen, dabei sind aber auch die Nebenwirkungen im Auge zu behalten und mit abzuwägen. Die Corona-Pandemie hat dem Klima jetzt erst einmal eine unverhoffte Atempause verschafft: Nicht nur der Passagier-Flugverkehr wurde weltweit massiv eingeschränkt, allein in Deutschland um über 90 Prozent. Auch die Industrie wurde deutlich zurückgefahren, zudem hat der private Straßenverkehr zeitweise stark abgenommen. Dies zeigt auf, was grundsätzlich möglich ist – aber auch mit erheblichen Nebenwirkungen. Bisher starke Unternehmen (Auto, Luftfahrt, Tourismus) verzeichnen massive Einbrüche, manche stehen bereits nach wenigen Monaten des „shutdown“ am Rand einer Pleite. Die Arbeitslosigkeit erlebt eine dramatische Zunahme, manchen Branchen mit vielen Kleinunternehmern (Gastronomie, Veranstaltungen, Kultur) droht der Verlust zahlreicher Existenzen.

Neben diesen massiven Schäden liegt mir auch der Verlust der Möglichkeit des Reisens am Herzen. Dies ist ein immaterieller Schaden, aber deswegen nicht weniger bedeutsam. Ich hatte bereits dargelegt, warum ich Reisen – auch und gerade auf andere Kontinente – insbesondere für junge Leute für so besonders wichtig halte. Die Bedeutung dieser Erfahrungen für die eigene Persönlichkeit, aber auch für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft, kann kaum hoch genug eingeschätzt werden. Ob ein Vielfliegerdasein, wie ich es gelebt habe, zukünftig noch angemessen ist, erscheint mir sehr fraglich. Man hätte viele Abstriche daran machen können und wird dies in Zukunft wohl auch müssen. Kurzstreckenflüge, Billigstflüge und sicher auch manche Geschäftsreisen wären ohnehin vermeidbar – dem Klima zuliebe wäre das schon ein großer und guter Schritt. Das gilt auch für andere Arten des Reisens. Zum Beispiel wäre in diesem Kontext auch die beliebte, aber sehr umweltbelastende Kreuzschifffahrt zu überdenken. Grundsätzlich sollte Reisen aber möglich und auch erschwinglich bleiben.

Als wichtigste Frage erscheint mir zurzeit, ob es gelingt, aus der Corona-Krise heraus einen Neustart zu finden, der die Anforderungen des Klimaschutzes gleich mit in das wieder erstarkende wirtschaftliche Geschehen einbindet. Einzelansätze sind ja bereits erkennbar, das Fahrrad boomt, die im shutdown erforderlichen Videokonferenzen und das Home-Office haben sich im Ganzen bewährt und könnten zukünftig zahllose Dienstreisen und Arbeitswege verzichtbar machen. Es sind aber bottom-up-Lösungen, die sich entwickelt haben. Eine weiter reichende top-down-Strategie der Politik ist dagegen aktuell kaum zu erkennen. Zwar gelang es der Politik in Deutschland bisher ganz gut, die Corona-Krise erst einmal zu managen, aber schon dabei zerfledderte sich die Strategie in zahlreiche regionale Eigenständigkeiten, Streitigkeiten und Eitelkeiten. Die nächste Wahl lässt grüßen.
Dazu kommt, dass sich eine Klimakatastrophe wohl nur durch gemeinsame internationale Anstrengungen verhindern lässt. Eine Million Elektroautos in Deutschland, womöglich auch noch gefüttert aus Kohlekraftwerken, machen noch keinen Klimaschutz – und selbst das wäre hier schon ein politischer Kraftakt. Eine vielversprechende klimaschonende Alternative, die Wasserstofftechnologie, wäre nur zu realisieren, wenn internationale Abkommen die Sicherheut der Produktion des Wasserstoffs aus Solarenergie in sonnenreichen Ländern sowie der Transportwege garantieren könnten. Die Abholzung der Regenwälder zu stoppen, die vielleicht wichtigste Aufgabe für den Klimaschutz überhaupt, würde wohl nur durch massiven internationalen Druck erreichbar sein, der Einigkeit voraussetzt. Ob die heutige Welt dafür schon bereit ist? Oder muss die vorausberechnete Katastrophe erst evident werden? Dann könnte es zu spät sein. Wenn zum Beispiel die Permafrostböden weiter auftauen ist die Katastrophe wahrscheinlich gar nicht mehr zu stoppen. Auch wenn ich die Segelbootfahrt nach New York albern und unnötig fand – Greta hat schon Recht, es ist allerhöchste Zeit für eine „Bazooka gegen den Klimawandel“!

Freundschaft

Auf meinen Reisen nach Südamerika habe ich viele Menschen kennengelernt und dabei auch viele Freunde gewonnen. Ein Aspekt des Reisens, der mir immer sehr wichtig war, dessen eigentlichen Wert ich allerdings heute nachträglich noch viel höher einschätze als zur Zeit der Begegnungen. Es waren flüchtige Bekanntschaften dabei, viele mehr als in dieser Erzählung ausdrücklich erwähnt. Es waren auch Freundschaften dabei, die auf längere Dauer der Entfernung und der räumlichen Trennung nicht standgehalten haben und dabei zwar nicht in Vergessenheit gerieten, aber auch nicht aktiv weiterlebten. Und es blieben Freundschaften, die auf den Reisen begannen und die noch heute zu meinem wertvollen und aktiven Freundeskreis gehören: Jostein und Randi aus Norwegen, deren traditionelles jährliches Treffen mit Cecilia und mir regelmäßig ein Highlight des Jahres darstellt, auch Jörg aus der Schweiz, inzwischen mit seiner Ehefrau Renate, ebenso wie Hartmut aus Hamburg, nun mit seiner Ehefrau Sakura, sind ebenfalls immer gern gesehene Gäste in unserem Haus. Viele weitere Freundschaften und Bekanntschaften, wie z.B. Maria und Grace in Arequipa und einige weitere haben meine Reisen begleitet und bereichert, auch wenn sie nicht auf Dauer Bestand hatten.
Und dann ist da Teresa, meine Freundin aus Chiclayo, die mir bereits bei meiner ersten Reise nach Südamerika im Zug nach Machu Picchu begegnet ist. Oft haben wir uns danach in Peru wieder getroffen, zweimal hat sie uns inzwischen auch schon in Düsseldorf besucht. Der Zauber von Machu Picchu bei unserer ersten Begegnung hat uns berührt, die Weissagung hat sich erfüllt und eine wunderbare und vermutlich auch – wie versprochen - lebenslange Freundschaft hervorgebracht.

Der Mythos von Machu Picchu lebt.
 

ahorn

Mitglied
Hallo Context,

der Anfang deiner Geschichte hat etwas, leider springst du mit den Zeiten. Bleibe im Präteritum und streiche das Präsent.
Es wäre gleichfalls förderlich gewesen deine Geschichte Kapitelweise zu veröffentlichen, damit die Leser sich an deine Sprache gewöhnen können und durch die Interaktion dir helfen.
Ein langer Text kann erschlagen. Stückchenweise macht es mehr Spaß. :)

Gruß
Ahorn
 

onivido

Mitglied
Was mir am meisten an diesem Text gefaellt ist, dass er die sonst so haeufig auftretende Besserwisserheit und Anmassung der Europaer und Angloamerikaner gaenzlich vermissen laesst.
Beste Gruesse///Onivido
 

Context

Mitglied
Hallo Context,

der Anfang deiner Geschichte hat etwas, leider springst du mit den Zeiten. Bleibe im Präteritum und streiche das Präsent.
Es wäre gleichfalls förderlich gewesen deine Geschichte Kapitelweise zu veröffentlichen, damit die Leser sich an deine Sprache gewöhnen können und durch die Interaktion dir helfen.
Ein langer Text kann erschlagen. Stückchenweise macht es mehr Spaß. :)

Gruß
Ahorn
Vielen Dank, Ahorn, das sins sehr wichtigeHinweise auf meine Fehler. Ich bin für jede kritische Anmerkung sehr dankbar!
 

ahorn

Mitglied
Hallo Context,

ich mag gut gemachte Reiseberichte, denn dieses ist dein erstes Kapitel.
Beschreibe nicht, sondern erzähl.
Kombiniere Erzähltext mit wörtlicher Rede (Dialoge) und ‚erlebter‘ Rede.

Ich hatte Teresa die Hand gereicht, um ihr auf eine hohe Stufe hinaufzuhelfen, und ihre Hand nicht mehr losgelassen sie nicht mehr losgelassen (Wenn ich ihr die Hand reicht und nicht mehr loslässt, ist es klar, dass es die Hand ist.).

Nun stiegen wir beide hoch hinauf auf diesen pyramidenförmigen Hügel, auf dem (Oh mein Herz frohlockt kein ‚wo‘. ;) ) sich Freunde, Verliebte und Paare treffen trafen.

Es galt, eine kleine Granitsäule gemeinsam zu berühren, die auf einem kunstvoll behauenen Steinblock herausragt.
’Es galt‘? Hatten sie eine Aufgabe zu erfüllen? Was ist klein, was kunstvoll? Erkläre es deinen Leser.

Dieser Stein, in der Inka-Sprache Quechua „Intihuatana“ genannt, was bedeutet „der Ort, an dem die Sonne gefesselt ist“, diente vermutlich als astronomisches Instrument zur Jahreszeitenabgrenzung. Eine der vielen Mythen um Machu Picchu verheißt bei der gemeinsamen Berührung der Spitze ewige Liebe oder zumindest ewige Freundschaft.
Die Erklärung gefällt mir, allerdings schreibst du keinen ‚archäologischen‘ Aufsatz, sondern eine Erzählung – also erzähle. ;)
Ich hatte gehört / gelesen, dass dieser Stein ...

Teresa kannte diese alte Sage, sie hatte mir die Geschichte erzählt, und nun waren wir beide neugierig darauf sie auszuprobieren.
In Kombination mit dem Abschnitt zuvor.
Teresa hatte mir erzählt, dass dieser Stein ... ;)

So betraten wir den Gipfel der Pyramide und reihten uns in eine Gruppe von Paaren um den Steinblock ein, die mit der gleichen Absicht hergekommen waren.
Wie ‚so‘? In Erkenntnis?
Wir betraten den Gipfel ...

Dann war es endlich so weit, die kleine Granitsäule war in Reichweite.
Dann waren wir endlich an der Reihe. (Einfacher ist oft besser)

Ich berührte den Stein mit meiner linken Hand, meine Rechte ließ ihre Hand los und umfasste ihre Taille.
Der Rest erklärt sich von selbst, es sei denn, er hat drei Hände.

Teresa legte ihre rechte Hand auf den Stein und fuhr mit der Linken über meinen Rücken und streichelte mit der Anderen meinen Rücken..

Sie konnte ein leichtes Zittern ihrer Hand nicht unterdrücken.
Mutmaßung.
Ich spürte ein zaghaftes Zittern ihrer Finger. (Zuviel Hand :) )

Würde ich sie jetzt küssen?
Nee, bitte, das kannst besser.

Dann spürte sie meine Lippen auf ihrer Stirn und hielt den Atem an.
Woher weiß er das? Schreibe nur, was er sieht oder spürt.

Aber es Es blieb bei dieser leichten (Scheuen) Liebkosung. Ich zog sie bevor ich sie losließ noch kurz ein wenig näher an mich heran und ließ sie dann los, um nun wieder ihre Hand zu ergreifen.

Wir hatten es also getan. Würde dieser kurze Augenblick reichen KOMMA um den Mythos von Machu Picchu auf uns einfließen und die Verheißung wahr werden zu lassen? Wir kannten uns doch erst seit gut 2 zwei Stunden ! PUNKT ABSATZ

Teresa, ein (für mich) hübsches (Beschreibe sie, nimm dir die Zeit.) 18-jähriges Mädchen, war mit ihrer Tante Iris auf ihrer ersten großen (Was ist eine ‚große‘ Reise? Für meine Urgroßmutter die Reise in die Stadt.) Reise unterwegs. Ihre dichten schulterlangen schwarzen Haare und ihre schlanke Figur ließen sie eher noch jünger (‚noch jünger‘, weil ich viel älter ist?) erscheinen. Sie trug ein langärmeliges weißes Hemd, vorn mit einer großen (Spielt das eine Rolle?) Rosenstickerei verziert, über ihren Jeans.
Warum trägt sie ihr Hemd über der Jeans? Was hat sie oben an?


Ein leichter (Wie gehabt) roter Poncho lag über ihrer Handtasche bereit zum Schutz vor der kalten Luft der Anden.
Mutmaßung! Erkläre, beschreibe.

Der Zug von Cusco nach Agas Calientes ist war die einzige Verbindung, die Touristen und Einheimische von Cusco aus den Rio Urobamba entlang an den Fuß des Berges von Machu Picchu bringt brachte. Die Straße endet kurz hinter dem Ort Ollantaytambo, wo in dem (Zu früh gelobt. ;) ) sich erhaltene auch gut gleichfalls Reste einer Siedlung der Inka befinden befanden. Alternativ kann konnte man Machu Picchu auch über eine dreitägige und recht mühsame Wanderung auf dem Inka-Trail erreichen, was von manchen abenteuerlustigen Touristen bevorzugt wird manch ein abenteuerlustiger Tourist bevorzugte.
Wie oben. Schön geschrieben, allerdings schreibst du, wie zuvor erwähnt, keinen Aufsatz.
Ich hatte mich für den Zug entschieden. Der Zug …

In zwei Abteilen des Zuges saßen Teresa und ihre Tante Iris, die jüngste Schwester ihres Vaters KEIN KOMMA sowie vier Freundinnen der Tante.
Sie saßen in zwei Abteilen? Der Kopf der Tante in einem, ihr Körper im anderen? Oder wie soll ich mir das vorstellen?

Einen Gangplatz mitten in dieser Gruppe hatte man mir zugeteilt.
Wer hat ‚ich‘ den zugeteilt?

Neben mir saß also somit eine junge Frau, die sich mit den anderen aus der Gruppe unterhielt. Wie die meisten Touristen schaute ich aus dem Fenster, ohne auf die Unterhaltung im Abteil zu achten, von der ich ohnehin nicht allzu viel verstand.

Aber meine Nachbarin war neugierig, sie hatte immer mal wieder verstohlen auf mich hinübergeschaut.
Unterstellung! Ursache-Wirkung. Weil sie verstohlen schaut, geht er davon aus, dass …

Ich war damals gerade [color=Green(Wann sonst?)[/color] 30 Jahre alt, trug schwarze Jeans, eine braune Wildlederjacke und KOMMA abgewetzte Sportschuhe und hatte lediglich (Dass ‚ich‘ nicht mehr Gepäck hat, solltest du anders beschreiben einen Einkaufsbeutel aus Leinen vor mich gestellt.

Darin erspähte sie eine Kamera und ein Buch, offenbar ein Reiseführer.
Glaskugel. Er weiß nicht, was sie erspäht, sondern nur, was sie erspähen kann.

Ein Tourist also, das war ihr klar, ein Gringo KOMMA wie die Peruaner sagen, wahrscheinlich aus den USA? Schließlich fasste sie sich ein Herz und sprach mich an, ich verstand Ihre Frage allerdings nicht. So bat sie Teresa um Unterstützung und Übersetzung, und Teresa setzte sich zu uns:
Schreibe nicht, was sie von ihm hält. Er kann nicht ihrer Gedanken lesen, sondern was er glaubt, was sie denken könnte.

Die ganze Gruppe stellte Fragen über Fragen, sie wollten alles über mich wissen, und Teresa war mit den gegenseitigen Übersetzungen gut beschäftigt.
Zum Missvergnügen meiner Sitznachbarin stand nun Teresa und nicht sie mit mir im Mittelpunkt des weiteren Geschehens, sie hat sich später darüber bei Teresa beschwert.
Greife nicht vor. Lass ‚ich‘ mutmaßen und später erzählt sie ‚ich‘ es.

Von der Zugstation Aguas Calientes auf der Höhe des Rio Urobamba fährt eine kleine (In Bezug aus was?) Armada von Minibussen die Besucher über eine schmale Privatstraße mit zahlreichen Serpentinen bis hoch hinauf (Denn der Berg ist ‚hoch‘) auf den Berg zum Eingang der Inka-Stadt Machu Picchu. Kluge (Die anderen sind zu blöd? Keine Wertungen im Erzähltext. Wenn ‚ich‘ es denkt, ist es etwas anders.) Touristen übernachten preiswert in Aguas Calientes, oder teuer in einer Unterkunft nahe dem Eingang von Machu Picchu, und gelangen so vor dem Eintreffen der Touristenzüge in die alte Inka-Stadt, um dort den Sonnenaufgang zu erleben. Das gelingt allerdings nicht immer, da der Berg oft auch von Wolken verhangen ist. Aber allein die gewaltige Anlage in ihrer Einsamkeit, ohne den Touristenstrom, zu erleben, lohnt jede Mühe, selbst im Nebel.
Keinen Aufsatz schreiben! Lass ‚ich‘ es erleben.

Für Tante Iris und ihre Freundinnen war es zwar wie für alle Peruaner fast wie eine heilige Pflicht, einmal im Leben Machu Picchu zu besuchen – besonders kletterfreudig waren sie allerdings nicht.
Wie Teresa es mir erzählte, war es …

In Machu Picchu gibt es aber erhebliche Steigungen und unendlich viele Treppen mit insgesamt über 3.000 Stufen. So war es für Teresa und mich ein Leichtes, uns von der Gruppe zu lösen und die alte Stadt zusammen auf eigene Faust zu erkunden. Der Weg führte uns direkt auf die Pyramide der Freundschaft zum Intihuatana-Stein, an dem „die Sonne gefesselt ist“.
Dito!

Nehme, was du willst, schmeiße weg, was du nicht willst.
Aber überarbeite den Text, baue aus dem Skript einen Roman, der den leer mitnimmt. Du kannst es. ;)

Gruß
Ahorn
 

Context

Mitglied
Vielen lieben Dank, Ahorn, für diese ausführlichen und wertvollen Hinweise! Ich werde den Text anhand Deiner Tipps überarbeiten, es wird allerdings etwas dauern. Das wird mir weiterhelfen!
 

onivido

Mitglied
Nun stiegen wir beide hoch hinauf auf diesen pyramidenförmigen Hügel, auf dem (Oh mein Herz frohlockt kein ‚wo‘. ;) ) sich Freunde, Verliebte und Paare treffen trafen.
Guten Tag Ahorn, ich habe eine Frage. Sollte es nicht "treffen" heissen? Die Paare treffen sich doch immer noch an dieser Stelle.
Gruesse ///Onivido
 

ahorn

Mitglied
Hallo onivido,

Die Paare treffen sich doch immer noch an dieser Stelle.
Vonseiten der Logik sicher, allerdings gibt es dieses Problem öfter.
"Ich liebte diese Stadt, ihre Sehenswürdigkeiten. Der Eiffelturm war ein Gigant aus Stahl."
Wie man dieses umgehen kann? Keine Ahnung. Wie leicht hat jemand eine Idee.

Gruß
Ahorn
 



 
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