Bei Nebel - Drei Hunde *
An diesem Morgen war ich von B. auf meine Runde über den Fürstenberg gestartet. Der Tag war für Anfang November sehr frisch, die Temperatur nur etwas über Null. Dichter Nebel bedeckte die Landschaft um mich herum, die Sonne hinter mir stand knapp über dem Horizont und war nur schemenhaft zu erkennen.
Die schmale Asphaltstrasse aufwärts konnte ich nur etwa 10-20 m überblicken, die Schreie der Möwen und gelegentliches Hundegebell aus der Ferne waren gedämpft.
Ein Radfahrer kam von hinten und überholte mich und verschwand schnell wieder im Dunst vor mir, ich hatte ihn nicht kommen hören.
Dann gedämpfte Stimmen. Gleich darauf vor mir rote Flecken, die Anoraks zweier Frauen, die den Hügel herab joggten. Beide hatten einen Hund an der Leine, die linke schob mit der freien Hand noch einen Kinderwagen vor sich her. Das Verdeck war halb heruntergeklappt, das Kind darin sah ich nur undeutlich.
Ich kannte die beiden nicht, aber sie grüssten freundlich als wir aneinander vorbeikamen. Mutter und Tochter oder Schwiegermutter und Schwiegertochter, vermutete ich. Wegen der schlechten Sichtverhältnisse auf der Straße bog ich schon unterhalb der Kuppe nach links auf den Feldweg in Richtung Krankenhaus ab.
Meine Gedanken waren noch bei den beiden Frauen mit ihren Hunden und dem Kinderwagen, die sich für meine Begriffe recht leichtsinnig im Nebel verhielten. Es konnte ja jederzeit ein Auto oder ein Trecker aus dem Nebel auftauchen, was insbesondere für das Kind zu einer gefährlichen Situation geführt hätte.
Während ich darüber nachdachte, ob ich sie hätte warnen sollen, sah ich plötzlich vor mir die Silhouette eines Hundes. Er lag kaum 5 m von mir entfernt flach und regungslos am Rand des Weges ohne einen Laut von sich zu geben. Er beobachtete mich mit erhobenem Kopf und gespitzten Ohren. Der Besitzer war nicht zu sehen ich ließ den Hund nicht aus den Augen und ging vorsichtig weiter.
„Haben Sie einen Hund dabei?", hörte ich eine Stimme aus dem Nebel vor mir.
Der Ruhrpott-Dialekt des Mannes verstärkte noch meinen Ärger darüber, dass hier jemand seinen Hund im Naturschutzgebiet des Fürstenberges frei herumlaufen ließ. Wahrscheinlich einer vom Campingplatz, der am anderen Ende des Fürstenberges lag, dachte ich.
„Nein, und wenn ich einen hätte, würde ich ihn anleinen!“, rief ich in den Nebel hinein und sah kurz darauf einen Mann vor mir auf der Straße. Er rief den Hund zurück, der nur widerwillig gehorchte.
Der Kerl war um die 50, mit einem ungepflegten struppigen Haarkanz um eine Mittelglatze. Trotz der Kälte war er nur in Hemd und Weste unterwegs. Seine O-Beine steckten in einer alten Turnhose aus Baumwollflanell mit Gummizügen unten an den zu kurzen ausgebeulten Hosenbeinen. Seine Sportschuhe waren neu.
Er hielt den knurrenden Hund am Halsband, als ich vorüberging und grüßte jovial. Ich erwiderte seinen Gruss nicht und ging schnell weiter, hinunter zur Eisenbahnbrücke und auf einen Schotterweg auf der anderen Seite, der zurück in den Ort führt.
Dort begegneten mir wieder die Frauen in den roten Anoraks auf ihrem Rückweg. Blitzartig sah ich von meinem inneren Auge, was geschehen könnte, wenn sie oben auf dem Berg dem Ruhrpott-Typen begegnen würden. Sein aggressiver widerwärtiger Köter würde die Hunde der beiden attackieren, vielleicht sogar das Kind angreifen und ihm das Gesicht zerbeißen. So war es vor einigen Jahren in der Nähe auch dem Sohn von R. ergangen, der beim Krankenhaus wohnt.
Ich sah schon die ersten Häuser vor mir, als ich hinter mir wütendes Hundegebell hörte, dazwischen laute Rufe und das Schreien eines Kindes.
Am Dorfeingang winkte mir ein Mann zu, der in seinem Garten werkelte. Es war immer noch nebelig und erst als er zu mir herüber an die Strasse kam erkannte ich Heinz van H., einen früheren Nachbarn.
Noch während wir uns begrüssten hörte ich die Sirene eines Rettungswagens, der vom Krankenhaus startete. Ich atmete tief aus und blickte zu Boden.
„Ist etwas?“
„Nein, ich habe nur gerade darüber nachgedacht, was da wohl passiert sein mag“.
„Sicher wieder ein Unfall auf der B57.“
„Ja, es ist ziemlich neblig heute morgen“.
Nachdem wir uns ausgiebig über alte Zeiten unterhalten hatten ging ich zurück zum Kirchplatz des Dorfes, wo ich meinen Wagen geparkt hatte, und fuhr nach Hause.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Bad kam, sass meine Frau schon am Küchentisch und las Zeitung.
„Du warst doch gestern auf dem Fürstenberg?“
„Ja. Warum?“
Sie zeigte mir eine Meldung auf der ersten Seite des Lokalteils.
‚Gestern am frühen Morgen kam es auf dem Fürstenberg zu einem Unfall. Ein Radfahrer hatte, von X. kommend, bei durch Nebel behinderter Sicht zwei Frauen, die ihre Hunde ausführten, zu spät bemerkt. Er geriet beim Abbremsen ins Schleudern und stürzte so unglücklich, dass er sich das Hüftgelenk brach. Die beiden Frauen blieben unverletzt. Eine der Frauen alarmierte über ihr Handy einen Rettungswagen, der den Verletzten ins nur 400m entfernte Krankenhaus brachte.‘
Von dem Kind stand nichts darin. Dann waren es doch nur die Rangeleien der drei Hunde und die gegenseitigen Beschimpfungen der Hundebesitzer gewesen, die ich gestern gehört hatte.
„Gott sei Dank ist dem Kind nichts passiert“, sagte ich erleichtert und trank einen Schluck Tee.
„Was für einem Kind?", fragte sie.
„Dem Kind in dem Wagen", antwortete ich und berichtete mein Erlebnis vom Vortag.
* Titel in Anlehnung an „At swim-two-birds“ von Flann O'Brien.
An diesem Morgen war ich von B. auf meine Runde über den Fürstenberg gestartet. Der Tag war für Anfang November sehr frisch, die Temperatur nur etwas über Null. Dichter Nebel bedeckte die Landschaft um mich herum, die Sonne hinter mir stand knapp über dem Horizont und war nur schemenhaft zu erkennen.
Die schmale Asphaltstrasse aufwärts konnte ich nur etwa 10-20 m überblicken, die Schreie der Möwen und gelegentliches Hundegebell aus der Ferne waren gedämpft.
Ein Radfahrer kam von hinten und überholte mich und verschwand schnell wieder im Dunst vor mir, ich hatte ihn nicht kommen hören.
Dann gedämpfte Stimmen. Gleich darauf vor mir rote Flecken, die Anoraks zweier Frauen, die den Hügel herab joggten. Beide hatten einen Hund an der Leine, die linke schob mit der freien Hand noch einen Kinderwagen vor sich her. Das Verdeck war halb heruntergeklappt, das Kind darin sah ich nur undeutlich.
Ich kannte die beiden nicht, aber sie grüssten freundlich als wir aneinander vorbeikamen. Mutter und Tochter oder Schwiegermutter und Schwiegertochter, vermutete ich. Wegen der schlechten Sichtverhältnisse auf der Straße bog ich schon unterhalb der Kuppe nach links auf den Feldweg in Richtung Krankenhaus ab.
Meine Gedanken waren noch bei den beiden Frauen mit ihren Hunden und dem Kinderwagen, die sich für meine Begriffe recht leichtsinnig im Nebel verhielten. Es konnte ja jederzeit ein Auto oder ein Trecker aus dem Nebel auftauchen, was insbesondere für das Kind zu einer gefährlichen Situation geführt hätte.
Während ich darüber nachdachte, ob ich sie hätte warnen sollen, sah ich plötzlich vor mir die Silhouette eines Hundes. Er lag kaum 5 m von mir entfernt flach und regungslos am Rand des Weges ohne einen Laut von sich zu geben. Er beobachtete mich mit erhobenem Kopf und gespitzten Ohren. Der Besitzer war nicht zu sehen ich ließ den Hund nicht aus den Augen und ging vorsichtig weiter.
„Haben Sie einen Hund dabei?", hörte ich eine Stimme aus dem Nebel vor mir.
Der Ruhrpott-Dialekt des Mannes verstärkte noch meinen Ärger darüber, dass hier jemand seinen Hund im Naturschutzgebiet des Fürstenberges frei herumlaufen ließ. Wahrscheinlich einer vom Campingplatz, der am anderen Ende des Fürstenberges lag, dachte ich.
„Nein, und wenn ich einen hätte, würde ich ihn anleinen!“, rief ich in den Nebel hinein und sah kurz darauf einen Mann vor mir auf der Straße. Er rief den Hund zurück, der nur widerwillig gehorchte.
Der Kerl war um die 50, mit einem ungepflegten struppigen Haarkanz um eine Mittelglatze. Trotz der Kälte war er nur in Hemd und Weste unterwegs. Seine O-Beine steckten in einer alten Turnhose aus Baumwollflanell mit Gummizügen unten an den zu kurzen ausgebeulten Hosenbeinen. Seine Sportschuhe waren neu.
Er hielt den knurrenden Hund am Halsband, als ich vorüberging und grüßte jovial. Ich erwiderte seinen Gruss nicht und ging schnell weiter, hinunter zur Eisenbahnbrücke und auf einen Schotterweg auf der anderen Seite, der zurück in den Ort führt.
Dort begegneten mir wieder die Frauen in den roten Anoraks auf ihrem Rückweg. Blitzartig sah ich von meinem inneren Auge, was geschehen könnte, wenn sie oben auf dem Berg dem Ruhrpott-Typen begegnen würden. Sein aggressiver widerwärtiger Köter würde die Hunde der beiden attackieren, vielleicht sogar das Kind angreifen und ihm das Gesicht zerbeißen. So war es vor einigen Jahren in der Nähe auch dem Sohn von R. ergangen, der beim Krankenhaus wohnt.
Ich sah schon die ersten Häuser vor mir, als ich hinter mir wütendes Hundegebell hörte, dazwischen laute Rufe und das Schreien eines Kindes.
Am Dorfeingang winkte mir ein Mann zu, der in seinem Garten werkelte. Es war immer noch nebelig und erst als er zu mir herüber an die Strasse kam erkannte ich Heinz van H., einen früheren Nachbarn.
Noch während wir uns begrüssten hörte ich die Sirene eines Rettungswagens, der vom Krankenhaus startete. Ich atmete tief aus und blickte zu Boden.
„Ist etwas?“
„Nein, ich habe nur gerade darüber nachgedacht, was da wohl passiert sein mag“.
„Sicher wieder ein Unfall auf der B57.“
„Ja, es ist ziemlich neblig heute morgen“.
Nachdem wir uns ausgiebig über alte Zeiten unterhalten hatten ging ich zurück zum Kirchplatz des Dorfes, wo ich meinen Wagen geparkt hatte, und fuhr nach Hause.
Als ich am nächsten Morgen aus dem Bad kam, sass meine Frau schon am Küchentisch und las Zeitung.
„Du warst doch gestern auf dem Fürstenberg?“
„Ja. Warum?“
Sie zeigte mir eine Meldung auf der ersten Seite des Lokalteils.
‚Gestern am frühen Morgen kam es auf dem Fürstenberg zu einem Unfall. Ein Radfahrer hatte, von X. kommend, bei durch Nebel behinderter Sicht zwei Frauen, die ihre Hunde ausführten, zu spät bemerkt. Er geriet beim Abbremsen ins Schleudern und stürzte so unglücklich, dass er sich das Hüftgelenk brach. Die beiden Frauen blieben unverletzt. Eine der Frauen alarmierte über ihr Handy einen Rettungswagen, der den Verletzten ins nur 400m entfernte Krankenhaus brachte.‘
Von dem Kind stand nichts darin. Dann waren es doch nur die Rangeleien der drei Hunde und die gegenseitigen Beschimpfungen der Hundebesitzer gewesen, die ich gestern gehört hatte.
„Gott sei Dank ist dem Kind nichts passiert“, sagte ich erleichtert und trank einen Schluck Tee.
„Was für einem Kind?", fragte sie.
„Dem Kind in dem Wagen", antwortete ich und berichtete mein Erlebnis vom Vortag.
* Titel in Anlehnung an „At swim-two-birds“ von Flann O'Brien.
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