Beichte einer verhaltenskreativen Jugendlichen. Eine Ballade

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Schreibfan

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Beichte einer verhaltenskreativen Jugendlichen. Eine Ballade

Trigger-Warnung: nichts für Kinder, explizite Beschreibung von Gewalt

Ich glaube ich muss mich erleichtern.
Ich hab etwas schlimmes getan.
Denn gestern warf ich meine Schwester
des nachts vor die Straßenbahn.

Ich wollt ihre Puppe kurz nehmen.
Da hat sie gezankt und geschrien.
Und mich in den Finger gebissen
Das hab ich ihr gar nicht verziehn.

Das folgende Treten und Schubsen
beendete Bahn Nummer drei
Mein Schwesterlein (Alter: zwei Jahre),
die wurde zu Babybrei.

Ich hab sie nachhause genommen.
Und dort hat sich niemand beschwert,
weil Mama nachts gern in Spelunken
und Paps in Bordellen verkehrt.

Nur Fipsi hat Lunte gerochen
Er startete großes Gebell.
Da hab ich ein Messer gezogen.
Ich glaub für ihn ging es schnell...

Ich hab dann den Fips und die Schwester
gewaschen, gebraten, tranchiert
und beide mir selbst noch am Abend
Als sehr spätes Dinner serviert.

Das war nun die Backroundgeschichte .
Doch was hab ich schlimmes gemacht?
Ich as meine Schwester mit Böhnchen
und hab dabei nicht bedacht,

das ich sowas gar nicht vertrage.
Nun windet es in einem fort.
Ich muss mich jetzt wirklich erleichtern
und bin, falls wer fragt, beim Abort.



Copyright :Hannah May 25.02.19
 
Zuletzt bearbeitet:

fee_reloaded

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Gruseliger geht fast nicht mehr, liebe Hannah!

Tula hat es ja schon ganz richtig als sehr gelungene Moritat bezeichnet. Und hier ist es eine ganz ganz bitterböse. "Gern" gelesen wagt man da fast nicht zu sagen.

Ist aber so. :cool:

LG,
fee
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Hannah,

ich kann nicht behaupten, dass mir dieser Text gefällt. Keine wirkliche lyrische Idee. Komme mir keiner mit schwarzem Humor. Humorvoll ist dieser Text schon gar nicht. Ich finde ihn einfach nur plump und unethisch.

Hanna
 

Schreibfan

Mitglied
Liebe Fee, danke dir für deinen Kommentar. Als jmd der schon in früher Kindheit mit Georg Kreislers Werk in Kontakt kam, liebe ich bitterböse Texte.

Lieber Didi Costaire. Danke dir für die Bewertung.

Liebe Blackout. Danke dir für deinen ehrlichen Kommentar. Ist natürlich schade, dass du den Text nicht magst. Aber natürlich kann man nicht immer jeden Geschmack treffen.

Ich gehe eigentlich davon aus, dass gerade der Schluss mein Gedicht als Satire gut kennzeichnet, aber kann natürlich die Moderator*innen bitten, dass sie noch einen Verweis rein schreiben, dass der Text nicht zum nachahmen aufruft und auch erst ab 16 Jahren geeignet ist...
interessehalber: ist lyrische Idee ein feststehender Begriff? Denn ich bin davon ausgegangen, dass jede Idee die mir den formalen lyrischen Kriterien verarbeitet wird, auch eine lyrische Idee ist. Und Mörder*innen waren immer Thema der Lyrik, siehe Wedekinds "ich hab meine Tante geschlachtet"...

LG Schreibfan
 

fee_reloaded

Mitglied
Ich bin mit der Schallplatte mit den von Kurt Sowinetz und Helmut Qualtinger gesungenen "Moritaten" von Ernst Kölz aufgewachsen und habe sie schon als Kind wirklich gemocht (natürlich auch mit dieser gewissen Freude am Grausen und Gruseln) und das hat sich bis heute nicht geändert. Die Mordsgeschichten dort waren auch nicht ohne.

Ein wenig kann ich blackouts Kommentar schon verstehen - beim ersten Lesen ist mir schon auch kurz mal die Luft weggeblieben - eben, weil es halt schon sehr extrem ist und ein paar besondere Tabus wie kindliche Gewaltverbrecher und Kannibalismus berührt. Dass das nicht jeder innerhalb seiner Toleranzgrenzen verortet, sollte wohl klar sein. Aber auch das ist - wie bei so Vielem - sehr individuell. Da ist dann auch egal, wie sehr es als Satire gemeint und erkennbar ist, denke ich.

Ich glaube auch, dass eine Kennzeichnung keine schlechte Idee ist.

LG,
fee
 
G

Gelöschtes Mitglied 20513

Gast
Hallo Schreibfan,

ich bleibe bei meiner Meinung zu diesem Text, will aber noch etwas ergänzen. Solche Texte, auch die von Kreisler, beweisen den bedenklichen Zustand nicht nur der Gesellschaft weltweit, auch auf dem Gebiet der Kunst, die sich auf allen Gebieten nicht nur derzeit im Niedergang befindet, es ist ein langer Prozess, der noch nicht an sein unmenschliches Ende gekommen ist. Anliegen der Literatur ist es, das humanistische Menschenbild zu befördern. Und diesen Maßstab lege ich an jeden Text. Es sind eben nicht nur die sozialen Komponenten, die Einfluss auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft haben. Der Text beweist im Grunde, wie weit wir es schon nach unten geschafft haben. Insofern ist er sogar realistisch.

Mir fällt da die Äußerung eines schwedischen Politikers ein: "Dann bleibt uns wohl nur noch Menschenfleisch." Dies zu den Bemühungen des WEF, die Menschheit im Namen des sogenannten Klimawandels auf synthetische Nahrung umzustellen. Vielleicht war diese Äußerung nicht ganz ernst gemeint, kann sein. Ich weiß nicht, ob dieser Gedanke Hintergrund des Textes ist, vielleicht sogar ein unbewusster Protest. Ich denke nicht, dass vor diesem Text gewarnt werden muss. Lasst ihn stehen und findet ihn lustig.

Mit freundlichen Grüßen, Hanna
 
Sehr böse, aber auch sehr gut.


Kleine Anmerkungen:


Im ersten Vers die dritte Zeile scheint mir reimtechnisch nicht ganz sauber.

Vielleicht besser:

„Denn gestern warf ich die Schwester“

„Ich warf gestern meine Schwester“


Und ich glaube, weiter unten müsste es heißen:

„Ich aß meine Schwester…“ (mit scharfem ß)

„Backgroundgeschichte“ („g“ vergessen)

…“dass ich sowas gar nicht vertrage“ (Doppel-s)


Dann wieder ein Reim, der mir von der Taktung her besser gefallen könnte (Vorschlag):

„Habe dabei nicht bedacht“


Zum Schluss vielleicht auch besser: „am Abort“


Aber alles in allem … wirklich schön böse.



Liebe Grüße, Erdling
 

anbas

Mitglied
Ach, ich mag hin und wieder solch böse Texte
(und komme sehr wohl mit "Schwarzem Humor").
Und Dichter Erdlings Korrekturen,
die trüge ich sonst jetzt hier vor.


Liebe Grüße

Andreas

(Normalerweise mag ich gereimte Kommentare überhaupt nicht. Dies ist mein erster - es hat sich einfach so ergeben...:cool:. Ich kann echt nix dafür...:oops:)
 



 
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