Beim dritten Mal

Phylthia

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Ich blicke mich um. Das Zimmer hat sich nicht verändert, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin: Computer, Bett, Schrank und vollgestopftes Regal. Erinnerungen werden in mir wach. Erinnerungen an zärtliche Küsse und die Liebe, die ich für ihn empfunden habe, aber auch Erinnerungen daran, wie er mir erst das Herz und dann meine beste Freundin gestohlen hat. Jetzt blitzt nur noch kalter Hass in meinen Augen, wenn ich an ihn denke. Ein Hass, den ich ihm zu verdanken habe und der ihn schon bald das Leben kosten wird, das habe ich mir ge-schworen. Rache. Aber bevor ich mich diesen Gedanken hingebe, sollte ich lieber meinen Plan ausführen!
Es ist nicht schwer gewesen, über das Garagendach und durch den Wintergarten ins Haus zu gelangen, und es ist auch nicht schwer gewesen, als Chemiestudentin an die passenden Substanzen zu kommen. Ich entleere meinen Rucksack auf seinen Tisch und betrachte fast liebevoll die Döschen, in denen gefährliche Chemikalien auf ihren Einsatz warten. Und das in einer Menge, die einen Ochsen umgehauen hätte. Schnell mache ich mich daran, in der Küche Pizzateig anzurühren, eine meiner Spezialitäten. Pizza Chemikalie... ich grinse bei dem Gedanken und werfe noch ein paar Natriumhydroxidplätzchen in den Teig. Eine seiner Katzen kommt in die Küche und springt auf den Tisch, doch bevor sie an meinen Spezialzutaten lecken kann, verscheuche ich sie. Ich will doch nicht, dass jemand zu Schaden kommt... Zwei Stunden später verlasse ich das Haus auf dem gleichen Weg, nachdem ich gespült und aufgeräumt und ein großes Stück Pizza auf seinen Tisch gestellt habe, gehe zum Bahnhof und verlasse die Kleinstadt. Es dauert nicht viel länger, und ich bin zu Hause. Jetzt heißt es nur noch warten... War-ten, bis mir eine ehemalige Freundin in Tränen aufgelöst sein Ende bestätigt. Ich bin mir sicher, dass es so kom-men wird...
Am Sonntag ist es dann so weit: Ich räume gerade auf, als das Telefon klingelt. Ich hebe ab. Es ist eben jene ehemalige Freundin, die jetzt seine Geliebte ist. Sie berichtet mir dies und das, dann erzählt sie, dass seine Katze gestorben ist - unter sehr merkwürdigen Umständen. Sie hat die Pizza gefressen, die auf seinem Tisch lag, dann war sie eingeschlafen und nicht wieder erwacht. Ich runzle die Stirn. So ein Mist! Schnell beende ich das Tele-fonat, dann denke ich nach. Ausgerechnet seine Katze musste die Pizza fressen. Dieses eine Mal ist er mir ent-kommen, aber beim nächsten Mal...
Schon reift in mir der nächste Plan. Aus der Zeit, in der wir noch ein Paar gewesen sind, weiß ich, dass seine 125er schneller fährt als erlaubt. Nun, ein durchtrenntes Kabel hier, eine gelockerte Schraube da - und bei der nächsten Fahrt wird er dem Teufel nicht mehr von der Schippe springen können. Zum Glück weiß ich auch, wo er den Schlüssel zur Garage versteckt hält. Nur vier Tage nach dem missglückten ersten Versuch sind ein paar ziemlich unwichtige Kabel an seiner Maschine durchgeschnitten. Was will er auch mit so unwichtigen Dingen wie einer Bremse... Diesmal muss es einfach klappen!
Der Plan, dass der Fahrer der 125er nicht überleben würde, hat hervorragend geklappt. Dumm nur, dass es nicht mein Verflossener gewesen ist, der die Maschine fuhr, sondern einer seiner Freunde. Nun, ich habe Sebastian noch nie ausstehen können. Kein großer Verlust, aber es ist einfach ärgerlich, dass er mir bereits zum zweiten Mal entkommen ist. Jetzt gerate ich ein wenig ins Straucheln, denn Plan A mit der Chemie-Pizza ist gescheitert und Plan B ebenfalls. Da erinnere ich mich an einen Film, in dem ziemlich viele Mönche dadurch gestorben sind, dass sie in einem Buch gelesen haben, dessen Seiten mit Gift bestrichen sind. Dann haben sie an ihrem Finger geleckt, um die Seiten umzublättern, und zack! war ein Platz auf dem Friedhof besetzt gewesen. Gut. Sicher durchführbar. Ich besorge mir Zyankali aus den Vorräten des Labors, steige wieder bei ihm ein und strei-che das Gift auf seine Computertastatur. Bei seiner Sucht, die halbe Nacht im Internet zu sein und zu spielen, würde er in Nullkommanix das Gift an den Fingern haben, dabei essen und schließlich und endlich draufgehen. Vorsichtshalber bestreiche ich auch seine Bücher und pulvere ihm das Gift auf das Kopfkissen. Wenn er jetzt nicht draufgeht, werde ich ihn eigenhändig erstechen...
Aber - welch Glück! - dieses Mal gelingt es mir. Er stirbt in seinem Bett, das Gesicht ins Kissen gedrückt. Hurra, hurra, hurra! Ich gehe sogar auf seine Beerdigung, halte mich dezent im Hintergrund und warte, bis alle Gäste gegangen sind. Dann trete ich näher ans Grab heran und werfe den Strauß Nelken darauf. Fast warte ich darauf, ihn niesen zu hören - er war schon immer allergisch. Mit einem teuflischen Grinsen drehe ich mich um und gehe davon. „Vielleicht sollte ich einen Krimi schreiben...“, murmele ich im Weggehen.


(Übernommen aus der 'Alten Leselupe'.
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