beim pinselwaschen

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G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
beim pinselwaschen


zuerst wasch ich den farblosen pinsel aus
das reine leinöl womit ich den stoff getränkt
hab flecken ins nass getupft wie beim aquarell

der gelbe der rote dann schäumen mir blüten und blut
die seife drück ich aus dem brünetten schopf
glatt glänzt dein seiden haar im frottee gepresst

verräterische spuren wenn in der nacht
die chefin nach hause kommt und wittert von
linoleum aus flachs saat fett die luft

entdeckt sie meinen traum auf frischer tat
ertappt sie mich wie ich den pinsel rühr
in dir mein musen schosz amüse mang
 
... und wie oft sage ich den Kids, Pinsel auswaschen, dann die Borsten zu den Borsten und die Haarpinsel zu den Haarpinseln - Kopf nach oben in die Luft und nicht denselben im Becher versenken ... :) .

Hallo Mondnein - ein starkes Stück! Schön, wie dem LI Assoziationen, Analogien, Vergleiche oder Erinnerungen beim Reinigen der Pinsel durch den Kopf gehen. Toll der "brünette Schopf", eine liebevolle vermenschlichende Beschreibung dieses Werkzeuges - ebenso die humorvolle Beschreibung des sich Etapptfühlens, als die Partnerin ("Chefin") des LI nach Hause kommt und entdeckt, dass der Mann (könnte auch umgekehrt sein ...) mal wieder seiner Leidenschaft gefrönt hat (mit Leinölfarbe zu malen ...), anstatt den ach so wichtigen Dingen nachzugehen (Steuererklärung, Einkauf, Beihilfe etc.). Effektiv auch das Spiel mit dem Cliché des Erwischtwerdens (nicht etwas beim Fremdgehen etc.), sondern beim Malen ( der Pinsel, der im Musenschoß rührt) - wirklich unerhört!

Gefällt mir sehr gut!

Viele Grüße,
Artbeck
 
G

Gelöschtes Mitglied 15780

Gast
Herzliches Dankeschön HerbertH und Artbeck!

Am meisten freut mich, daß Ihr bei der Mehrschichtigkeit dieses Stücks hier nicht auf der erotischen Ebene hängengeblieben seid, das war meine Sorge; denn in erster Linie ging das Lied von dem Aufräumen nach dem Malen aus. Ganz realistisch: Meine Gattin verträgt den Leinöl-Geruch nicht, wie ich selbst den vom Terpentinersatz nicht mag, deshalb verdünne ich die Ölfarben nur mit Leinöl, und ich beschränke mich seit vielen Monaten auf das geruchsfreie Aquarellieren.
Zur Mehrschichtigkeit gehört insbesondere der haarfeine Bruch in der zweiten Strophe, wo der erste Vers noch von der Farbe auf der Leinwand handelt, der zweite Vers aber vom Ausdrücken der Farbe aus dem Pinsel, was ja zwei verschiedene Handlungen sind, die hier aber ineinander übergehen und zugleich die erotisch personalisierte Sicht evozieren.

Die realistische Verankerung macht aus der Frau eine "Chefin", da sie nachts von ihrem "eigenen" Café Oriental nach Hause kommt. Ich bin abends so frei, zu dichten und zu malen, wie ich in früheren Jahren auch vormittags in die Schule ging, während die Liebste noch ausschlief. Ich dekomponiere und dekompostiere zwar viele Sprachisolate, wechsle aber schon mal ins Realistische, z.B. bei den gelegentlichen Bügel-Gedichten. Oder, wenns um die Gemüsekästen auf dem Balkon geht (in Ermangelung eines richtigen Gartens).

Noch einmal Dankeschön!
grusz,. hansz
 

Kaetzchen

Mitglied
Hallo Mondnein,
kann ich gut nachvollziehe, deine Worte. Dieselben Handlungen vollführe ich auch täglich, die du nun in Worte umgesetzt hast. Auch ich versuche mit Ölfarbe aquarellmäßig zu malen, allerdings mit wasservermalbarer.
Gern gelesen,
weiterhin viel Spaß beim Malen.
Viele Grüße
Kaetzchen
 



 
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