Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente)

4,00 Stern(e) 1 Stimme

Hera Klit

Mitglied
Bekenntnisse eines Tiefstaplers (Tagebuchfragmente)



Ob ich meine Frau wirklich jemals liebte, weiß ich wirklich nicht. Wenn, dann war es eine Liebe ohne Leidenschaft.

Ja, doch, irgendwie liebte ich sie schon und als sie vor vier Jahren verstarb, mit gerade mal neunundfünfzig Jahren, war dies ein großer Verlust für mich.



Ich erinnere mich aber, dass es mich Überwindung kostete, sie das erste Mal zu küssen. Ich musste mich zwingen dazu.

Sie hatte mich zu einem Ausflug in den Odenwald eingeladen und sie steuerte folgerichtig auch den Wagen.

Einen alte, weißen, klapprigen Polo. Damals hielten wir solch ein Fahrzeug noch für ausreichend verkehrstauglich.

Heute würde ich mit so einer Laube nicht mal eine Hundertmeterfahrt antreten, aus Angst, der Motor könnte verrecken und ich müsste nach Hause laufen.

Dies sollte auch kaum zwei Jahre später auf der A3 geschehen. Der Tag, an dem ich ADAC-Mitglied wurde.

Da mussten wir zum Glück aber nicht laufen, der ADAC war so freundlich, uns zum nächsten Bahnhof zu bringen.



Also, ich zwang mich zu diesem ersten Kuss, auf einer Wiese, an einem Hang im Odenwald, der mein Schicksal,

ein verpartnerter und letztlich auch verheirateter Mann und Vater einer Tochter zu sein, folgerichtig einleitete.

Alles, was wir tun, hat eben Konsequenzen, auch wenn wir innerlich nicht wirklich zugestimmt haben,

sondern uns nur aus Schwäche und der Angst vor dem Neinsagen und dem gefürchteten Enttäuschen eines Menschen,

in eine Handlung haben hineintreiben lassen. Egal wie. Schuld sind wir selbst, da gibt es keine Ausreden.

Ich war ja damals noch in einem Tief, weil mich meine von mir so leidenschaftlich, geliebte Freundin kaum drei Jahre davor, verlassen hatte.

Deshalb war ich sehr entscheidungs- und willensschwach.



Außerdem wollte ich mich nie wieder verlieben, in eine Frau, die durch ihre äußere Attraktivität in die Machtposition gelangen könnte, mich zu zerstören.

Dies schien mir, bei meiner späteren Frau unmöglich zu sein. Zwar hatte sie ein recht hübsches Gesicht, aber leider keine gute Figur, was normalerweise bei mir ein No-Go ist.

Ich überwand mich dennoch, mit ihr Sex zu haben, obwohl sie sogar damals noch nicht einmal ihre Beine rasierte.

Ich erinnere mich noch, fast durchgedreht zu sein, als ich mir dies anschauen musste. Heute könnte ich das nicht mehr,

ich würde weglaufen, aber damals, mit knapp dreißig, war ich derart potent, dass ich auch diese Hürde ohne Probleme, aber mit großer Selbstüberwindung nehmen konnte.

Später gelang es mir dann, durch einfühlsame Überredungskunst, ihr die Vorteile von rasierten Frauenbeinen, irgendwie einzuimpfen.

Am liebsten hätte ich allerdings brüllen mögen, wie eine Frau so dämlich sein kann, dies nicht von selbst zu begreifen. Immerhin war sie eine Frau,

die vor uns, zehn Jahre, mit einem Tschechen verheiratet war. Gut, die sind vielleicht bodenständiger, als ich.



Aus heutiger Sicht betrachtet muss ich erkennen, ein berechnender Mann gewesen zu sein, der einer Frau etwas vorgegaukelt hat,

weil er nicht Manns genug war, sich einer weiteren Enttäuschung zu stellen. Womöglich aus reiner Eitelkeit, denn es ist doch, so vermute ich rückblickend,

die gekränkte Eitelkeit hauptsächlich, die uns an einem Verlassen worden zu sein, ewig nagen lässt. Wie schwer ist es, das geheuchelte Mitleid der

Bekannten und Verwandten zu ertragen, wenn sie dich wortreich bedauern, wie schlimm sie es finden, was dieses Weib dir angetan hat.

Die engsten Freunde geben dir freilich zu verstehen, dass du es ihr womöglich nicht gut genug besorgt hast, sonst wäre sie sicher geblieben.

Man kommt sich vor , wie ein brutal Zusammengeschlagener, der am Boden liegt und noch weitere Fußtritte einstecken muss. Ich muss noch erwähnen,

dass meine zukünftige Ehefrau Sozialpädagogin war und gut zuhören konnte. So war es mir möglich, einmal den ganzen Frust über meine gescheiterte Beziehung bei ihr abzulassen.

Dadurch sammelte sie schon Pluspunkte in meinem Herzen.
 



 
Oben Unten