Belisande, einst Belisamdhel aus dem Düsterwald / Teil II

MarenS

Mitglied
Teil II

Über Belisamdhels Reise von Düsterwald nach Edhelion hoch im Norden ist nirgendwo geschrieben und es wird davon nicht erzählt, man weiß nur, dass der Vater in Lumpen bei seinen entfernten Verwandten vorsprach, verdreckt und heruntergekommen, nur mit dem nötigsten bekleidet und halb verhungert. Das Kind aber soll sauber und genährt gewesen sein, in Tücher geschlungen, die einst zur reichhaltigen Kleidung des Vaters gehört haben mussten, nun aber säuberlich in große Streifen geschnitten waren.
Nur wenige Worte sollen damals gewechselt worden sein, den entfernt Anverwandten war das harte und abweisende Gebaren des Mannes seltsam und bedrohlich erschienen und so fragten sie nicht viel und kamen seinem Wunsch nach, das Kind möge in Edhelion aufwachsen. Er verfügte, dass sein Name zu vergessen sei, das Kind solle aber wenn es heranwachse erfahren, dass es einen Vater gehabt hatte, der bekannt war und eine Mutter, die es geliebt hatte und dass es ein Kind der Liebe zwischen seinen Eltern sei. Ferner solle dem kleinen Mädchen auf Anfrage erzählt werden, es sei im Düsterwald geboren. Kaum hatte der Mann diese Anweisungen gegeben, stieß er hervor: "Erwartet mich nicht! Mein Weg kennt kein zurück hierher!" Sprachs und verschwand ohne einen weiteren Blick auf seine kleine Tochter zu werfen.

In Edhelion lebten zu dieser Zeit nicht mehr so viele Elben wie noch Jahrhunderte zuvor. Zu viele hatten schon die Reise in den Westen angetreten und die noch Anwesenden gedachten vergangener Jahre und träumten von den kommenden weit drüben im Westen. Das Wissen war groß, viele Ausbilder gab es für mancherlei Berufe aber alles war einer Melancholie unterworfen, die der heranwachsenden Belisamthel mehr und mehr auf Ihr frohes Gemüt drückte. Sie las viel und lernte dabei, doch sie war mindstens so oft in den umliegenden Höhen unterwegs, was Ihre Anverwandten mit Argwohn begutachteten. Man versuchte dies zu unterbinden erreichte aber nur, dass Belisamthel appetitlos wurde und blass und so ließ man sie achselzuckend ihren seltsamen Neigungen nachgehen, die, wie man hinter vorgehaltener Hand bemerkte, wohl nur aus der mütterlichen Linie der Waldelben stammen konnten.

Eines Tages im späten Herbst lief Belisamthel, sie war durchaus noch ein Kind zu nennen, wsentlich weiter von Edhelion weg als je zuvor. Sie mochte die Türme und Wohnungen der kleinen Stadt aber oftmals war es ihr darin zu eingeengt. Ihr Freiheitsdrang war groß und die Elben Edhelions so gesetzt, so gelehrt und selten hörte man muntere Lieder. An jenem Tag sann sie darüber nach, warum dies so sei und ob alle Elben sich so verhalten würden und sie wohl eine Ausnahme sei. Vieles ging ihr durch den Kopf und sie fühlte sich schuldig, so anders zu sein. So achtete sie nicht der Entfernung, die sie zurücklegte und als sie endlich derer gewahr wurde, war ihr schlagartig klar, dass die sinkende Sonne schnellste Rückkehr anmahnte. Nun lag schon seit Tagen Kälte in der Luft und an jenem Tage wechselte das Wetter, denn der Mond entstand neu.
Während Belisamthel noch in gleichmäßig schnellem Schritt gegen die sinkende Dämmerung anlief, brauten sich Wolken zusammen, ein Wind kam auf und es wurde mit einem Male dunkel. Als sie etwas Kaltes auf der Nase kitzelte wurde Belisamthel bewusst, dass der erste Schnee des Jahres fiel. Schon nach kurzer Zeit fielen die Flocken groß und dicht, getrieben von auffrischendem Wind. Binnen kurzem war der schon gefrorene Boden bedeckt, ein weißes Tuch legte sich zart über die Landschaft. Belisamthel war müde und hungrig, ihr wurde bewusst, das letzte am Morgen gegessen zu haben. Nun können Elben mit Hunger besser umgehen als Menschen oder sie werden von Natur aus nicht so schnell hungrig aber Belisamthel befand sich im Wachstum und war weit gelaufen. Ihr Körper sehnte sich nach Nahrung und einem warmen Feuer doch beides war nicht in Sicht und ihr Heimweg lag im Dunkeln. Als sie nach einem längeren Anstieg an einer markanten Felsnase mit einem Wasserrinnsal vorüberlief, wusste sie, dass sie in einem großen Kreis gelaufen war. Ihre Sinne, sonst elbisch scharf und schier unbestechlich hatten sie getrogen. Müdigkeit, Hunger und Kälte nahmen sie schlagartig in Besitz und sie sank mutlos zu Boden. Der Schnee hatte sich hier vor der Felsnase angehäuft und das Kind versank fast gänzlich darin. Belisamthel dachte an das Feuer der Halle in ihrem Zuhause und ihr wurde wärmer, sie hörte die sanften Töne der Harfe, die dort oft gespielt wurde, sah den gelblichen Schimmer der Kerzen aus Bienenwachs und fühlte sich geborgen.

"Ich weiß wirklich nicht, warum wir diese Falle noch anschauen müssen Rudi! Die anderen sitzen bei Bier und Braten und wir laufen uns die Füße wund und frieren uns die Hände ab!" ließ sich eine polternde, grummelnde Stimme vernehmen und ein Lichtschein flackerte um die Felsnase herum. In diesem Lichtschein tanzten zwei schier unglaubliche Schatten auf dem weißen Grund. Der eine mit kleinen Flügeln, der andere mit Hörnern auf dem Kopf, der Klang von aneinanderschlagendem Metall wies auf umfassende Rüstungen hin, Größe und Umfang der Schatten zeigten klar, was man schon vermuten konnte: Zwei Zwerge erschienen zwischen den Zweigen.
Die Laterne, am Stecken über die Schulter gelegt um den Blick frei zu haben, erzeugte ihre grotesken Schatten, die vor ihnen herliefen. Grummelnd bückte sich der eine am Fuße einer Eibe um nach der dort geschützt angebrachten Falle zu sehen, während der andere aufmerksam die Gegend betrachtete und mißtrauisch schnüffelte. "Was ist Rudi? Riechst du das Bier daheim auf dem Tisch?" frotzelte nun der andere Zwerg. "Schweig Barinthor!" fuhr der Gefragte aus der Haut, "etwas stimmt hier nicht!" Der so Zurechtgewiesene brummelte etwas in seinen Bart, schwieg aber dann. "Etwas ist anders hier, anders als es sein sollte und wenn du deine Nase für mehr nutztest als dafür Bier zu erschnüffeln dann würdest du es auch riechen." Rudibor Knebelbart, so lautete der volle Name des Zwergen mit dem Flügelhelm, drehte sich erstaunlich gewandt um und machte zwei Schritte um die Felsnase herum, die Hand an der unglaublich großen Axt, die in seinem Gürtel hing. Dort bot sich ihm ein äußerst erstaunliches Bild. In einem Nest aus Schnee lag ein zartes Geschöpf, mit wirrem rotbraunem Haar, die Augen geschlossen, eigenwillig geschwungene Brauen, die Haut hell, fast durchscheinend. "Bei Aule! Da wette ich ein Faß Malzbier, dass wir hier ein Elbenkind haben!" ließ sich Rudis Stimme vernehmen. Barinthor, der nurmehr den Heimweg im Kopfe hatte, schaute kurz hin, zuckte mit den Achseln und meinte: "Nun, lass liegen, das lockt Tiere an, gut für unsere Falle! Das Bier wartet, komm." Ein laut vernehmliches Grunzen aus Rudis Kehle ließ ihn im Schritt innehalten. "Nimm meinen Beutel, du Tor von einem Barin! Es ist nicht tot! Nimm meinen Beutel und gib mir deinen Umhang! Ich werde es einwickeln und heimtragen!" Barinthor verzog das Gesicht, brummelte etwas von falscher Nachbarsliebe und hochtrabendem Elbenpack, tat aber wie geheißen.

2007 MarenS
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MarenS

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Über Belisamdhels Reise von Düsterwald nach Edhelion hoch im Norden ist nirgendwo geschrieben und es wird davon nicht erzählt, man weiß nur, dass der Vater in Lumpen bei seinen entfernten Verwandten vorsprach, verdreckt und heruntergekommen, nur mit dem nötigsten bekleidet und halb verhungert. Das Kind aber soll sauber und genährt gewesen sein, in Tücher geschlungen, die einst zur reichhaltigen Kleidung des Vaters gehört haben mussten, nun aber säuberlich in große Streifen geschnitten waren.
Nur wenige Worte sollen damals gewechselt worden sein, den entfernt Anverwandten war das harte und abweisende Gebaren des Mannes seltsam und bedrohlich erschienen und so fragten sie nicht viel und kamen seinem Wunsch nach, das Kind möge in Edhelion aufwachsen. Er verfügte, dass sein Name zu vergessen sei, das Kind solle aber wenn es heranwachse erfahren, dass es einen Vater gehabt hatte, der bekannt war und eine Mutter, die es geliebt hatte und dass es ein Kind der Liebe zwischen seinen Eltern sei. Ferner solle dem kleinen Mädchen auf Anfrage erzählt werden, es sei im Düsterwald geboren. Kaum hatte der Mann diese Anweisungen gegeben, stieß er hervor: "Erwartet mich nicht! Mein Weg kennt kein zurück hierher!" Sprachs und verschwand ohne einen weiteren Blick auf seine kleine Tochter zu werfen.

In Edhelion lebten zu dieser Zeit nicht mehr so viele Elben wie noch Jahrhunderte zuvor. Zu viele hatten schon die Reise in den Westen angetreten und die noch Anwesenden gedachten vergangener Jahre und träumten von den kommenden weit drüben im Westen. Das Wissen war groß, viele Ausbilder gab es für mancherlei Berufe aber alles war einer Melancholie unterworfen, die der heranwachsenden Belisamthel mehr und mehr auf Ihr frohes Gemüt drückte. Sie las viel und lernte dabei, doch sie war mindstens so oft in den umliegenden Höhen unterwegs, was Ihre Anverwandten mit Argwohn begutachteten. Man versuchte dies zu unterbinden erreichte aber nur, dass Belisamthel appetitlos wurde und blass und so ließ man sie achselzuckend ihren seltsamen Neigungen nachgehen, die, wie man hinter vorgehaltener Hand bemerkte, wohl nur aus der mütterlichen Linie der Waldelben stammen konnten.

Eines Tages im späten Herbst lief Belisamthel, sie war durchaus noch ein Kind zu nennen, wsentlich weiter von Edhelion weg als je zuvor. Sie mochte die Türme und Wohnungen der kleinen Stadt aber oftmals war es ihr darin zu eingeengt. Ihr Freiheitsdrang war groß und die Elben Edhelions so gesetzt, so gelehrt und selten hörte man muntere Lieder. An jenem Tag sann sie darüber nach, warum dies so sei und ob alle Elben sich so verhalten würden und sie wohl eine Ausnahme sei. Vieles ging ihr durch den Kopf und sie fühlte sich schuldig, so anders zu sein. So achtete sie nicht der Entfernung, die sie zurücklegte und als sie endlich derer gewahr wurde, war ihr schlagartig klar, dass die sinkende Sonne schnellste Rückkehr anmahnte. Nun lag schon seit Tagen Kälte in der Luft und an jenem Tage wechselte das Wetter, denn der Mond entstand neu.
Während Belisamthel noch in gleichmäßig schnellem Schritt gegen die sinkende Dämmerung anlief, brauten sich Wolken zusammen, ein Wind kam auf und es wurde mit einem Male dunkel. Als sie etwas Kaltes auf der Nase kitzelte wurde Belisamthel bewusst, dass der erste Schnee des Jahres fiel. Schon nach kurzer Zeit fielen die Flocken groß und dicht, getrieben von auffrischendem Wind. Binnen kurzem war der schon gefrorene Boden bedeckt, ein weißes Tuch legte sich zart über die Landschaft. Belisamthel war müde und hungrig, ihr wurde bewusst, das letzte am Morgen gegessen zu haben. Nun können Elben mit Hunger besser umgehen als Menschen oder sie werden von Natur aus nicht so schnell hungrig aber Belisamthel befand sich im Wachstum und war weit gelaufen. Ihr Körper sehnte sich nach Nahrung und einem warmen Feuer doch beides war nicht in Sicht und ihr Heimweg lag im Dunkeln. Als sie nach einem längeren Anstieg an einer markanten Felsnase mit einem Wasserrinnsal vorüberlief, wusste sie, dass sie in einem großen Kreis gelaufen war. Ihre Sinne, sonst elbisch scharf und schier unbestechlich hatten sie getrogen. Müdigkeit, Hunger und Kälte nahmen sie schlagartig in Besitz und sie sank mutlos zu Boden. Der Schnee hatte sich hier vor der Felsnase angehäuft und das Kind versank fast gänzlich darin. Belisamthel dachte an das Feuer der Halle in ihrem Zuhause und ihr wurde wärmer, sie hörte die sanften Töne der Harfe, die dort oft gespielt wurde, sah den gelblichen Schimmer der Kerzen aus Bienenwachs und fühlte sich geborgen.

"Ich weiß wirklich nicht, warum wir diese Falle noch anschauen müssen Rudi! Die anderen sitzen bei Bier und Braten und wir laufen uns die Füße wund und frieren uns die Hände ab!" ließ sich eine polternde, grummelnde Stimme vernehmen und ein Lichtschein flackerte um die Felsnase herum. In diesem Lichtschein tanzten zwei schier unglaubliche Schatten auf dem weißen Grund. Der eine mit kleinen Flügeln, der andere mit Hörnern auf dem Kopf, der Klang von aneinanderschlagendem Metall wies auf umfassende Rüstungen hin, Größe und Umfang der Schatten zeigten klar, was man schon vermuten konnte: Zwei Zwerge erschienen zwischen den Zweigen.
Die Laterne, am Stecken über die Schulter gelegt um den Blick frei zu haben, erzeugte ihre grotesken Schatten, die vor ihnen herliefen. Grummelnd bückte sich der eine am Fuße einer Eibe um nach der dort geschützt angebrachten Falle zu sehen, während der andere aufmerksam die Gegend betrachtete und mißtrauisch schnüffelte. "Was ist Rudi? Riechst du das Bier daheim auf dem Tisch?" frotzelte nun der andere Zwerg. "Schweig Barinthor!" fuhr der Gefragte aus der Haut, "etwas stimmt hier nicht!" Der so Zurechtgewiesene brummelte etwas in seinen Bart, schwieg aber dann. "Etwas ist anders hier, anders als es sein sollte und wenn du deine Nase für mehr nutztest als dafür Bier zu erschnüffeln dann würdest du es auch riechen." Rudibor Knebelbart, so lautete der volle Name des Zwergen mit dem Flügelhelm, drehte sich erstaunlich gewandt um und machte zwei Schritte um die Felsnase herum, die Hand an der unglaublich großen Axt, die in seinem Gürtel hing. Dort bot sich ihm ein äußerst erstaunliches Bild.
In einem Nest aus Schnee lag ein zartes Geschöpf, mit wirrem rotbraunem Haar, die Augen geschlossen, eigenwillig geschwungene Brauen, die Haut hell, fast durchscheinend. "Bei Aule! Da wette ich ein Faß Malzbier, dass wir hier ein Elbenkind haben!" ließ sich Rudis Stimme vernehmen. Barinthor, der nurmehr den Heimweg im Kopfe hatte, schaute kurz hin, zuckte mit den Achseln und meinte: "Nun, lass liegen, das lockt Tiere an, gut für unsere Falle! Das Bier wartet, komm." Ein laut vernehmliches Grunzen aus Rudis Kehle ließ ihn im Schritt innehalten. "Nimm meinen Beutel, du Tor von einem Barin! Es ist nicht tot! Nimm meinen Beutel und gib mir deinen Umhang! Ich werde es einwickeln und heimtragen!" Barinthor verzog das Gesicht, brummelte etwas von falscher Nachbarsliebe und hochtrabendem Elbenpack, tat aber wie geheißen.

2007 MarenS
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