Beobachtungen in der Nachbarschaft.

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Beobachtungen in der Nachbarschaft.

Verdammt! Schon wieder ist es mir passiert.

Ich wollte doch gar nicht aus dem Fenster sehen, doch wie so oft in letzter Zeit am Samstagvormittag, schaue ich aus dem rückwärtigen Dachfenster heraus, um die neue Nachbarin beim Wäscheaufhängen zuzusehen. Also, eines vorab: Ich bin kein Spanner, oder so. Ich habe mein Büro in der ersten Etage und von diesem Zimmerfenster aus, habe ich einem hervorragenden Blick auf unsere Gärten und die anschließenden, weiten Felder unseres Bauern Eberhardt, bis zu dem 500 m entfernten Waldrand.

Meine neue Nachbarin ist vor sechs Wochen ins Nachbarhaus eingezogen und ich habe einen exklusiven Blick auf das Nachbargrundstück. Und nun beobachte ich sie regelmäßig so, wie ich immer aus dem Fenster heraus schaue, um einen neuen Gedanken für eine Geschichte zu bekommen, an der ich gewöhnlich arbeite.

Doch seit sie hier eingezogen ist und Ihre Wäsche im Garten aufhängt oder die Blumenbeete pflegt, geht das nicht mehr mit dem Geschichten erfinden. Meine Gedanken lassen sich nicht auf imaginäre Handlungsabläufe, Dialoge, Plots oder Ähnlichem fokussieren. Auch meine Abgabetermine an meinem Verlag kann ich immer weniger einhalten, sondern ich erwische mich dabei, wie ich sie heimlich aus der sicheren Deckung der Vorhänge meines Fensters heraus beobachte. Ich habe es nie für nötig befunden, mich hinter den Vorhängen zu verbergen wenn ich aus dem Fenster geschaut habe. Nun aber …

Sie ist aber auch ein schnuckeliges Ding. Gerade einmal an die 30 Jahre jung und zum Anbeißen hübsch. Eine wahre Augenweide! So etwas sieht man nicht alle Tage!

Na ja, sie ist zwar nicht Deutschstämmig, das sieht man auf den ersten Blick. Sie ist etwas dunkelhäutig und wenn sie aus dem Haus geht, zum Einkaufen, oder sonst irgendwo hin, trägt sie ein Kopftuch und einen knöchellangen Mantel. Auch ist mir aufgefallen, dass sie Niemanden direkt ansieht – sie schaut weg, oder gerade vor sich auf den Boden, so als ob sie den Augenkontakt mit anderen Menschen vermeiden möchte. Na ja, ich glaube, sie ist eine Muslime, eine Marokkanerin, oder Türkin eben - irgendetwas in dieser Art. Und eventuell schreibt es ihre Kultur oder Religion vor, ihren Blick gegenüber Fremden zu senken – ich weiß es nicht. In ihrer Aufmachung sieht man auch nichts von ihrer fraulichen Gestalt. Der Mantel erlaubt das nicht. Ich glaube, das ist in ihrer Kultur so gewollt.

Aber hier in diesen, mit hohen Hecken umsäumten Hinterhofgarten, ist sie immer ohne Kopftuch und Mantel zu sehen. Sie kleidet sich tatsächlich normal, ohne irgendwelche mohammedanischen Verhüllungstechniken anzuwenden. In ganz normale Jeans habe ich sie schon gesehen oder auch in ein luftiges Sommerkostüm. Ihre rabenschwarzen Haare trägt sie dann meistens offen oder zu einem dicken Pferdeschwanz der von einer goldenen Spange zusammengehalten wird, der ihren schlanken Hals so sehr zu ihrem Vorteil hervorhebt. Sie ist schlank und entspricht ganz unserem europäischen Schönheitsideal. Ihr traumhaft schönes Gesicht habe ich nur ein oder zweimal deutlich vom nahen sehen können.

Das erste Mal, als sie hier einzog. Ich wollte sie als guter Nachbar, der ich nun einmal sein möchte, an der Tür freundlich willkommen heißen und als ich sie sah, war ich in diesen Augenblick geblendet von ihren großen schwarzen Augen und ihr feines, ungeschminktes Gesicht. So etwas Anziehendes habe ich noch nie gesehen. Es war das Gesicht einer Prinzessin aus Tausend und eine Nacht. Sicherlich hatte sie meine Unsicherheit damals bemerkt. Sie schlug sofort schüchtern ihre Augen nieder, sagte ein paar Dankesworte und war anschließend ziemlich schnell aus meinem Gesichtskreis heraus für diesen Tag nicht mehr zu sehen. Den Umzug machten die fremdländisch aussehenden Männer die sie mitgebracht hatte. Zurück ließ sie einen verwirrten Nachbarn, nämlich mich.

Adalya heißt sie mit Vornamen. Wirklich hübsch! Offensichtlich wohnt sie ganz allein im Nachbarhaus. Ich habe bis jetzt keinen Mann oder Kinder gesehen. Einmal pro Woche kommt eine andere, ältere Frau vorbei. Sie ist auch mit Kopftuch und Mantel verhüllt und kommt für gewöhnlich mit einem zugedeckten Weidenkorb im Arm. Wahrscheinlich ihre Mutter. Sie spricht meine Nachbarin immer mit Adalya an. Anschließend höre ich die Beiden immer aus dem Nachbarhaus lachen.

Heute hat Adalya keine Jeans an, sondern einen schwarzen, an den Rändern fein bestickten arabischen Kaftan, der ihr bis zu den Füßen reicht. Die Haare hat sie zu einem dicken Zopf geflochten. Obwohl dieser Jilbab, ich glaube, so nennt sich dieses arabische Kleidungsstück, den ganzen Körper verhüllt, verhüllt sie doch nicht ganz ihre frauliche Figur.

Jetzt hebt sie ein weißes Bettlaken empor und hängt es mit den Wäscheklammern an der Wäschespinne auf. Mit der linken Hand in Kopfhöhe hält sie den Bettlacken auf der Leine in Position, mit der rechten Hand nimmt sie eine Klammer aus dem Wäschebeutel und befestigt damit ein Ende des Lakens an der Leine. Die Bewegung über den Kopf spannt den Jilbab ein bisschen, sodass ich ihre wohlgeformte Rundung ihrer Brüste deutlich unter den schwarzen Stoff sehen kann.

Oh Mann! Das muss aufhören. Du weißt doch ganz genau, dass mit solch einem Mädchen nichts anzufangen ist. Das wird zu kompliziert. Einen Mann hat sie nicht. Kinder habe ich auch nicht gesehen, aber trotzdem wird es Schwierigkeiten mit der Familie gegeben. – Denk ja nicht daran! - Man hat ja schon so viel von dem verschrobenen Ehrenkodex der arabischen Familien hier in München gehört. Ich möchte schließlich meinem Kopf nicht unbedingt ohne Rumpf auf ihrer Wäschespinne sehen! Unsere Kulturen stehen zu weit auseinander, als dass ich nur eine winzige Möglichkeit sehe, hier etwas anfangen zu können!


Das geht mir gerade durch den Kopf. Immer wieder. Es ist schon zu lange her, als dass ich einer Frau gegenüber solche Gedanken hege.
Ich wende mich also ab, anderen Dingen zu.

Am selben Tag.

Zur Abendbrotzeit, gegen neunzehn Uhr.

Ich sitze an meinem Tisch. Vor mir Roggenbrot, Schinken, Käse und ein Maß Weizenbier. Ich lese gerade die Tageszeitung von heute Morgen.

Schon wieder ein Sprengstoffattentat. Dieses Mal gegen eine türkische Polizeistation der Stadt Midyat, nahe der syrischen Grenze.

Meine Fresse! denke ich, Hört es denn da unten nie auf? Die Menschen kommen da unten überhaupt nicht zur Ruhe! Wie kann man nur mit einer halben Tonne Sprengstoff … Weiter komme ich nicht, als es völlig unerwartet an meiner Haustür klingelt.

Nanu, wer kann denn das sein? Zu dieser Zeit? dachte ich noch überrascht, stehe von meinem Küchentisch auf, nehme den letzten Schluck aus meinem Maß und schlurfe in Pantoffeln den Korridor entlang. An der Haustür angekommen straffe ich meine Schultern und fahre mit den Fingern noch einmal durch meinen Haarschopf und sehe in den Türspion.

Doch was ich dann dort sah, verschlägt mir sofort den Atem, fast so, als ob ich live den Anschlag in Midyat erlebe – mit einem Mal ist die Luft weg!

Ich kann nur durch den Türspion blicken. Das Atmen habe ich eingestellt. Ich blicke in den wunderschönen Augen von Adalya!

Mein Herz schlägt zweihundert Schläge in der Minute. Ich vergesse auszuatmen. Meine Handflächen werden ganz feucht. Instinktiv wische ich sie an den Hosenbeinen ab.

Was mache ich denn jetzt? frage ich mich ganz panisch. Sie wird doch wohl nicht mitbekommen haben, dass ich sie heimlich beobachte? Und wenn sie es mitbekommen hätte, was denkt sie dann von mir?

Langsam, nach einer gefühlten Ewigkeit, atme ich aus.

Ich muss die Tür öffnen. Sie weiß, dass ich hier stehe.

Ich nehme meinen ganzen Mut zusammen und öffne die Tür und sie steht da und sieht mich an.

Bodo Podgorski/7-2019
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Tintenkleckser,

ich muss gestehen, mich überzeugt der Text leider nicht so recht. Ich will versuchen die Gründe dafür ein wenig ausführlicher anzusprechen.

Zum einen baust du dir was den Sprachstil angeht schon dadurch eine Hürde, dass du die Ich-Perspektive wählst und dein Protagonisten zum Schriftsteller machst. In so einem Fall erwarte ich als Leser einen Erzähler, der auf einem hohen stilistischen Niveau erzählt (einen, der sein Handwerk versteht) und genau hier liegt das erste Problem des Textes: Das gelingt dir über weite Strecken nicht. Es sind im Augenblick noch so viele sprachliche Unebenheiten und umständliche oder wenig anschauliche Formulierungen im Text, dass deine Hauptfigur überhaupt nicht authentisch wirkt. Man nimmt ihm den Berufsschriftsteller nicht ab.

Hier ein Beispiel:

Ich wollte doch gar nicht aus dem Fenster sehen, doch wie so oft in letzter Zeit am Samstagvormittag, schaue ich aus dem rückwärtigen Dachfenster heraus, um die neue Nachbarin beim Wäscheaufhängen zuzusehen.
Der Satz ist holprig formuliert (in meinen Augen gehört das am Samstagvormittag hinter schaue ich) und es muss der Nachbarin heißen.

Ein anderes Beispiel:

"Und nun beobachte ich sie regelmäßig so, wie ich immer aus dem Fenster heraus schaue, um einen neuen Gedanken für eine Geschichte zu bekommen, an der ich gewöhnlich arbeite."

Dieser Satz ist unheimlich umständlich. Außerdem entsteht überhaupt kein Bild, wenn man ihn liest, da die aneinandergereiten Informationen, die er liefert zu allgemein sind.

Das ist ein weiteres Problem des Textes (s.o.). Vieles was du schreibst bleibt vollkommen oberflächlich und passt vom emotionaslosen Stil eher zu einem auktorialen als zu einem Ich-Erzähler. Wenn du einen Ich-Erzähler wählst muss er etwas erleben und nicht einfach nur schildern.

Auch meine Abgabetermine an meinem Verlag kann ich immer weniger einhalten, sondern ich erwische mich dabei, wie ich sie heimlich aus der sicheren Deckung der Vorhänge meines Fensters heraus beobachte.
In dieser Passage ist alles Geschilderte unspezifisch, weshalb man als Leser überhaupt keinen emotionalen Zugang zum Problem des Protagonisten bekommt. Nimm den ersten Satzteil:

Auch meine Abgabetermine an meinem Verlag kann ich immer weniger einhalten
Warum denn gleich zu Beginn der Plural? Wäre nicht ein konkreter Abgabetermin bei einem konkreten Verlag, vor dessen herannahen sich der Protagonist konkret fürchtet, weil er Angst hat ihn zu verpassen, spannender? So lässt du den Leser anteil haben am Dielmma das dein Protagonist schildert.

Leider ziehen sich die beiden genannten Probleme durch den ganzen Text.

Doch was ich dann dort sah, verschlägt mir sofort den Atem, fast so, als ob ich live den Anschlag in Midyat erlebe – mit einem Mal ist die Luft weg!
Was ist das denn bitte für ein völlig absurder Vergleich??

Ich hoffe du nimmst mir die deutliche Kritik nicht übel. Du solltest den Text in meinen Augen dringend noch einmal wirklich grundlegend überarbeiten.

Liebe Grüße

Blumenberg
 
Lieber Blumenberg,

vielen Dank für deine ehrliche Rückmeldung zu meinem Text. Ich muss gestehen, du hast in vielem recht. Zu meiner Verteidigung: Ich bin nur ein Hobbyschreiber, der manchmal am Wochenende ein wenig Zeit nehmen kann, um seiner Leidenschaft, dem Schreiben, nachzukommen – leider viel zu wenig, wie man an diesem Text sehen kann. Aber ich gelobe Besserung und möchte meine kleine Geschichte überarbeitet noch einmal hier einstellen.

Ich möchte mich herzlichst für deine Anregungen bedanken. Ich schätze diese sehr, denn ich weiß, dass ich nur durch aufrichtig gemeinte Textkritik von erfahrenen Schreibern Fortschritte in meinem Schreiben machen kann. Ich würde mich sehr freuen, auch weiterhin von dir solche ehrliche Worte zu meinen Texten zu bekommen.

Liebe Grüße

Tintenkleckser
 

Blumenberg

Mitglied
Hallo Tintenkleckser,

nichts zu danken! Wir sind hier doch letztlich alle nur Hobbyautoren, auch wenn der ein oder andere eine etwas andere Selbsteinschätzung zu haben scheint. (besten Dank dafür, dass du mich unter die erfahrenen Autoren einordnest, das ist ein nettes Kompliment). Ich freue mich, wenn du das Gefühl hast, dass dich mein Feedback weiterbringt.

Liebe Grüße

Blumenberg
 



 
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