Berta - mein „Dornröschen“


Berta - mein „Dornröschen“


Meine streitsüchtige Ehegemahlin Berta versuchte sich wieder bei mir einzuschmeicheln.
Woran ich dat merkte? Sie kochte mir seit drei Tagen meine geliebten westfälischen Eintöpfe. So leicht aber ließ sich meine gekränkte Seele nich versöhnen. Ich war sehr still und hielt mich mit meinen ehelichen Pflichten total zurück.
Dat juckte sie überhaupt nich! Im Gegenteil, Berta war die letzten Tage sogar merkwürdig munter. Zu munter für meinen Geschmack. Irgendwat war da wieder im Busch. Man hatte nach über dreißig Ehejahren ne feine Antenne für so wat.
Ich dagegen wurde von Tag zu Tag kribbeliger, denn die verstockte Jagdgenossenschaft hatte mir den ersehnten Pachtvertrag immer noch nich geschickt.
Berta interessierte meine Gefühlslage überhaupt nich, sie grinste nur den ganzen Tag wie son Honigkuchenpferd. War dat etwa Schadenfreude? Worüber denn? Ich tappte völlig im Dunklen.
Drei Tage nach unserem Ehekrach wedelte unser Briefträger mit nem dicken Couvert vor dem Küchenfenster rum. Ich flitzte zur Tür. Endlich! Die Jagdgenossenschaft hatte mir Post geschickt! Dat wurde ja auch langsam Zeit.
Ich riss den Umschlag auf, und stellen Se sich vor – ich hielt tatsächlich en neuen Pachtvertrag inne Finger. Ich setzte mich am Schreibtisch dran und studierte Wort für Wort, Satz für Satz. Als ich damit fertig war, las ich den Vertrag vorsichtshalber en zweitet Mal. Dat passierte mir nich mehr, dat ich wat überlesen tat!
Mein Herz hüpfte. Allet stand da drin wie ich dat verlangt hatte. Musste vorher dat ganze Theater mit dem Armleuchter von Jagdvorsteher sein?
Ich lockerte meine eheliche Sprechblockade:
„Berta, wir sollen am Samstagabend zur Vertragsunterzeichnung in dat Dorfgemeinschaftshaus kommen. Dort will man mich der Gemeinde als neuen Pächter vorstellen. Endlich haben se dat geschnallt, dat et keinen besseren Jagdpächter geben tut.“
Berta saß auffe Couch und beobachtete mich. Sie griente genüsslich vor sich hin.
„Berta, die Kerle haben alle meine Kröten geschluckt. Wat sachse dazu? Kuck ma im Vertrag rein, ob ich eventuell wat überlesen hab.“
Ihre Freude über die glückliche Wendung schien nich sehr groß. Für sie war dat anscheinend allet selbstverständlich.
„Berta, wat iss mit Dir, Du freust Dich ja gar nich.“ Sie sachte nix, sie lächelte nur. Nee, dat war kein nettet Lächeln, dat war eher son fieset Grinsen.

Ich holte ne Pulle Sekt aussem Keller und füllte zwei Gläser. „Waidmannsheil, Berta, Dein Willi iss sehr, sehr glücklich. Lass uns den Streit vonne letzten Tage vergessen. Dat iss Schnee von gestern. Pack dat Glas unten am Stiel an, dann klingt dat beim Anstoßen besser. Prost! Endlich haben wir et geschafft.“
Berta hielt ihre Freude noch immer zurück. Wat war bloß mit die Frau los, verdammt noch ma?
„Berta, hasse wat auffe Seele? Sach et mir. Bin i c h daran wieder schuld?“
„Nö, Willi, et iss allet paletti.“
Ich konnte mir absolut keinen Reim aus ihrem dämlichen Verhalten machen. Irgendwat stimmte mit dem Weib nich. Ich zog zu ihrer Aufmunterung extra noch en Joker aussem Ärmel und quetschte mir auch noch en Kosenamen ab.
„Berta, mein Dornröschen, heute entlaste ich Dich im Haushalt, heute koch i c h Dir ma wat Leckeret. Ich denke, Du freust Dich mehr innerlich, Du muss sicher erst ma die glückliche Botschaft innerlich verarbeiten. Also freu Dich mit mir über die Jagd und auf mein versprochenet Festessen.“
„Willi, soll dat mit die Kocherei ne Drohung sein?“ Meine Frau war ganz offensichtlich nich auf Frieden aus. Patziger ging et wirklich nich! Des lieben Friedens willen unterdrückte ich meinen aufkeimenden Zorn.
Ich hatte heute riesigen Kohldampf auf Heringsstipp mit Pellmänner. Dat herrliche Gericht wollte ich ihr als Mittagessen servieren. Aber bei der unverschämten Antwort verging mir schon wieder der Appetit.
„Berta, sach endlich, warum Du so kiebig biss? Dein Verhalten iss ja ekelhaft. Andere Weiber wären froh, wenn se son netten Mann hätten. Also, spuck aus, wo drückt der Schuh?“
Sie grinste noch ne Weile, dann kam se endlich aussem Quark:
„Willi, wat meinze wohl, warum Du die Jagd gekriegt hass, he? Wat denkse?“
„Iss doch logisch, Berta! Weil ich der Bande en gepfefferten Brief an den Kopp geknallt hab. Die Sprache haben die Armleuchter verstanden. Iss doch klar!“
„Nööö“, sachte se herablassend, „ich, Berta Püttmann, Deine doofe Ehegemahlin, und niemand sonst hat dat geschaukelt. Dat Resultat meiner klugen Taktik und geschickten Verhandlungsführung hältste gerade inne Hand.“
Ich verstand nich. Wat für ne Taktik und Verhandlungsführung? Die Frau sprach in Rätseln. Die war ja total daneben. Ich versuchte en kleinet Ablenkungsmanöver, damit se wieder normal wurde.
„Berta, komm lass uns noch en Schlücksken Sekt schlabbern, dann hasse Dich vom Freudenschock erholt, mein Häschen.“
„Willi, sülz nich so blöde mit mir rum, red vernünftig mit mir! Ich wiederhole: Du verdankst nur mir allein, dat wir die Jagd gekriegt haben. Wenn et nach dem Jagdvorstand gegangen wär, würdesse jetz am Däumchen lutschen. Jagd vorbei – Halali. Dein gemeiner Brief war daran schuld. Du trittst doch mit Deinen dicken Quanten in jeden Fettnapf. So sieht dat Spielchen mit die Verpachtung aus.“
„Berta, ich habe keine Quanten, sondern Elfenfüßchen, und jetz quatsch ma Tacheles, wat hasse gemacht, sach et mir. Hasse Löcher in meine Pläne geschossen? Hasse unsere Ehre verraten? Ich glaub dat einfach nich. Warsse bei die Halsabschneider und hass da für mich gebettelt? Ich fass et nich. Wer biss Du? Meine Amme?
Sach bloß nich, dat Du bei dem brunftigen Schweinejupp warss. Hasse mit dem gebalzt? Iss der Mistbock Dir anne Wäsche gegangen oder hasse freiwillig Dein Röckchen gehoben. Du hass Dich bei dem Verbrecher verkauft! Ich werde wahnsinnig!“
Bertas Augen wurden augenblicklich zu Sehschlitzen. Sie stemmte die Arme inne Hüften und blies mir den Marsch:
„Willi, Du wirss nich wahnsinnig, Du biss dat schon! Und unverschämt noch obendrein! Schämsse Dich eigentlich nich, so wat von Deiner Frau zu denken, die Dir zwei Kinder geschenkt hat? Die immer treu war, für Dich geschuftet und Dir jahrelang den Hintern nachgetragen hat?“
Berta war außer sich und haute mir plötzlich sogar noch eine runter. Dann warf sie sich auf die Couch und heulte wie en Schlosshund.

Gut, dat mit dem Röckchen, dat war wirklich nich sehr charmant, aber sie hatte meine Ehre verletzt. Ich musste noch mehr Einzelheiten aus ihr rausquetschen.
„Berta, hör auf zu heulen, ich verzeih Dir die Ohrfeige. Mach endlich den Mund auf und berichte glaubhaft, wat Du hinter dem Rücken von Deinem Ehegemahl mit die Heinis verhackstückt hass. Punkt für Punkt will ich dat wissen! Dann nehm ich eventuell auch dat mit dem Röckchen zurück.“
Berta pfiff mir wat. Rumms, die Tür flog zu.
Et war bestimmt wieder Vollmond.

Am Samstag um 19.00 Uhr erschien ich mit Berta im Dorfgemeinschaftshaus. Wir hatten uns in Schale geworfen. Berta hatte dat raffinierte Dirndl mit dem „Balkon zur schönen Einsicht“ angezogen, ich, meinen neuen Jagdzwirn.
Der Saal war rappelvoll. Etwa achtzig Leute saßen hier offensichtlich schon etwat länger vor ihrem Bier, Wein und Schnaps. Alle wollten mich angeblich kennenlernen. Die kannte ich doch längst, wat sollte der Quatsch? Ich begann zu ahnen. Die wollten nur auf meine Kosten bechern, die Lauschepper.
Der 1. Vorsitzende der Jagdgenossenschaft, der fette Schweinejupp begrüßte uns. Er gab mir sehr unterkühlt die Hand. Berta und dieser Lustmolch leckten sich gegenseitig die Backen ab. Ekelhaft. Ich hätte beide lynchen können. Dat war keine Eifersucht, mir fehlte nur jedet Verständnis für Bertas Geschmacksverirrung.
Jagdhüter Uli und die gute Else drückten mir demonstrativ herzlich die Flossen. Else sah umwerfend aus. Sie trug ihre Mollis noch betonter zur Schau als Berta. Sie errötete als ich ihr en Küsschen auffe Wangen hauchte. Hoffentlich wagte sie nich, jetz ihren Kussmund zu spitzen und den Saugnapf anzusetzen. Nee, tat se nich.

Wir durften am Vorstandstisch Platz nehmen. Ich peilte inne Runde und erblickte inne linken Reihe den hiesigen Pastor. Der kuckte mich vielleicht verächtlich an! Wat suchte denn dieser „Scheinheilige“ hier? Der fehlte mir noch in meiner Raupensammlung! Vier Förster aussem Kirchspiel und angrenzenden Staatsforsten waren hoch offiziell in Uniformen erschienen. Alle ökofanatischen Lehrer aussem Dorf, der vollständige Gemeinderat mit Ortsbürgermeister waren alkoholisch schon sehr gut drauf.
Der Jupp ergriff dat Wort:
„Liebe Berta, es ist mir eine Freunde, dass Du heute auch hier erschienen bist.“
Mich hat dieser Knallkopp überhaupt nich erwähnt!
„Ohne den außergewöhnlichen Einsatz für Deinen Mann hätten wir dem Willi den Zuschlag nicht erteilt. Sein unhöflicher Brief hat uns alle sehr schockiert.“
Wat quatschte der denn da für’n unverschämtet Zeug. War ich hier im falschen Film oder wat? Ich hörte wohl nich richtig. Sollte ich aufstehen und den Saal verlassen? Ich war kurz davor, zu explodieren. Ich musste mich schwer zusammenreißen, denn der Vertrag war noch nich unter Dach und Fach.
Ich äugte verzweifelt nach rechts, genau in die strahlenden Augen vonne Else. Sie lächelte wie en Engel. Sie muss wohl als einzige im Saal meine Gefühle richtig gedeutet und in mein weidwundet Herz geschaut haben. Sie warf mir ne Kusshand zu. Dat iss en Wink von ganz oben, dachte ich. Willi, Du darfs jetz auf keinen Fall die Fassung verliern.
Der Schweine-Jupp war mit seinem Gequatsche immer noch nich fertig. Ich hätte mir am liebsten die Lauscher zugehalten.
„Ja, meine liebe Berta, die Herzen unserer zweiundsiebzig Landfrauen, die Du bei der Einladung zu Kaffee und Kuchen im Country-Hotel gewonnen hast, taten das Übrige für unsere Entscheidung.“
Aha, jetz ging mir en Licht auf. Ich verstand auf einmal Bertas angebliche Flucht zu ihrer Schwester. Auch dat blöde Grinsen und lauernde Verhalten vonne letzten Tage. Wat dieset Kaffeekränzchen mit die Dorfweiber gekostet hatte, daran wollte ich jetz lieber nich denken.

Der glitschige Fettsack redete weiter. „Unsere Frauen wollten unbedingt Berta Püttmann zur Pächterin unserer schönen Jagd küren. Berta, Du gute Ehefrau hast das aber bescheiden abgelehnt. Möchtest Du nicht wenigstens als Mitpächterin im Vertrag aufgeführt werden?“
Berta stand auf, schaute majestätisch inne Runde und begrüßte fast alle Anwesenden mit Vornamen!
Sie antwortete gönnerhaft: „Nein, liebe Jagdgenossen, mein Willi soll Alleinpächter sein. Er wird mich hoffentlich mit auf den Hochsitz nehmen.Ha, Ha“!
Sie hatte die Lacher auf ihrer Seite. Auf meine Rechnung! Ich kochte. Ich spielte hier wohl nur die zweite Geige.
Der schwartlappige Jupp, der verdammte Lüstling, hatte immer noch wat zu quaken:
„Bevor wir zur Unterzeichnung des Pachtvertrags kommen, frage ich die hier Versammelten: Hat irgendjemand gegen unseren neuen Jagdpächter Wilhelm Püttmann aus Herne in Westfalen etwas einzuwenden?“
Wissen Se, wer sich da als einziger zu Wort meldete. Der Pastor! Der „gute Hirte“ stand auf und peilte mich böse an.
„Ich stimme nur zu, wenn Herr Püttmann nicht noch einmal eine Grabrede auf meinem Friedhof hält.“ Der Saal brüllte vor Lachen. Für ihn war dat aber nicht zum Lachen, dat hatte der Mann wirklich ernst gemeint.
Ich war am Zug.
Ich stand auf: „Herr Pastor, Sie haben mit die Verpachtung überhaupt nix am Hut. Und wenn Se sich noch ma weigern, en abtrünniget Schaf ihrer Gemeinde unter die Erde zu bringen, werde ich hier im Ort en ganz offiziellen freien Grabredner. Haben wir uns verstanden?“ Jetz hatte i c h die Lacher auf meiner Seite.
„Jupp, können wir den Vertrag nun endlich unterschreiben?“

So geschah et dat dann endlich. Willi Püttmann war Jagdpächter.

Zuerst küsste mich Berta und zischte in meine Gehörgänge: „Waidmannsheil, Du eifersüchtiger Bock“, dann kamen der Jagdvorstand und der Gemeinderat angedackelt und gratulierten mit besten Wünschen für ne gute Zusammenarbeit.
Von allen Seiten kamen die echten und falschen Fünfziger und gratulierten. Uli und Else kamen zuletzt. Sie freuten sich ehrlich. Else sagte: „Willi, Du hast mein Wort, alle jagdlichen Einrichtungen und die Jagdhütte bekommst Du von mir geschenkt. Hier ist der Schenkungsvertrag. Einzige Bedingung ist allerdings, dass ich die Hütte ab und zu mal mitbenutzen darf.“
Ich peilte verstohlen umme Ecke, ob Berta mit ihren Rhabarberblätter-Ohren meine Worte mitbekam. Die Luft war rein.
„Else, liebste Else, oder darf ich auch „Ellimaus“ zu Dir sagen? Du biss ja so wat von gütig. Lass uns gleich ma schön einen zusammen schnasseln.“ Else errötete. „Aber ja doch, guter Wilhelm, ich bin sehr glücklich, darf ich ‚Liebster’ zu Dir sagen?“
Mann o Mann! Bei der ging aber die Post ab! Wenn dat ma gut gehen tut!
 



 
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