Besuch der Tochter

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Shallow

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Gleis drei. Viertel nach fünf. ICE 1157. Mehr stand nicht in der Nachricht. Der Zug kommt tatsächlich pünktlich. Rudloff steht am Bahnsteig und beobachtet die aussteigenden Menschen. Klappernde Rollkoffer werden an ihm vorbeigeschoben, der rote Sekundenzeiger der Bahnhofsuhr dreht seine Runden. Die Zugtüren schließen, er wartet, bis der Zug abfährt. Sie ist nicht gekommen. Kann sie auch nicht. Wie soll das gehen, er hat keine Tochter. Der Bahnsteig leert sich. Zwei Männer stehen weiter hinten, warten in ihren dunklen Mänteln auf etwas. Sie wirken verloren, deplatziert, so wie er. Dabei ist der Zug längst weg. Er dreht sich um, die Rolltreppe funktioniert nicht, fluchend nimmt er die Treppe.
Auf dem Rückweg zum Auto bleibt er vor einem Laden stehen. Er hat es geschafft, ein paar Tage nicht zu trinken. Jetzt ist es egal, er kauft zwei Flaschen. Die eine trinkt er auf dem Weg zum Auto, die andere auch. Er steigt ein und hasst sich. Sich und die Welt. Gleichzeitig überkommt ihn ein Gefühl der Erleichterung. Er hat es versucht. Hat nicht geklappt. Unwichtig. Alles andere läuft nach Plan. Er muss lachen, wie ging das noch? Ja, mach nur einen Plan, sei nur ein großes Licht? Im Theater war er schon seit Jahren nicht mehr, Theater hat er im Leben ausreichend. Und auch auf den Straßen gibt es genug davon, Weihnachtsbeleuchtung, Tannenbäume, das ganze Programm. Die ganze Stadt in klebrige Watte gepackt, im Weihnachtswahn, rote Mützen, weiße Bärte, Spekulatius und Schokolade. Im Radio dudelt „White Christmas“, er schaltet es aus. Plan A ist: Nach Hause fahren und warten. Er hat einen kleinen Weihnachtsbaum an das Fenster gestellt, sodass er von außen gut sichtbar ist. Ein paar Kugeln aus dem Baumarkt drangehängt, Lichterkette drumgewickelt, fertig. Natürlich nicht für seine Tochter, die es nicht gibt. Nur zur Tarnung. So ist eben der Plan. Aber er entscheidet sich gegen Plan A. An einer Ampel biegt er nach rechts ab.

Rudloff geht durch die Schranke an der Security vorbei. Ohne Ausweis, den haben sie ihm abgenommen, aber er kennt die Wachleute. Ein Nicken zur Begrüßung, dann ist er durch. Das Büro ist im dritten Stock. Er wartet vor dem Fahrstuhl, der Mann an der Rezeption ist neu, Rudloff fühlt seinen Blick im Rücken. Als der Fahrstuhl das Erdgeschoß erreicht, ertönt der vertraute Gong. Die Schiebetür öffnet sich, er drückt die Taste und starrt sich im Spiegel an. So sieht also einer aus, der hier nicht mehr hergehört. Grauer Mantel, Rollkragenpullover, Tränensäcke unter den Augen. Vermutlich sieht er aus wie die beiden Typen am Bahnsteig, die er vorhin beobachtet hat. Immerhin passt seine Haarfarbe zum Mantel. Er tritt aus dem Aufzug. Sein ehemaliges Büro ist unverschlossen. Er hat es ausgeräumt, schon letzten Monat. Der leere Schreibtisch steht noch, das Regal ebenfalls, die Wände sind kahl. Es riecht nach Desinfektionsmittel. Nichts erinnert mehr an ihn, außer der Palme in der Ecke. Anfangs war sie so klein, dass sie auf dem Tisch stand. Er musste sie mehrmals umtopfen, nun steht sie in der Ecke am Fenster und hat fast seine Größe. Er hebt die Pflanze samt Ballen an, greift nach dem, was darunter liegt und steckt es in die Manteltasche. Als er sich umdreht, steht ein Mann auf der Türschwelle, die Arme vor der Brust verschränkt.
„Was tun Sie hier, Rudloff?“
„Nach meiner Palme sehen.“
„Wie sind Sie hier reingekommen?“, fragt sein Chef.
„Durch die Tür, Hartmann.“
„Werden Sie mal nicht pampig, ihre Anwesenheit ist weder erlaubt, noch erwünscht! Sie bringen das ganze Projekt in Gefahr, verdammt! An Ihrer Stelle würde ich den Rückweg antreten, sonst hilft der Sicherheitsdienst nach!“
„Glauben Sie, der kann Ihnen noch helfen?“ Er greift in die Manteltasche.
Hartmann geht einen Schritt zurück. „Machen Sie keinen Scheiß, Mann!“
Rudloff zieht die Flasche heraus und schraubt sie auf. Nimmt einen Schluck. Die Flasche verschwindet wieder im Mantel.
„Dachte schon, Sie hätten die Seiten gewechselt“, sagt Hartmann und entspannt sich.
„Will ich eigentlich nicht, wenn Sie die Kündigung zurücknehmen“, sagt Rudloff.
„Wollen Sie mir drohen? Ihre Abfindung finde ich viel zu großzügig, wenn Sie mich fragen. Bringen Sie es zu Ende, wie auch immer! Und hören Sie mit dem Saufen auf! Sie sind ein unkalkulierbarer Alkoholiker, wie oft hatten wir das Thema? Ich habe Ihnen jahrelang den Arsch gerettet. Irgendwann ist Schluss! Muss ich den Sicherheitsdienst bemühen? Sie haben vermutlich sowieso alles versaut.“
„Es sind jämmerliche Amateure“, sagt Rudloff.
„Natürlich!“, sagt Hartmann. „Wissen Sie noch, worum es geht? In welcher Welt leben Sie eigentlich?“
„In der realen, in einer Wohnung mit fremdem Namensschild, einem verkrüppelten Tannenbaum und ohne Tochter.“
„Die Idee mit dem Abholen ihrer Tochter am Bahnhof kommt von mir. Wir wollten eine Spur legen und sie wurde hoffentlich angenommen.“
„Sie hätten wenigstens eine hübsche Dame in den Zug setzen können.“
„Gab keine Notwendigkeit. Wenn die Tochter nicht kommt, hat das was Vertrauenswürdiges, richtig aus dem Leben gegriffen. Kauft jeder. Hat so eine tragische Komponente, gerade jetzt und bei Ihnen. Ziemlich genialer Einfall. Wir konnten denen ja nicht einfach ihre Adresse mitteilen, da wären die misstrauisch geworden. Sie sollten sie nicht zu lange warten lassen!“
Rudloff nimmt einen weiteren Schluck und behält die Flasche in der Hand. Wortlos geht er zum Aufzug ohne Hartmann anzusehen. Draußen auf dem Vorplatz steht ein riesiger funkelnder Weihnachtsbaum. Hier. Das war ihm vorhin gar nicht aufgefallen. Er wird nachlässig, vielleicht trinkt er wirklich zu viel.

Vor seiner Garage geht er um das Haus. Der Weihnachtsbaum ist durch das Fenster gut zu sehen, er hat die Lichterkette angelassen. An der Wohnungstür prüft er den Tesastreifen unten an der Tür. Klebt noch, es ist keiner da. Er schließt die Tür auf und drückt sie wieder zu. Licht an. Kühlschrank auf. Alles drin, Gin, Bier, Wein. Er braucht jetzt einen Gin Tonic. Er lässt zwei Eiswürfel in das Glas gleiten, das leise Klirren des Eises, das Gluckern des Gins und das Rauschen des Tonicwaters hat etwas Erotisches. Er nimmt das kalte Glas, presst etwas Limettensaft hinein und hält es gegen die Stirn. Er setzt sich in den Sessel mit dem Rücken zum Weihnachtsbaum. Den wird er morgen sowieso entsorgen. Mit allem anderen. Er hasst dieses Weihnachtsgedöns, diese Symbole für, ja, was? Nächstenliebe, Familienglück, Religiosität? Gott im Himmel, an den glaubt er auch nicht. Er sitzt dort, den Mantel hat er nicht ausgezogen und nimmt einen kleinen Schluck. Er schmeckt die leichte Bitterkeit, den erfrischenden Limettengeschmack, spürt die Schwere des Glases, das im Licht funkelt. So wunderschön. Er wartet.
Nach dem dritten Gin hört er das Schaben. Er hat nicht verriegelt, die Tür soll unbeschädigt bleiben. Ein paar Sekunden später stehen zwei Männer vor ihm, einer von ihnen zielt mit einer Waffe auf ihn.
„So, Freundchen!“, sagt der mit der Waffe, Rudloff schießt sofort. Der erste Schuss trifft den Mann in den Bauch, der zweite in die Brust. Keine Schutzwesten. Der Mann taumelt rückwärts, lässt die Waffe fallen, versucht etwas zu sagen und stürzt auf den Boden. Die Arme greifen nach etwas, was nicht da ist, roter Schaum blubbert vor seinen Lippen, die Beine treten ins Leere. Er bäumt sich auf, den Rücken durchgedrückt, ein Schwall Blut spritzt aus seinem Mund, dann sackt er in sich zusammen. Der andere Mann starrt entsetzt auf seinen Kollegen, hält die Hände vors Gesicht und sieht dann zu ihm.
„Jämmerliche Amateure!“, sagt Rudloff und greift sich das Glas mit dem Gin. Schwenkt es, die Eiswürfel klirren leicht.
Der Mann kommt auf ihn zu, die Hände bittend gefaltet. „Wir wollten nicht …“
„Noch einen Schritt und du liegst neben dem da“, sagt Rudloff und zeigt auf den Toten.
Der Mann bleibt stehen. Geht auf die Knie. Schluchzt.
Rudloff nimmt einen Schluck.
„Geh zurück!“, sagt er. „Du bist auf meinem Teppich. Wenn ich dich erschießen muss, saust du mir alles voll!“
Der Mann kriecht zurück, weint.
„Wir machen es einfach“, sagt Rudloff. „Auftraggeber, dein Name, der Name deines Kollegen, fünf Sekunden.“
„Bitte!“, windet sich der Mann. „Sie haben doch eine Tochter, sie müssen ein Herz haben!“
„Ich habe weder eine Tochter, noch ein Herz“, sagt Rudloff. „Ihr habt meinen Account gehackt und geglaubt, dass ich das nicht merke? Termin am Bahnhof, um Töchterchen abzuholen, den ganzen Scheiß habt ihr gekauft? Zwei Sekunden!“
„Wir wollten nur ihre Computer und den Laptop“, sagt der Mann. „Ich heiße Vincent, Vincent Dürrenmatt.“
„Haha“, sagt Rudloff. „Das ist jetzt wenigstens originell. Willst du mich verarschen?“
„Sagen alle, ich kann nichts dafür!“, sagt der Mann.
„Kennst du das? Flieh, die Glocke dröhnt, die Glocke des Verrats. Oder so ähnlich. Ich weiß das noch, haben wir mal aufgeführt in der Theater-AG, als ich jung war, ich war der Pfarrer.“
„Wovon reden Sie?“
„Wer hat euch beauftragt?“, fragt Rudloff.
„Fünfhundert Euro“, sagt der Mann. „Mehr weiß ich nicht.“
„Geh etwas zurück!“, sagt Rudloff.
Der Mann kriecht nach hinten, den Kopf leicht gebeugt.
Rudloff schießt ihm in den Hinterkopf. Der Mann kippt nach vorne, Rudloff stößt ihn mit dem Fuß zurück. Der Teppich hat nichts abbekommen. Er durchsucht die Toten, findet nichts. Er hat nichts anderes erwartet.
Er ruft Hartmann an.
„Und?“, fragt der.
„Für mich ist Feierabend“, sagt Rudloff.
„Wie viele?“
„Zwei.“
„Ich schicke jemanden“, sagt Hartmann.
Eine Weile bleibt es still. Rudloff weiß, dass sie längst unterwegs sind. Oder schon da sind.
„Schicken Sie meine Tochter!“, sagt er. „So, wie sie gewesen wäre.“
Wieder gibt es eine Pause.
„Keine Tricks?“, fragt Hartmann.
„Ich warte hier“, sagt Rudloff.
„Weil bald Weihnachten ist“, sagt Hartmann.
„Danke!“, sagt Rudloff.
Er geht zum Kühlschrank. Eis, Gin, Tonic, Limettensaft, er hält das Glas ins Licht. Als es zwanzig Minuten später klingelt, drückt er den Summer und bleibt in der Tür stehen. Eine hübsche Blondine kommt die Stufen herauf.
„Darf ich?“, fragt sie.
Er macht eine einladende Geste und tritt zur Seite.
„Meine Tochter ist immer willkommen. Möchten Sie vielleicht einen Gin?“, fragt er.
„Ich trinke nicht“, sagt sie und sieht sich in der Wohnung um. Steigt über die beiden Toten.
Er zuckt mit den Schultern. „Keine Zeit zum Aufräumen.“
„Wenigstens ist der Teppich sauber“, sagt sie und legt ihren Mantel über einen Stuhl. Enge Jeans mit breitem Gürtel, Rollkragenpullover, braune Stiefel, Lederhandtasche. Die legt sie nicht ab. Weiß der Teufel, wo Hartmann diese Frau angeheuert hat.
„Ich darf noch austrinken?“, fragt er.
Sie nickt und streicht die Haare nach hinten.
„So kurz vor Weihnachten schlage ich wenige Wünsche aus“, sagt sie.
„Darf ich fragen, wie Sie heißen? Ich werde es vermutlich nicht verraten können.“
„Maria“, sagt sie.
„Und weiter?“
„Rudloff.“
Einen Augenblick stutzt er, sieht sie an. Wenn sie lächelt, ist sie noch hübscher. Auch er muss lächeln, fast möchte er den Hut ziehen vor ihr und Hartmann. Er setzt sich auf den Sessel vor dem Baum.
„Da ist es nicht gut“, sagt sie. „Sie wissen schon, der Teppich!“
„Ja“, sagt er und steht auf.
 
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Anders Tell

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Hallo Shallow,

»Dann mach noch einen zweiten Plan,
geh'n tun sie beide nicht«

Eine spannende Geschichte und sehr dicht gewirkt. Die Theaterleidenschaft des Helden hat mich sehr für ihn eingenommen. So im Kontrast zu seiner Arbeit. Dass der Besuch der Tochter eine Falle ist, finde ich überzeugend. Fettes Lob.

Anders
 

petrasmiles

Mitglied
Perfekt geschrieben, und doch irgendwie aus der Zeit gefallen. Die (eigene) Welt muss friedlich und überschaubar sein, um diesen hard boiled Kitzel genießen zu können - mir zumindest geht das so.

Liebe Grüße
Petra
 

Shallow

Mitglied
Hallo Ihr Beiden @petrasmiles und @Anders Tell,

vielen Dank für das Lob, Anders Tell, hat mich sehr gefreut!

Perfekt geschrieben, und doch irgendwie aus der Zeit gefallen.

Ja, liebe Petra, ich verstehe, was du meinst - zumindest ein bisschen. Die Geschichte als artifizielle Reminiszenz zu beschreiben, klingt vermutlich ziemlich hochgestochen, aber ich habe an Krimis/Detektivgeschichten der 80er gedacht, der Protagonist fertig und am Ende, desillusioniert, meist dem Alkohol zugeneigt, so diese Atmosphäre. Hard boiled vielleicht wegen der Schuss-Szene, aber auch wegen der Haltung, mit der er den eigenen Tod akzeptiert und sogar gestaltet. Das ist old-fashioned, ich gebe dir recht. Aber eigentlich wollte ich das so wiedergeben, mit dem Fokus auf Unterhaltung und vor allem dem Einfangen dieser Atmosphäre, einen tieferen Sinn als den geschilderten gibt es nicht.

Die (eigene) Welt muss friedlich und überschaubar sein, um diesen hard boiled Kitzel genießen zu können

Das habe ich nicht so ganz verstanden, diesen Zusammenhang. Aber du schreibst, dass du es so empfindest, und das ist dann selbstverständlich richtig. Aber für mich schwingt da etwas mit, als könnte man in heutiger Zeit usw.? Wenn es so gemeint ist, würde ich vehement widersprechen wollen. Für political correctness in dieser Geschichte bin ich eher nicht zu haben. Grundsätzlich darf und muss gerade auch in schwierigen Zeiten Unterhaltung und Ablenkung erlaubt sein. Möglicherweise habe ich dich aber in diesem Punkt missverstanden.
Jedenfalls danke ich dir sehr fürs Beschäftigen und deine Gedanken!

Euch beiden eine entspannte Vorweihnachtszeit wünscht

Shallow
 
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petrasmiles

Mitglied
Liebe(r) Shallow,

nein, nein, mir ging es nicht um political correctness. Eher um das 'Gemüt' (oder mein Gemüt :) )
Wenn ich so angespannt bin wie eigentlich jetzt seit Jahren, dann kann ich mich an solchen Geschichten nicht erfreuen. Und wenn man bedenkt, welchen Zulauf Krimis haben, dass immer mehr Formate erfunden und die bestehenden ausgewalzt werden, dann spricht das für einen generellen Zuspruch - aber nicht bei mir, obwohl ich eigentlich eine 'Krimitante' bin.
Ich 'lese' solche Geschichten immer mit einem sozialen Auge und da bietet dieses Dunkelland 'Geheimdienste' keine Überraschungen und alle Protagonisten Deiner Geschichte haben ja auch ihre Seele schon verkauft. Das waren eher die 'goldenen' 007 Zeiten, als man vielleicht sogar neugierig darauf war, wie es 'da wohl so zugeht', obwohl es 'so' sicherlich nie zuging.
Ich stimme Dir aus vollem Herzen zu, dass Unterhaltung und Ablenkung ein legitimes Bedürfnis sind, das auch ich befriedige, allerdings eher bei Geschichten mit Selbstironie und Augenzwinkern.

Liebe Grüße
Petra
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die etwas andere Weihnachtsgeschichte ... sehr gelungen und von daher gerne empfohlen!

Das waren eher die 'goldenen' 007 Zeiten, als man vielleicht sogar neugierig darauf war, wie es 'da wohl so zugeht', obwohl es 'so' sicherlich nie zuging.
Das Prinzip 007 beruht doch darauf, dass er so "gut" ist, obwohl auch er Menschen tötet. Aber er ist trotzdem gut, weil die anderen noch viel böser sind. Das hat sich seit Dr. No nicht geändert. Nur mehr Spektakel inzwischen.

Gruß DS
 

Anders Tell

Mitglied
Liebe Petra,
ich glaube, Du tust dem Text etwas unrecht. Das ist kein lupenreiner Hardboiled, weil zwischen den Zeilen manches geschieht, was in einem Agententhriller niemals vorkäme. Der Protagonist, so lese ich es, ist kein typisierter Geheimdienstler. Er ist Trinker und ausgebrannt. Er muss um seinen Job fürchten. Dann erfahren wir von seiner Theaterleidenschaft. Ein normaler Mensch, mit Schwächen und Neigungen. Das eben im Kontrast zu seinen eiskalten Morden.
Aber selbst wenn es ein Reisser reinsten Wassers wäre, würde mich persönlich der Abgleich mit der Realität beim Lesen wenig stören. Es ist ja Unterhaltung und fiktiv. Mich stören eher diese aktuellen Krimis, in denen man über 600 Seiten in tausend Nebenhandlungen mehr über das Privatleben des Ermittlers erfährt, als dass es mit der eigentlichen Krimihandlung mal voran geht. Ich glaube, die Autoren kochen alle nach demselben Rezeptbuch.
Ich gestehe zudem, dass ich in einer Phase völlig schuldfrei Actionkitsch wie Allister McLean gelesen habe.
Anders
 



 
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