Besuch. - Sonnet

Besuch.

Der Krieg kriecht durch die kleinste Fensterritze.
Auch unterm Türblatt schlüpft er durch und schleicht
Sich dahin, wo ich gerne mit mir sitze.
Er hat mir sogar seine Hand gereicht!

Sie sind so kalt, die bleichen Fingerknochen.
Mich hat’s geschaudert. Ich bin sehr erschrocken.
Ich sollte mir was Warmes, Gutes kochen.
Vielleicht tut’s eine zweite Lage Socken.

Er spricht nicht, hört nicht, sitzt nur knöchern da.
Ihn wegzuschicken, das gelingt nicht. Taub
Und stumm schaut er mich an, ist furchtbar nah.
Ich hab ihn nicht gerufen, mit Verlaub!

Ich sehe ihn mir an. So ein Skelett
Wär schöner anzusehn, wär es komplett.

Wenns dem Krieg so schlecht geht, daß er zum Gerippe verbleicht, sättigt sein Hungertod den Frieden.

mondnein schrieb:

Wenns dem Krieg so schlecht geht, daß er zum Gerippe verbleicht, sättigt sein Hungertod den Frieden.

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Hi Hanzs,
leider leben untote länger.
lg W.

der dichter dankt @mondnein und @Samoth für die leseempfehlungen!

Walther schrieb:

leider leben untote länger.

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oh das ist gut! das ist die dichteste Metapher.

Hallo, Walther

Liest sich gut, dein Sonett, bringt direkt zum darüber nachsinnen.
Ich interpretiere "ihn" (V13) anders. Bis dahin beschreibst du ja allgemein eine Begegnung mit dem leibhaftigen Tod, dem Sensenmann aus der Karte 13 (Tarot). Der Tod ist immer auch Humus, der Wegbereiter des Neuen. Der Krieg wird auch als "Vater aller Dinge" Dinge bezeichnet. Daran musste ich bei Mondneins Beitrag denken.
Genug assoziiert.
In V14 löst du das Abstrakte auf, indem das Skelett kriegsversehrt ist.
"Richtig" interpretiert?

LG
Henrik

Henrik schrieb:

Hallo, Walther

Liest sich gut, dein Sonett, bringt direkt zum darüber nachsinnen.
Ich interpretiere "ihn" (V13) anders. Bis dahin beschreibst du ja allgemein eine Begegnung mit dem leibhaftigen Tod, dem Sensenmann aus der Karte 13 (Tarot). Der Tod ist immer auch Humus, der Wegbereiter des Neuen. Der Krieg wird auch als "Vater aller Dinge" Dinge bezeichnet. Daran musste ich bei Mondneins Beitrag denken.
Genug assoziiert.
In V14 löst du das Abstrakte auf, indem das Skelett kriegsversehrt ist.
"Richtig" interpretiert?

LG
Henrik

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Hi Henrik,
danke fürs lesen und für brauchbar empfinden.
das lyrich findet ein unvollkommenes skelett noch weniger prickelnd als ein komplettes. der rest soll der individuellen auslegung überlassen bleiben.
lg W.