Betrachtungs weise

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Walther

Mitglied
Betrachtungs weise


Verwandelt sich die lust zu ahnung
und streicht als zeit durch loses haar.
zu sein ist mehr als zweck und planung.
die zwei viel mehr als nur ein paar.

Die vögel steigen in die wolken,
verstreuen und versammeln sich.
der regen ist kaum ausgemolken
schreit schon die ernte flehentlich.

Die jahre eilen über himmel,
sie fahren durch das häusermeer.
wo gestern schwatzte ein gewimmel,
stehn bloß noch die ruinen, leer.

Es ist der blick in liebe augen,
der aus der trauer freudvoll weckt.
das sinnen droht schnell auszulaugen,
wenn man nicht einen sinn entdeckt.
 

Walther

Mitglied
Betrachtungs weise


Verwandelt sich die lust zu ahnung
und streicht als zeit durch loses haar.
zu sein ist mehr als zweck und planung.
die zwei viel mehr als nur ein paar.

Fünf vögel steigen in die wolken,
verstreuen und versammeln sich.
der regen ist kaum ausgemolken
schreit schon die ernte flehentlich.

Die jahre eilen über himmel,
sie fahren durch das häusermeer.
wo gestern schwatzte ein gewimmel,
stehn bloß noch die ruinen, leer.

Es ist der blick in liebe augen,
der aus der trauer freudvoll weckt.
das sinnen droht schnell auszulaugen,
wenn man nicht einen sinn entdeckt.
 

ameise

Mitglied
Hallo Walther,

den Wandel als etwas grundlegendes anzuerkennen, dadurch,
dass man einen Sinn darin findet - ist Weisheit.
Gefällt mir ausgesprochen gut, nicht nur inhaltlich.

LG
ameise
 

Walther

Mitglied
hi ameise,

das gedicht wollte ich peter huchel widmen, dessen gedicht "April '63" den anstoß zu diesen versen gab. die beiden verse
Fünf vögel steigen in die wolken,
verstreuen und versammeln sich.
sind so etwas wie ein bindeglied. bei peter huchel ist das ursprungsbild "fünf junge Eichelhäher". im band 35 des Frankfurter Anthologie gibt es eine lesenswerte besprechung zu diesem werk.

letztlich geht es bei lyrik darum, erkenntnisse bildhaft und nachempfindbar zu machen. ich hoffe, daß dieser text das in ansätzen leisten kann.

besten danke für den freundlichen eintrag und die gute wertung.

lg w.
 

rogathe

Mitglied
Hallo Walther,
das Bild vom ausgemolkenen Regen finde ich unpassend. Klingt für mich wie eine Reim-Notlösung für die Wolken.
LG rogathe
 

Walther

Mitglied
lb rogathe,

das mag dir so vorkommen, ist es aber nicht, weil der vers danach genau schreibt, warum das bild so passen muß.

lg w.
 

ameise

Mitglied
Hallo Walther,

das ist ja interessant! Ich beschäftige mich aktuell recht intensiv mit Peter Huchel, lese gerade ein Buch mit dem Titel:
"Am Tage meines Fortgehns". Es beschreibt sehr anschaulich seine Lebensumstände in der DDR, vor allem als Redakteur bei "Sinn und Form". Er lebte ja so isoliert, da nur wenige Freunde bis zum Ende (Ausreise) zu ihm standen. Der politisch-gesellschaftliche Druck auf seine gesamte Familie war ungemein hoch.
Zur Wende war ich 16 Jahre alt, kann mir zumindest noch ein kleines Bild aus meinen Erfahrungen in der DDR machen, wenngleich ich nur bis zur Schulzeit gekommen bin.

Ja, ich freu mich, dass Peter Huchel auch dir Inspiration schenkt.

LG
ameise
 

Walther

Mitglied
lb ameise,

peter huchel hat sehr unter dem sed-regime gelitten. seine ruhige unbeugsamkeit hat ihm keine freundschaft seitens der mächtigen eingebracht, zugleich konnte und wollte er nicht aus seiner heimat weggehen.

ich schätze ihn als lyriker sehr.

lg w.
 

ameise

Mitglied
lieber walther,

er meinte zwar: lieber im westen verscharrt, als im osten begraben werden.
Aber...
Heimat bleibt Heimat. zerrissenheit als folge.
Und er war leider nicht der einzige, dem so ein schicksal beschieden war.

LG
ameise
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Walther,

die letzte Strophe ist für mich wie ein Strohhalm, wenn ich nicht loslassen kann an die ganze Problematik in Ägypten und den Nachbarländern zu denken.

Das lyrische Gesamtwerk von Peter Huchel steht in meinem Bücherschrank schon seit mehreren Jahren. Auch ich mag ihn sehr und empfinde so etwas wie eine Verwandtschaft auch wegen des Alters und wegen der Mark Brandenburg, die ich aus Vor-DDR-Zeiten kenne.

Bei Deiner Hinführung zu Deiner letzten Strophe, die ich sehr gelungen finde, kann ich den Peter Huchel auch wahrnehmen.

Ein gelungener Text, der eine Portion Weisheit und einen Trost enthält.

Liebe Grüße
Vera-Lena
 

Walther

Mitglied
lb. ameise,

das ist wahr. heimat ist mehr als nur das wort. es ist aber zugleich auch weniger.

die ddr hat ihre künstler nicht sehr nett behandelt, um es einmal sehr freundlich zu formulieren. zum glück ist es gelungen, viele vorm vergessenwerden zu bewahren.

lg w.
 

ameise

Mitglied
Lieber Walther,

ja, und aus den Archiven schlüpfen hier und da
verbotene Manuskripte, Berichte u.v.m.
Die Staatsmacht war letztlich ohnmächtig.

LG
ameise
 

Walther

Mitglied
hi vera-lena,

das war die zielrichtung des texts. lakonische einschätzung der gegebenheit und einen ausblick, der hoffen läßt.

lg w.
 

Walther

Mitglied
lb. ameise,

es freut mich diebisch, daß dem so ist. ebenso freut es mich, daß die nazis ihr ziel nicht erreicht haben. die gründe der beiden diktaturen, wegen derer sie die unliebsamen kritiker verfolgten, sind ähnlich. das macht sie nicht gleich. das naziregime war eindeutig schlimmer.

dennoch erinnert beides an den wert der freiheit, die wir, weil wir sie haben, selten wirklich schätzen.

lg w.
 

ameise

Mitglied
Lieber Walther,

Freiheit ist heutzutage etwas selbstverständliches. Vielleicht ist auch das ein Grund für die weitverbreitete Geringschätzung.
Freiheit ist kein selbstverständliches Gut (im politischem Kontext)!
Natürlich hat die Demokratie auch allzu menschliche Züge, aber sie ist mir dennoch viel lieber als eine Diktatur.

Personen, wie zum Beispiel Peter Huchel oder Jürgen Fuchs etc., sind Mahner in einer anfälligen und brüchigen Gesellschaft.


LG
ameise
 



 
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