bier

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
Die Alkoholikerin und der Arbeiter

Ich hab Kummer, ich hab Sorgen. Ich muß mich besaufen, um nicht immer daran zu denken. Ich sitz in einem Teufelskreis. Aber ich habe Anstand und weiß, was sich gehört. Ich besaufe mich nicht in der Öffentlichkeit. Ich torkle nicht besoffen durch die Stadt. Ich singe nicht, wenn ich beschwipst bin und ich weine auch nur ganz leise – soweit ich es noch kontrollieren kann.
Ich habe früher auch in einer Brauerei gearbeitet; da hab ich auch bemerkt, wie gut Bier schmeckt. Ich 16jährige wurde einem Band zugeteilt und die Bandführerin stellte zu den Pausen nur Bier als Getränk zur Verfügung. Wenn ich Limonade wünsche, könnte ich sie von meinem Deputat abzweigen, meinte sie abfällig; ich sei schließlich in einer Brauerei und nicht in einem Saftladen. Es war Hochsommer, der Durst trieb das Bier rein.
Wir Teenys sollten alle Stationen der Brauerei kennen lernen, so landete ich auch mal bei denen, die den Feinputz an den Flaschen vorzunehmen hatten. Es gab Leute, die ihre Flaschen erst zum Handel brachten, wenn schon Schimmelpilze gewachsen waren. Diese Flaschen mussten mit einem besonderen Pinsel von Hand gereinigt werden. Es gab Flaschen, auf denen das Etikett „für die Ewigkeit“ festgeklebt war, diese Etiketts mussten mühselig mit einem Messer abgeschabt werden. Und dann gab es noch die vermaledeiten Flaschen gewisser Brauereien, die mit Banderole und Goldpapierhäubchen blendeten. Das Zeug runterzukriegen, war Schwerstarbeit. Ich dachte damals immer: „Wenn der Säufer doch wenigstens das Goldpapier abgemacht hätte!“
Jaja, Radeberger und Wernesgrüner, Spitzenklassenklassebiere. Selbst in Berlin kaum erhältlich. Seit der Wende gibt es beide überall. Na, da hab ich natürlich zugeschlagen! Fast jeden Tag. Und weil ich weiß, daß die in Berlin zurückgegebenen Flaschen an die Berliner Brauereien geliefert werden, entferne ich sorgsam Banderole, Goldpapier und Etikett. Ich bin doch immer noch ein Mensch, oder?

Marcel lässt sich schwer auf seinen Lieblingssessel plumpsen. Seine Kinder Anke und Tom begrüßen ihn herzlich. Er tollt ausgelassen mit ihnen. Seine Frau steht lächelnd daneben. Endlich ist genug getollt, die Kinder gehen in ihre Zimmer. Die Frau fragt: „Wie war dein Tag, Liebling?“ und er klagt: „Ach, weißt du, da kam wieder eine Ladung Flaschen, wo so ein hirnamputierter Alki versucht hat, die Flasche selber sauber zu bekommen. Da blieben natürlich Reste. Wenn der Kerl bloß die Finger davon gelassen hätte! Die Maschine bekam nichts zu fassen! Ich musste alles mit der Hand entfernen, was seine Säuferfinger nicht geschafft haben. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine Plage war. Ist noch ne kühle Blonde da?“
 
P

paedag

Gast
na, denn mann, prost oder?

danke.
erfrischend.
besonders hat mir der anfang gefallen.
aber wer zum teufel ist marcel?
schade, daß es kein willi war.
norbert
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
danke,

paedag, aber den willi hatte ich doch schon mal verwendet. ick nehm die männer immer bloß eenmal. lg
 
B

Bruno Bansen

Gast
Hi Flammarion! Welch seltener Gast hier - mit einem eigenen Text auch noch und excellent geschrieben und zu lesen! Man ist mitten drin und kann ohne Probleme nachvollziehen, was Sache ist! Das sollte öfter mal passiern, daß was von Dir hier erscheint - Du hättest schon Deine Stamm-Leser, mich und sicher wäre ich nur einer von vielen!

Schöne Ostertage Dir nach Berlin,
zusammen mit vielen Grüßen!

Bruno
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
oh,

vielen dank, lieber bruno. leider tu ich mich n bischen schwer mit satire . . . ganz lieb grüßt
 



 
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