Bilder einer Traumbeseelten

4,20 Stern(e) 11 Bewertungen
Bilder einer Traumbeseelten

Müht euch aus dem Tale, Winde,
Pustet Träume in die Nacht,
Die der Mond, ach mir dem Kinde,
Zärtlich auf den Mund gelacht.
Eilt ihr Vögel, mit dem Pickel,
Korn und Ähre leuchten gold,
Packt den Hagel fest am Wickel,
Zockt er mit des Sommers Sold.

Kämme deine Locken, Eiche,
Vor den Toren steht das Licht,
Nimm die Bürste, die ich reiche,
Wenn es durch die Mauern bricht.
Feiert mit der Buche, Farne,
Denn die Gute ist verliebt,
Seit das Moos im grünen Garne,
Ihr am Abend Küsschen gibt.

Zähme deine Angst, du Hase,
Ist doch nur ein Hirngespinst,
Das mit Brille auf der Nase,
Böse aus der Höhle grinst.
Kommt aus dem Versteck ihr Mäuse,
Wartet auf die Dämmerung,
Helft den Schnecken ins Gehäuse
Und den Böcken auf den Sprung.

Mache dich vom Acker, Krähe,
Denn der Mann im blauen Zwirn
Ist ein Bauer aus der Nähe,
Hat schon Falten auf der Stirn.
Meide diesen Brunnen, Fliege,
Lange war das Wasser klar,
Bis ein Zicklein (mit der Ziege)
Nach dem Abtrieb baden war.

Lass den Kopf nicht hängen, Weide,
Weil ein Sturm das Veilchen knickt,
Denn es kommt im neuen Kleide,
Wenn der Frühling Blumen strickt.
Ziehe deine Fäden, Spinne,
Webe sie von Zweig zu Zweig,
Bist der Beute schon im Sinne
Und dem Herbst ein Fingerzeig.

Gehe auf die Suche, Erle,
Dort wo selten Schatten ist,
Find im Wald die schönste Perle,
Fall du es nicht selber bist.
Achtet auf den Wolf ihr Rehe,
Der sich tief im Holz versteckt,
Hinter einer dichten Schlehe
Ist der Tisch zum Mahl gedeckt.

Walte deines Amtes, Winter,
Male Fichten in den Schnee,
Weiße Dächer und dahinter
Einen schwanbeflockten See.
Nag nicht an der Brücke, Biber,
Muss doch noch hinüber gehn,
Sei nicht traurig, hoffe lieber
Auf ein nahes Wiedersehn.

Hast nicht viele Blätter, Linde,
Bist am Weg der ärmste Baum,
Wenn im Mai ich Glöckchen finde,
Näh ich sie an deinen Saum.
Legt am Himmel an ihr Sterne,
Leuchtet bis ihr gehen müsst,
Winkt der Morgen aus der Ferne,
Werd auch ich bald wachgeküsst.


© andere dimension
 

Carina M.

Mitglied
Lieber AnDi,

ich bin wieder und immer wieder wirklich begeistert, von deinen lyrischen Beiträgen.
Mir fehlen tatsächlich die Worte, um zu beschreiben wie fantastisch und einmalig ich deine Gedichte finde.

Perlen der Lyrik.
Schön, dass ich so etwas hier lesen kann.

Alles Liebe für dich,
Carina
 
G

gitano

Gast
Huhu AD!
wenn ich als besonders textkritisch gelte, wirst du mir sicher nachsehen dass ich mit "8" bewerte.
ich finde die skalenaussage dazu passend:
der text gefällt mir gut - für einen spitzenplatz reicht es aber noch nicht"

ich kann dir auch mitteilen worin für mich der unterschied zur 10 noch besteht:
- innovativer (vielleicht neuer) sprachgebrauch
- neue (vielleicht überraschende)sichtweisen auf den inhaltlichen gegenstand
- formeninnovation...vielleicht sogar ein klarer zusammenhang / eine transformation von aufbereitetem inhalt und form
-schwierigkeitsgrad : Inhalt /form
- klarheit der gedanken / sinnsentenzen...dabei kann auch rauskommen, dass man verwirrt ist ;)

Es mangelt dir nicht an bildideen und diziplin diese bilder in eine form zu geben...in den von dir gewählten formen ist es ist aber auch immer etwas leidenschaftsbremsend im inhalt, im temperament, etwas sehr zurückgenommen, mehr ein handwerksbeweis deiner fähigkeiten als ein bekenntnis als autor ...darauf warte ich aber noch....kannste glauben ;)

...eine strenge 8 ist wie eine 9 mit wohlwollen ;)
liebe grüße
gitano
 
Hallo gitano

ich habe deinen Kommentar gerne gelesen!

Viel wichtiger als eine Note... ist mir das/dein Statement...damit kann ich etwas anfangen. Und Du hast es schon richtig erkannt; das Handwerk dominiert hier über die Innovation - die ist mir dann beim Vers Libre umso wertvoller.
Dieses Gedicht war mehr eine Herausforderung was mein Durchhaltevermögen betrifft. Ich las in letzter Zeit viele
Diskussionen zum Thema saubere/unsaubere Reime. Dabei wurden Maßstäbe angelegt oder Kriterien festgelegt, an denen jede
Ballade eines Goethe, Schiller und Co. scheitern würde...macht
man sich die Mühe das mal zu recherchieren. Schillers Glocke oder Goethes Erlkönig würden demzufolge den heutigen Ansprüchen nicht mehr genügen. Einzig Storm könnte dem noch standhalten.
Natürlich ist das Quatsch, aber für mich war es ein Ansporn dieses Gedicht zu schreiben. Kriterien waren: Mehr als 60 Zeilen,
eine in sich schlüssige Geschichte, logische Zeitfolge und plausible Konstellation der Protagonisten (in diesem Fall Tiere und Pflanzen...), Bilder und Reime zu finden die es zuvor noch nicht gab - und das alles möglichst sauber (obwohl ich diesen Begriff hasse) reimen...ohne dabei Kompromisse beim Satzbau einzugehen. Mit dem Ergebnis war/bin ich zufrieden, und wenn Dir das eine 8 wert ist, dann freut mich das umso mehr.

Vielen Dank für deine ansprechende Kritik und Gruß
A.D.
 
Bilder einer Traumbeseelten

Müht euch aus dem Tale, Winde,
Pustet Träume in die Nacht,
Die der Mond, ach mir dem Kinde,
Zärtlich auf den Mund gelacht.
Eilt ihr Vögel, mit dem Pickel,
Korn und Ähre leuchten gold,
Packt den Hagel fest am Wickel,
Zockt er mit des Sommers Sold.

Kämme deine Locken, Eiche,
Vor den Toren steht das Licht,
Nimm die Bürste, die ich reiche,
Wenn es durch die Mauern bricht.
Feiert mit der Fähe, Farne,
Denn die Gute ist verlobt,
Liebt den Fuchs im roten Garne,
Der mit ihr den Walzer probt.

Zähme deine Angst, du Hase,
Ist doch nur ein Hirngespinst,
Das mit Brille auf der Nase,
Böse aus der Höhle grinst.
Kommt aus dem Versteck ihr Mäuse,
Wartet auf die Dämmerung,
Helft den Schnecken ins Gehäuse
Und den Böcken auf den Sprung.

Mache dich vom Acker, Krähe,
Denn der Mann im blauen Zwirn
Ist ein Bauer aus der Nähe,
Hat schon Falten auf der Stirn.
Meide diesen Brunnen, Fliege,
Lange war das Wasser klar,
Bis ein Zicklein (mit der Ziege)
Nach dem Abtrieb baden war.

Lass den Kopf nicht hängen, Weide,
Weil ein Sturm das Veilchen knickt,
Denn es kommt im neuen Kleide,
Wenn der Frühling Blumen strickt.
Ziehe deine Fäden, Spinne,
Webe sie von Zweig zu Zweig,
Bist der Beute schon im Sinne
Und dem Herbst ein Fingerzeig.

Gehe auf die Suche, Erle,
Dort wo selten Schatten ist,
Find im Wald die schönste Perle,
Fall du es nicht selber bist.
Achtet auf den Wolf ihr Rehe,
Der sich tief im Holz versteckt,
Hinter einer dichten Schlehe
Ist der Tisch zum Mahl gedeckt.

Walte deines Amtes, Winter,
Male Fichten in den Schnee,
Weiße Dächer und dahinter
Einen schwanbeflockten See.
Nag nicht an der Brücke, Biber,
Muss doch noch hinüber gehn,
Sei nicht traurig, hoffe lieber
Auf ein nahes Wiedersehn.

Hast nicht viele Blätter, Linde,
Bist am Weg der ärmste Baum,
Wenn im Mai ich Glöckchen finde,
Näh ich sie an deinen Saum.
Legt am Himmel an ihr Sterne,
Leuchtet bis ihr gehen müsst,
Winkt der Morgen aus der Ferne,
Werd auch ich bald wachgeküsst.


© andere dimension
 
J

justooktavio

Gast
Ja, ach sehr schön! Ein ganzes Jahr im Austausch mit den Lebewesen... in Reimen :)
hat mir sehr gefallen.
Generell muss ich auch sagen, verfolge ich deine Gedichte sehr gerne!
LG
Justo
 



 
Oben Unten